DIE FURCHE · 19 14 Diskurs 11. Mai 2023 ERKLÄR MIR DEINE WELT Ich verlange von Kunst, dass sie mich anschreit Den gesamten Briefwechsel zwischen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger können Sie auf furche.at bzw. unter diesem QR-Code nachlesen. Hubert Gaisbauer ist Publizist. Er leitete die Abteilungen Gesellschaft- Jugend-Familie sowie Religion im ORF-Radio. „ Die Worte einer griechischen Tragödie sind stark genug, zeitgeistigen Regiewahn und ,kulturbourgeoises‘ Pausengeschwätz einfach wegzublasen. “ Wieder haben Sie es geschafft, dass ich nach dem Lesen Ihres Briefes sehr nachdenklich davor gesessen bin. Ich weiß, wie es ist, wenn man – etwa vor einem Konzert oder im Theaterfoyer – plötzlich unter Menschen steht, die eine Atmosphäre um sich verbreiten, als ob nur sie hier richtig wären. Über so ein Kultur-Gedränge fällt mir ein Wort von Peter Handke ein: „Da bin ich fern vom Ich, da bin ich jemand Anderer.“ Ich kann auch nur sehr schlecht Smalltalkisch, will vor einem Konzert nicht über das Wetter reden und lasse mir nachher nicht beckmesserisch zerreden, was mich vielleicht gerade zu Tränen gerührt hat. Denn eigentlich will ich ja doch „jemand Anderer“ werden, gerade wenn ich ins Theater, ins Konzert oder in eine Ausstellung gehe. Will mit mir ins Reine kommen. Nicht mehr fremd sein mit mir. Jedenfalls will ich zu den besser Angezogenen gehören. Darum habe ich ein weißes Hemd an und mir die Schuhe geputzt. Ich möchte nicht, dass sich jemand mit verschwitztem Sweatshirt neben mir niederlässt, sondern in einem blauen Blazer. Die Kunst (oder Kultur) und ich wollen ja ein Fest der Begegnung feiern. Ist das Hochkultur? Ich will nicht nur schwelgen, ja ich verlange von Kunst, dass sie mich immer wieder anschreit: Du musst dein Leben ändern! Wenn mir dies versagt bleibt, dann wäre ich besser in meinem Zimmer geblieben. Meist liegt es an mir. An meiner Erwartung – und an meiner Zustimmung zu dieser Anrede, die „mich aus der Zufriedenheit des Alltags heraus reißt. Und mich mitunter sogar leiden macht“ (Joseph Ratzinger). Ob Hochkultur oder nicht, wer fragt das, wenn man einer Aufführung einer griechischen Tragödie beiwohnt. Die dreitausend Jahre alten Worte sind stark genug, zeitgeistigen Regiewahn und „kulturbourgeoises“ Pausengeschwätz einfach wegzublasen. Beschenkt mit der Gabe der Begeisterungsfähigkeit So ist eben meine Welt. Und alles, was man gemeinhin Event nennt, habe ich mittlerweile aus ihr ausgeschlossen. Auch Freiluft-Konzerte, Blockbuster-Ausstellungen, die „man gesehen haben muss“. Da hat Kunst doch keine Chance, ihre Aura zu entfalten! Sie haben mich gefragt, ob Sie sich Ihre Barrieren zur sogenannten Hochkultur vielleicht einbilden. Und wie ich meinen Enkelinnen „die Liebe zur Kunst und Kultur“ vermitteln konnte. Vielleicht ist es anmaßend, wenn ich sage: weil mir der liebe Gott die Gabe der Begeisterungsfähigkeit geschenkt hat. Und dass ich diese Begeisterung – glaubwürdig und begründet – spüren lassen darf. Begeisterung hat ja mit Empathie, ja mit Liebe zu tun. Und vor allem mit Freude. Mir hat ein kleiner Nebensatz in Ihrem Brief gut gefallen: „…denn ich weiß, ich bin gut.“ Das hängt Gott sei Dank nicht von „kulturellen Codes“ ab. Und ja: Wir sollten Smartphone-Detox öfter genießen! Und uns überhaupt öfter das Entgiften des Denkens, Schreibens und Sprechens verordnen. Ein Wort noch zu Ihrer Empörung über die sexistische Schnitzler-Lesung: Darf man sagen, dass der Autor – bei all seinen Verdiensten – einfach ein Jahrhundertwende-Macho war? Ich grüße Sie herzlich, Ja! Sie erscheinen einem zunehmend skrupellos. Und zwar nicht erst, seit die Inflation in schwindelerregende Höhe gestiegen ist. Man erinnere sich an die Lockdowns innerhalb der Corona-Pandemie: Während Floristen, Spielzeuggeschäfte und Buchhändler schließen mussten, boten die Supermarktketten in großem Stil Blumensträuße, Plüschtiere, Puzzles und Romane feil. Nicht genug. Sie warben mit Rabattaktionen, um die Menschen zuhauf in die einzig offenen Geschäfte zu locken – was die Idee des Lockdowns unweigerlich konterkarierte. Gestoppt wurden sie dabei nicht. Einige Politiker äußerten sich damals halbherzig und „empfahlen“ den Konzernen, die Regale mit Nicht-Lebensmitteln abzusperren. Was diese natürlich nicht befolgten und weiter in gewohnter Manier Geschäfte machten. Die aktuelle Diskussion um die Lebensmittelpreise fühlt sich daher in meinen Augen wie ein Déjà vu an. Die hiesige Nahrungsmittelindustrie ist das Paradebeispiel einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung, in der zu 100 Prozent auf Gewinnmaximierung gesetzt wird – sie versucht also die Differenz zwischen den Erlösen aus dem Verkauf und den Kosten für deren Bereitstellung so groß wie möglich zu halten. Oder anders formuliert: Die jeweiligen Entscheidungsträger haben natürlich ein Interesse daran, dass die Preise für ihre Produkte immer weiter steigen. Stichwort Profit(gier). Ob sich Mindestpensionisten, Arbeitssuchende, LASS UNS STREITEN! Lebensmittelkonzerne als Bösewichte? Wenn es ein Unwort des Jahres gibt, dann lautet dieses „Gießkannenprinzip“. Marktliberale nutzen es, um notwendige Versuche einer Sozialpolitik zu degradieren. Linke Kräfte versuchen mit der Kannen-Kritik für große Reformen wie zum Beispiel die Einführung einer Vermögenssteuer zu werben. Und so wird die Gießkanne zum Symbol einer allgemeinen Unzufriedenheit des Status Quo. Doch die Inflation hat sich niemand ausgesucht. Weder die Supermärkte noch die Konsumenten. Keine Frage: Supermärkte sind die Gewinner der Corona-Pandemie. 2020 konnten sie in Österreich ein Jahres-Umsatzplus von 10,1 Prozent verzeichnen. In Deutschland lag dieses mit rund 7 Prozent niedriger. Und nun scheinen die Rewe, Hofer und Co. auch in Zeiten der Inkinderreiche Familien, Alleinerzieherinnen diese noch leisten können, ist ihnen einerlei. Unethisch ist das deshalb, weil es sich bei den Gütern nicht um Gucci-Uhren handelt, die sich jemand mit geringerem Einkommen schlicht verkneifen können muss, sondern um Grundnahrungsmittel. Milch, Butter, Mehl, Eier – all das sind Produkte, die der Mensch zum Leben braucht und die man kaufen muss, um gesund zu bleiben. Die Maxime der Gewinnmaximierung mutet in diesem Fall perfide an. Die alte Frage nach der moralischen Verantwortung von Unternehmen bekommt also angesichts der Teuerung ein neues Momentum. Bleibt zu hoffen, dass sich einige der Bösewichte besinnen und das von den Kundinnen und Kunden langfristig goutiert wird. (Brigitte Quint) flation immer weiter Gewinne zu machen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Eines vorweg: Natürlich sollten notwendige Lebensmittel günstiger sein. Supermärkte könnten auf freiwilliger Basis die Preise für eine Reihe von Produkten des täglichen Bedarfs für einen begrenzten Zeitraum möglichst niedrig halten. Dass sich die Ketten gegen dieses „französische Modell“ wehren, ist ein Armutszeugnis. Aber es gibt noch einen zweiten Aspekt, den man sich anschauen muss: Österreich ist ein Supermarktland. Die Supermarktdichte liegt bei rund 60 Prozent je 100.000 Einwohner. In Deutschland liegt diese bei nur 45 Prozent. Ein Zusammenhang zwischen Rekordgewinnen und Supermarktdichte ist, gerade im Vergleich mit Deutschland, evident. Und hier kommen die Konsumenten ins Spiel. Wenn der nächste Supermarkt ums Eck ist, fällt es schwerer, zum günstigeren Bauernmarkt zu laufen. Supermärkte machen so viel Gewinn, weil sich Menschen dafür entscheiden, dort einzukaufen. Sie entscheiden sich dadurch meist auch für ungesündere, verarbeitete Lebensmittel. Die hohe Supermarktdichte schafft andererseits auch unzählige Jobs, die Ketten zahlen Steuern in Österreich. All das darf man bei der Frage der „bösen“ Lebensmittelkonzerne nicht außer Acht lassen. Die Verteufelung der Supermärkte lenkt von einer wahren Reform der steuerlichen Umverteilung und der Eigenverantwortung der Konsumenten nur ab. Und das sogar ohne Gießkanne. (Manuela Tomic) Medieninhaber, Herausgeber und Verlag: Die Furche – Zeitschriften- Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KG Hainburger Straße 33, 1030 Wien www.furche.at Geschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner, Prokuristin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Chefredakteurin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Redaktion: Dr. Otto Friedrich (Stv. 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DIE FURCHE · 19 11. Mai 2023 Diskurs 15 Kommenden Sonntag werden den „lieben Mamas“ wieder Gedichte aufgesagt und Blumen überreicht. Wie geht es den beschenkten Frauen wirklich? Ein Gastkommentar mit Blick in die Geschichte. Muttertag – der schwierige Ehrentag Mama – bestimmt das dichteste Wort. Mutterliebe, Sie wissen, wovon ich spreche. Begründet durch das Faktum des Geboren-Habens. Diese Woche feiern wir wieder das Hochfest dieses Worts. Komisch nur, dass keine der Frauen in meinem Umfeld – mich eingeschlossen – ein entspanntes Verhältnis zum Muttertag hat. Wir freuen uns über die Basteleien und lieben Gedichte, keine Frage. Aber ich kenne keine Frau, die sagen würde, ihr läge etwas am Muttertag, als befeierte Mutter. Andererseits ist allen wichtig, die eigene Mutter zu feiern, also die Mühen abzugelten. Das heißt: kein Bedarf nach eigener Bedankung, aber sich selbst bedanken, das schon. Eine seltsame Schieflage, die sich auftut. Nur was sind die großen Linien des Muttergefühls und des Muttertags? Als Theologin beginne ich mit der Jesus-Bewegung, die keinen großen Wert auf den Mutterbegriff legte. Jesus forderte sein Umfeld auf, die Familien zu verlassen, zugunsten einer großen Gemeinschaft. Maria war in seinem Leben präsent, hatte aber keinen Einfluss auf sein Tun. Ob im Tempel als Zwölfjähriger oder bei der Hochzeit zu Kanaan: Besondere Rücksicht hat er nicht genommen auf seine Mutter. Wenigstens stellte Jesus kurz vor seinem Tod ihre Versorgung sicher. Auch im frühen Christentum bis ins Mittelalter war die Mutter-Kind-Beziehung kein hoher Wert. Bekannt ist der Topos der Märtyrerin, die sich das eigene Kind von der Brust nimmt und freiwillig in den Tod geht. Oder die Frauen, die ehe- und kinderlos lebten, in Orden oder sogenannten Beginengemeinschaften, also Gemeinschaften von Laien. Kein Raum für Mutterideal Ein Kind zu bekommen passierte den Frauen, und dann war man eben Mutter. Das Kind starb in den ersten Jahren, es wurde (und das nicht nur in reichen Häusern) von einer Amme gesäugt. Familie war eine Gemeinschaft, die gemeinsam über die Runden kommen wollte, mit – im Vergleich zu heute – wenig geschlechtsspezifischen Arbeiten. Da war kein Raum für Mutterideal. Foto: Caritas Auch das Bild von Maria, der Mutter Jesu als Vorbild aller Mütter, war ein anderes. Maria stand biblisch unabhängig neben Jesus und traf eigene Entscheidungen. Jesus stellte sie nicht als Vorbild für das Konzept Mutterschaft dar. Auch später, bis ins Mittelalter, war Maria mehr Kämpferin als Ertragende, wie das Bild der Schutzmantelmadonna verdeutlicht, die vor bösen Mächten schützt (vgl. FURCHE Nr. 18 S. 11). Dieses Bild hat sich im 18. und 19. Jahrhundert gewandelt. Hin zur reinen Magd, der aufopferungsbereiten Frau, voller Hingabe, die unser aller Mutter wurde. Maria als Vorbild für Frauen: keusch, demütig und gehorsam. DIESSEITS VON GUT UND BÖSE Von Katharina Renner „ Laut einer SORA- Studie sind 25 Prozent der Hilfesuchenden in Sozialberatungsstellen alleinerziehende Frauen. “ Die Bildveränderung geschah in der Zeit der industriellen Revolution. Die Arbeitsweisen änderten sich. Fabriken brauchten Arbeitskräfte. Das Lohnniveau stieg, Dienstbot(inn)en waren nicht mehr leistbar. Die Familien wurden kleiner, Wohnraum in der Stadt war knapp. Übrig blieben kleine Einheiten – Eltern, Kinder. Und siehe da, Mutter kümmerte sich um die Reproduktion, Vater arbeitete außerhäuslich. Man hätte es auch anders organisieren können, doch der Boden war gut aufbereitet: Konservative Kreise, die Arbeiterschaft und die Kirche – katholisch und evangelisch – befeuer- ten das Ideal der hingebungsvollen Mutter. Die Wirtschaft brauchte Menschen, die sich um die Fürsorge kümmerten, damit die anderen als Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Als Soziologin fasziniert mich der Muttertag als eine Geburt dieser Zeit. In den USA lenkte man den Blick ab den 1860ern auf die Situation von Müttern, in den Jahren zwischen 1907 und 1914 wurde der Muttertag zu einem offiziellen Feiertag, in den darauffolgenden Jahren verbreitete er sich in Europa. Teilzeit und Mental Load Eine Zeit lang funktionierte dieses System: Mutter zuhause, Vater in der Arbeit. Die Schwächen sind jedoch offensichtlich: Altersarmut ist weiblich. Eine SORA-Studie im Auftrag der Caritas zeigt, dass 25 Prozent der Hilfesuchenden in Sozialberatungsstellen alleinerziehende Frauen sind. Die Teilzeitquote von Vätern ist mit sieben Prozent minimal. Frauen mit Care-Aufgaben arbeiten zu mehr als zwei Drittel in Teilzeit und verdienen entsprechend weniger. Sie sind deshalb auch abhängiger von einem Mann und können sich schwerer aus einer Beziehung lösen, wenn Gewalt im Spiel ist. Viele Frauen leiden unter dem Mental Load: Sie sind, auch wenn beide Eltern in der Erziehung mithelfen, hauptverantwortlich für das „Kleinzeug“: Geburtstagsgeschenke, Arztbesuche, Verabredungen. Frauen mit Pflegeaufgaben sind beruflich weniger verfügbar und steigen deshalb seltener auf. Wer schon einmal einen Job nicht bekommen hat, weil sie schwanger war, weiß, dass Mutterschaft handfeste Nachteile hat. Ein guter Teil der Gesellschaft sieht sich verpflichtet zu einer Arbeit, die nicht allen liegt. Welch ein volkswirtschaftlicher Verlust! Um diese Schieflage abzugelten, bietet sich ein Ehrentag an, am besten im Frühling mit einem Blumenstrauß. Die beschenkten Frauen? Ertragen das Getue mit einem Lächeln und einem Bussi. Und arbeiten hin auf eine Zeit, wo es einen Muttertag nicht mehr braucht. Die Autorin ist Theologin, Soziologin, arbeitet bei der Caritas, ist ehrenamtliche Vizepräsidentin der Katholischen Aktion Österreich und Mutter von vier Kindern. ZUGESPITZT Kaninchen für Monarchie 2.0 Die Royals haben sich wieder in Szene gesetzt: Allein die kleine Fahrt vom Buckingham Palace nach Westminster-Abbey war wieder großes Kino. Kaum zu glauben, dass die britische Monarchie von bösen Zungen als „Disneyland“ verspottet wird. Die Gewänder, die Gesichter, die Rituale – wer die würdevolle Krönungszeremonie verfolgt hat, sieht sofort: Das hat nichts mit der modernen Missgeschicksente Donald Duck zu tun. Wiewohl Tiere für die Zukunft der Monarchie eine gewichtige Rolle spielen könnten. Wenn man schon die kindliche Phantasie strapaziert, dann bitte mit „Alice im Wunderland“. Charles der Dritte kennt das Buch bestimmt. Vielleicht würde er jetzt gern dem weißen Kaninchen folgen, um in einer anderen Welt aufzuwachen. Oder der einstige „Öko-Prinz“ hat bereits eine Vision für eine andere Welt. So wie er es in seinem Naturparadies auf Highgrove & Co angedeutet hat. Wenn ihn die Phantasie verzaubert, wird den Royals bald eine neue Rolle zukommen. Sie werden dann endlich ihren Ressourcenverbrauch drosseln. Und die nächste Krönung könnte bereits im neuen Setting stattfinden: in der Kathedrale des Waldes, beklatscht von Raupen und Igeln – und hymnisch umrahmt vom Chor jubilierender Vögel. Martin Tauss PORTRÄTIERT Herr Leopold ist der neue Abt von Wilten Herr Leopold – so und nicht „Pater“ ist die korrekte Anrede – ist vor nicht einmal vier Jahren zum Priester geweiht worden und gerade 35 Jahre alt. Der bisherige Seelsorger für das Gebiet Sellrain wurde am 4. Mai zum 56. Abt des Prämonstratenser Chorherren-Stiftes Wilten gewählt. Das im heutigen Innsbrucker Stadtteil liegende, 1128/38 gegründete, heute älteste Stift in Tirol hat somit einen jungen Vorsteher bekommen. Die Abtwahl war notwendig geworden, weil der bisherige Abt Norbert Schreier, der das Stift mehr als 30 Jahre geleitet hatte, mit Vollendung des 70. Lebensjahres sein Amt zurücklegte. Leopold Baumberger wurde 1987 im oberösterreichischen Steyr geboren. Er studierte Pharmazie in Graz und legte auch die Apothekerprüfung ab. Danach trat er ins Priesterseminar der Diözese Linz ein und begann in Innsbruck Theologie zu studieren. Dort lernte Baumberger den Prämonstratenserorden kennen und trat 2014 ins Stift Wilten ein. Am 30. Juni 2019 weihte ihn der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler zum Priester. Der von Norbert von Xanten Anfang des 12. Jahrhunderts gegründete Prämonstratenserorden besteht aus in Stiften lebenden Priestergemeinschaften, die nach der Regel des Augustinus leben. Sie sind nicht „Mönche“, sondern eben Chorherren, die ihr Leben aber auch nach den Evangelischen Räten Armut, Ehelosigkeit, Gehorsam ausrichten. Die Spiritualität der Prämonstratenser folgt der „Vita mixta“, das heißt der Verbindung von Kontemplation und aktiver Seelsorge. Die Gemeinschaft des Stiftes Wilten besteht heute aus 22 Chorherren. In einer ersten Stellungnahme nach der Abtwahl sprach Herr Leopold davon, dass er die Spuren des Glaubens in Wilten pflegen will, die bis in die Zeit der Römer zurückreichen: „Diese Tradition ist ein lebendiger Schatz, der uns anvertraut ist. Jede Generation hat den Auftrag, diese Geschichte weiterzuschreiben“, so Baumberger. Es gelte, Wilten „noch für viele weitere Generationen“ als Ort des lebendigen Glaubens zu erhalten. Innsbrucks Bischof Hermann Glettler beglückwünschte Baumberger mit den Worten: „Ich bin überzeugt, dass die Jugendlichkeit des ernannten Abtes ein klares Signal ist, auch für große kirchliche Aufgaben die Verantwortung in die Hände jüngerer Menschen zu legen. Die Prämonstratenser von Wilten haben sich für dieses Signal des Vertrauens und der Zuversicht entschieden, wofür ich sehr dankbar bin.“ (Otto Friedrich) Foto: Stift Wilten Leopold Baumberger, 35, wurde zum 56. Abt des Prämonstratenser-Stiftes Wilten in Tirol gewählt.
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