DIE FURCHE · 2 20 Fotografie 11. Jänner 2024 Der perfekte Schuss Stars (wie hier Brigitte Bardot 1957 in Cannes) sind für Paparazzi stets ein begehrtes Fotomotiv. Für die Porträtierten ist der Grat zwischen gewünschter und unerwünschter Aufmerksamkeit dabei oft schmal. Von Wenzel Müller In Rom begann es, in den 1960er Jahren. Schauspielstars wie Sophia Loren oder Anita Ekberg arbeiteten in den Filmstudios von Cinnecittá. Daneben führten sie auch ein Privatleben. Sie gingen spazieren, saßen in Cafés. Es waren Fotografen wie Velio Ciolli, dessen Namen heute niemand mehr kennt, die darangingen, ihnen nachzustellen, immer auf der Jagd nach Bildern, die sie ‒ die Reichen und Schönen ‒ in privaten Momenten zeigten. Einschlägige Zeitungen zahlten gutes Honorar für solche Fotos, die ihren Lesern das Gefühl gaben, denen da oben ganz nahe zu sein. Eine neue Fotografenkaste kam auf, die bald weltweit agierte: die Paparazzi. Sie kennen nur ein Motiv: die Prominenten. Der Begriff leitet sich im Übrigen von einer Figur in Federico Fellinis Film „La Dolce Vita“ her, nämlich dem Sensationsfotografen Paparazzo. Dieser eher aggressiven Spielart des Bildjournalismus widmet das Fotomuseum Westlicht seine aktuelle Ausstellung. Suche nach Authentizität Sie lauern ihren Opfern aus der Ferne auf, mit einem Super-Tele, oder stehen plötzlich vor ihnen, hervorgesprungen aus einem Versteck. Ihnen geht es um das authentische Bild, das unverstellte ‒ man kann auch sagen: den perfekten Schuss. Selten ist das gängige Wort vom „Foto schießen“ so angebracht. Das Genre lebt von einer gehörigen Portion Unverfrorenheit, möglicherweise ist das auch der Grund, weshalb man unter den Paparazzi kaum Frauen findet. Die Abgebildeten werden grundsätzlich nicht um ihr Einverständnis gefragt. Einmal wurde es Anita Ekberg zu viel. Fotografen waren ihr bis nach Hause gefolgt. Sie kommt wieder raus, diesmal mit Pfeil und Bogen, schießt (und trifft auch einen Fotografen am Arm). Die Bilder sind in der Ausstellung Foto: Courtesy Fotosammlung OstLicht Brigitte Bardot, Sophia Loren, Anita Ekberg: Jede Menge Prominente sind gerade im Westlicht zu sehen, abgelichtet in privaten Momenten. Über das Werk von Paparazzis, jener verrufenen Fotografenkaste, der das Fotomuseum seine aktuelle Ausstellung widmet. Auf der Jagd „ Das Genre lebt von einer gehörigen Portion Unverfrorenheit, möglicherweise ist das auch der Grund, weshalb man unter den Paparazzi kaum Frauen findet. “ zu sehen – auch sie, in den Augen der Paparazzi, erfolgreiche Treffer. Zeigen sie doch das vermeintlich wahre oder andere Gesicht der Berühmtheit. So sehr sich Paparazzi als Einzelkämpfer gerieren, treten sie gerne im Pulk auf. Um sich gegenseitig zu schützen, um gerade auch solche Momente im Bild festzuhalten, wo die andere Seite zum Gegenschlag ausholt. Marlon Brando schlug einem Sensationsfotografen sogar einmal mehrere Zähne aus. Das ist nicht im Bild festgehalten, doch ein anderes Bild zeigt, wie dieser Fotograf, Ron Galella („der König der Paparazzi“), bei einem nächsten Auftritt von Brando wieder in seiner Nähe war, nun gewappnet mit einem Baseball-Helm. In dem Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und dem Recht am eigenen Bild bewegt sich die Paparazzi-Fotografie. Gemeinhin werden diese Fotografen als gewissenlose Jäger dargestellt, erst recht nach dem Unfalltod von Lady Diana. Oft kommt es aber zwischen beiden Seiten auch zu einem einvernehmlichen Nehmen und Geben. Verständlicherweise wollen auch Stars einfach mal ihre Ruhe haben. Wäre allerdings gar keine Kamera mehr auf sie gerichtet, wäre es ihnen auch nicht recht. Lenny Kravitz zeigt, wie es ist, wenn plötzlich hunderte Blitze auf einen niedergehen. Diesen Moment hat der amerikanische Musiker in mehreren Fotos festgehalten. Diese Bilder lassen in der Ausstellung quasi die Gegenseite zu Wort kommen. Vertreten sind auch künstlerische Arbeiten, die die Ästhetik der Paparazzi-Fotografie aufgreifen. So zeigt Alison Jackson etwa die Queen am Bankautomaten. Täuschend echt wirkt diese Aufnahme, sie ist allerdings mit einer Schauspielerin gestellt. Ein Fake- Foto. Die österreichische Künstlergruppe G.R.A.M. präsentiert eine Fotoserie, die Prominente wie einfache Leute zeigt, beide Personengruppen gleich abgelichtet, im Stil der heimlich gemachten Aufnahme. Die betrachtende Person rätselt, wer von den Abgebildeten eine Berühmtheit ist und wer nicht. Ein Projekt, das den Machern selbst großen Spaß gemacht hat, doch inzwischen haben sie es aufgegeben. Damit ließe sich kein Geld mehr machen. Die Hochzeit der Paparazzi ist vorbei; verdrängt vom Handy mit Kamerafunktion. Heute ist es für jeden leicht, ein Foto von einem Star zu machen und es auf eine Social-Media-Plattform hochzuladen. Paparazzi! Ausstellung im Westlicht Bis 11. Februar 2024 Westbahnstraße 40, 1070 Wien Di, Mi, Fr 14‒19 Uhr, Do 14‒21 Uhr Sa, So, Fei 11‒19 Uhr westlicht.com FILMMONTAG THE WHALE Für die Darstellung des 270-Kilo- Mannes Charlie erhielt Brendan Fraser im Vorjahr den Hauptrollen-Oscar. Regisseur Darren Aranofsky ist hier auch perfektes Kino nach einem Theaterstück gelungen. Otto Friedrich/ DIE FURCHE und Christian Rath - ner/ORF analysieren „The Whale“. PRÄSENTIERT Montag, 15. Jänner, 19 Uhr, Otto-Mauer-Zentrum, 1090 Wien, Währinger Straße 2–4. Infos: www.kav-wien.at Foto: Panda Lichtspiele KULTUR IN KÜRZE ■ Nachlass Hedy Lamarr Objekte aus der insolventen Signa Holding werden zurzeit versteigert, ebenfalls zur Verwertung vorgesehen war der Nachlass von Hedy Lamarr. Doch dessen Versteigerung ist vorerst ausgesetzt. Die ursprünglichen Pläne für das Kaufhaus Lamarr sahen eine Eröffnung im Herbst 2024 vor, wobei die Namensgeberin, neben zahlreichen Abbildungen im ganzen Haus, in einem Museumscafé mit Memorabilien wie Fotografien, Kleider und Ähnlichem gewürdigt werden sollte. Als Kuratorin für das Projekt fungierte Danielle Spera, die auch den Ankauf des Nachlasses von Lamarrs Kindern vermittelt hatte. Dessen Wert wurde in einem Gutachten zuletzt auf 15.000 Euro geschätzt. MEDIEN ■ Peter Musyl (1934–2024) Der katholische Publizist ist im 90. Lebensjahr verstorben. Peter Musyl begann seine journalistische Karriere in der Lokalredaktion der Presse, bevor er im Jahr 1960 zur Kathpress wechselte, der er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1994 als Leiter des Ressorts Ausland und zuletzt als Chef vom Dienst und stv. Chefredakteur angehörte. Musyl verfasste Beiträge u.a. auch für Ö1, den Rheinischen Merkur, die Herder Korrespondenz und die deutsche Ausgabe des Osservatore Romano sowie – bis zuletzt – für das Monatsmagazin Kirche In. Er war ein lebenslanger Verfechter einer sich stetig reformierenden Kirche. Prägend dafür war das von Papst Johannes XXIII. einberufene Zweite Vatikanische Konzil.
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