DIE FURCHE · 32 4 Das Thema der Woche Die Macht des Wassers 10. August 2023 Von Wolfgang Machreich Es gibt eine Frau in Kenia, die heißt Ronaince Adhiambo, die war entsetzt, als sie die Ausbreitung der Trockengebiete sah – und sie beschloss, ihren Beitrag für ein grünes Afrika zu leisten. Es gibt einen Mann aus Slowenien, der heißt Rok Rozman, der war schockiert, als er die überbordenden Pläne für Wasserkraftwerke in den Ländern des Westbalkans sah – und er beschloss, sich für den Erhalt der letzten frei fließenden Gewässer in Europa einzusetzen. Es gibt eine Frau in Nordamerika, die heißt Aja DeCoteau, die wollte nicht mehr akzeptieren, dass die indigenen Stämme beim Management der Fischereiressourcen am Columbia River übergangen werden – und seither kämpft sie für eine zukunftsfähige Lachsfischerei . Dann gibt es noch Dune Lankard in Alaska; oder María Eugenia Millares Cahuana am Titicacasee in Peru; oder Tero Mustonen, der im Norden Finnlands mit traditionellem Wissen zerstörte Landschaften renaturiert. Gletscher-Tiefsee-Tour Alle diese Menschen und noch einmal so viele werden im Buch „WasserWelten“ mit ihren Projekten und Visionen vorgestellt, die der Untertitel des Buches zusammenfasst: „Der Schutz des Blauen Planeten vom Gletscher bis zur Tiefsee.“ Insofern könnte dieses Buch mit Fug und Recht auch den Titel „WasserMenschen“ am Einband stehen haben, sind es doch zwölf Biografien, anhand derer das immer stärker gefährdete Wohl und das immer weiter um sich greifende Weh des Blauen Planeten dargestellt wird. Das Buch handelt von Wasser, ist aber schwer wie ein Stein – zwei Kilogramm! Die Herausgeberin des Buches, Rachel Taylor, spricht in ihrem Einleitungstext die Schwere an, die angesichts aktueller ökologischer Katastrophenmeldungen und zukünftiger Katastrophenszenarien mit Wasserschutz- und generell Umweltschutzthemen einhergeht: „So viele Krisen, darauf könnte man leicht mit Panik, Schmerz und Lähmung reagieren. In dem Maß, wie sich die Krisen verstärken, verstärken sich auch diese Gefühle. Aber wenn wir es zulassen, CHEMIE & WASSERSCHUTZ Nasszellen graben 96.000 Hektar (mehr als doppelt so groß wie Wien) umfasst das Areal der Kuku Group Ranch in Kenia, das mit „Just diggit“ wieder begrünt wird. Zwölf Menschen zeigen, wie sie dem Rad der Geschichte, das voll an Schmelz-Dürre- Katastrophenszenarien ist, in die Speichen greifen. Den Planeten blau malen dass uns diese Gefühle auffressen oder leiten, dann können wir keine guten Entscheidungen über den Weg in die Zukunft treffen.“ Die eingangs genannte Kenianerin Ronaince Adhiambo hat sich nicht vom Schock, „nie zuvor hatte ich etwas so absolut Trockenes gesehen“, auffressen lassen. Sie teilte auch nicht die allgemeine Überzeugung, dass sich das ausgedörrte Land der Kuku „ Das Land ist völlig kahl, du machst die Gräben, der Regen kommt, die Bunds fangen das Regenwasser ein, und ein oder zwei Monate später treibt die Vegetation aus. “ Group Ranch – von Viehherden der Maasai überweidet, von tiefen Sandfurchen durchzogen und bedeckt mit dicken Schichten rötlichen Staubs – nicht mehr verändern, nie mehr begrünen lässt. Gemeinsam mit Aktivistinnen und Aktivisten der niederländischen Umwelt-NGO „Just diggit“ (deutsch: Grab einfach!), die sich dem Wiederergrünen Afrikas verschrieben hat, begann sie Sickerbecken zu graben. Mit diesen halbkreisförmigen „Bunds“ – einen halben Meter tief, sechs Meter lang, drei Meter breit –, die man in besonders degradierte Flächen gräbt, wird die undurchdringliche oberste Bodenschicht geöffnet und das Ablaufen des Wasser verhindert. „Du siehst, wie die Transformation vor deinen Augen Wo Industrie und Fische das Attersee-Wasser teilen Foto: Anthony Ochieng Onyango vonstatten geht“, wird Ronaince im ihr gewidmeten Kapitel über Trockengebiete zitiert. „Das Land ist völlig kahl, du machst die Gräben, der Regen kommt, die Bunds fangen das Regenwasser ein, und ein oder zwei Monate später treibt die Vegetation aus.“ Wenn der Regen ganz ausbleibt, helfen freilich auch solche Sammelbecken wenig. Doch aus eigener Erfahrung weiß die Expertin zur Wiederherstellung von Ökosystemen, dass „die Bunds so effizient und die Gräser so gut an Trockenheit angepasst sind, das selbst ein leichter Schauer neues Leben hervorzuheben vermag.“ Nächste Woche im Fokus: Wie Lachswanderung Neues Leben im Wasser, aus Wasser und mit Wasser ist der rote – oder sagt man in diesem Fall besser der blaue – Faden des Buches, das die zwölf Kapitel mit den jeweiligen Wasser-Protagonisten verbindet. Gleichzeitig ist „WasserWelten“ als eine Art Wasserreise aufgebaut. Der Leser beginnt die Wasser-Tournee auf dem Gletscher, watet entlang von Flüssen, durch Seen, Feucht- und Trockengebiete, kommt in Regenwälder, besucht Flussdelta, kommt an die Küste und erreicht an Korallenriffen vorbei schließlich Meere und Ozeane. Die Lektüre ist vergleichbar mit der Lachswanderung – zunächst vom Ort, wo die Fische geschlüpft sind, flussabwärts ins Meer, um nach bis zu sieben Jahren und weiten Reisen zum Laichen in die Geburtsgewässer zurückzukehren. Als Aja DeCoteau acht Jahre alt war, nahm ihr Großvater sie zum ersten Mal mit zum Lachsfischen im Klickitat River im Reservat der Yakama-Stammesgruppe im Süden des US-Bundesstaats Washington. „Ich sah, dass man sich um den Lachs kümmerte und wie wichtig er für meinen Großvater, meine Familie und meinen Stamm war“, beschreibt sie ihren WasserWelten-Schlüsselmoment. 30 Jahre später ist Aja Geschäftsführerin einer Organisation, die sich dafür einsetzt, dass der Lachs wieder seine angestammte Heimat und die indigenen Stämmen wieder ihr Recht auf Fischerei abseits von Ausbeuterei zuerkannt bekommen. Respekt, Kreativität, Phantasie und das Wissen, das alles Lebendige auf dieser Welt an Wasser gebunden ist, sind für Herausgeberin Taylor die Schlüssel für den Fortbestand der Farbe Blau auf diesem Planeten. Um diesen Schlüsselbund immer wieder zu finden, gibt sie den Rat: „Suchen Sie ein Gewässer in Ihrer Nähe, greifen Sie ins Wasser, und seien Sie dankbar für dieses Geschenk.“ WasserWelten Der Schutz des blauen Planeten vom Gletscher bis zur Tiefsee Benevento 2023 320 S., geb., € 79,95 Nach Sommer und Urlaub kommt der Herbst, die Zeit des Neu-Starts. Doch was ist nötig, damit ein Aufbruch gelingt – von Schule und Beruf über die Ankunft in einem neuen Land bis zum Einstieg in die ökosoziale Transformation? Ein Fokus über die Kunst des Anfangens. Der Fabrikschlot der Lenzing AG ist so hoch wie der Attersee tief. 169 Meter. Ein oberösterreichisches Industriedenkmal. Gleichzeitig Mahnmal für die mit der Industrie einhergehenden Umweltgefahren. Mittlerweile aber auch eine Art Leuchtturm, dass sich chemische Industrie und Umweltschutz mit gesetzlichen Auflagen, technischem Know-how und unternehmerischem Willen nicht ausschließen. „Die Lenzing AG gibt es noch, weil sie die Umweltfrage beantwortet hat“, sagt Bernhard Lintner beim Rundgang über das Werksgelände in Lenzing, Bezirk Vöcklabruck. Lintner leitet beim Faserhersteller und seinen weltweiten Ablegern mit insgesamt 8300 Mitarbeitern die Abteilung für Qualität, Umweltsicherheit und Gesundheitsmanagement. So wie in den Zellstoffwerken in Tschechien und Brasilien werden auch am Stammsitz Lenzing aus Holz Fasern für Textilien und Vliesstoffe – von Windeln über Autositzstoffe bis hin zu Bekleidung – hergestellt. Der vom Fachverband der Chemischen Industrie Österreich organisierte Werksrundgang führt an Holzlagern, so mächtig wie Kathedralen, vorbei. 800.000 Tonnen Durchforstungsholz, vor allem Buche, werden pro Jahr in Lenzing zerfasert. Das Werk in Brasilien betreibt eine Eukalyptus-Plantage. Jeder Baumstamm wird ratzeputz verwertet. Ein Nebenprodukt wie Xylose (Holzzucker) nützen Diabetiker, Essigsäure aus Holz geht in die Lebensmittelindustrie. Ums Eck von der Essig-Abfüllanlage fließt Lintners „Stolz“ durchs Werksgelände. Die Ager ist der Abfluss des Attersees und mündet nach gut 30 Kilometern Fließstrecke in die Traun. Das „Flüsschen“ (Lintner) lockte seit jeher Hammer- und Mühlenbetriebe, später Papier- und Zellwolle-Fabriken an. Mit fatalen Folgen für die Wasserqualität. Lange dümpelte der Industriefluss schwer belastet, mit Schaumkronen gekrönt, in der Güteklasse 4. Seit dem neuen Jahrtausend ist Güteklasse 2 Standard. „Das Attersee-Wasser ist nach unserem Werk gleich gut wie davor“, sagt Lintner. Verantwortlich dafür sind geschlossene Kreisläufe für Chemikalien, Prozess- und Kühlwasser sowie effektive Kläranlagen. Kommt das Wasser im Sommer überdurchschnittlich warm aus dem See, muss Lenzing das Werkwasser kühlen, beschreibt Lintner eine Herausforderung, „wo wir fast keinen Spielraum mehr haben“. Die Einhaltung der Kriterien wird von der Behörde via Messstationen online kontrolliert. Am besten können das aber die Barbe, Aitel und anderen Weißfischarten, Perlfisch, Mühlkoppe oder Forelle, die die Ager kühl und sauber lieben – und die man jetzt dort wieder fischen kann. (wm) Foto: Wolfgang Machreich „Die Ager ist nicht größer geworden“, sagt der Lenzing-Umweltchef. Deswegen wurde die Fabrik grüner.
DIE FURCHE · 32 10. August 2023 International 5 Soll und kann die Ukraine Atomwaffen erhalten? Die Frage steht zumindest im Raum – doch die Konsequenzen eines solchen Schrittes könnten verheerend sein. Eine Analyse. Atomares Politik des Schreckens Seit Hiroshima (Bild) ist atomare Abschreckung Teil der Kriegs- und Friedenslogik. Der von Österreich mitinitiierte und seit 2021 geltende Atomwaffenverbotsvertrag soll dies beenden; bislang hat ihn freilich keine Atommacht unterschrieben. Von Jan Opielka Am 6. August jährte sich der Abwurf der US-amerikanischen Atombombe über dem japanischen Hiroshima zum 78. Mal. Seit dem zweiten Abwurf über Nagasaki drei Tage später, am 9. August 1945, wurde die verheerendste aller Waffen bis heute nie wieder gegen Menschen und im Krieg eingesetzt. Doch nach Meinung vieler Experten steht die Welt heute so nah am möglichen Einsatz von Atomwaffen wie seit den Zeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Bereits wenige Monate nach seinem Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hatte Präsident Wladimir Putin den Einsatz von Atomwaffen als mögliches Szenario bezeichnet, sollte Russlands Existenz bedroht sein. „Das ist kein Bluff“, sagte der Kreml-Chef im September 2022. „Diejenigen, die versuchen, uns mit Atomwaffen zu erpressen, sollten wissen, dass sich die Wetterfahne drehen und auf sie zeigen kann.“ Die mögliche Stationierung von Atomwaffen in der Ukraine durch den Westen hatte Putin auch als Erklärung für den russischen Überfall auf das Nachbarland genannt. Wertloses Memorandum Russland und die USA verfügen über die weltweit mit Abstand größten Atomwaffenarsenale. Die Ukraine stand vor rund drei Jahrzehnten in dieser Rangliste kurzzeitig an dritter Stelle. Denn in dem 1991 unabhängig gewordenem Land waren damals noch riesige Bestände aus Sowjetzeiten stationiert – jedoch ohne operative Kontrolle, die stets in Moskau lag. Nach der Unterzeichnung des Budapester Memorandums im Jahr 1994 wurden die Waffen schrittweise nach Russland gebracht bzw. vernichtet. Im besagten Memorandum sicherten Russland, die USA und Großbritannien der Ukraine im Gegenzug Sicherheitsgarantien zu. Doch der Überfall Russlands hat gezeigt, dass das auf vier knappen Seiten gefasste Memorandum das Papier nicht wert war, auf dem es stand. Auch deshalb deuteten ukrainische Politiker in der Vergangenheit immer wieder an, entweder würde die Ukraine Teil der NATO – oder aber sie müsse „über nukleare Aufrüstung nachdenken“, wie etwa der langjährige ukrainische Botschafter in Deutschland und spätere Vize-Außenminister der Ukraine, Andrej Melnyk, im April 2021 sagte. Nach dem aus Kiews Sicht enttäuschenden Ergebnis des NATO- Gipfels von Mitte Juli in Wilna dürften diese Erwägungen an Nahrung gewinnen. Zwar fordert die ukrainische Regierung offiziell keine Atomwaffen vom Westen. Dennoch glüht die Debatte darüber im Hintergrund weiter – wenn auch eher unter militärpolitischen Falken. Michael Rubin, Senior Fellow des einflussreichen US-Think-Tanks American Enterprise Institute (AEI), schreibt etwa: „Angesichts der ukrainischen Gegenoffensive wird die Drohung, dass Russland taktische Atomwaffen einsetzen könnte, immer wahrscheinlicher.“ Doch diese Drohung solle nicht etwa durch Verhandlungen gemindert werden, sondern durch eine Gegendrohung: „Präsident Biden sollte Russland klar und deutlich sagen, dass jeder Einsatz von Atomwaffen jeglicher Größe gegen die Ukraine dazu führen wird, dass die USA der Ukraine die gleichen Arten von Atomwaffen zur Verfügung stellen, ohne zu kontrollieren, wo und wie die Ukraine sie einsetzen könnte“, so Rubin. „Der Westen muss seine Nuklearpolitik an der Realität ausrichten, nicht an Wunschdenken.“ Diese Position ist zwar selbst in den USA keine Mehrheitsmeinung – zumindest noch nicht. Vor allem, weil Russland einen solchen Schritt als ultimativen Endpunkt bezeichnet. „Wenn jemand im Westen alles auf diesem Planeten ausschalten will – sowohl das Minenfeld Licht als auch im Prinzip die Existenz –, dann wird er anfangen, dem Kiewer Regime Atomwaffen zu liefern“, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, im Juni dieses Jahres. Doch sprechen moderatere Stimmen auch in Europa immer deutlicher darüber, dass Atomwaffen als Instrument der Abschreckung künftig wieder relevanter werden müssten. „ Viele Länder ziehen eine Lehre aus dem Ukrainekrieg: ,Wer Atomwaffen hat, ist sicher; wer keine hat: ist vogelfrei.‘ “ Militärexpertin Claudia Major Foto: picturedesk.com/ imagebroker / Moritz Wolf Auf furche.at bzw. diesem QR-Code finden Sie das Dossier „Atomwaffen: Lehren aus Hiroshima“ mit Texten aus dem FURCHE- Navigator. Atomwaffen als „Versicherung“? Der Ukrainekrieg habe die Bedeutung von Atomwaffen als „ultimative Lebensversicherung“ unterstrichen, schreibt etwa die Militärexpertin Claudia Major von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). „Das Prinzip der nuklearen Abschreckung schützt die NATO-Staaten und Russland gleichermaßen. Denn bislang hat Russland jeglichen Konflikt mit den Alliierten vermieden.“ Die Lehre, die viele Staaten aus dem Ukrainekrieg ziehen würden, sei: „Wer Atomwaffen hat, ist sicher, wer keine hat: ist vogelfrei.“ Doch die scheinbar einfache Formel der nuklearen Abschreckung birgt unberechenbare Risiken. Denn mit jeder Verbreitung und neuer Stationierung von Atomwaffen steigt auch die Gefahr, dass sie eingesetzt werden, auch ungewollt – etwa durch übereilte Reaktion auf missinterpretierte Handlungen der Gegenseite. Während des Kalten Krieges stand die Welt mehrmals am Rande eines atomaren Abgrundes, etwa im Jahr 1983, hervorgerufen durch das NATO-Manöver „Able Archer“, auf das die Sowjets panikartig reagierten. Nach einer seit 1986 folgenden Phase atomarer Abrüstung wurden seit Beginn der 2000er Jahre Verträge zur Kontrolle atomarer Rüstung aufgeweicht oder aufgekündigt. Einer der letzten und wichtigsten, der New-Start-Vertrag zwischen den USA und Russland zur Reduzierung strategischer Trägersysteme für Atomwaffen, steht derzeit auf der Kippe, seit Putin im Februar die Teilnahme daran aussetzte. Einen Monat später kündigte er an, in Belarus russische Atomwaffen zu stationieren – und hat dies nach eigenen Angaben im Juni bereits getan. Die NATO hat bislang zwar keine entsprechenden Verlegungen bestätigt. Doch laut der Nachrichtenagentur AP weisen einige Militär-Experten darauf hin, dass „westliche Geheimdienste möglicherweise nicht in der Lage sind, solche Bewegungen zu überwachen“. Taktische Atomwaffen sind vergleichsweise leicht zu transportieren, ihre Sprengkraft ist um etwa das fünfzehnfache geringer als etwa jene der Atombombe, die in Hiroshima zum Einsatz kam. Geht es nach dem russischen Außenpolitik-Experten Sergej Karaganow, der den russischen Sicherheitsrat berät, sei es aus Moskaus Sicht daher „notwendig, die Angst vor nuklearer Eskalation wiederaufzubauen“. Die Stationierung von Atomwaffen in Belarus sei dabei der erste Schritt, so Karaganow – ein erster Schritt, dem eine Warnung an ethnische Russen in Ländern, die die Ukraine unterstützen, folgen könnte, Gebiete in der Nähe von Einrichtungen zu evakuieren, die nukleare Ziele sein könnten. Spiel mit dem Feuer Offen ist, wie viel reale Gefahr eines russischen Atomeinsatzes in oder außerhalb der Ukraine besteht – und was eine offen angekündigte oder geheime Verlegung taktischer Atomwaffen durch die USA in die Ukraine bewirken würde. Fakt ist: So oder so ist es ein Spiel mit unberechenbarem Feuer, währenddessen sich die Eskalationsspirale konventioneller Angriffe unentwegt weiterdreht. Die zuletzt immer häufigeren Angriffe der Ukraine auf russischem Staatsgebiet – die Drohnenangriffe auf Moskau, aber auch die Bombardierung eines russischen Tankers nahe der Krim und die Zerstörung von dortiger Infrastruktur – machen die Lage noch explosiver. „Allmählich kehrt der Krieg auf das Territorium Russlands zurück – in seine symbolischen Zentren und Militärstützpunkte“, sagte Wolodymyr Selenskyj Ende Juli. Dies sei ein „unvermeidlicher, natürlicher und absolut fairer Prozess“. Russland antwortete auf die Angriffe mit Bombardements auf Getreidelager in Odessa sowie in Ismajil an der ukrainisch-rumänischen Grenze; und Putin kündigt die Ausweitung der Drohnen-Produktion an. Steht am Ende der langen Eskalationsspirale ein „kalter Frieden“, wie bis heute zwischen Nord- und Südkorea am 38. Breitengrad – oder der Einsatz von Atomwaffen?
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