Aufrufe
vor 11 Monaten

DIE FURCHE 10.08.2023

  • Text
  • Frankreich
  • Welt
  • Europa
  • Menschen
  • Wien
  • Foto
  • Wiener
  • August
  • Deutschland
  • Furche

DIE

DIE FURCHE · 32 20 Ausstellung 10. August 2023 Hinter dem Schleier Die Bilder von Véronique de Viguerie beeindrucken und hallen noch lange nach. Von Brigitte Schwens-Harrant FEDERSPIEL Wölfische Praxis Wir fahren über das Land. Die Wiesen stehen unter Wasser. Die Bäume sind entwurzelt, totes Holz für Borkenkäfer, Spinnen und Zecken, die viral mit Fleischallergie anstecken. Was geschieht, wenn es keine Fleischfresser mehr gibt? So komme ich auf den Wolf, der eine gute Seite hat, er reißt die wilden, kranken Schwachen. Der Isegrimm schützt das Gras vor Wild. Selten liegt er am Waldesrand und inspiziert die menschliche Lebensweise. Elektrische Zäune werden nötig, die Herden zu schützen. Der Wolf neigt zum Massaker. Er ist auch ein gutes Familienmitglied. Hitlers Liebling war der Wolf. Die biologische Verwandtschaft beweist die soziale Ader, die jederzeit unmenschlich sein kann. Mensch und Wolf sind Kooperationstiere, soziale Laufjäger. Der Mensch ist sesshaft geworden, hat mit Bedeutung zu spielen angefangen, um aus Wirklichkeit Fiktion und wieder Wirklichkeit zu schaffen. Eine Reißerische. Politik sozusagen. So wurde der Wolf zum Projektionstier für Ideologen. Wölfe sind verspielt, neugierig, misstrauisch. Tun nur, was für sie Sinn Mit Fotos mehr und anders sehen: Das alljährliche Festival „La Gacilly-Baden Photo“ lädt bis Oktober zu einem Stadtbummel ein. Splitter von Welt in Badener Parks Schaut man ein Bild an, sieht man nie nur das Bild oder das Dargestellte. Man erblickt auch einen Rahmen. Das Handy, in dem das Bild aufscheint, zum Beispiel. Den Bilderrahmen, der das Kunstwerk präsentiert. Die Wand dahinter. Aber auch den Rahmen in einem weiteren Sinn: nämlich den Raum, in dem ein Bild begegnet. Wie sehr der jeweilige Raum ein darin gezeigtes Bild prägt und mitgestaltet, das kann man alljährlich auf dem Festival „La Gacilly-Baden Photo“ wahrnehmen und reflektieren. Ungefähr 1.500 Fotografien sind heuer wieder bis 15. Oktober 2023 unter freiem Himmel in Baden bei Wien zu sehen, ohne Eintrittsgebühren, jederzeit besuchbar, platziert auf Häuserwänden, in Durchgängen und aufgestellt in Parks. Vor allem die Gartenroute, die vorbei an der Römertherme (wo man auch einen kostenlosen Routenplan erhält) über den Gutenbrunner Park in den Doblhoffpark führt, macht den Zauber einer derartigen Outdoor-Ausstellung sichtbar. Die Fotos wirken in teils enormer Größe (bis zu 280m²) besonders stark, die Entfernung zum eigenen „ Vor allem die Gartenroute, die in den Doblhoffpark führt, macht den Zauber einer derartigen Outdoor-Ausstellung sichtbar. “ Standort der Betrachtung kann zudem recht frei gewählt werden – und die Umgebung macht etwas mit den Bildern. Sie kommentiert und kontrastiert. Die Sand-Fotografien von Hashem Shakeri etwa zeigen Gebiete extremster Trockenheit im Iran. Früher galten sie mit ihren fruchtbaren Böden und genügend Wasser als Kornkammer der Region, inzwischen sind sie aufgrund klimatischer Veränderungen zur Sandwüste mutiert macht. Ein Hund hat größere Dominanzakzeptanz, ist machtpolitisch nützlicher. Der Wolf löst ambivalente Gefühle aus, Bewunderung für die Unberechenbarkeit und die Abscheu vorm Massaker. Er ruft das Verhältnis zum Tier auf den Plan. Die Selektion auf Zähmbarkeit hat ihn auseinanderdividiert. Aber jetzt bleibt der SUV in der vermurten Straße stecken. Wer ist verantwortlich dafür? Bitte einen Sündenbock! Der Wolf? Die Autoindustrie? Mittler zwischen Sprit und spiritueller Allmachtphantasie? Der Motor heult. Die Sehnsucht nach Herrschaft über die Wildnis steigt, sonst kommt noch Tollwut, weil wir mit dem Wolf nicht fertig werden, dafür aber verlangen, Elefanten, Flusspferde, Tiger zu schützen, obwohl sie Menschentote produzieren. Die Bienen nicht zu vergessen. Sie tragen auch Verantwortung. Wann werden Lobbyisten auf sie schießen? Die Autorin ist Schriftstellerin. Von Lydia Mischkulnig Foto: Brigitte Schwens-Harrant DIE FURCHE EMPFIEHLT Jazzfestival Saalfelden und von 30 Prozent der Bevölkerung verlassen worden. Während man vor diesen Bildern steht, hört man im Hintergrund Wasser – das Plätschern des Springbrunnens – und schaut man auf üppige Vegetation, denn in einer solchen stehen die im Doblhoffpark aufgestellten Fotos. Gohar Dashtis Serie „Land/s“ wiederum zeigt Landschaftsfotografien, die in einer Landschaft stehen. Dashtis Fotografien stehen wiederum in einer Landschaft, nämlich jener des Parks: Hier sieht man also ein Foto, das Natur zeigt, in einem Foto, das Natur und dieses Foto zeigt, in einer Natur, die samt diesem Foto dann wiederum fotografiert werden kann usw. usf. In welchem Verhältnis stehen Fotografie und Natur, welche Fenster öffnen Fotos, öffnet die Natur in Fotos, öffnet die Natur? Traditionellerweise verfolgt das Festival immer auch ein klar umweltpolitisches Anliegen; man stellt Fotografien auf, die dezidiert die schützenswerte Erde und Regionen fokussieren, die blinde Flecken im europäischen Blick darstellen, zugleich aber Ressourcenlieferanten für den westlichen Lebensstil. Am Gang durch die Parks geht man an diesen Fotos vorbei, hält inne, spricht darüber. Das Festival ist ein Ort der Begegnung und des Gesprächs. Auffälliger freilich sind die Beiträge aus dem (und über) Iran, Afghanistan und Pakistan, konkret von Abbas, Gohar Dashti, Ebrahim Noroozi, Maryam Firuzi, Hashem Shakeri, Paul Almasy, Véronique de Viguerie, Fatimah Hossaini, Shah Marai und Wakil Kohsar, Sarah Caron. Die Fotograf(inn)en stammen einmal aus den genannten Ländern, dann wiederum bereisten sie sie. Ob der diesjährige Titel des Festivals „Orient!“ gelungen ist oder womöglich eher Klischeeräume öffnet, statt sie zu hinterfragen, darüber ließe sich trefflich streiten. Schwarzweiße Kunst Die Schwarzweiß-Fotografien des 2018 verstorbenen iranischen Fotografen Abbas Attar und jene des französischen Fotografen Paul Almasy stechen hervor. Letzter hat zwischen 1950 und 1960 in Afghanistan fotografiert; seine Bilder zeigen ein in westlichem Sinn und auch aus heutiger Sicht modernes Land, etwa unverschleierte Mädchen neben Buben in der Schule. Überhaupt sind wichtige Aufnahmen den Mädchen und Frauen gewidmet. Fatimah Hossaini eröffnet das Thema mit „Hinter dem Schleier“, vor allem die im Gutenbrunner Park aufgestellten Fotografien von Véronique de Viguerie aber beeindrucken und hallen noch lange nach. Das auf einer Hauswand hoch über dem Park montierte große Porträt eines Mädchens aus dem Dorf Yakawlang in der Provinz Bamiyan überblickt die „Splitter des Friedens“, die auf der Wiese begehbar sind, Momente des Menschlichen in Zeiten des Krieges, trotz der auch dargestellten Taliban und der Waffengewalt. Man geht durch Baden und zugleich durch Splitter der Welt. Festival „La Gacilly-Baden Photo“ Baden, bis 15. Oktober 2023 festival-lagacilly-baden.photo Am 17. August beginnt die 43. Ausgabe des Jazzfestivals Saalfelden, vier Tage mit musikalischen Highlights und Entdeckungen, auf sechs offiziellen Bühnen in der Stadt verteilt und mit den „Mountain Tracks“ auch in freier Natur. Die kleine Stadt im Salzburger Land verwandelt sich in einen internationalen Treffpunkt, der Musikschaffende mit und ohne Bühnenprogramm sowie die Akteure „vor und hinter der Bühne“ anlockt, um dem professionellen, aber auch geselligen Austausch rund um die Musik beizuwohnen. Ö1 sendet am 19. August ab 10 Uhr und ab 22 Uhr). Weitere Informationen unter www.jazzsaalfelden.com.

DIE FURCHE 2024

DIE FURCHE 2023