DIE FURCHE · 32 14 Diskurs 10. August 2023 ERKLÄR MIR DEINE WELT Nein, das will ich nicht, auch nicht im Spiel Den gesamten Briefwechsel zwischen Johanna Hirzberger und Hubert Gaisbauer können Sie auf furche.at bzw. unter diesem QR-Code nachlesen. Johanna Hirzberger ist Redakteurin von „Radio Radieschen“ und freie Mitarbeiterin von Ö1. Den Briefwechsel gibt es jetzt auch zum Hören unter furche.at/podcast Oh, wie schön, wieder ist es Ihnen gelungen, mit einer Ihrer Erinnerungen mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Und das am frühen Morgen. So wie Sie bei Barbies tobten, erlebte ich meine Mutter beim Kirtag, als ich mir von ihr eine Spielzeugwaffe wünschte. Als Kindergartenkind hatte ich einen sehr guten Freund, der diverse Pistolenarten inklusive kleiner oranger Plastikpatronen in seinem Spielzeugsortiment hatte - und naja, ich wollte mich wehren. Über zehn Jahre später war ich Au-Pair in Holland und verstand, warum meine Mutter mir diesen Wunsch verwehrt hatte. Als Wochenend-Event traf ich mich mit meinen italienischen, schwedischen und „ So wie Sie bei Barbies tobten, erlebte ich meine Mutter, als ich mir eine Spielzeugwaffe wünschte. Heute bin ich ihr für ihre Durchsetzungskraft dankbar. “ niederländischen Freundinnen beim Lasertag. Ich habe es kaum erwarten können. Mein Bauch kribbelte vor Vorfreude, als mir meine Kampfausrüstung übergeben wurde. Dann ging es ins Dunkle, und als ich mit dem Laser auf eine Freundin zielte, wurde mir mulmig. „Nein, das will ich nicht, auch nicht als Spiel“, wurde mir bewusst. Und so wartete ich in meinem Versteck, bis der Trubel vorbei war. Seitdem war ich von meinem Wunsch geheilt und bin meiner Mutter für ihre Durchsetzungskraft dankbar. Der Horror von Klimaprognosen reicht Allerdings begeistert es mich, wenn Erwachsene in der Konfrontation mit ihren Kindern Liebe über Ideologie stellen. Durch meine Nichte und meinen Neffen komme auch ich langsam in diesen Genuss – und muss manchmal im Nachhinein auch über die Situationen schmunzeln. Zum Beispiel, wenn ich mich mit meiner Nichte zu einer Netflix- Night treffe und ich die Wahl zwischen den Kardashians oder Horrorfilmen habe. Beides reizt in mir ideologische Argumentationslust. Ich erinnere mich dann daran, wie ich als Teenager meine Cousine in Kärnten besucht habe, und wir uns in die Horrorabteilung des Filmverleihs schlichen, um den angsteinflößendsten Film zu finden, den wir anschauen könnten. Einmal war es „Blair Witch Project“. Dann verstehe ich, warum meine Nichte so gern diese Filme konsumiert – ich vermute, es ist der Reiz des „Gefährlichen“. Aber: Der Horror zukünftiger Klimaprognosen und ihre gegenwärtigen Vorboten reichen mir an Nervenkitzel aus, deshalb entscheide ich mich meist für die Kim und Co. Vielen Dank, dass Sie sich auf das Thema Ageism einlassen. Ich möchte noch etwas zur Definition des Begriffes ergänzen. Wenn Sie schreiben „Beide [Papst und Bundespräsident] zeigen keine Spur von Ageismus“ und fortführen, dass das Verhallen ihrer Rufe den starrsinnigen Adressatinnen geschuldet sei, ist genau das Ageism. Zumindest wenn man ihnen nicht zuhört, weil sie älter sind. Denn die Diskriminierung aufgrund des Alters kommt selten von innen, sondern von der Gesellschaft. Umso erfreulicher stimmt mich Ihr Fund aus dem Lexikon und ihren Textfragmenten. Über einen Einblick in letztere würde ich mich sehr freuen. Zu guter Letzt bringen Sie mich mit Ihrer Frage, was ich von Tattoos halte, noch einmal zum Lachen. Nicht weil ich es lustig finde, sondern weil sie so unerwartet kam. Was stört Sie denn daran? Eine ausführliche Antwort gebe ich Ihnen gerne noch. Für heute schließe ich jedoch mit einem Geständnis: Ich habe eines, ein kleines, dass mich und meine drei langjährigsten Herzensmenschen verbindet. Von Christian Rathner Hunderttausende bevölkerten vom 15. bis 20. Juli 2008 In FURCHE Nr. 30 die australische Metropole Sydney: Weltjugendtag. 3800 24. Juli 2008 Wie Gebet Gemeinschaft schafft. Vergangenen Sonntag ist der Weltjugendtag in Lissabon zu Ende gegangen. Dabei haben junge Christ(inn)en aus mehr als 180 Ländern ihren Glauben zelebriert. 2008 hat Christian Rathner in der FURCHE über den Weltjugendtag in Sydney berichtet. Damals wie heute gab es Kritik am Umgang mit Missbräuchen. Spektakulärer Katholizismus AUSGABEN DIGITALISIERT Unter vielen glücklichen Menschen ist Alfio Lutio dieser Tage einer der glücklichsten. Der junge Mann stellt beim großen Kreuzweg in Sydney den Jesus dar. „Ein Auftrag von oben“, sagt er. Die drastisch-realistische Inszenierung hat ihre Wirkung auf viele Gläubige. Das liegt nicht nur an Alfios Einsatz in der australischen Winterkälte, sondern auch an den Schauplätzen: Der weltberühmte Hafen mit Opernhaus und Harbour Bridge wird zur eindrucksvollen Kulisse für das blutige Passionsspiel. Inszeniert wird viel am Weltjugendtag. Nach vorbereitenden Tagen in australischen Diözesen nehmen mehr als 200.000 Pilgerinnen und Pilger lautstark die für den Autoverkehr gesperrte George-Street in Besitz. Der Eröffnungsgottesdienst im Hafengelände „Barangaroo“, die päpstliche Ankunft per Schiff, der schier endlose Pilgerzug über die Harbour Bridge, die Menschenmassen bei Vigil und Papstmesse, dazwischen jede Menge fröhlich lachender junger Leute: Das sind Bilder, die in Erinnerung bleiben. [...] Die Pilger treten in Gruppen auf und singen gern. Bereitwillig jubeln und winken sie in Kameras. Staatsflaggen sind immer dabei. Noch von der Euro siegesstolze Spanier ziehen gar mit „Olé, olé“-Rufen zur Eröffnungsmesse. Viele schminken sich in den Landesfarben. Zum Treffen der österreichischen Teilnehmer erscheint sogar Kardinal Schönborn mit rot-weiß-roten Wangen. Gerade in der Masse ist das Bedürfnis nach Identität und Zugehörigkeit groß, wachsen Gruppen zusammen. Dennoch: Sich unter Tausenden Gleichgesinnten zu wissen, ist für die meisten befragten Jugendlichen der entscheidende Pluspunkt des Weltjugendtages. Gebet und Gottesdienste schaffen Gemeinschaft über die Gruppen hinaus: eine fromme Stärkung katholischer Identität. Priesterliche Sexualgewalt Gerade zum Weltjugendtag musste sich der Erzbischof von Sydney, Kardinal George Pell, an ein trauriges Kapitel erinnern lassen: In Australien sind viele Fälle von sexuellem Missbrauch durch Priester ruchbar geworden. Opfer werfen der Kirche vor, entgegen allen Versprechen die Vorfälle nach Möglichkeit zu vertuschen, Gerichtsverfahren zu verhindern und die Betroffenen abzuspeisen, anstatt ihnen zuzuhören. Der ehemalige Weihbischof Geoffrey Robinson hat als Vorsitzender der zuständigen kirchlichen Kommission zahlreiche Gespräche mit den Opfern Foto: Wikipedia/ Socrates2008 (eigenes werk) priesterlicher Sexualgewalt geführt. Dabei kam er zu der Überzeugung, dass der Missbrauch nicht nur als Verfehlung einzelner, sondern auch als strukturelles Problem gesehen werden müsse. Robinson schrieb ein Buch, in dem er den sexuellen Missbrauch als Form des Machtmissbrauchs darstellt und den Zölibat als einen von vielen Faktoren für ein „Klima des Missbrauchs“ nennt. [...] VON 1945 BIS HEUTE ÜBER 175.000 ARTIKEL SEMANTISCH VERLINKT DEN VOLLSTÄNDIGEN TEXT LESEN SIE AUF furche.at Medieninhaber, Herausgeber und Verlag: Die Furche – Zeitschriften- Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KG Hainburger Straße 33, 1030 Wien www.furche.at Geschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner, Prokuristin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Chefredakteurin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Redaktion: Dr. Otto Friedrich (Stv. 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DIE FURCHE · 32 10. August 2023 Diskurs 15 Angesichts drohenden Lehrer(innen)mangels sucht das Bildungsministerium in der Werbekampagne „Klasse Job“ nach Quereinsteigern. Dabei wurden selbst Kardinalfehler gemacht. Ein Gastkommentar. „Traumjob Lehrer“ – und keiner will ihn … ZUGESPITZT Die Schändung Wenn es Sie reizt, junge Menschen zur kritischen, kommunikativen, kreativen und teamfähigen Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen zu befähigen und ihrem Verlangen nach einem sinnerfüllten Leben in einer menschenwürdigen Zukunft in Auseinandersetzung mit ethischen und moralischen Werten und der religiösen Dimension des Lebens zu begegnen – dann sind Sie die richtige Person, die wir für diesen Traumjob suchen. In Ihrer Arbeit können Sie dazu beitragen, dass junge Menschen bei der Bewältigung von gesellschaftlichen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen eine aktive Rolle einnehmen. Dazu gehört, dass Kompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung angebahnt sowie Politische Bildung mit Global Citizenship Education, Friedenserziehung und Menschenrechtsbildung vermittelt werden. Ihr Arbeitsplatz ist damit nicht nur ein Ort der Bildung und Erziehung, sondern auch ein sozialer Raum, der es ermöglicht, sich zu erproben, die Wirkungen des eigenen Handelns zu erleben und dieses kritisch zu reflektieren. Diese Stellenanzeige ist zwar fiktiv, zitiert aber wortwörtlich auszugsweise Bildungsziele des neuen Lehrplans für Volksschulen, der ab dem Schuljahr 2023/24 in Kraft treten soll. Hand aufs Herz: Würden Sie sich zutrauen, diese Aufgabe zu übernehmen? Diese Lehrplanvorgaben verweisen auf die verantwortungsvolle Aufgabe, die Lehrerinnen und Lehrer als die „Architekt:innen der Zukunft“ sieht, wie die Industriellenvereinigung zurecht fordert. Teilzeitjob als Lückenfüller? Ob Slogans wie „Beruf + Berufung = Architekt + Bautechniker: Meine Erfahrung bringe ich in die Schule ein: Als Lehrer/in in meinem Zweitjob!“ im Rahmen der aktuellen ministeriellen Werbekampagne „Klasse Job“ diesen Ansprüchen gerecht werden kann, ist aber zweifelhaft. Die Kampagne täuscht eine Schulwelt vor, die bei aktiven Lehrpersonen eher Kopfschütteln erzeugt. Unter immer schwierigeren Bedingungen widmen sie ihr Berufsleben unserer zukünftigen Gesellschaft – erhalten aber selten jene Anerkennung, die sie verdienen. Foto: Privat Wie kommt es dazu, dass die Schulbehörde, die einst eine Aufnahme von Lehrpersonen aus anderen Bundesländern verweigerte, jetzt offensiv dort Werbeplakate anbringt? Vor nicht allzu langer Zeit wurden alle Maturant- (inn)en in persönlichen Schreiben gewarnt, den Lehrberuf zu ergreifen. Sollte es nicht unser aller Ziel sein, die besten Bewerber für das Lehramtsstudium zu gewinnen – wie dies Finnland, Singapur und andere Länder längst praktizieren und damit in weltweiten Vergleichsstudien Spitzenleistungen erzielen? Dabei liegen dem Bildungsministerium seit Jahren Szenarien über den Einstellungsbedarf von DIESSEITS VON GUT UND BÖSE Von Michael Schratz „ Zur Abdeckung des Lehrerbedarfs könnten die Profis aus dem Ministerium ein Jahr lang unterrichten. “ den Schuljahren 2014/15 bis 2025/26 vor. Wie glaubwürdig ist das Ministerium, wenn von den an den Schulen Tätigen ständig Daten eingefordert werden, die eigenen aber nicht ernst genommen werden? Geht es den Verantwortlichen eher um Dienst nach Vorschrift als um das Interesse, den Lehrerberuf so attraktiv wie möglich zu machen? Während in der gegenwärtigen Rekrutierungskampagne mit dem Slogan „Ich werde Junglehrer/in und gestalte die Zukunft!“ für einen Beruf geworben wird, „der gefragt und sinnstiftend ist!“, erleben viele Studierende ih- ren ersten Realitätsschock, wenn sie zur Abdeckung des Unterrichtsbedarfs bereits im Bachelor-Studium mit hohen Stundenkontingenten in Schulen eingesetzt werden. Ihr Studium leidet aufgrund der vielfachen Abwesenheit – und die Schulen klagen, weil sie oft nicht vor Ort sind. Wenn ich bereits bei Lehramtsstudierenden von Burnout-Symptomen erfahre, ist das ein denkbar ungünstiger Start ins spätere Berufsleben. Zukunft neu denken Für Andreas Schleicher, der die weltweiten PISA-Tests bei der OECD verantwortet, heißt Erfolg in der Bildung heute nicht nur die Beherrschung von Sprache, Mathematik oder Geschichte – sondern es geht ihm darum: „Neugier und Wissensdurst zu wecken – den Intellekt für Neues zu öffnen, es geht um Mitgefühl – die Herzen zu öffnen, und es geht um Mut [...]. Das werden auch unsere besten Waffen gegen die größten Bedrohungen unserer Zeit sein – Ignoranz – der verschlossene Verstand, Hass – das verschlossene Herz, und Angst – der Feind von Handlungsfähigkeit.“ Dies entspricht in noch eindringlicherer Formulierung dem, was die eingangs formulierte Stellenanzeige fordert. Mit Blick auf die aktuelle fragwürdige Imagekampagne wünsche ich den für das Bildungssystem Verantwortlichen und den in ihm Tätigen, dass sie den Mut haben, in einer Kultur der gegenseitigen Akzeptanz offen über eine zentrale Frage zu diskutieren und sie mit Engagement gemeinsam zu überlegen: Welche neuen Strukturen und Haltungen brauchen wir in Zukunft, um den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen gerecht zu werden? Zur unmittelbaren Abdeckung des Lehrerbedarfs könnten vorerst die Profis aus dem Ministerium ein Jahr lang an Schulen unterrichten. Dies wäre nicht nur eine Win-win-Situation (weniger ministerielle Vorgaben, mehr Autonomie an Schulen), sondern sicher auch ein Booster für die Zukunft des österreichischen Schulsystems. Der Autor ist Gründungsdekan der „School of Education“ an der Universität Innsbruck und engagiert sich in der Reform der Lehrer(innen)bildung. Natürlich war es eine flagrante Verhöhnung des aufrechten Nachkriegsösterreich und aller, für die das „Nie wieder!“ zum Selbstverständnis der Zweiten Republik gehört. Es zeigt ein ebenso flagrantes Versagen des exekutiven Österreich, dass die faschistische Demonstration, die Ende Juli in Wien stattfand, ausgerechnet mitten im „Mahnmal gegen Krieg und Faschismus“ vor der Albertina beginnen konnte. Als ob diese Ungeheuerlichkeit nicht genug war, machten nun auch Fotos die Runde, wie Rechtsradikale mit ihren feisten Gesäßen auf der Skulptur des straßenwaschenden Juden von Alfred Hrdlicka sitzen. Derartiges – offenbar nicht unterbundenes – Verhalten ist völlig inakzeptabel. Und nimmt den millionenfach entmenschten Opfern der Schoa aufs Neue ihre Würde. Dass all dies anno 2023 in Wien möglich ist, entlarvt alle Rede von den Lehren der Vergangenheit und dem Kampf gegen Judenhass als politisches Lippenbekenntnis. Es gehörte zur Würde des geläuterten Österreich, diesen Ort vor den Zumutun gen der Identitären und deren Spießgesellen zu schützen. Filmemacherin Ruth Beckermann ließ vor einigen Jahren beim Hrdlicka-Mahnmal Filmfragmente aus 1938 laufen, die straßenwaschende Juden vor einer grinsend-gaffenden Menge zeigten. „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“, dichtete bekanntlich Bert Brecht. Wie wahr! Otto Friedrich Die Quint-Essenz macht bis 16. August Sommerpause. Eine Auswahl an Kolumnen von Brigitte Quint finden Sie anhand dieses QR-Codes auf der FURCHE-Homepage. PORTRÄTIERT Der Pazifist, der Lennons „Imagine“ lebt Donnerstag vorige Woche schickte Jurij Scheljaschenko um 23.41 Uhr aus Kiew ein Mail an Freunde in aller Welt. „Heute wurde meine Wohnung vom Sicherheitsdienst der Ukraine durchsucht“, beginnt der Text, „sie fanden nichts Kriminelles, beschlossen aber, mein Telefon und meinen Computer sowie einige Dokumente der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung mitzunehmen.“ Seither wird Scheljaschenko als Generalsekretär der Pazifistischen Bewegung zu Verhören vorgeladen. Die Anklage lautet: „Rechtfertigung der russischen Aggression.“ Sie basiert auf der von ihm im Vorjahr verfassten „Friedensagenda für die Ukraine und die Welt“. Im FURCHE-Interview Anfang Juni (23/2023) erzählte Scheljaschenko von Bedrohungen, berichtete von offener Feindseligkeit bis hin zu bizarren Drohanrufen in der Nacht. Gleichzeitig betonte er, dass seine Situation im Vergleich zu Friedensaktivisten in Russland unvergleichlich besser sei, da die Ukraine in Richtung mehr Demokratie, mehr Rechtsstaatlichkeit, mehr Zivilgesellschaft steuere. Als einer, „der genauso im russischen Bombenhagel sitzt“, sagte er: „Das ist eine tragische Situation, die wünsche ich niemandem, aber wir müssen gemeinsam zu einer neuen Basis des Miteinanders kommen.“ Gefragt nach seinem persönlichen Friedensfundament, bezeichnete sich Scheljaschenko als „akademischen Pazifisten“. So sehr er die Stimme von Papst Franziskus gegen diesen Krieg schätzt, spielt Religion für seine Friedensarbeit keine Rolle. Diese basiere allein auf wissenschaftlichen Kriterien. Dazu gehören die „9 Stufen der Konflikteskalation“ des österreichische Konfliktforschers Friedrich Glasl. Scheljaschenkos Friedensagenda, derer er jetzt angeklagt wird, beruft sich auf dieses Modell der Eskalation und Lösung von Konflikten. Wenn man Scheljaschenkos Texte liest und noch mehr, wenn man die Gelegenheit hat, ihn zu hören oder via Zoom-Interview zu sehen, drängt sich – von seiner Frisur bestärkt – der Vergleich zu John Lennon auf. Scheljaschenko wird seiner Charakterisierung als „Dreamer“ auch nicht widersprechen, mit dem Zusatz: „Aber, ich bin nicht der Einzige.“ Oder wie er in seinem Nacht-Mail aufruft: „Gemeinsam, gewaltlos, mit wissenschaftlichem Wissen, Glauben und Hoffnung könnten wir eine bessere Welt aufbauen, in der sich jeder weigert zu töten, und in der es daher keine Kriege gibt.“ (Wolfgang Machreich) Foto: Privat Der Ukrainer und FURCHE-Interviewpartner Jurij Scheljaschenko wird der „Rechtfertigung russischer Aggression“ angeklagt.
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