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DIE FURCHE 10.08.2023

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DIE FURCHE · 32 12 Chancen 10. August 2023 Von Manuela Tomic MOZAIK Seelenrauch Wenn der Zahnteufel Großmutter quälte, zündete sie sich eine Zigarette an. Sie nahm einen Zug und blies ihre Backen auf wie ein Hamster. Der Zahn wurde taub, ihre Schmerzen schlummerten. Nicht nur Großmutter löste Probleme mit Zigaretten. Wenn Vater und seine drei Brüder in den Nachkriegsjahren über die Zukunft sprachen, rauchten sie eine Marlboro nach der anderen. Ihre Sorgen lösten sich im gelb flackernden Licht der Küchenlampe auf. Kein Wunder: Am Balkan bedeutet Tabak „duhan“ und Geist „duh“. Auf einem alten Familienfoto sitze ich auf den Schultern meines Onkels, der Rest der Familie wird vom Qualm umnebelt. Ein Zwerg auf den Schultern von Rauchern. Der „Seelenrauch“ hat am Balkan eine lange Tradition. Schon mein Urgroßvater rauchte „lula“, die Pfeife der Bauern im 19. Jahrhundert. Den Tabak spendeten die Osmanen, Kaiser Franz Joseph baute Zigarettenfabriken am Balkan. Im Kommunismus warb Tito mit einer verführerischen rauchenden Genossin für die neuesten Marken. Auch Mutter nahm hin und wieder einen Zug. Ich selbst liebte Kaugummizigaretten, habe aber noch nie an einer echten gezogen. Ich versuche einen kühlen Kopf außerhalb der Rauchwolken zu bewahren. Dennoch lebt der osmanische Seelenrauch in mir fort und der Zahnteufel leider auch. FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic ist in Sarajevo geboren und in Kärnten aufgewachsen. In ihrer Kolumne schreibt sie über Kultur, Identitäten und die Frage, was uns verbindet. Illustratoon: Rainer Messerklinger Beim Surfen im Internet denken viele nicht an den ökologischen Fußabdruck. Dabei machen unsere Aktivitäten im „World Wide Web“ bereits einen beträchtlichen Anteil an Emissionen aus. Wie man dennoch CO2 spart. Ins Netz gegangen Von Manuela Tomic Ohne dass wir es merken, verwenden wir mehrmals täglich die Google-Suchmaske. Etwa wenn man sich im Urlaub nach den besten Restaurants der Gegend erkundigt oder einfach nur das Wetter checken will. 99.000 Suchanfragen verarbeitet Google weltweit in nur einer Sekunde. Das macht mehr als 8,5 Milliarden Suchanfragen täglich. Eine beachtliche Summe. Nur an eines denkt man kaum, wenn man seine Anfragen in das weiße Feld tippt: an den CO₂-Verbrauch. 2020 hat sich der Weltklimarat zum ersten Mal mit dem steigenden Energiebedarf in Folge der Digitalisierung beschäftigt. Gerade in diesem Jahr, dem ersten der Corona-Pandemie, saßen alle zu Hause vor den Geräten, um zu arbeiten, einzukaufen oder mit den Liebsten zu telefonieren. Und das hat auch einen ökologischen Fußabdruck hinterlassen, ganz ohne Flugreisen. Prestigeprojekte in Afrika Der Weltklimarat hat berechnet, dass die Treibhausgasemissionen des Internets weltweit zwischen 1,8 und 3,2 Prozent liegen. Und rund zehn Prozent des weltweiten Strombedarfs entfällt auf die Netz-Infrastruktur – Tendenz steigend. Nun wollen einige Internetriesen gegensteuern. So will etwa Google bis 2030 komplett auf CO₂-freie Energie umsteigen. 2020 kündigte das Unternehmen an, seine Rechenzentren mit grüner Energie versorgen zu wollen. „Wir werden dies erreichen, indem wir rund um die Uhr kohlenstofffreie Energie überall dort kaufen, wo wir tätig sind“, sagte Konzernchef Sundar Pichai. Außerdem werde man politische Maßnahmen unterstützen, die ein kohlenstofffreies Elektrizitätssystem schaffen werden. Und damit nicht genug: Google werde außerdem alle CO₂-Emissionen seit Gründung des Unternehmens ausgleichen, kündigte der Internetriese an. Das betrifft den Kohlenstoffdioxidausstoß in der Zeitspanne 1998 bis 2007. Seit 2007 habe man schon eine CO₂-neutrale Bilanz. Der Konzern will außerdem 500 Städten dabei helfen, ihre CO₂-Emissionen zu reduzieren. Durch die Summe der Verpflichtungen würden bis zum Jahr 2025 mehr als 20.000 neue Arbeitsplätze in sauberer Energie und den damit verbundenen Industrien in den USA und auf der ganzen Welt geschaffen werden. Rettet Google also gerade den Planeten? „ Dauerhaftes Scrollen ist nicht ratsam. Zielgerichtete Suchanfragen oder die direkte Eingabe von Weblinks fördern ein nachhaltiges Surfen. “ Ganz so einfach ist es nicht. Die Klimaschutz-Versprechen von Google, Netflix und Co hat sich schon 2022 die internationale NGO „NewClimate Institute“ in Zusammenarbeit mit „Carbon Market Watch“ genauer angesehen. Demzufolge sollten die Klimaversprechen der 25 größten Unternehmen ihrer Studie zufolge nicht für bare Münze genommen werden. In Wirklichkeit, so die Forscher, reduzieren die Pläne ihren Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase im Schnitt um nur 40 Prozent. Begriffe wie „klimaneutral“ würden daher eher in die Irre führen. Eine Recherche der Zeit, des Guardian und von Source Material hat jüngst gezeigt, dass Unternehmen, um klimaneutral zu werden, häufig CO₂-Zertifikate in afrikanischen Ländern kaufen. Es seien Prestigeprojekte zum Schutz von Wäldern und Foto: iStock/MF3d zur Förderung von Boden-Kohlenstoff, die Millionen kosten, aber der Umwelt wenig bringen. Messbar sind hingegen die Emissionen, die das Surfen und der Strombedarf der Rechenzentren weltweit hinterlassen. Ob „Greenwashing“ oder nicht: Ein Umdenken hat in jedem Fall stattgefunden. Der Konsum von Videos per Streaming ist dabei nur ein Beispiel für den virtuellen CO₂-Abdruck. Auf dem Online-Portal digitalcarbonfootprint.eu lassen sich die Treibhausgas-Äquivalente von Musik-Streaming, Videokonferenzen, Spielekonsole oder Tablet berechnen. Ein halbwegs gut ausgestatteter Haushalt übersteigt hier 590 Kilogramm CO₂ pro Jahr relativ locker, das TV-Gerät ist mit 243 Kilogramm dabei der Hauptproduzent. 590 Kilogramm würden für Österreich und den rund laut Statistik Austria etwas über vier Millionen Haushalten in Summe 2,36 Millionen Tonnen CO₂ jährlich ergeben. Zum Vergleich: Die Treibhausgasbilanz für 2019 ergab für Österreich insgesamt 79,8 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente. Der virtuelle CO₂-Fußabdruck würde bei dieser Berechnung also ca. einem Zehntel jenem des Verkehrs entsprechen, der damals bei 24 Millionen Tonnen lag. Bitcoin als Klimalast Was den Stromverbrauch von Streaming von Amazon Prime, Netflix und Co beeinflusst, sind einmal die eigenen dafür notwendigen Geräte. Das Tablet ist klimaschonender als der PC. Außerdem macht es einen Unterschied, ob es zu Hause bereits ein modernes Glasfaser-Internet gibt oder immer noch ein veraltetes Kupferkabel. Wer sich auf dem Streaming-Anbieter seiner Wahl für den neuesten Teil einer Serie entschieden hat, sorgt infolge dann aber auch dafür, dass die Daten irgendwo auf der Welt von einem Server abgerufen werden – der ebenfalls Strom benötigt. Und auch wer gerne mit virtuellen Währungen bezahlt, leistet seinen – negativen – Beitrag zum Klimawandel. So berichtete der „New Scientist“ letzten September, allein Bitcoin soll seit seiner Einführung im Jahr 2009 rund 200 Millionen Tonnen CO₂ emittiert haben – Österreich emittiert aktuell rund 80 Millionen Tonnen CO₂- Äquivalente jährlich. Wie also kann man beim Surfen nachhaltig Strom sparen? Wer sich Serien und Filme über einen Streaming-Anbieter ansieht, sollte diese möglichst nicht in HD-Qualität, sondern in Standard-Qualität streamen. Das drückt den monatlichen Ausstoß von 53 Kilogram CO₂-Äquivalenten auf 2,5 Kilogramm. Ebenso sollte man auf Videotelefonie verzichten und wenn möglich WLAN anstatt dem mobilen Funknetz nutzen. Wer Google den Rücken kehren will, kann künftig auch sogenannte „grüne Suchmaschinen“ wie Ecosia oder Ecosearch verwenden. Hier werden etwa alle Einnahmen direkt an Umweltschutzprojekte gespendet. Bei Ecosia werden die bei der Suche entstehenden CO₂-Emissionen direkt neutralisiert. Ein Tipp, der zugleich auch die niedrigere Stromrechung fördert, ist, den Standby-Betrieb von allen Geräten und das Laden über Nacht von Handys zu vermeiden. Zielgerichtete Suchanfragen oder die direkte Eingabe von Weblinks, anstatt diese per Google-Suche aufzurufen, fördert ebenso ein nachhaltiges Surfen. Dauerhaftes Scrollen, etwa auf Instagram oder Facebook, ist ebenfalls nicht ratsam. Es lohnt sich, einfach einmal das Smartphone oder das Tablet zur Seite zu legen und einen Spaziergang in der Natur zu machen: Zumindest dieser Fußabdruck bleibt fürs Klima unschädlich.

DIE FURCHE · 32 10. August 2023 Lebenskunst 13 Mariä Himmelfahrt ist der Auftakt zur wichtigsten Kräutersammelzeit des Jahres. Viele Heilpflanzen haben jetzt die meisten Wirkstoffe. Beim traditionellen Kräuterfest im Nationalpark Thayatal wird jahrtausendealtes Wissen und Brauchtum lebendig gehalten. Am Gipfel der Sonnenkraft Von Martin Tauss Der Morgen beginnt mit einer Kräuterwanderung. Danach lockt der Marktplatz mit Likören, Handwerkskunst und würzigen Produkten. Wenn später der „Kräuterpfarrer“ Benedikt zur Kräuterweihe schreitet, wird zu Mariä Himmelfahrt eine jahrtausendealte Tradition gepflegt. Der Geistliche aus dem Stift Geras sowie andere Kräuterkundige und Interessierte versammeln sich am 15. August beim Nationalparkhaus Thayatal, um das traditionelle Kräuterfest zu feiern. Das damit assoziierte Brauchtum lässt sich vielleicht sogar bis in die Jungsteinzeit zurückverfolgen. In den Alpenländern ist es bis heute lebendig, denn noch vielerorts wird jetzt ein „Kräuterbuschen“ bzw. „Weihbüschel“ in die Kirchen gebracht. Laut Überlieferung sollte es aus neun, manchmal auch sieben oder gar 77 Heilpflanzen bestehen. Oft ist eine blühende Königskerze (Verbascum) in der Mitte platziert: Im Volksglauben gilt der strahlend gelbe Rachenblütler als Zepter der Mutter Gottes. Auch die Schafgarbe, der Beifuß und das Liebstöckel prägen das Büschel, umwunden von Kamille, Thymian und Labkraut. Schafgarbe: Medizin und Magie „Jetzt haben die Heilpflanzen die größte Kraft“, sagt Barbara Obmann im Gespräch mit der FURCHE. „Dass viele Pflanzen im Spätsommer die meisten Wirkstoffe haben, ist auch wissenschaftlich nachgewiesen. Ausgenommen sind die Johanniskräuter, die traditionell bereits zur Sommersonnenwende gepflückt werden.“ Während moderne Medikamente nur aus ein oder zwei Wirkstoffen bestehen, enthalten Heilpflanzen bis zu 300 aktive Stoffe, woraus eine komplexe Wirkung erwächst. Zudem ist ihre Wirkstoff-Zusammensetzung je nach Wetter, Standort oder Jahreszeit unterschiedlich. Die Kräuterexpertin, die u. a. an der Akademie für Traditionelle Europäische Medizin (TEM) studiert hat, wird bei der Veranstaltung im Thayatal ein „Kraut der Lebenskraft“ vorstellen: die Schafgarbe. „Man findet sie an Weg- und Waldrändern, auf Wiesen und in Weingärten“, so die 51-Jährige. „Die Schafgarbe zählt zu den ersten Gewächsen, die ein Gebiet besiedeln. Als ‚Pionierpflanze‘ ist sie genügsam und resilient. Geerntet wird vor allem Über Naturheilkunde und Schulmedizin spricht Pharmazeutin Angelika Prentner im Interview vom 7.4.2016, auf furche.at. „ Heute hat man oft verlernt, das zu nutzen, was die Natur gerade bietet. Für ‚Einsteiger‘ hat TEM-Expertin Barbara Obmann einen Tipp: dem eigenen ‚Gespür‘ nachzugehen. “ Foto: B.Lehner Königskerze Rund um Mariä Himmelfahrt finden in vielen Pfarren Kräutersegnungen statt. In der Mitte des „Kräuterbuschens“ befindet sich traditionellerweise oft die gelb strahlende Königskerze (Verbascum, siehe Bild). der Blütenstand.“ Wie viele andere Kräuter hat die Schafgarbe eine jahrtausendealte Kulturgeschichte: Zur Befragung von „Liebesorakeln“ erfüllte sie einst eine magische Funktion. Ihr medizinischer Wert war bereits im Altertum bekannt, als sie zur Wundheilung und Blutstillung verwendet wurde. Bei „gefährlichen Berufen“ wie Kriegern oder Schmieden war sie ein ritueller Begleiter, berichtet Barbara Obmann, die ihre „entschlackende und harmonisierende“ Wirkung zu schätzen weiß: „Ich liebe den feinen würzigen Geschmack, wenn man sie wie Petersilie auf die Kartoffeln streut. Auch für Aufstriche ist sie großartig.“ Zubereitungen gibt es viele: z. B. als Gewürz, Tee oder Tinktur. „Eigentlich bin ich durch die Mistel zu den Kräutern gekommen“, erzählt die ausgebildete Kräuterpädagogin. „Ich hatte Sehstörungen, doch der Augenarzt konnte keine organische Ursache finden. Beim Autofahren ist mir einmal das Bild komplett zusammengefallen. Dann stieß ich auf Maria Trebens Buch ‚Heilkräuter aus dem Garten Gottes‘, einen Klassiker der Kräuterkunde (Anm. d. Red.: in dem wissenschaftlich teils auch irreführende Ausführungen enthalten sind). Dort wird die Mistel gegen Sehstörungen empfohlen. Das wirkte zunächst recht fremdartig, doch mit dem Misteltee ist mein Augenleiden tatsächlich verschwunden.“ Für Barbara Obmann begann eine Reise ins Reich der Kräuter und Wildpflanzen. Ihr langjährig erworbenes Wissen gibt sie in Seminaren weiter, denn heute habe man oft verlernt, „die Kräuter in den Alltag miteinzubeziehen und das zu nutzen, was die Natur gerade bietet“. Heimische Pflanzen würden am besten zu unserem Organismus passen. Bevor moderne Arzneimittel zum Standard geworden sind, waren sie die Grundlage jeder Apotheke. „Heute bieten sie additiv bzw. komplementär zur Schulmedizin einen nicht zu unterschätzenden Nutzen“, so Obmann, die einen simplen Tipp für „Kräutereinsteiger“ parat hat: „dem eigenen Gespür nachzugehen“. Wenn Menschen offen durch die Natur gehen, berichten sie mitunter, dass ihnen eine Pflanze besonders ins Auge sticht. Das bekommt die Kräuterexpertin oft zu hören. Ist das womöglich als „Einladung“ zu verstehen? Als Hinweis, dass man sich näher mit dieser Pflanze beschäftigen sollte, weil sie individuell hilfreich sein kann? Barbara Obmann sieht das so: „Der Mensch ist eingebunden in ein Wegwerk der Natur. Die Pflanzen, die rund um uns wachsen, korrespondieren am meisten mit uns.“ Kräuterfest & -weihe Nationalpark Thayatal, 15. August, ab 8.30 Uhr Nähere Infos unter www.np-thayatal.at Foto: ORF/Posch TV „FEIERABEND“ DIE HÜTERIN DER GLOCKEN DI 15. AUG 19:52 Dreimal am Tag läutet die 68-jährige Luise Piechl jeweils 17 Mal händisch die Kirchenglocken der Sankt Nikolaus Kirche im kleinen steirischen Ort Hinterlobming. Bereits in den 1930iger Jahren haben ihre Großeltern den Glockendienst übernommen. Seit damals gab es kein einziges Mal, dass „Die Heblischen“ – so der vulgo Namen am Hof – aufs Läuten vergessen haben. Andrea Eder hat mit den „Heblischen“ über die Besonderheiten des Glockenläutens, ihren Glauben und ihre Hoffnungen gesprochen. religion.ORF.at Furche23_KW32.indd 1 27.07.23 14:06

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