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DIE FURCHE 10.08.2023

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DIE FURCHE · 32 10 Religion 10. August 2023 DAS ERWARTET SIE IN DEN NÄCHSTEN WOCHEN. Die FURCHE nimmt in den kommenden Ausgaben folgende Themen* in den Fokus: Der in Wien lehrende reformierte Theologe Ulrich H. J. Körtner legt in einem Buch „wissenschaftsbiographische Einblicke“ vor. Die Felder abstecken Idealismus Nr. 34 • 24. August 2023 Idealismus scheint im abgeklärten, postfaktischen Zeitalter fehl am Platz. Und wenn man für seine Ideale eintritt, wie die Klimakleber, dann beruht das auf wissenschaftlichen Fakten. Warum Überzeugung dennoch essenziell ist. Politik lernen Nr. 35 • 31. August 2023 Seit Max Webers Vortrag „Politik als Beruf“ wird das Politikhandwerk mit dem Bohren harter Bretter beschrieben. Wie Politik-Lernen heute funktionieren kann, zeigt eine Spurensuche beim Europäischen Forum Alpbach. Klasse Job? Nr. 36 • 7. September 2023 Die Schule ist der Grundstein für das weitere Leben. Was muss geschehen, damit Schüler(innen) für die Arbeitswelt gerüstet werden? Und wie wird dabei auch der Lehrberuf wieder zum „Klasse Job“? Wird alles gut? Nr. 38 • 21. September 2023 Das 26. Philosophicum Lech widmet sich der Dialektik der Hoffnung – und fragt, ob Immanuel Kants berühmte Frage „Was dürfen wir hoffen?“ nicht längst umformuliert werden müsste: „Dürfen wir überhaupt noch hoffen?“ Mädchen Nr. 40 • 5. Oktober 2023 Mädchen müssen einerseits viele gesellschaftliche Erwartungen erfüllen, andererseits sind sie in Teilen der Welt immer noch von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen. Ein Fokus zum Weltmädchentag am 11. Oktober. Der Süden Nr. 42 • 19. Oktober 2023 Die FURCHE nimmt die nächste Himmelsrichtung in den Fokus: Vom „globalen Süden“ über die Südhemisphäre bis hin zum Südpol gilt es politisch, geografisch oder geschichtlich unterschiedliche Aspekte zu beleuchten. Häfen-Elegie Nr. 44 • 2. November 2023 Kein Ende der Klagen über den Strafvollzug: zu viel Wegsperren, zu wenig Resozialisierung. Während Radikalisierung, Gewalt- und Drogenprobleme wachsen, schrumpft der Jugendvollzug. Was ist zu tun? *Änderungen aus Aktualitätsgründen vorbehalten. Der Westen Nr. 37 • 14. September 2023 Er ist nicht nur eine Himmelsrichtung, sondern steht für eine – angeschlagene – Weltmacht: der Westen. Wo beginnt und endet er? Was ist darunter zu verstehen? Beginn einer Reihe – gefolgt vom Süden, Osten und Norden. Die große Synode Nr. 39 • 28. September 2023 Das Arbeitspapier (Instrumentum laboris) zur römischen Weltsynode von 4. bis 29. Oktober hat Hoffnung auf mehr Gemeinsamkeit und Teilhabe in der katholischen Kirche geweckt. Wird sie erfüllt werden können? Slowenien Nr. 41 • 12. Oktober 2023 Von 18.–22. Oktober 2023 präsentiert sich Slowenien als Ehrengast auf der alljährlichen Frankfurter Buchmesse. Aus diesem Anlass blicken wir ins Nachbarland: Was tut sich politisch? Was tut sich literarisch? Erinnern anno 2023 Nr. 43 • 26. Oktober 2023 Vor 85 Jahren bildeten in Wien die Novemberpogrome 1938 den endgültigen Auftakt zur Schoa. In Wien wütete der staatliche Mob besonders arg. Wie kann Gedenken stattfinden, wenn die meisten Zeitzeug(inn)en tot sind? Schätze der Natur Nr. 45 • 9. November 2023 Ökosysteme erbringen auch aus wirtschaftlicher Sicht gigantische „Leistungen“. Welche Ansätze gibt es gegen den Verlust der biologischen Vielfalt? Ein Fokus zu den „Tagen der Biodiversität“ an der BOKU Wien. ALLES AUCH DIGITAL AUF FURCHE.AT Podcasts, Videos, E-Paper und alle FURCHE-Artikel seit 1945 JETZT 77 Jahre Zeitgeschichte im NAVIGATOR. Foto: imago / epd Von Otto Friedrich Er gehört in Österreich – und jedenfalls in seiner Kirche auch in Deutschland – zu den herausragenden Stimmen öffentlicher Theologie. Das ist für Österreich insofern überraschend, als Ulrich H. J. Körtner seit 1992 den Lehrstuhl für Systematische Theologie H.B. an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Uni Wien innehat, also den Reformierten angehört, die in Österreich nur etwas mehr als 11.000 Mitglieder zählen. Aber als (Medizin-)Ethiker (Ethik gehört im protestantischen Bereich zur Systematischen Theologie) ist er auch hierzulande bei vielfältigen gesellschaftspolitischen Fragestellungen präsent. Dass er 2001 zum Wissenschafter des Jahres gewählt wurde, zeugt ebenso von Körtners Präsenz in der Öffentlichkeit wie auch in zahlreichen pointierten Beiträgen in vielen Medien, nicht zuletzt in der FURCHE, für die er einige Jahre auch als Religionskolumnist tätig war. Körtner selbst bezeichnet sich in Bezug auf diese Tätigkeiten als „Gelegenheitsschriftsteller“, der sich den „Anfragen und Herausforderungen stellt, die in unterschiedlichen Zusammenhängen“ an ihn gerichtet würden. Ein „Gelegenheitsschriftsteller“ Diese Selbstcharakteristik findet sich in den „Wissenschaftsbiographischen Einblicken“, die Körtner unter dem Titel „Mapping the Fields“ herausgegeben hat. Wer einen Blick ins Werden und Denken des nun mehr als 30 Jahre in Wien wirkenden Theologen gewinnen will, wird in dem aus schon früher publizierten Beiträgen kompilierten Buch mehr als fündig. Den wichtigsten Eckpunkten des kirchschen und theologischen Lebenslaufs des Autors folgt eine geschichtliche Darstellung des reformierten Theologie-Lehrstuhls an der Evangelischen Fakultät Wien, den es seit 1822 gibt. Körtner stellt in Kurzporträts auch die Lehrstuhlinhaber vor, die schon seit den Zeiten von Kaiser Franz I. die Reformierten (teilweise in der Tradition des Neocalvinismus), die im ungarischen Teil der Habsburgermonarchie weitaus stärker als in den österreichischen Ländern verankert waren, auch in der Hochschultheologie repräsentierten. Den Lehrstuhl gibt es eben bis heute, auch wenn die Evangelischen H.B. hierzulande eine kleine Minderheit bilden. In den anderen Beiträgen entfaltet sich Theologie, der sich Körtner verschrieben hat, wobei er auch betont, dass nicht nur reformierte, sondern auch lutherische Theologie in seinem Denken verankert ist. Am spannendsten zu lesen ist die Auseinandersetzung Körtners mit Dietrich Bonhoeffer, den er gleichermaßen als Vorbild sieht und dennoch in kritischer Distanz bleibt, weil er das Werk des von den Nazis ermordeten Theologen als uneindeutig und nicht immer zu Ende gedacht identifiziert. Aber insbesondere in der Ethik, bekennt Körtner, hat er von Bonhoeffer „Entscheidendes gelernt“. Ein weiterer Beitrag erläutert die von Körtner herausgebrachten Dogmatik-Lehrbücher, weiters schreibt er über die von ihm mitbegründete Rudolf-Bultmann-Gesellschaft: Der Exeget und hermeneutische Theologe Bultmann (1884–1976) wird von Körtner ebenso wie Karl Barth (1886– 1968) wiederholt als theologischer Vorfahre dargestellt. Schließlich referiert Körtner über das interdisziplinäre „Institut für Ethik und Recht in der Medizin“, an dessen Aufbau und Leitung er bis 2022 maßgeblich beteiligt war. Wer Ulrich Körtner kennt, weiß, dass er auch für seine Kirche ein kritischer Querkopf sein kann, der mit schmerzender Diagnose nie hinterm Berg hält. Der letzte Beitrag in „Mapping the Fields“ über „Theologie in der Krise – Theologie für die Krise“ aus 2022 ist ein Paradebeispiel dafür. Körtner definiert Theologie darin als eine „wartende“ – und zwar wartend „auf den Einbruch Gottes in die je neue Welt“. Speziell an diesen Ausführungen wird klar, was Wien, aber auch das Christentum jedweder Konfession an diesem Theologen hat. Mapping the Fields Wissenschaftsbiographische Einblicke. Von Ulrich H. J. Körtner. Evangelischer Presseverband in Österreich (EPV) 2023. 172 Seiten, kart., € 32,–

DIE FURCHE · 32 10. August 2023 Gesellschaft 11 Ein Fünftel der Österreicher(innen) ist laut Volkszählung älter als 65 Jahre. Soziale Teilhabe ist ihnen aber immer weniger möglich. Aktuelle Forschung zeigt: Altersdiskriminierung hat System – doch es gibt Auswege. Die Krux mit dem Alter Von Sandra Lobnig Die Bank verwehrt die Finanzierung für eine Immobilie und den Überziehungsrahmen am Konto; die Versicherung erhöht die Prämien; der Vorgesetzte bevorzugt jüngere Kollegen bei der Verteilung von Aufgaben: Altersdiskriminierung hat viele Gesichter, und nicht in jedem Fall ist sie gleich auf den ersten Blick erkennbar. „Auf manche Bereiche, in denen Menschen aufgrund ihres Alters diskriminiert werden, sind wir erst durch die Beschwerden aufmerksam geworden, die bei uns eintreffen“, sagt Daniela Grabovac, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark. An die 600 potenzielle Fälle von Altersdiskriminierung haben Grabovac und ihre Kollegen jährlich zu bearbeiten. Im Laufe der vergangenen Jahre sind es immer mehr geworden. Häufig geht es um Themen der Digitalisierung, erklärt Grabovac: „Wenn zum Beispiel Arzttermine ausschließlich online zu vereinbaren oder bestimmte Informationen nur im Internet zu finden sind, trifft das ältere Menschen, die in der digitalen Welt nicht sozialisiert sind, deutlich stärker.“ Dürftige Gesetzeslage Während es für die Arbeitswelt rechtliche Regelungen gibt, die Benachteiligungen aufgrund des Alters verbieten, fehlen in vielen anderen Bereichen des Lebens konkrete Gesetze. Zumindest bei Kreditvergaben an ältere Menschen hat sich vor Kurzem etwas verbessert: Seit April dieses Jahres darf das Alter allein kein Hindernis für einen Kredit sein, es muss auf jeden Fall auch die Bonität geprüft werden. „Außerdem gibt es, was die Digitalisierung betrifft, eine Empfehlung der EU, dass im Gesundheitsbereich nicht alles digital abgewickelt werden soll“, ergänzt Grabovac. Sie wundert sich, dass es für Altersdiskriminierung so wenig Sensibilität gibt. „Das Alter ist schließlich der einzige mögliche Diskriminierungsgrund, den wir alle – hoffentlich – erleben werden.“ Auch wenn es noch viel Luft nach oben gibt: In der jüngeren Vergangenheit ist die Aufmerksamkeit für Altersdiskriminierung bzw. Ageism in der Gesellschaft gestiegen, auch Forscherinnen und Forscher widmen sich vermehrt dem Thema. Progressives Phänomen Der Soziologe Stefan Hopf bezeichnet Altersdiskriminierung als progressives Phänomen, das oft schon in der Mitte des Lebens beginnt und mit steigendem Alter bzw. abnehmenden Ressourcen zunimmt. Je nach Branche können Menschen in ihrem Job bereits ab Mitte vierzig aufgrund ihres Alters mit negativen Vorurteilen – etwa einer geringeren Leistungsfähigkeit – konfrontiert sein. In der Pension weitet sich die Ungleichbehandlung auf den Dienstleistungssektor aus, etwa wenn die Bank die Kreditkarte nicht verlängert. „Während Altersdiskriminierung Menschen zunächst nur in Teilbereichen ihres Lebens betrifft, kann sie die Person schließlich als Ganze umfassen, beispielsweise wenn ihr im Pflegeheim menschenwürdige Behandlung verwehrt wird“, sagt Hopf. Frauen stärker betroffen Altersdiskriminierung kommt auf allen Ebenen des menschlichen Zusammenlebens vor. Auf der Mikroebene, also in der zwischenmenschlichen Interaktion, ebenso strukturell in Organisationen Foto: iStock/skynesher wie Banken oder Versicherungen und im gesamtgesellschaftlichen Diskurs, dann etwa, wenn von „Alters-Tsunami“ gesprochen und die ältere Bevölkerung als Belastung für die Gesellschaft dargestellt wird. Frauen seien dabei stärker betroffen, sagt Stefan Hopf – und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen verstärkt das Alter tendenziell negative Geschlechtsstereotype. So gelten Frauen generell als schlechtere Autofahrerinnen, ältere Frauen hinterm Steuer umso mehr. Zum anderen führt höheres Alter dazu, dass Frauen bestimmte Bedürfnisse, wie jenes nach Ästhetik, abgesprochen werden. Ein Beispiel aus Hopfs Forschung: „Eine ältere Frau wurde in ihrem Bedürfnis, eine Operationsnarbe so klein wie möglich zu halten, vom Arzt nicht ernstgenommen.“ Internalisierte Altersbilder Nicht immer ist Altersdiskriminierung offensichtlich und systematisch, in vielen Fällen ist sie auch nicht beabsichtigt. Ein junger Verkäufer im Handyshop, der mit älteren Menschen generell lauter spricht, ohne zu wissen, ob diese schlecht hören, tut dies höchstwahrscheinlich nicht mit diskriminierender Absicht. Eine Maklerin, die jüngeren Kaufinteressenten automatisch den Vorzug vor älteren – trotz guter Bonität – gibt, vermutlich auch nicht. Beide haben allerdings von klein auf bestimmte Altersbilder internalisiert, die ihr Handeln unbewusst beeinflussen. „Psychologische Forschungen haben ergeben, dass schon Kinder teils negative Bilder vom Alter haben“, erklärt Stefan Hopf. Alter wird oft mit Krankheit und Gebrechlichkeit assoziiert. „ ‚Das Alter‘ gibt es nicht. Eine Gruppe von Menschen, die eine Altersspanne von 25 bis 30 Jahren hat, lässt sich nicht einfach über einen Kamm scheren. “ Überraschend ist das nicht, werden ältere Menschen in den Medien doch seit jeher vergleichsweise defizitär dargestellt: mit Gehstock oder Schwierigkeiten beim Hören und Sehen. Diversität des Alters „Das hohe Alter wird trotz vieler Bemühungen, gesellschaftliche Altersbilder zu verändern, nach wie vor nur bedingt als Lebensphase gesehen, in der man aktiv und produktiv sein kann“, sagt Hopf. „Das führt dazu, dass Menschen versuchen, es auf Distanz zu halten.“ Interessanterweise kommt diese Einstellung nicht nur bei jüngeren, sondern auch bei älteren Menschen vor. Studien zum subjektiven Alter haben ergeben, dass sich ältere im Verhältnis zu ihrem chronologischen Alter meistens jünger fühlen. „Das zeigt, dass das hohe Alter keine positiv besetzte soziale Identität ist“, interpretiert Hopf. Um Stereo- Der Soziologe Stefan Hopf forscht aktuell an der Universität Glasgow zum Phänomen Ageism. Foto: Privat „Der alte Mensch in der modernen Gesellschaft“ (21.2.1957): Ein frühes Fundstück vom renommierten Wiener Altersforscher Leopold Rosenmayr, auf furche.at. Daniela Grabovac leitet die Antidiskriminierungsstelle Steiermark und bearbeitet Fälle der Altersdiskriminierung. Foto: Foto Fischer type und Diskriminierung zu reduzieren, braucht es neben einem besseren gesetzlichen Antidiskriminierungsschutz auch mehr Bewusstsein für die Diversität des Alters. So sind Altersbilder nicht nur nach wie vor zu häufig defizitär, sie strotzen auch vor Verallgemeinerungen. Dabei gibt es „das Alter“ nicht. Eine Gruppe an Menschen, die etwa ein Fünftel der Gesamtbevölkerung ausmacht und eine Altersspanne von 25 bis 30 Jahren hat, lässt sich nicht über einen Kamm scheren. „Ich wäre zum Beispiel sehr vorsichtig zu behaupten, dass Menschen im Alter alle kränker sind“, sagt Hopf. „Natürlich ist das biologische Alter ein Faktor, der die Wahrscheinlichkeit gewisser Krankheiten erhöht. Aber es ist nur ein Faktor unter mehreren.“ Soziale Anerkennung Für immer jung? Höheres Alter wird in der Gesellschaft nicht mehr mit einer aktiven, produktiven Lebensphase assoziiert. Tatsächlich aber fühlen sich Menschen subjektiv meist jünger. Engmaschige Führerscheinchecks für ältere Fahrer, nach denen regelmäßig Forderungen laut werden, sieht Stefan Hopf deshalb kritisch. Sie würden das Bild der gebrechlichen, unzurechnungsfähigen Alten verstärken. „Dabei zeigen Studien, dass das allgemeine Unfallrisiko bis zum Alter von 80 nicht höher ist als jenes im mittleren Alter. Ich fände Checks für alle Autofahrer wichtig – die man ab dem Alter von etwa 75 auch öfter machen kann.“ Außerdem plädiert Hopf dafür, die positiven Beiträge Älterer für die Gesellschaft vor den Vorhang zu holen und ihnen damit die soziale Anerkennung zukommen zu lassen, die sie beispielsweise durch ihr Engagement als Großeltern oder im Ehrenamt verdient haben. Auf diese Weise könnten sich Altersbilder langsam verändern.

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