DIE FURCHE · 1516 Diskurs10. April 2025ZEITBILDFoto: APA / Stefan VospernikRevolution aufzwei Rädernrufen die rund 2000 Menschen, dieam Montagabend 80 serbische Protestradlerin Wien empfangen haben. Frei über-„Pumpaj“setzt bedeutet der Schlachtruf „Erhöh den Druck!“,und genau das wollen die Studierenden mit ihrerEuropa-Radtour erreichen: Die EU soll die politischeKrise im größten Land des Westbalkans beim Namennennen. Denn die elf Jahre Amtszeit des zunehmendautokratischen Präsidenten Aleksandar Vučić sindgeprägt von Stillstand, Vettern- und Misswirtschaft.Ausgelöst wurden die Proteste durch den Einsturzeines kurz zuvor renovierten Bahnhofsvordachs inSerbiens zweitgrößter Stadt Novi Sad im November2024. 30 Menschen wurden verletzt, 16 starben.Ursachen: Korruption und Schlamperei. Zwei Ministertraten zurück, doch der Unmut der Bevölkerungwar nicht mehr zu stoppen und kulminierte im Märzin einer Großdemo in Belgrad. Vučić spricht währenddessen– ohne jeden Beweis – von einer „importiertenRevolution“. Am Dienstag wollen die Radler Straßburgerreichen. Aus Angst, Vučić noch weiter in PutinsArme zu treiben, hat die EU ihn lange gewährenlassen. Ob der Protest auf zwei Rädern dort Gehörfinden wird, wird sich zeigen. (Magdalena Schwarz)Am 13. April ladendie ÖsterreichischenLotterien zur Ausstellung„Freeing theVoices“ ein.LotterienTag im KunsthausGrazDas Kunsthaus Graz ist Teil desUniversalmuseums Joanneumund gilt seit seiner Errichtung2003 als neues architektonischesWahrzeichen der StadtGraz. Mit der Ausstellung„Freeing the Voices“ geht dasKunsthaus Graz aktuell derFrage nach, welche Macht dieStimme in einer Welt, in derdas Schweigen zum politischenInstrument wird, hat. Dazuversammelt „Freeing the Voices“künstlerische Positionen, diesich mit der Befreiung vonStimmen auf vielfältige Weiseauseinandersetzen.IHREMEINUNGSchreiben Sie uns unterleserbriefe@furche.atUnverantwortlicheBeruhigungspille.Können wir das Klima mitGeoengineering retten?Gastkommentar vonAnnette SchlemmNr. 13, Seite 15Für diesen Artikel bin ich regelrechtdankbar. Das musste gesagt underklärt werden, damit wir bei klaremKopf bleiben!Johann MaderthanerRied im TraunkreisHandy weg? Reicht nicht!Leitartikel von Martin TaussNr. 14, Seite 1weit herrschen? Noch niemals hat ein„nicht“ geholfen. Das erzeugt Widerstandund ist die Basis von Stress.Wo ist Hilfe für uns alle? Wir wissen,dass das Wissen allein es nichtschafft; auch kluge Worte, Visionenmüssen zuallererst spürbar gemachtwerden (...). Und das sind wir Erwachsene(...) ja lebenslang: Lernende!Susanne Amberg Schneeweis1080 WienJenseits der Krise(Online erschienen mit dem Titel:Ist die Ära der liberalenDemokratie vorbei?)Von Florian BieberNr. 1, Seite 5Die moderne Demokratie weist alsunverzichtbare Elemente die Gewaltenteilung,besser: Gewaltentrennungauf (vgl. dazu John Locke, Charles-Louis de Montesquieu): Legislative-Gesetzgebung, Exekutive-Regierung,Judikative-Rechtsprechung. Eine freiePresse kommt als unverzichtbaresMerkmal hinzu. Bei seiner Warnungvor Despotismus und Tyrannei äußerteMontesqieu: „Es gibt keine Freiheit,wenn diese Elemente nicht voneinandergetrennt sind.“Freiheit, Gleichheit, Würde der Personsind also höchste Rechtsgüter.Einige hundert Jahre später ist es im-Wie trefflich die Formulierungen vom„Kipppunkt“ oder vom Finden einesneuen Modus für digitales Lernen(...). „Bewusstseinskultur“ – habenwir Erwachsene diese? Kinder lernenvor allem aus Nachahmung. Brauchtsich irgendwer wundern bei diesenkatastrophalen Zuständen, die weltmernoch notwendig zu verdeutlichen,welche Mittel Gegner der Demokratieeinsetzen, um diese zu zerstören –meist sehr subtil beginnend, letztlichdann über Autoritarismus und Diktatur:Abkehr von Rechtstaatlichkeit(Missachtung von Parlament, Justiz,Recht, Gesetz); Beseitigung von Freiräumenund freier Meinungsäußerungder Zivilgesellschaft (Unterdrückungdurch omnipräsenten Staatsterror);Beseitigung sämtlicher unabhängigerMedien (alle Lebensbereiche umfassendeStaatspropaganda mit Falschbzw.Desinformationen zur Spaltungder Gesellschaft).Russland stellt sich als warnendesBeispiel für Europa dar, diesmal alsPutinismus, zum Beispiel in UngarnOrbanismus genannt oder Trumpismusin den USA. Dabei sehen sichnicht nur Staats- und Regierungschefsals Brüder und Schwesternim Geiste des Mannes im MoskauerKreml.Josef Draxinger85088 Vohburg a. d. DonauMikroben an die Macht!Zugespitzt von Martin TaussNr. 10, Seite 15Die Neandertaler katapultieren jetztweltweit die Menschheit um hunderttausendJahre zurück. Der PlanetErde mit seinen Lebewesen schreitvor Schmerzen. Mit der brutalenBrachialgewalt von Steinschlögelnwerden ganze Staaten, Demokratien,Regierungen, Rechtsinstrumente, verschrifteteRegelwerke, Oppositionen,Grenzen, Handelswege, Finanzsysteme,wissenschaftliche Fakultäten,Humanität, Moral und Ethik zertrümmert.Die Zeiten, wo entspannt beiTisch gesessen wurde und am Tellergemeinsam Hirn mit Ei genossenwurde, sind vorbei. Es gibt keine Eiermehr. Es gibt kein Hirn mehr.Fritz BaumgartnerSt. Georgen/GusenDie traurige„lächelnde Schwester“Von Robert Mitscha-EiblNr. 13, Seite 13Danke für die Erinnerung an diesePerson (Anm.: Jeanine Deckers,„Soeur Sourire“) und die ausgewogeneDarstellung dieser eigenartigverlaufenden Biografie im Kontextgesellschaftlicher und kirchlicherUmstände.Clemens SchermannIn dieser Ausgabe derFURCHE finden Sie einebezahlte Beilage derDer Pragmaticus Verlag AG.Im Rahmen der Lotterien Tagebieten die ÖsterreichischenLotterien allen interessiertenPersonen eine unkomplizierteMöglichkeit, Kulturangebotein Österreich in Anspruchzu nehmen. Am Sonntag,dem 13. April erhält man mitjedem beliebigen Produkt derÖsterreichischen Lotterien– Wettscheinquittung oder Los –freien Eintritt in die Ausstellungim Kunsthaus Graz.Am Lotterien Tag selbst werdenauch zwei kostenlose Führungenmit limitierter Teilnehmerzahlum 11.00 Uhr und 15.30Uhr angeboten. Eine Anmeldungsichert Ihnen die Teilnahme:0316/8017-9200 oder info@kunsthausgraz.at. DetaillierteInformationen findet man aufwww.lotterientag.at.Lotterientag 2025 im Kunsthaus GrazFoto: © Universalmuseum JoanneumIN KÜRZERELIGIONRELIGIONGESELLSCHAFTGESELLSCHAFT/INTERNATIONAL■ Papst wieder am PetersplatzUS-Kirche stoppt Kooperation■ Befindlichkeit der „GenZ“■ Goldraub zerstört AmazonasErstmals nach seiner schweren Erkrankunghat sich Papst Franziskus wieder aufdem Petersplatz gezeigt. Am Ende eines großenGottesdienstes für Kranke und medizinischesPersonal am 6. April wurde er imRollstuhl zum Altar vor der Fassade des Petersdomsgefahren. Gemeinsam mit ErzbischofRino Fisichella, der den Gottesdienstgefeiert hatte, erteilte er den Segen. Nachwenigen Minuten verließ Franziskus denPlatz wieder. Er trug während des kurzenAuftritts Sauerstoffkanülen zur Unterstützungseiner Atmung. Ob er an den anstehendenOsterfeierlichkeiten im Vatikan teilnehmenwird, ist nach wie vor offen.Die US-amerikanische Bischofskonferenz(USCCB) hat angekündigt, ihre Kooperationsvereinbarungenmit der Regierung imBereich Flüchtlingshilfe nicht zu verlängern.Die jahrzehntelange Zusammenarbeitmit sowohl von Republikanern als auch Demokratengeführten Regierungen in diesemBereich sei durch die jüngsten Entscheidungender Trump-Regierung „unhaltbar“ geworden,sagte der stellvertretende USCCB-Generalsekretär Anthony Granado demNachrichtenportal OSV News (8. April). DieKirche kündigte an, sie wolle nach alternativenWegen suchen, um den Schutzsuchendenweiter zu helfen.Die neue Ö3-Jugendstudie 2025 zeigt, dass86 Prozent der 16- bis 25-Jährigen mit ihremLeben zufrieden sind. 78 Prozent der 28.000Befragten geben an, mit ihrer Ausbildungoder Arbeit glücklich zu sein. Allerdingsempfinden fast zwei Drittel den Lehrplanals zu voll und weltfremd. Auch die Krisenund Unsicherheiten der letzten Jahre habenSpuren hinterlassen: Jede vierte jungePerson spricht von einer schlechten psychischenVerfassung – Kriege und Terror, sowieWohnkosten und Klimawandel sind großeAngstreiber. Konfrontiert mit psychischenProblemen, würden die meisten Befragtenaber nicht zögern, Hilfe zu suchen.Der illegale Goldabbau in indigenen Gebietenim Amazonas blüht nach wie vor, trotzEindämmungsmaßnahmen des brasilianischenPräsidenten Inácio da Silva. Der Bergbauhabe sich lediglich in andere Regionenverlagert. Das zeigt ein aktueller Greenpeace-Bericht,der Daten von Satelliten undÜberlandflügen auswertet. Durch Rodungen,Grabungen und den Einsatz hochgiftigerChemikalien wie Quecksilber hätten dieGoldschürfer in den vergangenen zwei Jahrenüber 4000 Hektar Regenwald zerstört.Gegenüber der Deutschen Presse-Agenturdrückte Raoni Metukire, Häuptling desKayapó-Volkes, seine Besorgnis aus.
DIE FURCHE · 1510. April 2025Literatur17Selbstbewusst betrater den Literaturbetrieb,doch Selbstvermarktungwar seine Sachenicht. Sein Leben warkurz. Am 16. April 1940wurde der deutscheSchriftsteller RolfDieter Brinkmanngeboren, am 23. April1975 starb er in Londonbei einem Unfall.Von Andreas WirthensohnAn Selbstbewusstseinmangelte es Rolf DieterBrinkmann wahrlichnicht. Er, der1940 im niedersächsischenVechta geboren wordenwar und als Kind die Schreckendes Krieges erlebt hatte – Vechtawar im „Dritten Reich“ ein wichtigerFliegerhorst und „Lazarettstadt“–, fühlte sich schon zu Gymnasialzeitenzu Höherem berufen.In der Schule brachte er seineersten literarischen Gehversuche– Gedichte und Prosa – imDebattierclub „Rhetorika“ zu Gehör,aber das genügte ihm nicht.Er wollte sich unbedingt gedrucktsehen – und das nicht etwa in einemLokalblatt oder der Schülerzeitung,sondern an herausgehobenerStelle. 1957 jedenfallsschickte er eigene Texte an die renommierteLiteraturzeitschriftAkzente. Die Antwort des MitherausgebersHans Bender fiel zwarablehnend aus, zeugte aber auchvon einer gewissen Bewunderungfür den Mut des Siebzehnjährigen:„Wahrscheinlich sind Sie einer unsererjüngsten Einsender“, schrieber. Und: „Ihre wenigen Verse zeigen,daß Sie gut beobachten könnenund Formgefühl haben.“Ziel vor AugenEin Jahr später versuchteBrinkmann es gleich mal beimSuhrkamp Verlag. Er wandte sichan Peter Suhrkamp persönlichund machte sich diesmal nichtnur zwei Jahre älter – „Ich, DietherBrinkmann (geb. 1938)“ –,sondern stilisierte sich überdiesnoch als Sprecher seiner Generation:„Meine Generation kann nurdas notieren, was die gegenwärtigeZeit zu sagen hat, was sie anzubietenhat – : NICHTS!“ Und dannfolgte ein beinahe schon skurrilanmutendes Angebot: „Ich übergebeIhnen meine Verse zur Erstveröffentlichungohne Anspruchauf Honorar (bei einer Drucklegung),möchte aber, daß Sie,falls Sie die Güte einer Veröffentlichungmir geben, das eingebrachteGeld als Förderpreis füreinen noch nicht veröffentlichtenLyriker (der natürlich unter IhremVerlag läuft) eingesetzt wird.“Das klingt fast wie bittere Ironie,wenn man bedenkt, dassBrinkmann selbst in seinem kurzenLeben als Dichter mit finanziellerUnterstützung nicht geradeüberschüttet wurde. Ein Förderpreis,zwei Stipendien und eineGastprofessur als Writer in Residencean der Universität Austinin Texas – das war alles, was dieserDichterrebell bekam. Und das,obwohl er, nachdem er mit Kiepenheuer& Witsch in Köln endlichFoto: picturedesk.com / Ullstein Bild / B. Friedrich„Ich, DietherBrinkmann“einen durchaus renommiertenVerlag gefunden hatte, mit seinemErzähldebüt sogar das Interessedes großen Marcel Reich-Ranickiweckte. Der widmete dem Band„Die Umarmung“ (1965) eine ganzeSeite in der Wochenzeitung DieZeit und schloss seine Rezensionso: „Gewiß noch kein bedeutendesBuch. Und doch eine wichtige Publikation.Weil sie große Möglichkeitenankündigt.“Jedenfalls war Brinkmann vonnun an Teil des Literaturbetriebs:Er gab Lesungen und Interviews,wurde für den Rundfunk porträtiert,sein deftiger Roman „Keinerweiß mehr“ (1968) – ein frühesBeispiel autofiktionalen Schreibens– schaffte es sogar auf dieBestsellerliste und seine „Snapshot“-Gedichtegalten als Inbegriffrebellischer Alternativkultur.Endlich war da einer, der nicht denMief der deutschen Nachkriegsliteraturtransportierte, sondernseine Vorbilder anderswo fand: inder Prosa bei Alain Robbe-Grilletund dem französischen NouveauRoman, in der Lyrik bei amerikanischenAutoren wie Frank O’Hara,Robert Creeley oder WilliamCarlos Williams. Noch heute zähltdie von ihm zusammen mit Ralf-Rainer Rygulla herausgegebeneAnthologie „ACID. Neue amerikanischeSzene“ (1969) zu den bedeutendstenliterarischen Dokumentender damaligen Zeit.Das Problem war nur: Lebenkonnte Brinkmann von seinemSchreiben nie. Mit Frau und Sohnlebte er in sehr bescheidenen Verhältnissenin Köln, ständig truger Bücher zum Antiquar (einmalauch schweren Herzens die Erstausgabevon Arno Schmidts „ZettelsTraum“), Freunde halfen finanziellaus, zwischenzeitlich bezogdie Familie sogar Sozialhilfe. Hättees nicht mitunter Aufträge vomRundfunk gegeben, wäre Brinkmannwohl ins Bodenlose gefallen.Öffentliches VerstummenNein, dieser Provokateur undmanisch Schreibende war keinVermarkter seiner selbst, in seinerrüden Kompromisslosigkeit stießer regelmäßig Freunde und Förderervor den Kopf und den Literaturbetriebverachtete er geradezu.Insofern war es nur konsequent,dass er 1970, nach der Publikationdes Gedichtbands „Gras“,verstummte – zumindest öffentlich.Denn für sich schrieb Brinkmannunbeirrt weiter, nicht nurGedichte, sondern er entwickelteeine Collageform, die noch immerziemlich einzigartig ist inder deutschen Literatur: „Rom,Blicke“ (entstanden während einesAufenthalts in der Villa Massimo),„Erkundungen für die Präzisierungdes Gefühls für einenAufstand“ und „Schnitte“ heißendie drei „Arbeitstagebücher“,die Leben und Schreiben, Ichund Welt auf radikale Weise neuzusammenführten.Der Versuch, die Gleichzeitigkeitder Augenblickswahrnehmungins Literarische zu übersetzen,mündete in polyphoneBild-Text-Collagen, die die fragmentierteWirklichkeitserfahrungauthentisch zum Ausdruckbrachten. Radikal waren sie auchinsofern, als sie allesamt erstnach Brinkmanns Tod 1975 erschienen,genauso wie die Gedichtedes Bandes „Westwärts 1& 2“, die den vielstimmigen „Filmin Wörtern“ wild über die Seitenwuchern lassen. Dieser Band, derschon im Druck war, als Brinkmannam 23. April 1975 in Londonvon einem Auto überfahrenwurde, ist noch heute in seinerwortgewaltigen, raumgreifendenWucht ein ganz eigenes Leseerlebnis.Posthum bekam der AutorSolitär derLiteraturRolf Dieter Brinkmann(1940–1975)war ein „Pop-Literat“,der sich gegenZwänge und Konventionenstellteund damit einigeJahre lang Teil desliterarischen Zeitgeistswar.„ Meine Generationkann nur das notieren,was die gegenwärtigeZeit zu sagen hat,was sie anzubietenhat – : NICHTS!“Rolf Dieter Brinkmanndafür den erstmals verliehenenPetrarca-Preis – seinen einzigenLiteraturpreis.Rolf Dieter Brinkmann, dereinst glaubte, für eine ganze Generationzu sprechen, war in derTat ein paar Jahre lang Teil des literarischenZeitgeists, ein „Pop-Literat“. Aber eigentlich war dasein Irrtum, denn Schreiben, daswar für Brinkmann von Anfangan eine Art Notwehr gewesen gegeneine Welt, die ihm in seinerWahrnehmungssensibilität buchstäblichüber den Kopf wuchs.Und es war zugleich der Versuch,sich von Zwängen und Konventionenzu befreien, oder salopp gesagt:sein eigenes Ding zu machen.Und so steht Brinkmannheute, da er 85 Jahre alt wäre,wie ein Solitär in der deutschenLiteraturgeschichte herum.Radikales SchriftstellerlebenWelchen Weg hätte sein Schreibengenommen, wäre ihm ein langesLeben beschieden gewesen?Weiter radikal mit all den neuenMedien experimentierend, einschließlichden digitalen? Oderzurück zur Schlichtheit der Gedichte,die noch heute kanonischsind: über die Orangensaftmaschine,über einen „jener klassischenTangos“ oder über die„Trauer auf dem Wäschedraht imJanuar“? Hätte er den Nobelpreisbekommen wie sein damaligerPopliteratenkollege Peter Handke(Jg. 1944), der sich deutlichgeschickter zu vermarkten undzu inszenieren wusste (und denBrinkmann in einem Brief spöttisch-boshaft„Fußke“ nannte)?Aber vielleicht war der tragischfrühe Tod auch das, wasdiesem radikalen Schriftstellerlebenquasi eingeschrieben war,das „von Anfang an unter dem latentendumpfen Todesdruck undeiner namenlosen Bedrohung“stand, wie Brinkmann über seineKindheit sagte. Diesem „alltäglichenAngst- und Todesuniversum“setzte Brinkmann das Schreibenentgegen, ein einziges großesDennoch: immer wieder neu anfangen,immer weitermachen, allenAnfechtungen zum Trotz. „Ichmache die Augen auf und sehe aufein weißes Stück Papier.“Ich gehe in ein anderes BlauRolf Dieter Brinkmann −eine BiografieVon Michael Tötebergund Alexandra VasaRowohlt 2025400 S., geb., € 36,–Westwärts 1 & 2Erweiterte NeuausgabeVon Rolf Dieter BrinkmannRowohlt 2025448 S., kart., € 53,50
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