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DIE FURCHE 10.04.2025

DIE FURCHE · 1514

DIE FURCHE · 1514 Diskurs10. April 2025ERKLÄRMIR DEINEWELTHinaus mit denGurkenkönigenDen gesamten Briefwechselzwischen Hubert Gaisbauerund Johanna Hirzberger könnenSie auf furche.at bzw. unterdiesem QR-Code nachlesen.Hubert Gaisbauerist Publizist. Er leitete dieAbteilungen Gesellschaft-Jugend-Familie sowieReligion im ORF-Radio.Ja, ich kenn mich aus! Und erforsche mein Gewissen,ob denn ich immer auf Ihren jeweils letzten Briefthematisch eingegangen bin oder zumindest mit einerAndeutung – zustimmend oder skeptisch – signalisierthabe, dass ich ihn wenigstens gelesen habe. Ich gebezu, dass ich von Ihrem letzten Brief etwas enttäuschtbin, aber wahrscheinlich war Ihnen eben zu viel, was zuviel ist. Religion zum Beispiel. Also gut: Sie bieten rechtabrupt den Themenwechsel an – hinüber zur erhofftenWellnessoase eines Kurhauses, die sich dann auch alsein falscher Ort erweist – gemessenan Ihrer romantischen Erwartung.„ Das mehr alsfünfzig Jahre alteBuch ist noch immerein Leitfaden, wieman sich gegenTyrannen zurWehr setzt. “Statt Kräuterduft Seniorenluft.Ich habe ja nicht erwähnt, dass meineletzte Kolumne auch in einem Curhausentstanden ist. Ja, mit C – unddas zu Recht. Tee trinken, Ruhe gebenund Ruhe haben, den Körper vonzärtlich-kräftigen Fingern streichelnlassen. Sie, liebe Frau Hirzberger habenmit Ihrer treffenden Schilderungdes „selbsternannten Aufgusskönigs“allerdings eine Erinnerungan die frühen Siebzigerjahre des vorigen Jahrhundertsgeweckt. Da hatte die Kinderbuchautorin ChristineNöstlinger eine Figur erfunden, die sehr verwandtist mit Ihrem großmäuligen „Aufgusskönig“: den Gurkenkönig.Einen Troll in Gurkengestalt mit allen Attributenmännlichen Machtgehabes: selbstmitleidig, theatralischund dominant. Er schleicht sich in eine Familieein und stiftet mit Geldversprechungen Unfrieden. SeineUntertanen, ein Gurkenvolk im Keller, haben ihn wegenseiner selbstherrlich-asozialen Regierung verjagt.Die sollten jetzt im Keller mit Hilfe der Familie bestraftwerden. Doch die Kinder durchschauen den widerlichenGnom und entfernen ihn aus ihrem Leben. Der 1973 erschieneneRoman „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“gilt als Klassiker der emanzipatorischen Kinderliteratur.Ausgezeichnet mit dem Deutschen Kinderbuchpreis,Lektüreempfehlungen in Schulbüchern und so weiter...Einen „Gurkenkönig“, wie ihn die Nöstlinger charakterisierthat, gibt es ja heute wirklich. Nur tyrannisierter mit seinem Gehabe nicht nur eine Kleinfamilie, sonderndie Welt. Im Buch vereiteln die Kinder den Anschlagauf die Untertanen. Es werden Strategien entwickelt: der„Gurkinger“ muss weg. Der jüngereSohn transportiert ihn schließlichin einem Puppenwagen zum offenenKellerfenster. Und raus mit ihm.Möchtegern-MachthaberIch suche heute in meinen Träumenverzweifelt die Kinder, die einenWeg finden werden, die diversenGurkenkönige nachhaltig an diefrische Luft zu setzen. Das mehr alsfünfzig Jahre alte Buch ist noch immer– und jetzt erst recht – ein Leitfaden,wie man sich gegen Tyrannen zur Wehr setzt.Natürlich waren – auch damals – nicht alle begeistertwegen der emanzipatorischen Inhalte. Links halt. Wiesie war, die Christine. Einen heftigen Schönheitsfehlerhat der „Gurkenkönig“ aber schon. Er nennt sich KumiOri. Und es ist – vor 50 Jahren – weder dem renommiertenVerlag noch einer Jugendpreis-Jury aufgefallen,dass dies ein hebräisches Wort aus einem Prophetenbuchder Bibel ist und „steh auf“ oder „erhebe dich“ bedeutet.Hätte für die Widerständigen gepasst, aber nicht für einenMöchtegern-Machthaber.Ich wünsche Ihnen schöne vorösterliche Tage!KOMMENTAR„Meine Feinde tun sich zusammen“höre viele hinter meinem Rücken tuscheln. Von allen Seitendroht mir Gefahr! Meine Feinde tun sich zusammen, um„Ichmich aus dem Weg zu räumen.“ Die Worte aus dem Psalm31 weisen erschreckende Parallelen zu den Hassverbrechen gegenHomosexuelle in Österreich auf, deren Bekanntwerden fürEntsetzen sorgte. Vorgetragen wurde der Psalm bei einem „queerenKreuzweg“ am 25. März in der Wiener Votivkirche. 250 Menschenwaren dazu in die Innenstadtkirche gekommen, Mitwirkendeaus verschiedenen Kirchen wiesen auf Parallelen zwischen derin 14 Kreuzwegstationen vergegenwärtigten LeidensgeschichteJesu und der Ausgrenzung queerer Personen in der Gesellschaftund der Kirche hin. In eingespielten Interviews schilderten homosexuelleund Trans-Personen ihre Erfahrungenvon Schmerz und Ausgrenzung,aber auch von Ermutigung, Annahme sowievon Selbstermächtigung.In der katholischen Kirche werdenhomosexuelle Menschen bis heute ausgegrenzt,Homosexualität gilt nach wievor als unmoralisch, gleichzeitig fordertsie aber, homosexuellen Menschen mit„Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen“.Wie groß die Widerstände in der katholischen Kirche gegenüberHomosexuellen nach wie vor sind, musste selbst Papst Franziskuskürzlich zur Kenntnis nehmen. Seine Erklärung Fiducia supplicans,die es Priestern erlaubte, gleichgeschlechtliche Paare zusegnen, musste er kurz nach Veröffentlichung aufgrund massivenDrucks konservative Kräfte entscheidend abschwächen.Bei den Hassverbrechen gegen mindestens 17 schwule Männer– die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen – unterstellte die„ Auch in kirchlichen (erz)-konservativen Kreisen hältsich die Mär, das Problemlaute nicht Pädophilie,sondern Homosexualität. “Tätergruppe, die sich als „Pädo-Jäger“ im Netz gerierten, den Opfernfälschlicherweise Pädophilie und nahmen das als Vorwand,diese zu misshandeln und zu demütigen, und verbreiteten anschließendVideos ihrer Taten in den Sozialen Netzen. Diese Vorgehensweisekannte man bereits aus anderen Ländern, etwaRussland oder den USA, in Österreich ist das allerdings ein Novum.Das Narrativ, das Homosexualität mit Pädophilie gleichsetzt,wird dabei immer wieder verwendet.Auch in kirchlichen (erz)konservativen Kreisen hält sich dieMär von schwulen, pädophilen Priestern. Demnach sei der Skandaldes Missbrauchs in der Kirche in erster Linie auf homosexuellePriester zurückzuführen. Beides seien schließlich „Störungender geschlechtlichen Orientierung“,schrieb etwa der kürzlich verstorbenefrühere Salzburger Weihbischof AndreasLaun in einem Beitrag auf dem privatenkatholischen Portal kath.net.Kurz gefasst: Das Problem der Kirchelaute nicht Pädophilie, sondern Homosexualität.Das ist natürlich praktisch,denn mit den bekannten katholischen„heißen Eisen“, wie dem Zölibat, geistlichemMissbrauch und Klerikalismus muss man sich unter diesenUmständen natürlich nicht auseinandersetzen. Mitschuldam Kindesmissbrauch ist nicht das System, sondern die homosexuelleNeigung des Täters. Damit machen es sich die katholischenHardliner natürlich (zu) einfach. Wie sehr diese Taten immerauch Ergebnisse hierarchisch manifestierter Machtverhältnissein Kirche sind, zeigt das Beispiel des am Wochenende verstorbenenehemaligen US-Kardinals Theodore McCarrick. Erst2018 wurde bekannt, dass der Erzbischof,der sich gerne als Vorkämpfer einer Null-Toleranz-Politik gegen Missbrauch gerierte,selbst über Jahrzehnte seine herausragendeStellung ausnutzte, um junge Seminaristen zu missbrauchen.Dass das Entsetzen über die Angriffe auf homosexuelle Männerin Österreich allein nicht ausreiche, unterstrich auch dierömisch-katholische Regenbogenpastoral Österreich und nahmdie Amtskirche in die Pflicht, mehr dafür zu tun, damit sichLGBTIQ+-Personen in der Kirche heimisch und sicher fühlenkönnen.Tatsächlich ist die Stimme homosexueller Katholiken in denletzten Jahren lauter geworden. Großen Anteil daran hat der US-Jesuit James Martin. Der kommunikationsstarke Ordensmannmacht sich seit Jahren für die Rechte der LGBTQ-Community inder Kirche stark. Er ist Autor mehrerer Bücher und Kommentatorin vielen reichweitenstarken US-Medien, wie CNN, NPR, FoxNews Channel, Time Magazine oder The Huffington Post. PapstFranziskus hält große Stücke auf ihn, berief ihn u.a. als Berateran das Dikasterium für die Kommunikation und zum Teilnehmerder Weltsynode über Synodalität im vergangenen Herbst.Dass auch der Hass gegenüber Homosexuellen größer wird,zeigen nicht zuletzt die Angriffe in Österreich. Laut der evangelischenHochschulseelsorgerin Katharina Payk, eine der Mitorganisatorinnendes „queeren Kreuzwegs“, wolle man aufzeigen,dass der Glaube trotz der vielen Hürden für LGBTQ-Christen nicht gebrochen werden könne. Dazu passt auch diePsalmzeile, die direkt an den zu Beginn zitierten Vers anschließt.Dort heißt es: „Ich aber, Herr, vertraue dir. Du bist mein Gott,daran halte ich fest!“ (Till Schönwälder)Medieninhaber, Herausgeberund Verlag:Die Furche – Zeitschriften-Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KGHainburger Straße 33, 1030 Wienwww.furche.atGeschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner,Prokuristin: Mag. Doris Helmberger-FlecklChefredakteurin: Mag. Doris Helmberger-FlecklRedaktion: Philipp Axmann BA, MMaga. AstridGöttche, Viktoria Kapp BA, Dipl.-Soz. (Univ.)Brigitte Quint (CvD), Magdalena Schwarz MA MSc,Dr. Brigitte Schwens-Harrant, Mag. Till Schönwälder,Dr. Martin Tauss, Astrid Wenz-Theriault MAArtdirector/Layout: Rainer MesserklingerAboservice: +43 1 512 52 61-52aboservice@furche.atJahresabo (inkl. Digital): € 298,–Digitalabo: € 180,–; Uniabo (inkl. 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DIE FURCHE · 1510. April 2025Diskurs15Das Erdbeben in Myanmar verstärkt das Leid der Menschen in einem Land, das seit Jahrzehnten vonBürgerkriegen, Unsicherheit und Naturkatastrophen geprägt ist.Wegschauen istkeine OptionNach dem schweren Erdbeben derStärke 7,7 in Myanmar ist die Notlageim Land dramatisch. OffiziellenAngaben zufolge sind bishermehr als 3500 Menschen umsLeben gekommen, rund 3900 wurden verletztund mindestens 300 gelten als vermisst. DieseZahlen werden sicher noch steigen, da vieleGebiete derzeit noch nicht zugänglich sind.Schätzungen gehen von 19,6 Millionen Menschenaus, die von dieser verheerenden Naturkatastrophebetroffen sind: Gebäude sind eingestürzt,die Infrastruktur ist zerstört, Zugangzu Trinkwasser, Nahrungsmitteln, sanitärenEinrichtungen, Notunterkünften und medizinischerVersorgung ist Mangelware. Seitdem Wochenende behindern schwere Regenfälledie Arbeit der Helferinnen und Helfer zusätzlich.Die bevorstehende Monsunzeit kannErdrutsche und Überschwemmungen mit sichbringen. Auch an Treibstoff und Bankdienstleistungenfehlt es; Internet und Mobilfunkfunktionieren nur eingeschränkt.Foto: Pertramernitärer Hilfe und Projekten zu Katastrophenvorsorge,Stärkung der Zivilgesellschaft, ländlicherEntwicklung und Bildung – erreicht dieHilfe auch schwer zugängliche Gebiete.Dieses Erdbeben verstärkt das Leid der Menschenin einem Land, das seit Jahrzehnten vonGewalt, Unsicherheit und Naturkatastrophengeprägt ist. Einem Land, dessen Bevölkerungtrotz vereinbarter Waffenruhe zwecks Erleichterungder Rettungs- und Wiederaufbauarbeitenbis jetzt weiterhin Zielscheibe von Luftangriffendes Militärs war. Auch schon vor demErdbeben waren fast 20 Millionen Menschenin Myanmar auf humanitäre Hilfe angewiesen.DIESSEITSVON GUTUND BÖSEVon AndreasKnapp„ Der Rückzugöffentlicher Geber,allen voran die USA,hat dramatischeFolgen für Länderwie Myanmar.“Dieses Land kann ohne internationale Unterstützungdiese multiplen Krisen nicht bewältigen,wie sollte das auch angesichts der Umständemitten im Bürgerkrieg funktionieren?Myanmar ist ein eindrückliches und traurigesBeispiel für ein Phänomen, das mir zunehmendSorgen bereitet: Wir sehen multiple, sichwechselseitig beeinflussende Krisen, Kriegeund bewaffnete Konflikte, dazu kommen nochdie spürbaren Auswirkungen der Klimakrise.Alle diese Faktoren gefährden die Stabilitätund Sicherheit in der Welt. Humanitäre Krisengreifen um sich, das sehen wir nicht nur jetzt inMyanmar. Die Zahl der Menschen und Länder,Lage ist nicht hoffnungslosVor Ort koordiniert unsere lokale Caritas-Partnerorganisation Hilfsmaßnahmen undHelferinnen und Helfer sind im Katastrophengebiet,um den akuten Bedarf zu erheben. UnserePartner kennen die betroffenen Regionen,die Menschen und die Herausforderungenvor Ort. Diese Nähe ist ganz entscheidend, umschnell und zielgerichtet helfen zu können. DieBereitstellung von Notunterkünften und sicherenSchlafplätzen, medizinischer Versorgung,Trinkwasser und sanitären Einrichtungen,Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln und auchBargeldhilfen, damit sich die Familien das Nötigsteleisten können, stehen derzeit im Fokus.Soweit zur humanitären Lage vor Ort. Sieist komplex, sie ist schwierig, aber, und das istmir sehr wichtig festzuhalten, sie ist nicht hoffnungslos.Humanitäre Hilfe ist nicht nur dringendnotwendig, sie kommt auch wirklich beiden Menschen an – das können wir durch unserePartner-Organisationen vor Ort garantieren.Durch die langjährige Kooperation der CaritasÖsterreich mit erfahrenen lokalen Partnerorganisationen– wir unterstützen in Myanmarseit dem Zyklon Nargis im Jahr 2008 mit humadieauf humanitäre Hilfe angewiesen sind,steigt seit Jahren ungebremst an. Im Jahr 2024werden laut UN-OCHA voraussichtlich fast 310Millionen Menschen in 72 Ländern auf humanitärenSchutz und Hilfe angewiesen sein.Humanitäre Hilfe und internationale Zusammenarbeitsind notwendiger denn je,gleichzeitig ziehen sich öffentliche Geber massivzurück, allen voran die USA, deren drastischeKürzungen der Entwicklungshilfefür Länder wie Myanmar dramatische Auswirkungenhaben. Die Erdbebenkatastrophein Myanmar ereignete sich nur wenige Wochennach den Kürzungen der US-Hilfe. ImJahr 2024 zahlte Amerika rund ein Drittel dergesamten multilateralen humanitären Hilfefür Myanmar. USAID gab im vergangenenJahr 240 Millionen Dollar in Myanmar aus,wobei fast die Hälfte davon humanitäre Zweckefinanzierte. Doch seit Januar ist die Zahlder USAID-Programme in Myanmar von 18auf nur noch drei geschrumpft.Gefährlicher StillstandZusätzlich zum Einfrieren aller US-Hilfenhaben auch Frankreich, die Niederlande, dieSchweiz, Deutschland und das VereinigteKönigreich ihre internationale Hilfe um insgesamt12,5 Milliarden Dollar gekürzt. Das isteine schockierende Entwicklung, die wir mitSorge beobachten. Auch in Österreich erlebenwir einen gefährlichen Stillstand, denn dasDreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik2025-2027 und die Umsetzungder Strategie der Humanitären Hilfe sindnoch nicht beschlossen. Planungssicherheitund Ausbau der Mittel aus dem Auslandskatastrophenfondssind essentiell in komplexenund langanhaltenden Krisen wie in Myanmar.Es ist keine Option, sich von den Schwächstender Welt abzuwenden. Gerade jetzt ist es ander Zeit, Solidarität und eine gemeinsame Visionfür eine bessere Welt in den Vordergrundzu stellen. Wir dürfen diejenigen, die unsam meisten brauchen, nicht im Stich lassen!Das ist unsere moralische und strategischeVerantwortung.Der Autor ist Generalsekretär der CaritasÖsterreich für Internationale Programme.ZUGESPITZTZauberteppichÖsterreich rollt den Autofahrernden Teppich aus. Das mag nichtüberraschen, leben wir doch in dem„Autoland schlechthin“, wie zumBeispiel Ex-Kanzler Karl Nehammerals Noch-Kanzler betonte.Leider ist der Teppich in diesemFall nicht aus rotem Samt, wie manihn von Staatsbesuchen kennt. Anden Grenzübergängen im Osten desLandes sieht er vielmehr aus wieeine flache Wanne, mit Vlies undschwarzer Folie bedeckt. Daraufverteilt wird mittels allseits beliebtem„Gießkannenprinzip“ auf fünfProzent verdünnte Ameisensäure.Als Gießkannen- und Wasserschlauch-Schwenkersind Bundesheer-Soldatenund Mitglieder derBaudirektion der Länder im Einsatz.Rollt ein Auto darüber, werdendie Reifen desinfiziert und sollenso die Maul- und Klauenseuche(MKS) an der Verbreitung hindern.Nun ist mit einer Seuche nicht zuspaßen, allein das Wort weckt beivielen Ängste vor Pest und Cholera.Für ein besseres Image dieserwichtigen Maßnahme wäre folglicheine Umbenennung angebracht,ein Vorschlag: Zauberteppich. AufSkipisten sowieso immer wenigerim Einsatz, vor allem Anfang Aprilist seine Zeit für heuer wohl vorbei.Und das Virus wird damit hoffentlichweggezaubert. Hokuspokus,MKS finitus!Astrid WenzPORTRÄTIERTWissenschaftsbotschafterin im KlassenzimmerWenn man eine Anfrage an ChatGPT stellt, wiehoch ist dann der Energieverbrauch? WievielStrom benötigt die Generierung eines Bildesdurch Künstliche Intelligenz (KI)? Und welche Einsparpotenzialegibt es generell bei der Nutzung digitalerDienste, etwa durch Verzicht auf Standby-Verbrauchoder Streaming in niedrigerer Qualität? Das sind Fragestellungen,die in Kleingruppen von Schülern und Schülerinnenerarbeitet werden, wenn Ivona Brandic in einemWorkshop das Thema „Nachhaltige KI“ vermittelt.Die Professorin für Hochleistungsrechnersysteme ander Technischen Universität Wien ist nun die 500. „Wissenschaftsbotschafterin“,die ihr Forschungsfeld direktins Klassenzimmer bringt. Ziel der von der ÖsterreichischenBildungsagentur (OeAD) umgesetzten Initiativeist es, der grassierenden Wissenschaftsskepsis nachhaltigentgegenzuwirken und das Vertrauen in Wissenschaftund Demokratie zu stärken.Es sind ein bis zwei Besuche pro Semester, in denendie Informatikerin mit den Kindern und Jugendlichenins Gespräch kommt. „Ich freue mich sehr darauf, dieBegeisterung für mein Forschungsgebiet mit den Schülerinnenund Schülern zu teilen“, sagt Brandic. „EinHighlight sind ihre Fragen, denn sie denken oft out ofthe box.“ Kreative Lösungsansätze gibt es in diesem Programmin den verschiedensten Wissenschaftsbereichen.212 thematische Workshops stehen zur Auswahl – vonder Klimaforschung über Biotechnologie und Archäologiebis hin zur Musiktherapie. Die Nachfrage seitens derSchulen, aber auch die Zahl der engagierten Forschendensei in den letzten beiden Jahren rasant gestiegen, berichtetdie OeAD: So fanden 2024 mehr als 360 Schulbesuchein ganz Österreich statt.Wenn Ivona Brandic erklärt, warum ressourcenschonendeRechensysteme wichtig sind, zeigt sie, dass Wissenschaftalles andere als „staubtrocken“ ist. Vielmehreröffnen sich neue Perspektiven auf die Welt, wie die47-Jährige aus eigener Erfahrung berichten kann. 2008war die gebürtige Bosnierin als Gastforscherin an derUniversität Melbourne in Australien tätig, 2013 habilitiertesie sich in Praktischer Informatik an der TU Wien.Ein aktuelles Projekt von Brandic führt in ländlicheLebenswelten: Bei der Entwicklung eines virtuellen Hirten(„Virtual Shepherd“) geht es um neuartige Methoden,Tools und Software, um die Überwachung der Tiere aufeiner Alm zu automatisieren. (Martin Tauss)Foto: Michael SaubererIvona Brandic leitetdie Forschungsgruppefür Hochleistungsrechnersystemean derTU Wien undengagiert sichin der frühzeitigenWissenschaftsvermittlunganden Schulen.

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