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DIE FURCHE 09.11.2023

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DIE FURCHE · 4520 Film

DIE FURCHE · 4520 Film & Medien9. November 2023DIE FURCHE: Ist der Streik der Hollywood-Schauspieler aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?Die fordern ja genau das. Und sie wollennicht, dass sie von Künstlicher Intelligenzersetzt werden.Bülow: Ich habe das natürlich mitbekommen.Aber ich bin da komischerweise ziemlichangstfrei, was die KI betrifft. Bis die alldas beherrscht, was echte Menschen können,wird es lange dauern. Wahrscheinlichbin ich da eher entspannt, weil ich aus demTheater komme und weil das Theater einesehr physische Live-Erfahrung ist. BeimFilm gibt es die KI-Bedrohung natürlich.Da geht es auch um Existenzen. Ich glaubeaber nicht, dass sich das nachhaltig durchsetzt.Wenn die Leute der Meinung sind,dass sie lieber Filme sehen wollen, die vomComputer ausgerechnet wurden, dannsollen sie das tun. Dann habe ich keinenJob mehr. Aber ich will nicht daran glauben,dass das Publikum so etwas wirklichsehen will.Das Gespräch führte Matthias GreulingFEDERSPIELEuropäische Tech-AllianzAPA-Chef Clemens Pig hat das richtigeThema zur richtigen Zeit getroffen.Durch sein Buch „Democracy Dies inDarkness“ ist er neben DigitalisierungsexpertinIngrid Brodnig der gefragteste Wanderpredigerzur Frage, wie Künstliche Intelligenz undDesinformation die Medien und die Welt verändern.Der persönliche Erfolg des Geschäftsführersgeht einher mit dem gestiegenen Gewichtder Austria Presse Agentur. Das gilt längst weitüber ihren Stellenwert als Nabel der hiesigenMedienlandschaft hinaus: Mit 75 MillionenEuro ist sie mittlerweile die umsatzstärkstenational tätige Nachrichtenagentur-Gruppedes Kontinents – und Pig Präsident der „EuropeanAlliance of News Agencies“ EANA.Wenn er in dieser Position sagt, „Wir braucheneine europäische Technologieallianz“ underste Schritte dazu erwähnt, steckt mehr dahinter.Denn das Agenturgeschäft lebt im Gegensatzzu Journalismus und Politik von Zurückhaltung:Ginge hier nicht wirklich etwas weiter,würde darüber nicht geredet. Um ein vor neunMysteryThriller„Die Theorie vonAllem“ spielt in denSchweizer Alpenin den 1960er Jahren.Jan Bülow (li.)spielt darin einenPhysiker, der ineinen Mordfallverwickelt wird.Burg-Star Jan Bülow im Gespräch über seinen neuenKinofilm „Die Theorie von Allem“, das Burgtheater –und warum er vor Künstlicher Intelligenz keine Angst hat.„Ich habe Wienlieben gelernt“Jan Bülow ist Ensemblemitglied desWiener Burgtheaters und wurde einemgroßen Publikum bekannt, alser 2020 den Panikrocker Udo Lindenbergin „Lindenberg! Mach deinDing“ spielte. Jetzt gibt er die Hauptrolle inTimm Krögers filmischem Philosophicum„Die Theorie von Allem“, das im Wettbewerbdes Filmfestivals von Venedig Premierehatte und jüngst auch bei der Viennalebejubelt wurde.1962 fährt Johannes Leinert (Bülow) zueinem Physikkongress in die SchweizerAlpen. Dort will ein iranischer Wissenschaftlerneue Theorien der Quantenmechanikpräsentieren – allein: In dem Alpenhotelfehlt jede Spur von dem Iraner.Die Gäste üben sich derweil in Warten. Johanneslernt eine mysteriöse Jazzpianistinkennen – und am nächsten Tag wirdeiner der Gäste tot aufgefunden und Ermittlungenstarten. Es ist der Beginn einesdüsteren Geheimnisses, in das Johannesverwickelt wird.„Die Theorie von Allem“ ist Mysterythriller,Krimi, Horrorfilm und anspruchsvollesDrama. In elegantem Schwarzweiß gedreht,erinnert der Film an Hitchcock oderan alte Edgar Wallace-Filme. RegisseurKröger hat eine bildgewaltige Genreverfilmungvorgelegt, die rätselhaft und schlau,schräg, überwältigend und vielschichtigzugleich ist.DIE FURCHE: Herr Bülow, haben Sie das Drehbuchzu „Die Theorie von Allem“, einemFilm der sich um Quantenmechanik und dieFrage dreht, wie die Welt denn funk tioniert,eigentlich gleich auf Anhieb verstanden?Jan Bülow: Nein, und ich habe es eigentlichnoch immer nicht kapiert, worum es dabeigeht! Aber gerade deshalb wollte ich diesesProjekt unbedingt machen, weil man ebennicht jede Ebene auf Anhieb versteht, undVon Peter PlaiknerMonaten gestartetes Projektdes öffentlich-rechtlichenRundfunks ausDeutschland (ZDF), derSchweiz (SRG SSR), Belgien(RTBF) und Kanada (CBC) zur Entwicklungeiner alternativen Social-Media-Plattform ist eshingegen wieder auffallend still geworden. JedesBündnis zur technologischen Emanzipationdes Abendlandes gegen die digitalen Kolonialherrenaus den USA und China benötigtletztlich politisches Powerplay. Dass die EU dazufähig ist, beweist sie mit ihren „Digital Servicesund Markets Acts“. Sie dienen vor allemder Transparenz, Kontrolle und Abwehr. EineTech-Konföderation zur Förderung von Eigenemals Stärkung im globalen Wettbewerb wäreebenso wichtig. In sieben Monaten sind Europa-Wahlen.Eine Technologieallianz wäre jenespositive Thema, das es angesichts der multiplenKrisen dafür dringend braucht.Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst.das ist gut so. Ein Rätsel, ein Mysterium, dasdie Zuschauer fesselt, ist doch eine gute Voraussetzungfür einen gelungenen Kinobesuch.Man muss nicht alles auf einer metaphysischenEbene verstehen, um von dieserGeschichte fasziniert zu sein. Bei der erstenVorführung stand ich bei einigen Szenen voreinem Rätsel, die ich beim Dreh aber begriffenhatte. Regisseur Timm Kröger hat es mirdann neuerlich erklärt - am Ende gibt es fürjede Szene eine schlüssige Erklärung. Ichdachte: Wenn der Film nur halb so gut wirdwie das Buch, dann ist das schon genial. Ichwill mich jetzt gar nicht kleinreden, aber letztenEndes profitiere ich als Schauspieler voneiner tollen Idee und darf den Ruhm erntenfür etwas, woran andere lange gearbeitet haben,und ich kam ja sozusagen nur in der letztenPhase von diesem ganzen Prozess hinzu.„ Letzten Endes profitiere ichals Schauspieler von einer tollenIdee und darf den Ruhm erntenfür etwas, woran andere langegearbeitet haben. “DIE FURCHE: Es soll ja sogar Voraussetzungdafür gewesen sein, dass Sie im Film eherratlos wirken. Stimmt das?Bülow: Ja, das stimmt. Timm Kröger wollte,dass ich das alles erst verstehen lernenmuss. Er hat mich an die Rolle richtig herangeführt,das ist inzwischen selten gewordenin unserem Beruf. Ich spreche davor allem für das Theater. Es gibt heute zuviele Regisseure, die nicht in der Lage sind,ihre Schauspieler zu führen. Das ist eingroßes Problem unserer Zunft.DIE FURCHE: Inwiefern?Bülow: Wir bewegen uns in einer Zeit, inder Schauspieler immer unwichtiger werden.Das klingt jetzt natürlich total eitel,aber es geht eher darum, dass das gesprocheneWort wieder wichtiger wird und wenigerdie bildgewaltige Optik von Filmen.DIE FURCHE: Besondere Filme wie „DieTheo rie von Allem“ sind eher rar gesät imdeutschsprachigen Kino. Woran liegt das?Bülow: Ich bin zwar kein Experte, aberich glaube, dass viele lieber keine extravagantenPlots wagen, weil man die Erwartungendes Publikums treffen will. Mandenkt, die Zuschauer wollen eben nur bestimmteGeschichten sehen. Das führt dazu,dass viele Filme sich eher anbiedern,in der Hoffnung zu gefallen - was sie aberbelanglos macht. Besonders beim Humorder deutschen Komödien gibt es Verbesserungsbedarf.DIE FURCHE: Der Film ist auch eine Herausforderungfür Sehgewohnheiten. Und er erfordertdie Vorstellungskraft, dass es Metaversengibt.Bülow: Ich bin für allerlei schräges Zeugzu begeistern, solange es dafür eine wissenschaftlicheGrundlage gibt - reine Fantasy-Stoffelangweilen mich dagegen eher.Metaphysische Dinge verstehe ich garnicht. Aber deshalb finde ich, den Filmkann man sich durchaus zweimal anschauen,um neue Ebenen zu entdecken. Mussman aber nicht. Wenn mir jemand sagt,dass er mit dem Film überhaupt nichts anfangenkann, ist das auch ok. Ich bin jedenfallssehr glücklich damit, und freue mich,wenn andere Spaß daran haben.DIE FURCHE: Ein Teil des Films wurde im legendärenSüdbahnhotel am Semmering gedreht.Wie war diese Erfahrung?Bülow: Es ist ein unglaubliches Hotel, undman spürt darin eine vergangene Ära, weiles so lange Zeit geschlossen ist. Wir warenganz oben auf dem Dach und meinten,dass man von da sogar bis nach Wien sehenkann! Unglaublich, diese Location! VollerGeschichte und voller Geschichten. Michfasziniert so etwas.DIE FURCHE: Eine letzte Frage noch zumBurgtheater, denn wir sprachen uns zuletzt,als Sie neu ins Ensemble gekommensind und den Betrieb noch nicht kannten.Ist das Haus inzwischen eine Heimat gewordenfür Sie?Bülow: Ja, ich habe erst kürzlich gedacht,jetzt fange ich an, Wien so richtig zu lieben,und ein Kollege meinte, man braucht vierJahre dafür, um sich an Wien zu gewöhnenund es zu lieben. Und es stimmt, dieseZeit habe ich gebraucht. Ich liebe das Burgtheaterund diese Stadt, weil sie auch eineeigene Dynamik hat und weil man hier garkeine Öffi-Karte braucht. Denn Wien ist dieoptimale Stadt zum Flanieren.Die Theorie von AllemD/A/CH 2023. Regie: Timm Kröger.Mit Jan Bülow, Olivia Ross, Hanns Zischler,Gottfried Breitfuß, David Bennent, PhilippeGraber, Imogen Kogge.Stadtkino. 118 Min.

DIE FURCHE · 459. November 2023Film21KOLONIALDRAMAGeschichte einer RekrutierungWie das Walten einer Kolonialmachttradierte soziale Strukturen zerstört,das beschreibt „Mein Sohn,der Soldat“ eindrücklich. Noch sitzen Vaterund Sohn friedlich beim Hüten ihrer Herdein der senegalesischen Savanne. Aber wenigeSzenen später wird der Sohn gefangengenommen. Denn Frankreich rekrutiertauch in Afrika die junge Generation fürden Ersten Weltkrieg, und das mit rabiatenMethoden. Der Vater meldet sich freiwillig,er will den Sohn vor dem Heldentod bewahren.Mathieu Vadepied verwebt in seinemKriegsfilm ein Kapitel der französischenKolonialgeschichte, die Rekrutierung der„senegalesischen Infanteristen“, mit einemVater-Sohn-Konflikt. Er erzählt vonZukunftsentwürfen und Identitätsvorstellungen,die auch ins Jetzt weisen. Währenddem Vater (als couragierter Retter: OmarSy) die nationale Idee Frankreichs fremdbleibt, lässt sich der aufmüpfige 17-Jährigevom Versprechen der Gleichheit und einembesseren Leben locken. Dabei reißt derFilm viele Probleme der Kolonialsoldatenan, leuchtet sie aber nicht aus. Nachdrücklichhingegen zeichnet er das zähe Ringenmit der Logik einer kolonialen Institution,welche die Autorität und die Werte des Vatersuntergräbt. (Heidi Strobel)Mein Sohn, der Soldat (Tirailleurs)FR/SN 2022. Regie: Mathieu Vadepied. MitOmar Sy, Alassane Diong. Filmladen. 100 Min.Im Ersten Weltkrieg sucht Frankreich nachSoldaten – auch in den afrikanischen Kolonien.DOKUMENTARFILMSuche mit bohrenden FragenRegisseur Marko Doringer wagt den Blick zurück –und entdeckt eine verwundete Elterngeneration.Unzufriedenheit ist ein Zustand, derentgegengesetzte Richtungen einschlagenkann: in chronischerForm zur Antriebslosigkeit, in eine Depression;als Triebfeder jedoch zu einer Veränderung,zu einem kreativen Prozess. BeiMarko Doringer ist es beides. Ausgehendvon bohrenden Fragen an sich selbst porträtiertder Salzburger in der Doku „DeinLeben – Mein Leben“ bereits zum viertenCOMIC-VERFILMUNGBeliebige MarvelsMal die eigene Generation. Ging es anfangsum das Ende der Jugend („Mein halbes Leben“,2008), steht mittlerweile der 50. Geburtstagbevor. Man hat es sich eingerichtetin der Welt, hat Familien gegründet, diemanchmal auch wieder zerbrochen sind.Reicht das aber? Was sind die Ziele für dieZeit, die noch bleibt? Und: Was von der eigenenGeschichte wird man selbst einmal ansein Kind weitergeben?Letzterer Punkt lässt Doringer unweigerlichauf das Verhältnis mit den Elternund Großeltern blicken – darauf, welcheWunden weitergegeben werden, wenndie Generationen nicht miteinander zukommunizieren wissen. Der Blick des Filmemachersauf sein eigenes und das Lebenseiner Freunde ist tatsächlich eineSchatztruhe der seelischen Suche: wirkmächtigbeim Anstoßen existenziellerFragen und zugleich mutig, diese auch zukonfrontieren. (Thomas Taborsky)Dein Leben – Mein LebenA 2023. Regie: Marko Doringer. Polyfilm. 93 Min.SINNVOLLESSCHENKENBereiten Sie mit einem FURCHE-Geschenkabo Ihren Liebsten eineFreude!Sie schenken damit Zeit für neueGedanken, für Zugänge, die zumWeiterdenken anregen.» Immer und überall digital undentspannt auf Papier» alle Artikel seit 1945 im FURCHE-NavigatorGar nicht so leicht, da den Überblickzu behalten: „The Marvels“ ist derzweite Film einer neuen Reihe ausdem Marvel Cinematic Universe, die in den1990er Jahren spielt – also einer Zeit vor dengroßen Abenteuern der Avengers-Superhelden.Der neue Film folgt den Ereignissendes Vorgängers „Captain Marvel“. DieStory: „Carol Danvers alias Captain Marvel(Brie Larson) hat ihre Identität von den tyrannischenKree zurückerobert und Rachean der obersten Intelligenz genommen.Die unbeabsichtigte Folge: Carol mussdie Last eines instabilen Universums aufsich nehmen. Das klingt nicht nur schwierig,das ist es auch. Oscar-PreisträgerinBrie Larson erhielt für ihre Rolle als weiblicheTitelfigur in „Captain Marvel“ glänzendeKritiken. Jetzt wartet man in Hollywoodgespannt darauf, ob sie auch den Nachfolge-Film„The Marvels“ zum Erfolg führenkann. Denn es gibt Krisensignale: Superhelden-Filmewerden an den Kinokassennicht mehr automatisch zu Superhits. EinTeil des Problems dürfte hausgemacht sein.Iman Vellani, Brie Larson, Teyonah Parris (v.li.) sindnur drei aus dem Universum von „The Marvels“Viel Insiderwissen ist erforderlich, um inhaltlichmitzukommen, zugleich werden –wie auch im vorliegenden Fall – die Filmeaustauschbarer und beliebiger. Superlativenzu toppen, das ist zunehmend ein Dingder Unmöglichkeit. (Matthias Greuling)The MarvelsUSA 2023. Regie: Nia DaCosta. Mit Brie Larson,Iman Vellani, Maria Guiver. Disney. 105 Min.HEUTE BESTELLEN,ZU WEIHNACHTEN SCHENKEN!furche.at/abo/schenkenaboservice@furche.at01 512 52 61 52

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