DIE FURCHE · 452 Das Thema der Woche Ausgeartet9. November 2023AUS DERREDAKTION„Ausgeartet“: Unter diesem Begriff stellt man sich eine aus dem Ruder gelaufeneParty vor. Oder ein zu üppiges Menü. Doch es kann im Wortsinnauch Existenzielles bedeuten – etwa das bedrohliche Verschwinden vonTier- und Pflanzenarten. Martin Tauss hat sich anlässlich der „Tage derBiodiversität“ an der BOKU diesem wichtigen Thema gewidmet. „Ausgeartet“ist im Frühjahr auch die Wahl des SPÖ-Chefs. Am Ende wurdees Andreas Babler, der beim Bundesparteitag in Graz seine Partei unterdem Motto „Zurück zur Gerechtigkeit“ endlich wieder einen will. Einigmit der ÖVP wird man sich aber nicht so schnell. Wolfgang Machreichhat sich die Historie dieser Antipathie genauer angesehen – und AntonPelinka zieht im „Diesseits von Gut und Böse“ Analogien zwischen Bablerund den Päpsten. Erschütternd ist der Bericht von Stefan Schocherüber traumatisierte Kriegsheimkehrer in der Ukraine, gewichtig diedrei Religions-Texte über die Weltsynode, antijüdische Bibelexegeseund wahnhafte Religion. Victoria Schwendenwein hat bei einer Reportagereisenach Lettland beobachten können, wie man dort Lehren ausder österreichischen Lehre zieht. Und Lothar Struck, der Peter Handkeso gut kennt wie kaum jemand sonst, hat sich dessen neuen Roman„Die Ballade des letzten Gastes“ zu Gemüte geführt. Das Lesen dürfteausgeartet sein. Aber das gehört sich so rund um die Buch Wien. (dh)Aufgezeichnet von Martin TaussEnde November startet die nächsteUN-Klimakonferenz in Dubai,doch die Ausgangslage hatsich verändert: Das Ziel, die Erderwärmungauf durchschnittlich1,5 Grad zu begrenzen, ist laut aktuellerForschungslage so gut wie gescheitert.Bislang weniger Beachtung findet eineähnlich chronische Krise, die unsere Lebensgrundlagen– vor allem die Ernährungssicherheit– unmittelbar bedroht.Beinahe eine Million Arten könnten inden nächsten Jahrzehnten verschwindenund so weltweit Ökosysteme zu Fall bringen.Und die Folgen der Biodiversitätskrisekönnten weitere akute Krisen wie Migration,Konflike und Kriege befeuern.Entsprechende Lösungsansätze werdenderzeit noch bis Freitag bei den „Tagen derBiodiversität“, einer großen Konferenz ander BOKU Wien, diskutiert. Die FURCHE batLandschaftsökologin Christine Rottenbacherund Historiker Ilja Steffelbauer, beidevon der Donau-Uni Krems, vorab zum Dialog:Sie werfen unterschiedliche Perspektivenauf die globale Problemlage – und machengemeinsam deutlich, dass die Lösungvor der eigenen Haustür beginnt.Um Arten und Lebensräume zu erhalten, brauchtes eine neue Mentalität, die sich am „naturgerechtenLeben“ für alle orientiert. Ilja Steffelbauer undChristine Rottenbacher mit Impulsen aus derKultur- und Landschaftsökologie.„Bitte nichtschützen!“Ilja Steffelbauer: Beginnen wir mit einerÜbung: Stellen wir uns zwei Kreise vor, dereine ist die Umwelt, der andere sind Sie.Wie bei der Mengenlehre bilden Sie zwischendiesen Kreisen eine Schnittmenge:Wie sähe diese aus? Spätestens seit Descartessind diese Kreise oft getrennt. Aufder Seite des Menschen steht allerhand:Kunst, Religion, Technik, Wirtschaft, Politik:kurz Kultur, die scheinbar mit der Naturauf der anderen Seite nichts zu tun hat.Natur wird maximal als Objekt und Ressourcekolonisiert – ein fataler Irrtum! DieKulturökologie hat schon lange darauf hingewiesen,dass „Kultur“ nichts anderes istals die Anpassungsleistung des Homo sapiensan seine Umwelt: Kultur ist die Superkraft,die es uns ermöglicht hat, als Speziesaus unserer ökologischen Nische in derSavanne Afrikas auszubrechen und so gutwie jeden Lebensraum dieses Planeten zubesiedeln. Sie war immer aufs Engste verzahntmit der biologischen Umwelt, an diewir uns anpassten.Christine Rottenbacher: Ein wichtigerBrückenschlag erfolgt heute über die „kulturellenÖkosystemleistungen“: Dabei werdenUmweltbedingungen und konkreteOrte betrachtet, wie sich diese über dieJahrhunderte durch die Wechselwirkungzwischen Mensch und Natur geformt haben.Wie also wird unser Gemeingut Landschaftals Lebensraum erhalten und weiterentwickelt?Derzeit werden vermehrtverschiedene Schutzinteressen gegeneinanderausgespielt: Plötzlich steht Klimaschutzgegen Artenschutz, wenn fürdie Versorgungssicherheit unersetzlicherAckerboden für Solaranlagen und Waldfür Windparks geopfert wird. Wenn mansich hingegen am Begriff der „Klimaregulation“orientiert, wird der Mehrfachnutzeneiner strukturellen Diversität in unserenLebensräumen besser sichtbar. Mitder Artenvielfalt entstehen auch wichtige„Ökosystemfunktionen“ wie Bodenbildung,Foto: iStock/ kruwt„Ein Gartenfür die Arten“(18.7.2019):Martin Tauss zuBesuch in einem„grünen Labor“im Umlandvon Wien,auf furche.at.Wasserspeicherung etc. So könnten wirzum Beispiel die Versorgungssicherheitmit Nahrungssmitteln, die ja bis zu 80Prozent bestäuberabhängig ist, mit der lokalenKlimaregulation verbinden. Was esdazu braucht, sind biodiverse Boden-Wasser-Pflanzensysteme,die entsprechendökologisch gepflegt werden.Steffelbauer: Das erfordert aber ein Denkenin komplexen Systemen, in denenMensch und Umwelt einander nicht alsSubjekt und Objekt gegenüberstehen, sondernin denen die wechselseitigen Beziehungenals Teil eines umfassenden Systemsverstanden werden. Genau daranmangelt es in der Praxis, wie jüngst die Debattezur EU-Verordnung über die „Wiederherstellungder Natur“ zeigt. Einige Länderhaben Einwände und Abänderungen inBezug auf Wald (Schweden, Finnland) bzw.„ Zahlreiche Wissenschaftlerhaben die Argumentegegen das EU-NatureRestoration Law in einemoffenen Brief widerlegt.“Ilja SteffelbauerWeideflächen (Niederlande, Irland) vorgebracht,die in harten Verhandlungen in dieVerordnung eingearbeitet wurden. Auchaus Österreich kamen, vor allem aus demLandwirtschaftssektor, Vorbehalte, wennes darum geht, Schutzgebiete zu erweiternund Brachflächen zu belassen. In einem offenenBrief haben letzte Woche mehr als3300 Wissenschaftler aus allen EU-Staatendie Hauptargumente, die gegen die Verordnungvorgebracht wurden, sachlichwiderlegt.Rottenbacher: So trägt die Wiederherstellungder Natur langfristig zur Stärkungder Ernährungssicherheit bei! Abgesehendavon ist die Möglichkeit, im Alltag jederzeitmit Natur in Kontakt sein zu dürfen,sehr wichtig. Nicht nur, um der Entfremdungentgegenzuwirken, sondern generellfür unsere seelische und körperlicheGesundheit. Schon ab 15 Minuten Spazierenin einem Wald beginnen wir Stress abzubauen.Der Puls wird langsamer, unsereSinne werden schärfer, wir riechen besserund können fokussierter arbeiten. Naturerlebenim Alltag ist nicht immer einfachverwirklichbar: Je nachdem, wo wir lebenund arbeiten, gibt es Lärm, Luftverschmutzungund andere Belastungen. Hier kommtalso ein sozial-ökologischer Aspekt dazu.Alle Menschen, egal wo sie leben, solltenein bestimmtes Maß an Naturkontakt lebenkönnen – und sich in grünen, gesundenund vielfältigen Lebensräumen aufhaltendürfen. Leben Sie an Straßen mit altenBaumalleen, die an heißen SommertagenSchatten spenden? Gibt es dort Vogelnester?Welche Vögel können dort beobachtet werden?Wie lange brauchen Sie zu Fuß zumnächsten Park, zu einer Wiese, einem Teich,wo man im Frühling Frösche quaken undKaulquappen beobachten kann? Das gehörtzur Umweltgerechtigkeit, so wie gesundesEssen und Trinkwasser, das für alle verfügbarsein sollte. In jeder Straße, auf jedemDach, am Haus, im Feld, im Wald – überallbrauchen wir Naturkontakt!Steffelbauer: Dem steht nur leider entgegen,dass wir eine tiefgehende Entfremdungvon diesen natürlichen Voraussetzungenin so gut wie allen Lebensbereichenfeststellen: Ob wir Licht haben, ist nichtmehr vom Zyklus der Gestirne, ob wir Erdbeerenhaben, nicht mehr von lokalen Vegetationszyklenabhängig. Bei allen Vorteilen,die uns das gebracht hat, sind wirmittlerweile durch so viele Schichten von„Kultur“ von dieser Umwelt isoliert, dasswir uns wie losgelöste „Geister“ vorkommenkönnen. Mit der fatalen Folge, dass wirgerade zu dem Zeitpunkt, wo die kollektivenAuswirkungen unserer globalisierten„Kultur“ auf die weltweite „Natur“ ein kritischesAusmaß erreicht, uns selbst am wenigstenals Teil derselben begreifen – odersie schlimmstenfalls mystifizieren.
DIE FURCHE · 459. November 2023Das Thema der Woche Ausgeartet3Explosionder ArtenZurück aus derVersenkungLästigeEindringlingeFoto: iStock/culbertsonDass die Biodiversität in einemLebensraum auch explosionsartigsteigen kann, zeigt eine Studievom afrikanischen Victoriaseeüber 16.000 Jahre. Dort habensich durch „Erbgut-Recycling“ ausdrei Stammarten von Buntbarschen500 neue Arten entwickelt.Foto: iStock / Ken GriffithsScheinbar ausgestorbene Tierekönnen wieder auftauchen: ImSeptember fand ein australischerBauer in einer Falle vor seinemHühnerstall einen Riesenbeutelmarder.Im Süden Australiens wardieses Tier zuletzt vor mehr als130 Jahren gesichtet worden.Foto: iStock/EllyMillerInvasive Arten zählen zu denHaupttreibern der globalenBiodiversitätskrise, da sie andereSpezies verdrängen können undu.U. ganze Ökosysteme kippenlassen. Die EU führt eine Liste mitinvasiven Tier- und Pflanzenarten(Bild: Nilgans aus Afrika).BIODIVERSITÄTS-NEWS„ Derzeit werden verschiedene Schutzinteressen gegeneinanderausgespielt, etwa Klimaschutz gegen Artenschutz. “Christine RottenbacherDer Österreichische Biodiversitätsrat legt heuer wieder seineEinschätzung der politischen Maßnahmen vor: Es mangelt ansystemischer Veränderung, Fortschritte bleiben punktuell.Rottenbacher: Seit fast drei Jahren arbeitenwir daher an der Universität für WeiterbildungKrems an dem Projekt ÖKOleita, mitdem Ziel, einen Austausch über Ökosystemleistungenzu entwickeln. Dabei habenwir folgende Annahme: Je vernetzter undvielfältiger ein Ökosystem ist, je ökologischeres gepflegt wird, umso sicherer könnenwir über seine „Leistungen“ verfügen.Typische Ökosystemleistungen sind dieKühlung durch Bäume für Hitzebereichein Siedlungsräumen oder eine Bestäubungdurch Insekten für dieNahrungsmittelproduktion.Auch der Regenwasserrückhaltdurch Bäume,Pflanzen und Bödenzum Regulieren des lokalenWasserhaushaltszählt dazu. BegreifbareÖkosystemleistungenkönnen wir konkret an„unseren“ Orten sehen,verstehen und pflegen. Sohaben wir Unterlagen fürgemeinsame Begehungenerarbeitet: Wo gibt esKaltluftströme, wo bleibtim Frühjahr der Schneeam längsten liegen, abwelchem Zeitpunkt kannich eine feuchte Wiesenützen? Wo benötigenwir bereits die Anlagevon Blühstreifen in undentlang von Kürbisfeldern,um die Ernte durchverbesserte Bestäubungzu sichern?Steffelbauer: Die Einbeziehungder Menschenvor Ort ist deswegen sowichtig, weil sie hilft,die Kluft zwischen demeigenen Leben und derUmwelt da draußen zuüberbrücken. Ganz zuschweigen vom praktischenNutzen, wenn manÖkosystemleistungen indie Raumplanung einbindet.Denn das ist ja ein wesentlichesInstrument,um verschiedene Interessenfür das Gemeinwohl abzuwägen undEntscheidungen dazu aufzubereiten. Indemwir mit den Menschen ihre unmittelbareLebensumgebung hinsichtlich der eventuellschützenswerten Ökosystemfunktionenanschauen, schaffen wir Bewusstsein, dass„Umweltschutz“ nicht etwas ist, was man woandershinauslagern kann: Nicht in die europaweitzu vergrößernden Schutzgebiete,aber auch nicht neokolonial in den GlobalenSüden. Für Straßen, Siedlungen oderShopping-Center zerstören wir in Österreichjährlich 4200 Hektar Agrarfläche. DerKampf gegen die Bodenversiegelung beginntbei der eigenen Firmeneinfahrt. DerKampf gegen die Überhitzung der Ortskernebeginnt bei den alten Baumbeständenim eigenen Garten. Und der Kampf gegendas Artensterben beginnt bei der Entscheidung,einheimische Wildblumen imBereich unserer Vorgärten zuzulassen.Foto: Gianmaria Gava für Brandstätter Verlag Foto: Barbara KrobathChristine Rottenbacher istLehrgangsleiterin und wissenschaftlicheMitarbeiterin amZentrum für Umweltsensitivitätder Donau-Uni Krems.Ilja Steffelbauer ist studierterHistoriker und arbeitet amDepartment für Wissens- undKommunikationsmanagementder Donau-Uni Krems.Rottenbacher: In Studien haben wir festgestellt,dass die Kapazität eines Ortes,vielfache Ökosystemleistungen erfüllenzu können, in kleinstrukturierten Landschaftenam ausgeprägtesten ist. Das giltinsbesondere in Übergangsbereichen wieOrts- und Waldrändern. So brauchen wirzur Sicherung unserer großteils bestäuberabhängigenLandwirtschaft vielfältige Lebensräumefür Insekten. Diese verbundenenBoden-Wasser-Pflanzensysteme erbringenzugleich die notwendigen „Leistungen“für die lokaleKlimaregulation, da sieRegenwasser zurückhalten,speichern und verdunsten.So können siedem Austrocknen unsererLebensräume entgegenwirken.Feuchte Landschaftsräumeregulierengemeinsam mit der Beschattungdurch Bäumeund weiterer höhererVegetation unser lokalesKlima: Sie kühlen Landschaften,halten diesefeuchter und „füttern“das Bodenleben. TrockeneLandschaften, die wirmit Satellitendaten identifizierenkonnten, weisenvermehrt Temperaturextremeauf, mit Auswirkungenauf die Humusbildungund denRegenwasserrückhalt.Die darauf wachsendenPflanzen und Böden speichernweniger CO₂, dasie ihr Wachstum imSommer einstellen bzw.stark reduzieren müssen.Steffelbauer: So schließtsich wohl der Kreis: Nurwenn wir die komplexenZusammenhänge desökologischen Systems inVerbindung zum kulturellenSystem sehen,sind wir durch klugeStrategien wieder in derLage, jene Anpassungsleistungan unsere lokaleUmwelt zu leisten, die uns als Speziesimmer schon ausgezeichnet hat. SolcheStrategien sind z.B. Marktgärtnerei, Agroforsteund andere Formen des ökologischnachhaltigen Wirtschaftens(siehe auch Artikel auf Seite 4). Dann löstsich der scheinbare Widerspruch zwischenNatur und Kultur auf. Es geht nichtdarum, die Natur vor dem KulturwesenMensch zu schützen, sondern dem Menschenwieder ein „naturgerechtes“ Lebenzu ermöglichen – das gleichzeitignichts anderes ist als ein „artgerechtes“Menschenleben.Tage der BiodiversitätGemeinsam auf dem Wegaus der BiodiversitätskriseBOKU Wien8. bis 10. November 2023Infos: biodiversitaetstage.boku.ac.at„Anreize fürLandbesitzer“Foto: APA / Georg HochmuthIn „ungünstigem Erhaltungszustand“: So beschreibt das Umweltbundesamt rund vierFünftel aller Arten und Lebensräume in Österreich. Konkret bedeutet das etwa, dassdie Bestände der Brutvögel in den letzten 25 Jahren um 48 Prozent zurückgegangensind. Circa jede dritte Art steht bereits auf der Roten Liste und ist damit vom Aussterbenbedroht. Aber auch am Boden, in Flüssen und Seen zeigt sich ein drastisches Bild. Angesichtsdieser Krise haben die Umweltforscher(innen) im österreichischen Biodiversitätsratfünf Kernforderungen erstellt, um einen Stopp des Biodiversitätsverlusts bis spätestens2030 zu erreichen. Wie auch die Klimakrise sei die Bedrohung der Arten als „politische Herausforderunghöchster Priorität anzunehmen“. Auch heuer präsentiert das Expertengremiumein Barometer, in dem die heimische Biodiversitätspolitik evaluiert wird. „In unseremAmpelsystem zeigt sich eine starke Tendenz zu den Farben rot und gelb; der Fortschrittin Richtung grün ist leider noch sehr punktuell“, berichtet Franz Essl im Gespräch mit derFURCHE. „Das bedeutet, dass auf der systemischen Ebene viel zu wenig passiert. Noch fehltder Mut zur politischen Umsetzung“, sagt der Biologie-Professor von der Universität Wien.Schutz der Lebensräume sollte sich auch rechnenVielsagend ist ein Beispiel aus der niederösterreichischen Landespolitik: Im flächengrößtenBundesland wurden im Jahr 2021 ca. 450 Millionen Euro für das Straßennetz zur Verfügunggestellt – die über den Bund finanzierte ASFINAG ist da noch gar nicht mit eingerechnet.Demgegenüber lag das Naturschutzbudget bei ca. 15 Millionen Euro. „Solche Budgetrelationenverdeutlichen, dass Straßen 30-mal wichtiger genommen werden als der Naturschutz.Dieses Verhältnis ist nicht mehr zeitgemäß“, bemerkt Essl. „Ich gehe davon aus, dass es heuteauch in der Bevölkerung ein großes Bewusstsein für eine Aufwertung des Naturschutzesgibt.“ Österreichs „Wissenschaftler des Jahres 2022“ kritisiert Fehlanreize bei den öffentlichenFörderungen: Schließlich sei der Schutz der Lebensräume ein „gesamtgesellschaftlicherMehrwert, der sich auch rechnen muss“. So könne die nachhaltige Bewirtschaftung vonFeuchtgebieten zum Klimaschutz beitragen, indem der Kohlenstoff im Boden bleibt. Auchdie Prävention von Hochwasser und anderen Naturgefahren, die Sicherung der Nahrungsmittelproduktionoder der Grundwasserschutz zählen zu diesem Mehrwert, so Essl: „Durchentsprechende Anreizsysteme sollte Naturschutz bei den Landbesitzern eine attraktiveOption sein.“Immerhin gibt es auch Lichtblicke: Das Klimaschutzministerium (BMK) hat den neuerrichteten Biodiversitätsfonds mit 80 Millionen Euro dotiert, und dieser Fonds sei bereits„ein wesentliches Instrument für heimische Naturschutzprojekte“ geworden, berichtet derBiologe. Und der Nationalpark Gesäuse soll nun durch einen Vertragsabschluss mit der ÖBBum 113 Hektar erweitert werden – das wurde Ende Oktober bei den Feierlichkeiten zum21-jährigen Jubiläum des Nationalparks verkündet. (Martin Tauss)„Tage der Biodiversität“: Podiumsdiskussion an der BOKU Wien, 10.11., 9 UhrVertreter(innen) des Biodiversitätsrats diskutieren mit Bundesministerin Leonore Gewessler (Grüne)Der Ökologe FranzEssl von der UniversitätWien sitztim aktuellenLeitungsteam desÖsterreichischenBiodiversitätsrats(2022–2025).Letzes Jahr wurdeer vom Klub derBildungs- undWissenschaftsjournalistenzum„Wissenschaftlerdes Jahres“gewählt (Bild voneiner Protestkundgebungder „Scientistsfor FutureÖsterreich“.)
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