45 · 9. November 2023DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 79. Jg. · € 6,–Zwischen Sonnentänzenund DämmerstrahlenIn „Inventur des Sommers“schreibt Raoul Schrott überdas Abwesende – und wiees hinein in unser Lebenwirkt. · Seite 18SPÖ: Mythen, Hass und Soziallehre Das Trauma des Krieges: „Nichts ist wie zuvor“ Die böse Saat wahnhafter ReligionWolfgang Machreich über das Buch „Rote Banditen“und Anton Pelinka über das, was Andreas Babler unddie Päpste verbindet. · Seiten 5 und 15Wie für Kriegsgefangene zu Hause der eigentlicheKampf beginnt – und eine neue EU-Stelle Beweise fürKriegsverbrechen sammelt. · Seiten 6–7Ist die Ideologie von Hamas nur eine „Pervertierung“des Islam? Nein, meint Ulrich H.J. Körtner: Auchreligiöser Wahn ist religiös. · Seite 11Das Thema der WocheSeiten 2–4Mit der biologischen Vielfalt ist unserefundamentale Lebensversicherungbedroht. Und mit der Krise derBiodiversität stellt sich nicht zuletztdie Frage, was artgerechtesMenschsein heißt.AusgeartetFoto: iStock/olloFoto: IMAGO / ABACAPRESSVertraut undfremd zugleichWie ein roter Faden ziehensich biographische Spuren durchdas Schaffen von Peter Handke.Auch in seinem neuen Roman„Die Ballade des letzten Gastes“finden sie Widerhall.Seite 17Das Massaker vom 7. Oktober riss einen Abgrund auf – auch in Österreich. Empathie undDialogbereitschaft kann man nur fördern. Offenen Judenhass muss man bekämpfen. Überall.Der Balken im AugeAUS DEM INHALTEs war einmal – die WärmewendeStatt des Erneuerbare-Wärme-Gesetzeskommt nun ein „Wärmepaket“ mit Förderungen.Was (auch für die Industrie) fehlt,ist Planbarkeit. Ein Gastkommentar. Seite 8Von Doris HelmbergerDie Minuten vergingen – aberdie entscheidenden Sätze wolltendem palästinensischen Botschafterin Österreich einfachnicht über die Lippen kommen:dass es unerträglich ist, wenn junge Palästinenserihren „Stolz“ auf den 7. Oktober bekunden;dass die Hamas eine Terrorgruppeist und nicht irgendeine „Idee“; und dass esnichts, aber auch gar nichts zu kontextualisierengibt, wenn 1400 Menschen vor laufendenKameras bestialisch abgeschlachtetwerden. Bis zum Schluss des von ZIB-2-AnchorArmin Wolf moderierten „Gesprächs“mit dem österreichisch-israelischen SchriftstellerDoron Rabinovici blieb Salah AbdelShafi in seiner Aufrechnungs-Haltung. Obaus eigener Angst vor der Hamas oder ausPrinzip, blieb offen.Das Interview war nicht die einzige Unerträglichkeitseit dem Zivilisationsbruch vorgenau einem Monat: Demonstranten, dienicht nur Solidarität mit Gaza, sondern unterdem Motto from the river to the sea dieAuslöschung Israels fordern, gehören ebensodazu wie herabgerissene israelische Fahnen,beschmierte Geschäfte und der Brandanschlagauf die jüdische Zeremonienhalleam Wiener Zentralfriedhof.„ Antisemitismus istomnipräsent: rechts,links, bei Muslimenund auch in der(bürgerlichen) Mitte.“Tatsächlich hat Israel den globalen Propagandakrieglängst verloren. So sehr mandas Ausmaß der Bodenoffensive in Gazaund das nachhaltige Nein zu einer humanitärenWaffenpause kritisieren kann: DieGräuel des 7. Oktober – für die Nachweltkomprimiert in einem 45-minütigen Horrorvideo– relativiert dies in keiner Weise.„Mama, ich habe eigenhändig zehn Judenumgebracht“, schrie darin ein kaum volljährigerHamas-Terrorist ins Telefon. Entmenschlichterkann ein Mensch nicht sein.„Mama, ich habe zehn Juden umgebracht!“„Das eigene Leid ist zu groß und unerträglich,um das Leid der Anderen zulassenzu können“: So lautet die Erklärung desORF-Korrespondenten in Israel, Tim Cupal,für die gegenseitige Empathielosigkeitin Nahost. Den weltweit monströs aufbrechendenAntisemitismus kann dies freilichnicht erklären. In Österreich und Deutschlandfällt diese erschreckende Entwicklungjust mit dem 85. Jahrestag der Novemberpogromevom 9. und 10. November 1938 zusammen.Das gemeinsame Erinnern an diedamalige politisch gesteuerte Entmenschlichungaller Jüdinnen und Juden ist nunmehrgefährlich geworden. So manche Ge-denkveranstaltung wurde bewusst nichtbeworben. Und Schoa-Überlebende, diehätten sprechen sollen, bleiben diesmallieber zuhause.Derlei darf ein Land mit der GeschichteÖsterreichs freilich nicht akzeptieren. Dabeiist der Blick auf alle Formen des Antisemitismuszu richten, die hierzulande ihre Fratzezeigen. Und derer gibt es viele: den angestammtenchristlichen Antijudaismus der„Mitte“, den mörderischen (neo)nazistischenRassismus von rechts, den zuletzt stärkerins Bewusstsein gekommenen anti-israelischenbzw. „post-kolonialistischen“ Antisemitismusvon links und den islamischenJudenhass, den nicht wenige Migrant(inn)en und Geflüchtete aufgesogen haben. BeimKampf gegen letzteren braucht es in einer liberalenDemokratie zweifellos mehr Klarheitund Wehrhaftigkeit – sowie in den Schulenmehr Unterstützung für Lehrkräfte zurExtremismusprävention. Der „Religionsrat“,den der Wiener Bürgermeister ins Leben gerufenhat, um Probleme (hoffentlich in allerDeutlichkeit) anzusprechen, ist insofern zubegrüßen (vgl. Artikel Seite 11).Das Realisieren des eigenen Balkens imAuge ist freilich überall einzufordern: In derFPÖ gibt es ausreichend „Kellernazis“ (© OskarDeutsch), um Antisemitismus nicht nurbei Migranten suchen zu müssen; die Linkekönnte sich näher mit Greta Thunbergbefassen; und auch im bürgerlichen Lagerempört man sich mitunter noch heute über„zu viele jüdische Bücher“ im Unterricht. Ja,auch solche Unerträglichkeit kommt Menschenanno 2023 über die Lippen.doris.helmberger@furche.atKirche: Schiffbruch mit Zuschauern?Vier Wochen lang waren in Rom knapp400 (Nicht-)Bischöfe versammelt: Die ersteSession der Weltsynode blieb freilichnur eine Ouvertüre für einen Umbau desmaroden Kirchenschiffs. Seite 9Lehren von Österreichs LehreLettland will dem Arbeitskräftemangel miteiner dualen Berufsausbildung begegnen.Ein Lokalaugenschein in Riga. Seiten 12–13In meiner Welt von GesternHubert Gaisbauer beschreibt JohannaHirzberger seine Assoziationen beim Wort„Konsum“ – und seine Aversion gegen dasAlleinsein. Nicht nur beim Essen. Seite 14„Ich habe Wien lieben gelernt“Burg-Star Jan Bülow über seinen neuenKinofilm „Die Theorie von Allem“, das Burgtheater– und warum er vor KünstlicherIntelligenz keine Angst hat. Seiten 20–21furche.atÖsterreichische Post AG, WZ 02Z034113W,Retouren an Postfach 555, 1008 WienDIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 WienTelefon: (01) 512 52 61-0
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