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DIE FURCHE 09.03.2023

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DIE FURCHE · 10 20 Film & Medien 9. März 2023 KURZKRITIKEN Schwarze für Schwarze Guslagie Malanda (li.) spielt die Angeklagte Laurence Coly, die sich vor Gericht für den Tod ihres Kindes verantworten muss. „Saint Omer“ ist der erste Spielfilm von Alice Diop (u.). Wortlos, aber bildmächtig Vom Himmel nähert sich die Kamera einer über 200 Jahre alten Stieleiche. Zum einzigen Schauplatz wird in den folgenden 80 Minuten dieser majestätische Baum mit angrenzender Wiese und kleinem See. Im Wechsel der Jahreszeiten fangen Laurent Charbonnier und Michel Seydoux in grandiosen Aufnahmen kommentarlos das vielfältige tierische Leben ein, das sich in diesem Biotop abspielt. Sensationell sind nicht nur die Makroaufnahmen von Käfern, sondern auch, wie das Regieduo aus dem Innern einer Maushöhle filmt oder wie in extremem Zeitraffer mit atemberaubender Geschwindigkeit die Wurzeln des Baumes wachsen oder Pilze aus dem Boden schießen. Ein rhythmischer Wechsel zwischen den zahlreichen Tierarten verhindert Leerlauf, während die Verfolgung kleinerer Tiere durch ihre überlegenen Gegner immer wieder für Spannung sorgt. – Doch keine Angst: Um kleine Zuschauer nicht zu verstören, ist in diesem bildgewaltigen Dokumentarfilm das Gesetz vom Fressen und Gefressenwerden außer Kraft gesetzt. (Walter Gasperi) Die Eiche – Mein Zuhause (La Chêne) F 2022. Regie: Laurent Charbonnier, Michel Seydoux. Filmladen. 80 Min. Das Gespräch führte Matthias Greuling Die französische Dokumentarfilmerin Alice Diop hat mit „Saint Omer“ ihren ersten Spielfilm vorgelegt. Sie bleibt dabei ihrem naturalistischen, schnörkellosen Stil ihrer sonstigen Arbeiten treu, erzählt aber hochemotional: In Frankreich steht eine Afrikanerin vor Gericht, weil sie ihr Kleinkind am Strand nahe dem Wasser sich selbst überlassen hat und das Kind ertrunken ist, als die Flut einsetzte. Der Prozess nimmt einen großen Teil dieses Dramas ein, Alice Diop hat ihn einem realen Fall nachempfunden, der Frankreich 2013 erschüttert hatte und dem die Regisseurin damals beiwohnte. Durch ihre Augen, respektive durch die Augen einer schwarzen Zuschauerin im Gerichtssaal, rollt Diop nüchtern die Fakten auf und generiert damit große Spannung. „Saint Omer“ zählte zu den besten Filmen der vergangenen Filmfestspiele von Venedig und gewann dort den Großen Preis der Jury. Die französische Regisseurin Alice Diop über ihren Spielfilmerstling „Saint Omer“ und ihren Anspruch, politische Filme zu drehen. „Filme über die tiefsten Wunden“ Ganz entsetzlich komisch Die Wintersaison ist noch nicht einmal vorbei, da herrscht in den heimischen Kinos bereits Griechenland-Überhang. Neben Thomas Stipsits’ gleichnamigem Film zieht es mit „Akropolis Bonjour“ nun auch eine französische Komödie an die Ägäis. Dort hofft der pensionsgeschockte Thierry, seine Frau von der Scheidung abbringen zu können. Bis ins Detail will er dafür den Urlaub wiederholen, der ihr vor 25 Jahren so gut gefallen hat – inklusive längst erwachsener Kinder, die von der Krise ihrer Eltern nichts wissen und selbst Probleme im Gepäck haben. Kurz sind die Momente, in denen der Film erkennen lässt, dass mehr in ihm steckt, und gequetscht zwischen etliche Ideen, die entsetzlich komisch sein sollen, es meist jedoch beim „entsetzlich“ belassen. Der unglückliche Trend im französischen Film, Herz mit derben Späßen zu mischen, fordert hier weitere Opfer. Nur ein Satz lässt sich daraus mitnehmen – ein sehr weiser sogar: Die beste Erinnerung muss immer die nächste sein. (Thomas Taborsky) Akropolis Bonjour – Monsieur Thierry macht Urlaub (On sourit sur la photo) F 2022. Regie: François Uzan. Mit Jacques Gamblin, Agnès Hurstel. Polyfilm. 95 Min. DIE FURCHE: Ihr Film wurde vielfach ausgezeichnet. Wie politisch ist der Stoff in Ihren Augen? „ Wenn die Darstellung schwarzer Frauen in den USA schon schlecht ist, so ist sie in Frankreich noch viel schlimmer. “ MEDIEN IN DER KRISE Hör-Empfehlung In der Tageszeitung – Kurier – ist Richard Grasl stellvertretender Chefredakteur (also Journalist). Im Wochenmagazin – Profil – fungiert er seit Kurzem als Geschäftsführer (also wirtschaftlich verantwortlich). In Österreich ist vieles möglich. Auch das. Zum Profil-Einstand setzte es u. a. eine einvernehmliche Vertragsauflösung mit dem Parade-Investigativjournalisten Michael Nikbakhsh. Allerdings kündigte Grasl gleich eine gemeinsame Akademie für Investigativjournalismus von Kurier und Profil an, die Nikbakhsh leiten sollte. Doch schon nach einer ersten Sitzung mit Grasl sowie den Chefredakteurinnen von Kurier und Profil schmiss Nikbakhsh wieder hin. Ein internes Mail tauchte auf, wo er das mit Aussagen bei dieser Sitzung begründete, die von den anderen Sitzungsteilnehmer(inne)n vehement bestritten wurden. Nun hat Nikbakhsh mit Die Dunkelkammer – Der Investigativ-Podcast sein neues Medium gestartet, in dessen erster Folge er die Vorfälle aus seiner Wahrnehmung schildert. Wer das Sittenbild über Vorgänge in heimischen Medien vervollständigen will, dem/der sei dringend empfohlen, in dunkelkammer.simplecast.com hineinzuhören. Eine aufschlussreiche Hörerfahrung. (Otto Friedrich) Alice Diop: Ich bin ein durch und durch politischer Mensch. Ich war viele Jahre diesbezüglich als Aktivistin tätig, und heute möchte ich meine Energie in das stecken, was ich zu sagen habe, und das ist politisch. Ich möchte mich auf meine Filme konzentrieren. Ich habe das Gefühl, dass ich immer derselbe Mensch war. Ich habe immer das getan, was ich tue, und ich will das nun in meinen Filmen weiterentwickeln. Ich habe mich dafür entschieden, dass meine politische Arbeit und meine Gedanken in meinen Filmen beantwortet werden. DIE FURCHE: „Saint Omer“ ist ein eindringlicher Film, es geht um Mutterschaft und um die Schwierigkeiten, als schwarze Frau Akzeptanz zu finden. Wo waren Sie gedanklich, als Sie alle Elemente zusammenbrachten, um diese Geschichte zu schaffen? Diop: Der Film war für mich mit einem enormen emotionalen Aufwand verbunden, aber ich fand Freude an dem, was mich während der Dreharbeiten leidenschaftlich berührte. Es war eine Gelegenheit, ein Porträt einer schwarzen Frau in ihrer ganzen Komplexität zu schaffen, wie ich es sel- MEDIENMAGAZIN „CONTINENT“ Luxemburgs Medien In der aktuellen Folge des internationalen Medienmagazins „Continent“, das vom „Verein zur Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien – VsUM“ auf Radio Klassik Stephansdom in Kooperation mit der FURCHE ausgestrahlt wird, geht es um die Situation der Medien in Luxemburg. Gesprächspartner von Golli Marboe (VsUM) ist Jörg Tschürtz, der aus Österreich stammenden Chef der Onlineredaktion des Luxemburger Wort. Bevor der Journalist beim in Luxemburg wohl prägendsten Medium seinen Platz gefunden hat, war er u. a. bei News und dem Kurier tätig. Continent Zur Situation der Medien in Luxemburg Sa, 13. März, 17 Uhr & Mi, 17. März, 21 Uhr Radio Klassik Stephansdom www.radioklassik.at

DIE FURCHE · 10 9. März 2023 Film 21 ten im Film gesehen oder in der Literatur gelesen habe, was ich sehr vermisse. Ich habe diesen Film nicht gemacht, um mich mit dem Thema Kindermord zu beschäftigen. Es ging mir darum, diese starken Figuren zu schaffen, die sich den Vorstellungen widersetzen, die die Menschen haben, wenn sie schwarze Frauen auf der Leinwand sehen. Coming-of-Age à la Steven Spielberg: Hollywoods Blockbuster-Spezialist verzaubert in „Die Fabelmans“ das Publikum mit seiner eigenen Lebensgeschichte. Verfilmter Jugendtraum DIE FURCHE: Wie wollten Sie diese emotional aufgeladenen Erzählungen aufbereiten? Diop: Es ist ein universeller Film, der alle Frauen auf der ganzen Welt anspricht, aber ich bin mir auch bewusst, dass er in einem sehr spezifischen Kontext steht, nämlich dem einer schwarzen Frau – die Geschichte des Schmerzes und des Schweigens, die wir schwarzen Frauen ertragen müssen. Ich kenne die Geschichte schwarzer Frauen in den Vereinigten Staaten nicht besonders gut, aber ich kenne sie in Frankreich und weiß, wie schwierig sie ist. Ich habe meiner Freundin den Film zum ersten Mal gezeigt. Ich habe das getan, damit sie und ich all die Tränen weinen konnten, die ich während der Dreharbeiten nicht weinen konnte. Als ich diesen Prozess durchlief, musste sie sehen, dass der Film von uns für uns gemacht wurde, und mit „uns“ meine ich schwarze Frauen. DIE FURCHE: Der Film kommuniziert, dass unser Leben komplizierter ist als das, was man normalerweise im Film sieht. Er arbeitet heraus, was es bedeutet, nicht nur schwarz zu sein, sondern auch eine Frau zu sein, und wie sich diese Dinge überschneiden. Diop: Wenn die Darstellung schwarzer Frauen in den USA schon schlecht ist, so ist sie in Frankreich noch viel schlimmer. Ihr Schwarzsein steht immer im Mittelpunkt ihrer Geschichte, während es in meinem Film nicht das zentrale Thema ist. In „Saint Omer“ geht es um Mutterschaft. Rama ist eine Universitätsprofessorin, was Aspekte meines Lebens und des Lebens meiner Freunde widerspiegelt. DIE FURCHE: Ihre Hauptdarstellerinnen Kayije Kagame und Guslagie Malanda entsprechen diesen komplexen Aspekten, die Sie bereits erwähnt haben. Diop: Die Hauptfiguren sind einzigartige, komplexe Frauen. Es gibt niemanden, der so ist wie sie. Sie sind äußerst vielschichtig. Rama zum Beispiel ist intelligent, aber sie ist noch nicht in ihrer vollen Kraft angekommen. In ihrer Art, mit Mutterschaft und Familienproblemen umzugehen, liegt eine enorme Zerbrechlichkeit. Wir haben das Recht, zerbrechlich und verletzlich zu sein und Formen des Kinos zu schaffen, in denen wir unsere tiefsten Wunden erforschen können. Saint Omer F 2022. Regie: Alice Diop. Mit Kayije Kagame, Guslagie Malanda. Filmgarten. 123 Min. Von Otto Friedrich Steven Spielberg kann es noch. Ob es für die Oscars reichen wird, bei denen „Die Fabelmans“ in sieben Kategorien nominiert sind (darunter Bester Film, Beste Regie und Beste Hauptdarstellerin), wird man nach diesem Wochenende wissen. Bei den Golden Globes, die ja als Vorstufe zu den Oscars gelten, konnte Spielberg jedenfalls die Trophäen für den Besten Film und die Beste Regie bereits nach Hause mitnehmen. Aber unabhängig von präsumtiven Preisen sind „Die Fabelmans“ eine zauberhafte, glaubwürdig und spannend gemachte Zeitreise in die Besessenheit für Kino und Filmemachen geworden. „ Die Orte sind eng an die Historie seiner Familie angelehnt. Gleichzeitig imaginiert Spielberg dabei die Faszination Kino, die schon ein Kind in ihren Bann zieht. “ An die eigene Biografie angelehnt Steven Spielberg frönt mit seinem jüngsten Opus auch einer Mode, nämlich die eigene Biografie filmisch zu verarbeiten beziehungsweise diese als Inspiration fürs eigene Drehbuch zu verwenden (man erinnere sich etwa im Vorjahr an Paul Andersons „Licorice Pizza“). Und es mag ja auch stimmen, dass die Anfänge des Steven Spielberg auch sein Publikum interessieren. Der Blockbuster-Regisseur ließ sich sowieso lang Zeit damit – und wartete jedenfalls den Tod seiner Eltern 2017/20 ab, ehe er es wagte, seine Jugend auf die Leinwand zu bringen. Wobei er durch die Veränderung der Namen seiner Protagonisten schon zu verstehen gibt, dass diese Erzählung von einem Film wohl an die eigene Biografie angelehnt, aber nicht mit ihr identisch ist. Allerdings sind die Orte – von den ersten Kinobesuchen an der Ostküste über das Übersiedeln der Familie nach Phoenix, Arizona, und dann weiter nach Kalifornien, bis Spielberg in Hollywood landet – doch eng an die Historie seiner jüdischen Familie angelehnt. Gleichzeitig imaginiert Spielberg dabei die Faszination Kino, die schon ein Kind in ihren Bann zieht. Der Plot setzt an beim ersten Kinobesuch von Sammy Fabelman mit seinem Vater Burt, einem frühen Computerspezialisten, und Mutter Mitzi, einer Pianistin, die der Kinder wegen ihre Musikerinnenkarriere aufgegeben hat. Man geht in ein Werk des damaligen Titanen Cecile B. DeMille, den monumentalen Zirkusfilm „Die größte Schau der Welt“ von 1952, dessen Darstellung des Zusammenstoßes zweier Züge Sammy fasziniert. Der Bub stellt das Zugsunglück mit seiner Modelleisenbahn nach, und Mutter Mitzi schlägt vor, dies auch mit Dads Super-8-Kamera zu filmen: Ein – noch kleiner – Filmemacher wird so geboren. Die Schulzeit in Arizona ist Sammy bestrebt, die erwachte Filmleidenschaft zu kultivieren. In seiner Pfadfindergruppe inszeniert er Wildwest- und Kriegsszenen, die er dann auf Zelluloid bannt und der staunenden vereinigten Elternschaft vorführt. Als Teenager in Kalifornien muss sich Sammy dann in der Highschool mit anti semitischen Attacken von Mitschülern auseinandersetzen. Und weil Mutter Mitzi nach Arizona zu Onkel Boris, dem alten Familienfreund, zurückgeht, zerbricht für Sammy auch hier die heile Welt. Der junge Mann macht sich nach Schulende auf nach Los Angeles und landet tatsächlich in Hollywood. Westernlegende Jon Ford gewährt dem Grünschnabel dort eine denkwürdige „Audienz“, bei der er diesem seine prägnante Kunstphilosophie mit auf den Weg gibt. Dort, am Ausgang der 1960er Jahre, ist auch die Filmerzählung von „Die Fabelmans“ zu Ende. Bleibender Eindruck Selbstredend, dass Steven Spielberg für diese Verfilmung eines Jugendtraums altbekannte Mitstreiter versammelt – Janusz Kamiński hinter der Kamera erhielt ebenso eine Oscarnominierung wie Tony Kushner als Drehbuch-Co-Autor und John Williams für die Filmmusik. Und wie immer bei Spielberg glänzt auch das Schauspielensemble: Michelle Williams ist bei den Oscars für die Beste weibliche Hauptrolle ebenso gesetzt wie Judd Hirsch als Onkel Boris für die Beste männliche Nebenrolle. Dabei ist eine besondere Schauspielperformance dem kanadischen Newcomer Gabriel LaBelle als jugendlichem Sammy Fabelman zu konzedieren: Zur Drehzeit selber noch Teenager, zeigt LaBelle, dass von ihm noch viel zu erwarten ist. Und auch Paul Dano gelingt es in der Rolle von Vater Burt, bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Dass der Kurzauftritt von Regie-Haudegen Jon Ford von David Lynch performt wird, verleiht dem Ganzen einen letzten authentischen Schliff. Großes Hollywoodkino von einer langgedienten Hollywoodgröße: Steven Spielberg überrascht diesmal mit seiner ganz eigenen Geschichte. Die Fabelmans (The Fabelmans) USA 2022. Regie: Steven Spielberg. Mit Gabriel LaBelle, Paul Dano, Michelle Williams, Judd Hirsch, David Lynch. Universal. 151 Min. DOKUMENTARFILM „Jo, eh“ heißt nichts anderes als „Nein“ Thomas Fürhapters Film „Zusammen leben“ dokumentiert das Zueinander von und mit Migrant(inn)en in Kursen, die in Wien von der MA 17 angeboten werden. Dass ein „Jo, eh“ in Wahrheit „Nein“ heißt, ist, genau genommen, nicht das geringste Problem an der Integration in die sogenannte österreichische Kultur, wie man in Thomas Fürhapters neuem Film „Zusammen leben“ lernt. Ein freiwillig nutzbares Angebot waren einige Jahre lang die „Startcoachings“ und „Info-Module“ für Geflüchtete und Einwandernde, mit welchen die MA 17 unter dem Schlagwort „Zusammenleben“ diverse Integrationsangebote umsetzte. Für seinen Film hat Fürhapter gemeinsam mit Kamerafrau Judith Benedikt im CORE-Zentrum des 15. Wiener Gemeindebezirks einige dieser Kurse begleitet. Ein breit gefächertes Angebot an Informationstreffen zu Themen wie „Begrüßung“, „Beihilfen“, „Ehe und andere Beziehungsformen“, „Sexualität“, „Kopftuch“ und „Gewaltschutz“ wurde rege besucht. Einerseits von Geflüch teten, andererseits von Migrant(inn)en, die zum Beispiel aus beruflichen Gründen nach Österreich einwandern. Die rechtlichen Unterschiede macht Fürhapter in seinem Film nicht zum Thema, doch sehr wohl die diskursiven Verschiebungen, die damit einhergehen. Was wird in den unterschiedlichen Zielgruppen vorausgesetzt? Welche Kurse richten sich an wen? Werden Deutsche genauso über „Nein ist Nein“ aufgeklärt wie etwa Iraker? Und welche „Bilder“ werden allein dadurch schon (re)produziert? Ebenjenem medialen und hegemonialen, stereotypen Bildrepertoire setzen Fürhapter und Benedikt lange nahe Einstellungen auf die Gesichter von Teilnehmer(inne)n und Kursleiter(inne)n entgegen. So erzeugt der Film eine Immersion und eine Spiegelung. Die politisch oft instrumentalisierte „anonyme Masse“ wird menschlich greifbar in den Regungen vieler, aber ganz konkreter Individuen, und, effektiver noch, es wird spürbar, dass auch die Filmemacher(innen) nicht zuletzt aufgrund der sprachlichen Barrieren im jeweiligen Moment nie wissen konnten, „was“ genau sie gerade filmen. Es ist also auch ihrem intuitiven Einlassen auf die Stimmung, auf die Emotionalität der Menschen, ihre Gesichtsausdrücke, Gesten etc. geschuldet, dass „Zusammen leben“ exemplarisch zeigen kann, wie erst das vermittelnde Medium (in diesem Fall Film) etwas sicht- und fühlbar macht, was sonst (schier „unmenschlich“) in abstrakten Statistiken verhandelt wird. (Alexandra Zawia) Zusammen leben A 2022. Regie: Thomas Fürhapter Filmladen. 90 Min.

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