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DIE FURCHE 09.02.2023

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DIE FURCHE

6 · 9. Februar 2023 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 79. Jg. · € 4,– Über eine heimische Panzerschule und die Option Tyrannenmord. · Seiten 5–6 „Patriarchale Apps“ Kontroverse um „100 Missverständnisse“ Zeitgenossen Online-Dating verstärkt gesellschaftliche Stereotype. Ein Gespräch mit der Soziologin Jessica Pidoux anlässlich des Valentinstags. · Seite 8 Martin Jäggle und Willy Weisz, christlich-jüdische Dialogexperten, über die aktuelle Ausstellung im Jüdischen Museum Wien. · Seite 11 Vor 100 Jahren wurden Vera Ferra-Mikura und Reinhard Federmann geboren. Ihre Literatur gilt es wiederzuentdecken. · Seiten 13–14 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Vor 100 Jahren starb Wilhelm Conrad Röntgen. Seine Entdeckung realisierte die Vision vom durchsichtigen Menschen. Wie die Bildgebung zu einer revolutionären Kraft wurde. Bild: iStock/loveguli (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger) Es nützt nichts, sich in der Blase der Empörten an der Impertinenz der Populisten zu reiben. Anmerkungen zur aktuellen Schwäche von Politik und Demokratie in Österreich. Mit Blindheit geschlagen Von Otto Friedrich Was ist der Unterschied zwischen Populismus und Politik? Letztere sollte, idealtypisch, das Zusammenleben in der Gesellschaft im Blick haben und Lösungen für Probleme und Konflikte erarbeiten und angehen. Ersterer bedient die Empörung und nimmt durchaus reale Probleme zum Anlass, um Menschen gegeneinander aufzubringen. Die Lehrbeispiele in Populismus sind zurzeit unübersehbar: Der niederösterreichische FPÖ-Landesrat richtet Schülerinnen vor laufender Kamera ins Angesicht aus, sie seien, weil Nachfahrinnen von Migranten, hierzulande unerwünscht. Sein Landesparteivorsitzender und Sieger der jüngsten Wahl legt noch einiges an Schäbigkeit drauf, indem er die drei Millionen Euro Katastrophenhilfe für die Erdbebenopfer in Klein asien als Verschwendung von Steuergeldern zuungunsten der Armutsbekämpfung in (Nieder-)Österreich kritisiert. Zwei Beispiele für aktuelle Empörungsrituale, wo das „gute“ Österreich reagiert, indem es „Rassismus!“ und „Verhetzung!“ schreit. Die Mechanismen der Auseinandersetzung sind längst vorhersehbar, und es nützt wenig, sich wohlig in der Blase der Em- „ Auch die Zivilgesellschaft taugt zurzeit nicht als Korrektiv, denn sie ist ebenfalls tief gespalten. “ pörten an der Impertinenz der Populisten zu reiben. Denn die Landbauers und Waldhäusls, die, wie zuletzt festzustellen war, ein Viertel des Wahlvolks hinter sich haben, wissen: Ihre verbalen Ausritte werden nicht nur nicht bekämpft, sondern sogar goutiert. Ein schockierender Befund Das mag ein schockierender Befund sein. Aber Politik wie Zivilgesellschaft müssen lernen, damit umzugehen. Man hatte eigentlich Zeit genug dafür: Es sind genau 30 Jahre vergangen, seit Jörg Haider und die damalige FPÖ mit dem „Ausländervolksbegehren“ erstmals Gesetze forderten, die sich gegen Menschen in diesem Land richteten. Das „Lichtermeer“ dagegen war 1993 eindrucksvoll, änderte aber wenig daran, dass die Tabus, die damals gebrochen wurden, heute längst keine mehr sind. Seither saß die FPÖ zweimal im Bund in der Regierung und bewies, dass sie es nicht kann, das Regieren und eine Politik, die dem Land und seinen Menschen nutzt. Auch danach, dass Haider und sein FPÖ-Ableger das Land Kärnten wirtschaftlich ruinierten und Österreichs Steuerzahlern Milliarden abverlangten, um das südliche Bankendesaster zu sanieren, kräht kein Hahn mehr. Es bestürzt, dass dieses Wissen in aktueller Politik so gut wie keinen Niederschlag findet: Im Agieren der ÖVP spürt man immer noch die Abneigung gegen die „roten Gfrieser“, die die Partei anfällig für rechten Populismus macht, welchen die FPÖ aber hundertmal besser umzusetzen weiß. Und die einstmals staatstragende SPÖ verzettelt sich in internen Grabenkämpfen sowie verbeißt sich darin, ÖVP-Affären, die natürlich unappetitlich sind, an den Pranger zu stellen. Aber die Demokratiefeinde sitzen anderswo und werden nicht dadurch bekämpft, dass man – bei der ÖVP wie der SPÖ – in deren Richtung nach Themen und Kooperationen schielt. Doch nicht nur die Politik läuft Gefahr, mit Blindheit geschlagen zu sein. Auch die Zivilgesellschaft taugt zurzeit nicht als Korrektiv, denn sie ist ebenfalls tief gespalten. Die Pandemie hat hier die Schwächen von Demokratie wie von freier Gesellschaft schonungslos ans Licht gebracht: Dass auch Intellektuelle und Vordenkende rund um die Coronamaßnahmen, über die man gewiss unterschiedlicher Meinung sein kann und die im Nachhinein betrachtet anders hätten ausfallen können, von „Diktatur“ oder „Freiheitsberaubung“ sprachen, ist nicht nur eine Verhöhnung der Opfer wirklicher Diktaturen. Sondern spielt den rechten Populisten auch hierzulande in die Hände. Herbert Kickl und die Seinen schauen fußfrei zu, wie die etablierte Demokratie langsam in die Luft fliegt. Als ob man hierzulande aus der Geschichte nichts gelernt hätte. otto.friedrich@furche.at @ofri_ofriedrich INTRO Hunderter-Jahrestage pflastern diese FURCHE-Ausgabe: Den 100. Todestag von Wilhelm Conrad Röntgen nehmen Martin Tauss und Victoria Schwendenwein im Fokus zum Anlass, um – von Röntgens bahnbrechender Entdeckung ausgehend – Highlights und Lowlights bildgebender Verfahren nicht nur in der Medizin zu beleuchten. Das Feuilleton wartet gleich doppelt mit Hundertern auf: Vera Ferra- Mikura (von Christa Gürtler gewürdigt) hätte dieser Tage solch runden Geburtstag ebenso begangen wie Schriftsteller kollege Reinhard Federmann, den Brigitte Schwens-Harrant dem Vergessen entreißt. Auch im Journal gibt es ein Doppel – in unserer Reihe „Krieg & Frieden“: Während Brigitte Quint aus ethischer „Ver-Antwortung“ die Frage nach dem Tyrannenmord stellt, hat sich Wolfgang Machreich über die Ausbildung am Leopard-Panzer in Österreich kundig gemacht. Andreas G. Weiß analysiert danach im Kompass die hierarchischen Grabenkämpfe in der katholischen Kirche, und die Soziologin Jessica Pidoux zeigt Gefahren auf, die von Dating-Apps ausgehen. Schließlich bewerten die christlich-jüdischen Dialogpartner Martin Jäggle und Willy Weisz die Kritik an der aktuellen Ausstellung „100 Missverständnisse“ im Jüdischen Museum Wien: Der runden Zahl entkommt die FURCHE diesmal einfach nicht. (ofri) furche.at Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0

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