DIE FURCHE · 32 8 Gesellschaft 8. August 2024 Collage: R M (unter Verwendung von Bildern von iStock/spastonov, /sasar, /JacobH, /Luftklick, / Ralf Geithe, /Alfonso Sangiao und /D-Keine) Von Zoe Lefkofridi Geschlechtergerechtigkeit ist für die Demokratie überlebensnotwendig. Die aufkommende Forschung zu Politik und Geschlecht belegt deutlich, dass die Erhaltung und Weiterentwicklung von Demokratie auf das engste mit der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen verknüpft ist. Die Rückschritte in Sachen Gleichstellung – der Backlash – erodiert auch Grundfesten der Demokratie. Maßnahmen, die den Frauenanteil in der Politik zu erhöhen versuchen, werden zwar oft als Einschränkungen des politischen Wettbewerbs dargestellt. Doch dort, wo Frauenrepräsentation am stärksten erhöht wurde, stieg auch die Kompetenz der männlichen Politiker – und somit das Kompetenzniveau generell. Ana Catalano Weeks und Lisa Baldez fanden 2014 heraus, dass in Parlamenten „Quotenfrauen“ meist über mehr Erfahrung in der Kommunalverwaltung verfügen als andere Abgeordnete und eine geringere Fehlzeitenquote haben als ihre männlichen Pendants. Nicht nur schränkt die Inklusion von Frauen den politischen Wettbewerb nicht ein, sondern sie verstärkt ihn – auf Kosten des „mittelmäßigen Mannes“, wie es in einer Studie von Timothy Besley und anderen heißt. Ohne Diskriminierung bzw. Exklusion von kompetenten Konkurrentinnen und Konkurrenten wird es für ihn immer schwerer, im Wettbewerb mitzuhalten. Ängstliche Misogynie Warum die faire politische Teilhabe und Repräsentation von Frauen unverzichtbar ist – und ein Backlash nicht nur Vertrauen, sondern auch Qualität und Kompetenz kostet. Sechster Teil der FURCHE-Serie. Demokratie und Geschlecht „ Die Inklusion von Frauen schränkt den Wettbewerb nicht ein, sondern verstärkt ihn – auf Kosten des ,mittelmäßigen Mannes‘. “ Lesen Sie dazu von Manuela Tomic: „Gleichberechtigung: ,Auch Frauen verhandeln, aber erfolglos‘“ (10.1.2024), auf furche.at. Die aus Angst motivierten – misogynen – Reaktionen richten sich nicht „nur“ gegen Geschlechtergerechtigkeit, sondern auch gegen die Demokratie selbst – als Form der „organisierten Unsicherheit“ (s. FURCHE 27). Demokratie ist ein politisches System, das sich auf Volkssouveränität, den (friedlichen) Wechsel der politischen Macht, freie und faire Wahlen sowie auf Rechtsstaatlichkeit, den Schutz der Menschenrechte sowie auf politische Gleichheit stützt. Die Innovation der Demokratie im Athen der Antike war, dass mehr Menschen als zuvor Zugang zu den Entscheidungen über das „wer, was, wann und wie“ bekamen (wie Harold Lasswell später Politik definieren würde). Statt einem Allein-Herrscher oder eine herrschende Gruppe trug die Gemeinschaft die Verantwortung für ihr Schicksal selbst. Die „Herrschaft des Volkes“ wurde durch einen Rahmen gewährleistet, welcher nicht nur der Minderheitsperspektive Gewicht gab, sondern auch der Gemeinschaft als Ganzes. Denn Demokratie wollte den bis dato marginalisierten Meinungen und Sichtweisen gleiche Chancen geben, geäußert sowie gehört zu werden. Im starken Gegensatz zu allen anderen politischen Systemen versprach die Demokratie – als Form der politischen Organisation – allen Mitgliedern des Demos (egal ob reich oder arm) gleiche politische Rechte, das gemeinsame Schicksal mitzuentscheiden. Um Verantwortung gemeinsam tragen zu können, mussten die Mitglieder der Gemeinschaft ihre Bürgerrechte üben; infolgedessen wurde ein Abstand vom politischen Leben als unwürdig erachtet. Das ist es zumindest, was uns der Historiker Thukydides – durch die Lippen des Perikles in dessen Grabede für die im ersten Jahr des Peloponnesischen Krieges gefallenen Athener (431–404 v. Chr.) – erzählt: Wer sich nicht an der Politik beteiligte, war nicht nur jemand, der sich um seine eigenen, privaten Angelegenheiten kümmerte – sondern jemand, der dort (in Athen) überhaupt nichts zu suchen hatte. Laut Perikles war derjenige, der an nichts teilnimmt, dessen nicht würdig. Die Athener Demokratie des sechsten Jahrhunderts (v. Chr.) basierte auf einer strikten Trennung des öffentlichen und privaten Bereichs: ersterer von Männern und zweiterer von Frauen dominiert – der Beginn tief verwurzelter Vorurteile, wonach Frauen nur für spezifische Tätigkeiten kompetent und unpolitisch sind. Für viele Jahrhunderte würden Frauen nicht zum Demos zählen, bis „Neues erprobt und Herausforderungen unter Beteiligung vieler begegnet“ wurde (s . FURCHE 27). Erst in den 1970er Jahren führte das Motto „das Persönliche ist politisch“ zu einem Wandel – des Selbstverständnisses der Politikwissenschaft als Sozialwissenschaft und vor allem als Disziplin, die sich mit Macht und Systemen beschäftigt. Bürgerinnen und Bürger können schließlich nur unter Bedingungen der Geschlechtergerechtigkeit gemeinsam ihr Schicksal bestimmen und die politische Agenda mitgestalten, weil alle Politiken (zum Beispiel Gesundheit, Bildung, Arbeitsmarkt…) immer auch geschlechterspezifische Konsequenzen in sich tragen. Effekte der Inklusion Weil das Persönliche politisch ist, kann Demokratie nicht nur ein institutioneller Rahmen, sondern auch eine Lebensform sein, in der Autorität, Gewalt und Unterdrückung durch Freiheit, Respekt und Kooperation ersetzt werden. Der wissenschaftliche Fokus auf „Politik und Geschlecht“ widmet sich nun den Bedingungen, Gründen sowie den Effekten der (un-) gleichen politischen Teilhabe und Repräsentation. Denn politische Gleichheit in der Demokratie des 21. Jahrhunderts bedeutet, dass alle Mitglieder des Demos – unabhängig von Geschlecht – gleich am politischen Prozess teilnehmen und gleich in den politischen Entscheidungsprozessen vertreten werden (sollen). Gerade in Zeiten des Backlash ist dieses vergleichsweise junge Wissenschaftsfeld für das Verständnis der Beziehung zwischen Geschlechtergerechtigkeit und Demokratie hilfreich: Kolleginnen und Kollegen aus Innsbruck zeigen etwa, dass die höhere Anzahl weiblicher Abgeordneter im Parlament das Ausmaß an Negativität verringert bzw. eine Verbesserung der Qualität des Diskurses bringt. Unsere Forschung zeigt zudem, dass offene Listen, durch die Wählerinnen und Wähler die größte Macht haben, die Chancen von einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten zu beeinflussen, wichtig sind: Je ausgewogener das Verhältnis von Männern und Frauen auf Parteilisten und in Parlamenten, desto höher die Wahrscheinlichkeit unter Wählerinnen und Wählern, einer Kandidatin ihre Vorzugsstimme zu geben. Gesteigertes Engagement Weitere Studien zeigen, dass die faire Repräsentation von Frauen die Zufriedenheit mit der Demokratie und auch das politische Engagement steigern: Je höher der Frauenanteil, desto stärker das politische Interesse sowie das Gefühl der politischen Wirksamkeit unter Frauen. Auch wenn Geschlechterstereotype bzw. Vorurteile in der Politik nicht komplett verschwunden sind: Die Mehrheit empfindet mittlerweile Frauen und Männer für die Politik als gleich geeignet. Dieses Wissen hilft, die Bedeutung von Geschlechtergerechtigkeit für die Demokratie – und vice versa – zu verstehen. Genau deshalb richtet sich der Backlash aber nicht nur gegen die Geschlechtergerechtigkeit und die Demokratie, sondern auch gegen die Geschlechterforschung, die dieses Wissen generiert – und behandelt diese Forschung nicht gleichwertig mit anderen Forschungsbereichen. Etwa dann, wenn österreichische Gesetze anderes verordnen (s. FURCHE 30), wobei es hier nicht um Ignoranz geht (s. FURCHE 29), sondern um Führungskräfte, die Forschungsbudgets entkoppelt von Wissenschaft und Demokratie verwalten. Während anderswo das Vertrauen in Wissenschaft und Demokratie im Fokus steht (siehe „DNAustria“), wird andernorts unter vermeintlich anderen Vorzeichen der Backlash institutionalisiert. Die Autorin ist Prof.in für Politikwissenschaft und Geschlechterforschung an der Uni Salzburg. Sie leitet mehrere EU geförderte Projekte zu Repräsentation & Demokratie sowie Politik & Geschlecht.
DIE FURCHE · 32 8. August 2024 Religion 9 Die katholische Kirche spricht oft vom „gelingenden Leben“. Über welche Deutungsangebote verfügt sie aber, wenn sich in Liebe und Sexualität Bruchstellen zeigen? Der Theologe Daniel Bogner geht dieser Frage im Buch „Liebe kann nicht scheitern“ auf den Grund. Mehr als „klingendes Schweigen“ Von Andreas R. Batlogg W o ist die katholische Kirche bei „emotionalen Achterbahnfahrten“ der Menschen – etwa wenn es um Liebe, Sex und Beziehungen geht? Das fragten indirekt schon die beiden Familiensynoden 2014/15. Mittlerweile ist das auch schon wieder zehn Jahre her. Das Nachsynodale Schreiben Amoris laetitia (2016), das eine „kalte Schreibtisch-Moral“ beklagte, ist das umstrittenste, innerkirchlich teils bis heute unter Häresieverdacht gestellte päpstliche Dokument seit Humanae vitae. Daniel Bogner, in Fribourg (Schweiz) lehrender Professor für Theologische Ethik, hält die katholische Sexualmoral „für überholt und dringend reformbedürftig“. Überfällig sei es, anders darüber zu reden als „vermeintlich allwissend und letztlich bevormundend“: „Mir geht es grundsätzlich um eine neue Umgangsweise mit dem Bereich Sex, Begehren und Zärtlichkeit. Daraus könnte eine Kultur innerhalb der Kirchen werden, die bisher noch nicht selbstverständlich ist“, schreibt er. Wie umstritten etwa die Segnung gleichgeschlechtlich Liebender innerhalb der katholischen Kirche ist, zeigten nicht zuletzt die heftigen Debatten um die Erklärung Fiducia supplicans der vatikanischen Glaubensbehörde. Das ist ein „Lernweg“ – für beide Seiten: diejenigen, die Liebe und Sexualität als „Verheißung und Versprechen“, Treue und Verlässlichkeit leben wollen; und diejenigen, die an die Lehre der Kirche erinnern. Denn sie müssen „vorherrschende Arrangements der Moral“ auf ihre Lebenstauglichkeit hin befragen lassen, Positionen, die sich als „hilflos und ungeeignet“ erwiesen haben, möglicherweise aufgeben. „Mit spitzen Fingern“, stellt Bogner fest, fasse die Kirche bisher an, „was Menschen existenziell durchleben müssen. Indem sie an Idealen festhält, vernachlässigt sie jene Situationen, in denen Ideale nicht aufgehen.“ Liebe als „eine Form von Praxis, von tätigem Leben“ brauche aber eine „Kompetenz in die Lebensführung“ und habe mehr mit „Grundhaltungen“ zu tun als mit „Grundregeln“. Sprache der Liebe Auch wenn er als Heranwachsender keine „toxischen“ Botschaften erlebt hat – an „klingendes Schweigen“ erinnert sich Bogner: „Die Unvertrautheit, dieses Künstlich-Gestellte, dass man, wenn schon, eher abstrakt-befangen von der ,Sexualität‘ als einfach vom Sex redete, zählte hierzu.“ Bogner schließt daraus: „Für mich ist eine Neugier leitend – danach, wie sich in Liebe und liebendem Begehren Spuren eines geglückten Menschseins finden lassen; eine Neugier danach, wie wir besser damit umgehen können, dass das Lieben oft so schwierig ist und wir den Eindruck haben, damit zu scheitern.“ Seine Motivation: „Ich möchte keine neue Lehre vorlegen und ich argumentiere auch nicht in erster Linie dafür, eine überlieferte religiöse Tradition zu retten. Mein Ausgangspunkt ist das, was so viele Menschen erleben: Wir sehnen uns danach zu lieben, wir wollen unsere Liebe oftmals in einer dauerhaften Beziehung leben und wir empfinden Sexualität als eine, vielleicht als die wichtigste Sprache solcher Liebe.“ Das fast 700 Seiten starke Studienbuch „Christliche Beziehungsethik“ seines Brixener Kollegen Martin M. Lintner hatte Bogner „Moraltheologie at its best“ genannt. Nun legt er selbst einen Baustein dafür vor, nicht einen großen Wurf, sondern eine Art Essay – mit 191 Seiten knapp gefasst. „Der Katholizismus“, so der Ehemann Foto: iStock / Vanessa Nunes und Vater dreier Kinder im Vorwort, „hat nur zu oft ein obsessives Verhältnis zum Sex an den Tag gelegt, er wollte ihn mit allerlei Instrumenten regulieren, reglementieren, in Schach halten.“ Solche Direktheit lockt. „Liebe“, so Bogner weiter, „ist ein kühnes Projekt, der Versuch, den Himmel zu ergreifen, der Wunsch, das Unmögliche möglich zu machen. Aber ehrlich ist auch zu akzeptieren: Liebe kann nicht alles.“ Ebenso sympathisch wie ehrlich das Bekenntnis: „Ich schreibe dieses Buch nicht nur als Theologe und Wissender, sondern – viel wichtiger – als Mensch, der auf seinem bisherigen Weg selbst Erfahrungen gemacht hat. Es sind Erfahrungen großen Glücks […]. Es sind auch Erfahrungen des Stolperns, des verzweifelten Suchens nach möglicher Gemeinsamkeit und der Entscheidung zu getrennten Lebenswegen. Erfahrungen des Schmerzes und der Verwundung. Und dann sind es Erfahrungen der Suche danach, wie Neues möglich sein kann und wie sich Verantwortung inmitten sich ändernder Lebenssituationen ausbuchstabiert.“ Vielleicht gelingt das einem Theologen authentischer, der „erfüllende Liebe, Wege in Vaterschaft und Familienleben, liebendes Beieinandersein in den Herausforderungen des Lebensweges“ anders kennt als ein zölibatärer Priester oder ein Ordensmann mit Gelübden. Zölibatäre Lebensform Aus eigener Erfahrung kennt Bogner die Wirkung der Bemerkung, eine Ehe sei „gescheitert“: „Wie kann ich aber auch derjenige bleiben, der nicht nur abhakt und eine neue Seite aufschlägt, sondern der in den Kindern und für die Kinder auch unverstellt und positiv etwas davon erkennen kann, was an geschaffener Lebendigkeit und neuen Anfängen in dieser Vergangenheit seine Wurzeln hat?“ Da gewinnt die Rede vom „Feldlazarett“, wie das dritte Kapitel überschrieben ist, eine neue Dimension: „Himmlischer Beistand da, wo er gebraucht wird“. Das Sakrament „neu zu denken und es zu befreien aus seiner Hülle der Perfektion“ beschäftigt Bogner zweifach – von seiner eigenen Lebenserfahrung her wie als Theologe: „Wenn eine Lebensform, die ich eingegangen bin und zu der ich mich unwiderruflich verpflichtet habe, aber nicht mehr lebbar ist oder nur unter Verkümmerung meiner Persönlichkeit, wie kann ich dann weiter das sakramentale Zeichen leben und darstellen?“ Das kann nur sagen, wer Sexualität erlebt: „Sexualität ist dem Wesen nach Spiel – es schreitet intuitiv voran und folgt dem Kompass des Begehrens. Zugleich führt mich der Prozess der sexuellen Begegnung in eine Verwundungsfähigkeit hinein, die größte Umsicht verlangt. Ein Hören auf mich selbst und meine Grenzen und ein Achten auf die Bedürfnisse und Grenzen meines begehrten Mitmenschen sind dringend erforderlich. Sie müssen erlernt werden. Dabei gibt es keine Garantie, dass diese Begegnung gelingt, aber wo das der Fall ist, eröffnet sich ein Stück Himmel auf Erden. Weil es zu seinem Miteinander kommt, zu einer Begegnung, die meine eigene Endlichkeit ins Mehr-als-Ich hinein aufbricht. Als Theologe sage ich: Das hat sakramentale Qualität.“ „ Wie können in der Kirche Scheuklappen abgelegt, Wahrnehmung geschult und Perspektiven geöffnet werden, um eine neue ,Ethik des Liebens‘ auf den Weg zu bringen? “ Wo Zusammenleben nicht mehr „ein Stück Himmel auf Erden“, sondern die „Hölle“ geworden ist, wo Ehe nur mehr als „Vertrag“, nicht mehr als „Bund“ erlebbar ist, stellt sich die Frage, was Christentum als „Zivilisation der Liebe“ bedeutet: „Es scheint, dass wie mit der chirurgischen Wundklammer Lebensrealitäten zusammengezwungen werden sollen, damit eine Form erhalten bleibt, die dem theologisch begleiteten Normideal entspricht. Themen dieses Buches sind auch die Missbrauchskrise – die „Kernschmelze des Christentums“ –, die für Bogner „der paradoxe Reflex einer langen Tradition der Verdrängung und einer verengten Sichtweise des Lesen Sie dazu den Text „Papst Franziskus: ein Zwiegespaltener“ (12.6.2024) von Till Schönwälder auf furche.at. Rigides Verständnis Gleichgeschlechtlich Liebendefallen für die katholischen Kirche auch heute noch in die Kategorie der „irregulären Beziehungen“. Unter „Diese Kirche kann sich doch bewegen!“ (15.11.23) lesen Sie A. Batloggs Analyse zu M. Lintners Buch „Christliche Beziehungsethik“. Christentums auf Liebe und Sexualität“ ist. Außerdem Geschlechterdiskriminierung, die Genderfrage, Selbstbefriedigung, Homosexualität. Überall stellt sich die Frage, wie „Scheuklappen“ abgelegt, Wahrnehmung geschult und Perspektiven geöffnet werden können – um eine neue „Ethik des Liebens“ auf den Weg bringen zu können. „Das Unendliche ins Endliche hinein“ zu (er-) leben, Verletzlichkeit ernst zu nehmen – das ist eine bleibende Herausforderung. Hier zeigt sich, dass die Moraltheologie „unterwegs zu einer neuen Sexualethik“ ist, wie der Untertitel von Eberhard Schockenhoffs wegweisendem, aus seinem Nachlass herausgegebenen Buch „Die Kunst zu lieben“ (2021) ankündigte. Er steht Pate für diesen Neuaufbruch, den Autoren wie Daniel Bogner, Martin M. Lintner oder Stephan Görtz weiterdenken. Menschen, so Bogner, sind „keine Marionetten des Schicksals oder der Verhältnisse“. Deswegen gelte es, „sich von der Illusion zu befreien, es gäbe so etwas wie die reine Liebe oder die Liebe an sich.“ Lebenshemmende, lustfeindliche geschichtliche Erbschaften hinter sich zu lassen, die sich in 2000 Jahren Christentumsgeschichte angesammelt haben, sich aber „heute wie ein Felsbrocken im Weg“ erweisen, heißt nicht zwangsläufig, dass alles, was bisher katholische Sexualmoral ausmachte, „ausgedient“ hat. Ideale können überfordern. Daran wachsen, ist ein Lernprozess. Die Frage die freilich bleibt ist, ob die Kirche ein Interesse daran hat, dass Menschen selbstbewusst und selbstbestimmt leben. Der Autor ist Jesuit und Publizist in München. Liebe kann nicht scheitern Welche Sexualmoral braucht das 21. Jahrhundert? Von Daniel Bogner Herder 2024 192 S., geb., € 20,60
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