32 · 8. August 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– Olympische Spiele: Im Bann des Testosterons Um die Boxerin Imane Khelif ist eine hitzige Geschlechter- Debatte entbrannt. Eine wissenschaftliche Einordnung. · Seiten 18–19 Bruchpilot oder Brückenbauer? Mehr als „klingendes Schweigen“ „Please, Mr. Postman, bring me a letter“ Die NATO sieht in ihrem neuen Generalsekretär einen Verbinder. Doch Mark Rutte zeigte bislang wenig Affinität zum Militär. · Seite 7 Die katholische Kirche spricht in Sachen Liebe und Sex oft vom „gelingenden Leben“. Aber was, wenn sich Bruchstellen zeigen? · Seite 9 Briefträger haben in der Literatur Tradition. Über die Rolle der Postboten in verschiedenen Epochen und Werken. · Seite 13 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Allen Krisen zum Trotz: Magic Moments bereichern den Alltag. Wo sie zu finden sind und warum sie heute wachsendes Interesse hervorrufen. Verdichtetes Leben Foto: iStock/FotoEvans Foto: APA / AFP / Jalaa Marey Bangen in Nahost Nach Israels gezielter Tötung der Spitzen von Hamas und Hisbollah wartet die Welt auf den Gegenschlag des Iran. Susanne Glass und Asher D. Biemann über die Angst vor der vollkommenen Eskalation. Seiten 6 und 12 Pogromartige Gewalt gegen Migranten und Muslime erschüttert Großbritannien. Auslöser war eine Bluttat, die Hintergründe reichen freilich tiefer. Was Österreich daraus lernen muss. Die Jagdgesellschaft Von Doris Helmberger „ Die Politik muss sich den Realitäten im Migrationsbereich stellen – ohne Hetze, aber auch Naivität. “ tegie – beginnend mit dem Auslöser des aktuellen Aufruhrs. Jener 17-Jährige, der am 29. Juli im nordenglischen Southport in einem Taylor-Swift-Tanzkurs drei Mädchen erstochen sowie acht weitere Jugendliche und zwei Erwachsene schwer verletzt hat, sei ein per Boot ins Land gekommener muslimischer Asylwerber gewesen, hieß es sogleich in sozialen Netzwerken. Tatsächlich handelte es sich um einen – nichtmuslimischen und in England aufgewachsenen – Sohn einer Familie aus Ruanda. Doch das rassistische Gift gegen „alle Ausländer“ und „alle Muslime“ war rasch versprüht. Ein Land im Niedergang Der Boden, auf dem Hass und Hetze so rasch gedeihen konnten, war freilich über Jahre aufbereitet worden. Nicht nur Brexit-Demagogen wie Nigel Farage, auch die konservativen Tories hatten durch Kulturkriegsrhetorik das Klima vergiftet. Zugleich waren sie es, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik als Problemlöser unterminiert hatten. Sowohl das marode Gesundheitssystem wie auch sinkende Einkommen offenbarten mehr und mehr ein Land im Niedergang. Zugleich gab es bei der Lösung realer Prob- sie alle um!“, „kill ’em all!“: Mit Schreien wie diesen zieht in England, Wales und Nordirland seit Tagen ein gewalttätiger Mob „Bringt durch die Straßen. Hooligans, aber auch unscheinbare Jugendliche, ja ganze Familien haben sich daruntergemischt. Sie liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei; sie zerstören Moscheen und Geschäfte mutmaßlich muslimischer Händler; sie belagern Hotels, in denen Asylwerber untergebracht sind, und setzen Feuer. „England, bis ich sterbe“, brüllen sie. Keir Starmer, gerade erst ins Amt gekommener Labour-Premier, droht den Aufrührern mit der „vollen Härte des Gesetzes“. Auch Gegendemonstrationen haben sich formiert, in Nordirland marschieren sogar Katholiken und Protestanten Arm in Arm. Und doch entfaltet sich auf der Insel ein Bild staatlicher Ohnmacht – und einer Gesellschaft am Rand zum Bürgerkrieg. Civil War: Das ist es auch, was Elon Musk in Großbritannien kommen sieht – und mit eigenen verhetzenden Tweets sowie dem Zulassen rechtsextremer Agitatoren wie Tommy Robinson auf seiner Plattform X tatkräftig befeuert. Bewusste Desinformation ist fixer Teil dieser Verhetzungsstraleme im Kontext von Migration himmelschreiendes Versagen: Der Ort Rotherham, wo es nun zu Ausschreitungen kam, war etwa vor Jahren von einem Missbrauchsskandal erschüttert worden. Britisch-pakistanische „Grooming“-Banden hatten zwischen 1997 und 2013 über tausend Kinder und Jugendliche systematisch missbraucht und sexuell versklavt – ohne Einschreiten von Ordnungsbehörden, Schulen und Jugendhilfsorganisationen. Entschlossener Einsatz gegen Missstände bei gleichzeitigem Kampf gegen Rassismus: Diese Lehre aus den Exzessen in Großbritannien sollte man auch in Österreich ziehen. Zwar ist man hierzulande weit von englischen Zuständen entfernt – dennoch haben zuletzt, insbesondere in Wien, Messerattacken und „Machtkämpfe“ zwischen tschetschenischen und syrischen Jugendgruppen für Aufregung gesorgt. Dass die Polizei offenbar lange nur zusah und erst die Einbindung von „Ältestenräten“ zu einer „Friedensvereinbarung“ führte, gibt zu denken – und muss auch alarmieren, sofern sich hier Parallelinstitutionen abseits von Rechtsstaat und Polizei bilden. Zugleich wissen alle Experten, dass professionelles „Community-Management“ ohne Einbindung von Kulturvereinen und Religionsvertretern schwer möglich ist. All diesen Realitäten muss sich die Politik ohne Naivität stellen – und sowohl für Kommunen wie auch für die Schulen ausreichend Ressourcen liefern, „Leitkultur“ hin oder her. Damit ein jagender Mob in Wien weiter „bloß“ ein Alptraum bleibt. doris.helmberger@furche.at AUS DEM INHALT Sehnsucht nach Geborgenheit Radiopionier Hubert Gaisbauer schreibt in der dialogischen FURCHE-Kolumne über die bereichernde Beziehung zu seinen Enkelkindern, denen er gerne gehorcht. Seite 10 E-Mobilität als Segen? In Serbien regt sich Protest gegen den geplanten Lithium-Abbau für Batterien. Warum die Transformation ohne Einschränkungen nicht gelingen wird. Ein Kommentar.Seite 11 Kunst begreifen Das Wien Museum setzt auf Inklusion: In der aktuellen Ausstellung zur Fotografin Elfriede Mejchar präsentiert es Fotoarbeiten auch als Tastobjekte. Seite 15 Herrschaft im Vorfeld der Politik Vielfach wird die rot-grüne Diskurshoheit im öffentlichen Raum, aber auch in den Redaktionen von Leitmedien beklagt. Doch wie entsteht kulturelle Hegemonie?Seite 16 „Ich sah sie im Fahrtwind wehen“ Vor hundert Jahren starb der polnischbritische Schriftsteller Joseph Conrad. Erst mit 19 eignete er sich mit dem Englisch seine Literatursprache an. Seite 20 @diefurche @diefurche furche.at @diefurche Die Furche Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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