DIE FURCHE · 1924 Ausstellung8. Mai 2025Ausdruck von MelancholieMatthew WongUnknown Pleasures, 2019165,1 × 165,1 cm, Öl auf LeinwandThe Museum of Modern Art, New York.Gift of Monita and Raymond Wong in memoryof their son Matthew Wong, 2020Von Theresa Steiningererkenne mich selbstin ihm wieder. Die Unmöglichkeit,Teil dieserWelt zu sein.“ Das„Ichsagte der kanadischchinesischeKünstler MatthewWong (1984–2019) einmal überVincent van Gogh, den er als großesVorbild und als künstlerischenSeelenverwandten ansah.Grund genug für die Albertina,Werke dieser beiden Maler in einerumfassenden Ausstellung gegenüberzustellen.Der Großteilder Arbeiten stammt von Wong,der in unseren Breiten im Gegensatzzu Asien und Nordamerikawenig bekannt ist. Mit der Schaumöchte man seinen farbenprächtigen,förmlich leuchtenden Bildernein größeres Publikumverschaffen und ihn durch Parallelenzu Künstlern, die er zu Vorbildernerkor, verorten.Am Rande der GesellschaftVordergründig sind die Verbindungenzwischen van Gogh undWong im Seelenleben zu finden.Beide litten an schweren psychischenProblemen – van Gogh unterpsychotischen Anfällen undHalluzinationen, Wong unter Autismusund Depressionen. Beidesuchten in der Malerei jene „letzteZuflucht“, nach der die Ausstellungauch benannt ist. „Durchden Griff zur Farbpalette versuchtensie, die Lebensfreude aktivzu halten“, beschreibt der neueGeneraldirektor der Albertina,Ralph Gleis. Oder wie Wong esselbst formulierte: „Im Grunde istdas Leben rundherum die Hölle,ausgenommen die Momente vorder Leinwand.“ Außerdem hattenbeide keine akademische Ausbildungund brachten sich das Malenselbst bei, jeder der zwei hatteeine kurze, dafür umso intensivereSchaffensperiode, beide nahmensich selbst das Leben. Dasssie in ihren Werken ihrer Rolleam Rande der Gesellschaft künstlerischAusdruck verliehen, verbindetdie beiden ebenso.Wenn man nun acht Gemäldevon van Gogh sowie zwei Zeichnungenvon ihm, die aus dem Bestandder Albertina stammen, mitmehr als 40 Arbeiten von WongDie Albertina möchte den chinesisch-kanadischen Künstler MatthewWong durch eine Gegenüberstellung mit dessen Vorbild Vincent van Goghbekannter machen. Parallelen sind unverkennbar.Künstlerischseelenverwandtgegenübergestellt, lässt dies stilistischeParallelen und Unterschiedestudieren. Dabei wirdrasch klar: Um Imitation ist esWong nie gegangen, vielmehrhat er Anregungen von van Goghebenso aufgenommen wie etwavon Paul Klee, Peter Doig oderShitao. Man sieht Bilder, die trotzall ihrer Leuchtkraft von Einsamkeiterzählen, von Isolation undWeltschmerz. Personal ist kaum„ Personal ist kaum zu erkennen, vor allem ist die verlasseneLandschaft Thema von van Gogh wie von Wong, Sonne undMond kommen als Motive immer wieder vor. “© 2025 Matthew Wong Foundation / Bildrecht, Wien 2025; Foto: The Museum of Modern Art, New Yorkzu erkennen, vor allem ist die verlasseneLandschaft Thema vonvan Gogh wie von Wong, Sonneund Mond kommen als Motive immerwieder vor. Was auf den erstenBlick ins Auge fällt, ist, dassbeide mit schnellem, gestricheltem,dickem Farbauftrag arbeiten.Auch starke farbliche Gegensätzefinden sich bei Wong ebensowie bei van Gogh, etwa, wenn hier„Weiße Hütten in Saintes-Mariesde-la-Mer“von letzterem nebeneinem Gemälde von Wong hängen,das die beschneite Spitze einesBerges in ähnlich gleißendemWeiß leuchten lässt. Die breiten,unruhig wirkenden und dadurchEffekt erzeugenden Pinselstricheund die flächige Arbeitsweise, dievan Gogh etwa in „Eingang zumSteinbruch“ für das Feld verwendethat, finden sich ebenfalls in einigenArbeiten Wongs wieder.Und auch die Unmittelbarkeitim künstlerischen Ausdruck verbindetoffensichtlich beide, ebensoist die Pastosität der Werkeauffällig. Von einem „gesteigertenKolorismus“ und von „Farbexplosionen“spricht DirektorRalph Gleis im Zusammenhangmit beiden Künstlern und nenntsie „verblüffend ähnlich“. KuratorinAngela Stief, die die Ausstellung,die schon in Zürich undAmsterdam zu sehen war, fürWien adaptiert hat, möchte „Analogienfinden und die Kunstgeschichtsschreibunggegen denStrich bürsten.“Entfliehen in die MalereiUnd Gleis fügt hinzu: „Die Werkestrotzen vor Lebenskraft undEnergie. Das scheint nicht zu passenangesichts der inneren Verfasstheitihres Schöpfers.“ Docheben genau dieses Entfliehenin die Kunst dürfte Wong ebensowie van Gogh geholfen haben,die Malerei ein sicheres Refugiumgewesen sein. Die tief empfundeneMelancholie spürt man ausjedem Bild heraus. Ob Wong nunweite Landschaften malt oder engeInterieurs, die aber durch ihreLeere von Verlassenheit erzählen,stets kann man seine Werkeals Darstellung seiner Gemütsausdrückeinterpretieren. Gleisnennt die Schau einen „epochenübergreifendenDialog“, der ermöglichensoll, Wong näher kennenzulernen.Einen Künstler, derseinen Ruhm nicht mehr miterlebensollte – womit sich posthumeine weitere Parallele zu vanGogh ergibt.Matthew Wong – Vincent van GoghLetzte Zuflucht MalereiAlbertinaBis 19. Juni 2025www.albertina.atIN KÜRZEKULTURKULTURLITERATURMEDIEN■ Goethe-MedailleDie Goethe-Medaille der BundesrepublikDeutschland geht heuer an den seit 2017 inder Türkei inhaftierten Kulturförderer OsmanKavala (2022 wurde der 67-Jährige,der 2002 die Organisation Anadolu Kültürin Istanbul gegründet hat, zu erschwerterlebenslanger Haft verurteilt), an die chinesischeSprachwissenschafterin Li Yuanund an den belgischen Autor David VanReybrouck (er mache Perspektiven sichtbar,die von der westlich dominierten Geschichtsschreibungoftmals wenig beachtetwürden). Die Auszeichnung soll an GoethesGeburtstag, am 28. August, in Weimar verliehenwerden.■ Denkmalschutz für ConcordeDie französische Kulturministerin RachidaDati hat ein Exemplar des Überschall-FlugzeugsConcorde unter Denkmalschutz stellenlassen. Das Überschallflugzeug, das von1976 bis 2003 im Einsatz war, legte die Streckezwischen Paris oder London und NewYork in dreieinhalb Stunden zurück, etwadoppelt so schnell wie heutige Maschinen.Unter Denkmalschutz gestellt wird nun dieConcorde 001. Sie war die erste von insgesamt20 Concorde-Maschinen, die zwischen1967 und 1979 gebaut wurden. Sie befindetsich im Luftfahrtmuseum in Blagnac beiToulouse. Bis heute sind in Frankreich 18Concorde-Flugzeuge erhalten. ■ Jane Gardam (1928-2025)Zweiundzwanzig Romane und Jugendbücher,zahlreiche Kurzgeschichten und Essaysverfasste die 1928 in North Yorkshiregeborene Schriftstellerin. Im deutschsprachigenBereich wurde sie erst spät, durchihre Trilogie um „Old Filth“ entdeckt („Einuntadeliger Mann“, „Eine treue Frau“ und„Letzte Freunde“), die in den 2010er Jahrenin Übersetzung von Isabel Bogdan erschienenist. „In Jane Gardams Werk gibt es keineNebenfiguren“, so Julia Graf, langjährigeGardam-Lektorin bei Hanser Berlin. „IhreRomane sind eine Welt des Menschlichen.“Jane Gardam starb am 28. April in einemPflegeheim. ■ Einsparungen beklagtVier von zehn Journalistinnen und Journalistenim deutschsprachigen Raum beklagen,dass Einsparungsmaßnahmen inRedaktionen es schwieriger machen, journalistischeStandards einzuhalten. Es kommezu Einbußen bei der Seriosität. Das ergabdas neueste „Journalist*innen-Barometer“.Nur 47 Prozent der Umfrageteilnehmer befürwortenstaatliche Unterstützung für Medien.Insgesamt sinkt für die Befragten derStellenwert klassischer Medien: Acht vonzehn Teilnehmern stufen Social Media alsprägend für die öffentliche Meinung ein.Printmedien wird hingegen nur mehr von37 Prozent eine Deutungshoheit attestiert.
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