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DIE FURCHE 08.05.2024

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DIE FURCHE · 19 12 Religion 8. Mai 2024 Von Heiner Boberski Just zu Christi Himmelfahrt begeht die Katholische Aktion Österreich (KAÖ) ihr 75-Jahr-Jubiläum. Bei der Feier am 9. Mai in Linz wird Prominenz aus Kirche und Politik vertreten sein – von Referatsbischof Wilhelm Krautwaschl bis zu Klimaministerin Leonore Gewessler. Die Linzer Theologin Klara-Antonia Csiszar, Teilnehmerin an der Weltbischofssynode in Rom, hält die Festrede, und die KAÖ präsentiert ihr Zukunftsmanifest „Tiefe, Weite und Zukunft – gemeinsam aufbrechen“ (vgl. Artikel rechts). Die in der Einladung angesprochene „spannungsreiche Entwicklung“ dieser größten Laien organisation im Land – vom „Bollwerk“ zur „Brücke“ zum „Pilgern im Jetzt“ – verdient also nähere Betrachtung. Am Anfang standen zwei Päpste, denen wohl wirklich ein „Bollwerk“ vorschwebte – eine Laienorganisation als verlängerter Arm der Hierarchie. Die KA wurzelt im italienischen Laienkatholizismus des 19. Jahrhunderts, der 1903 gewählte Pontifex Pius X. wollte sie in seine Antimodernismuspolitik einspannen. 1922 wertete dann Pius XI. mit seiner Antrittsenzyklika Ubi arcano Dei die KA bedeutend auf. Er forderte die Laien zur Teilnahme am Apostolat auf, und zwar als „ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm“, wie es im Petrusbrief heißt, den 1965 auch das Dokument Ad gentes des Zweiten Vatikanischen Konzils zitierte. Pius XI. verlieh der KA einen kirchenrechtlichen Status, förderte ihren Ausbau in vielen Ländern und wollte alle Laiengruppen unter ihrer Führung zusammenfassen. Den damals bedeutsamen säkularen Bewegungen (Gewerkschaften, areli giösen und kirchenfeindlichen Parteien) sollte eine katholische Massenbewegung entgegengestellt werden. Das gesamte Spektrum In der Erzdiözese Wien wurde die KA schon am 15. Dezember 1927 von Kardinal Friedrich Gustav Piffl feierlich proklamiert. Gesamtösterreichisch entstand sie aber erst nach 1945: Konkret beschlossen wurde sie am 12./13. Mai 1949 in Linz bei einer Versammlung engagierter Christinnen und Christen aus verschiedenen österreichischen Diözesen. Offiziell wurde dieser Beschluss ein Jahr später im Juni 1950, mit der Bestätigung durch die Bischofskonferenz. Dabei umfasste die KA das gesamte Spektrum katholischer Laiengruppierungen: Jungschar, Jugend, Hochschuljugend, Männerbewegung, Frauenbewegung, Akademiker und Arbeitnehmer. Sie bekam aber kein Monopol, denn neben der KA überlebten alte Vereinigungen wie vor allem der CV in der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände (AKV), und es bildeten sich weitere, darunter die sogenannten Erneuerungsbewegungen. Heute sind alle mit der KA im Katholischen Laienrat Österreichs (KLÖ) vertreten. Dieses Gremium erreichte aber nie solche Bedeutung wie das Zentralkomitee der deutschen Katholiken in Deutschland, daher hat die KA nach wie vor besondere Bedeutung, obwohl sie nur einen Teil der Laien repräsentiert. Höhepunkt Lichtermeer Das Lichtermeer, bei dem am 23. Jänner 1993 bis zu 300.000 Menschen auf dem Heldenplatz gegen das FPÖ-Volksbegehren „Österreich zuerst“ demonstrierten, war unter KA-Präsidentin Eva Petrik das leuchtendste Beispiel einer Kooperation von katholischen Laien und Zivilgesellschaft. Weitere Infos zur KAÖ: www.kaoe.at Lesen Sie unter „Unsere Stärke ist auch unsere Schwäche“ (25.5.2000) das Gespräch von Heiner Boberski mit Christian Friesl. Lesen Sie dazu auch den Grundsatztext von Friedrich Funder: „Um die Katholische Aktion“ (9. September 1950) auf furche.at. Die 75-Jahr-Feier der Katholischen Aktion macht die Frage nach der Bedeutung kirchlicher Laienorganisationen wieder aktuell. Vom Bollwerk zum pilgernden Netzwerk „ Wer, wenn nicht die KAÖ könnte einen längst fälligen Anlauf zu Veranstaltungen nehmen, die Kirche in ihrer ganzen Breite abbilden und zusammenführen? “ Vom ersten KAÖ-Präsidenten, dem Schriftsteller Rudolf Henz (1949–1958), bis zum heutigen, dem Theologen und „Klimapilger“ Ferdinand Kaineder (seit 2021), prägten große Persönlichkeiten die Entwicklung der Organisation. Viele kamen aus dem Schul- und Bildungsbereich, zum Beispiel Hans Kriegl (1958–1964), Eduard Ploier (1976–1985), Eva Petrik (1991–1997) oder Luitgard Derschmidt (2003–2012). Ludwig Weiß (1970–1976) war Politiker, Paul Schulmeister (1985–1988) ORF-Journalist. Christian Friesl (1997–2003) und die ehemalige FURCHE-Geschäftsführerin Gerda Schaffelhofer (2012–2018) sind theologisch ausgebildet und pu bli zistisch tätig. Als geistliche Assistenten begleiteten bedeutende Priester – nämlich der heute noch als Kunstförderer bekannte Otto Mauer, der Pastoraltheologe Ferdinand Klostermann und der langjährige Wiener Hochschulseelsorger Karl Strobl – die ersten Jahrzehnte der KA. Später übten Pater Alois Kraxner, Heinrich Schnuderl, Pater Erhard Rauch, Matthias Beck und Paul Zulehner diese wichtige Funktion aus, die zuletzt unbesetzt blieb. Der Weg der KA vom Bollwerk zur Brücke zeichnet sich schon in einem FURCHE-Beitrag vom September 1950 ab, in dem FUR- CHE-Gründer Friedrich Funder die „leider noch so wenigen und so schmalen Stege zu den kirchenfernen Massen der Arbei- Foto: APA-Foto/ Schnarr Ulrich terschaft“ anspricht. Er verweist auf die KA in Italien – die „ihre bewundernswürdigen Anstrengungen praktischer sozialer Arbeit auf die Menschen der Werkstatt und der Scholle“ konzentriere. Hier sei „die große geistige Schlacht zu schlagen“, betont Funder, der dabei vom „internationalen religiösen Kardinalproblem der Gegenwart, der Erfüllung des Königsgedankens der Katholischen Aktion in dem gefährdetsten und niemals verloren zu gebenden Bereich der menschlichen Gesellschaft“ spricht. Es gab viele markante Meilensteine in der Entwicklung der KAÖ, einer war sicher das „Mariazeller Manifest“, das auf einer Studientagung im Mai 1950 entstand. Otto Mauers dortiges Abschlussreferat, von Kathpress- Chefredakteur Richard Barta konzipiert, enthielt das berühmte Wort von der „freien Kirche in einer freien Gesellschaft“. Die Aufbrüche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, der Katholikentag 1983, die folgenden umstrittenen Bischofsernennungen, der „Dialog für Österreich“ mit seinem denkwürdigen Delegiertentag 1998: Die KA nahm an allen kirchlichen Entwicklungen regen Anteil. Manchmal gab sie auch den Ton an, etwa beim Einsatz gegen aufkeimenden Antisemitismus und für christlich-jüdische Verständigung in der Ära von Paul Schulmeister oder beim Lichtermeer am 23. März 1993 zur Zeit von Eva Petrik, einem der raren großen Beispiele der Kooperation von Katholiken und Zivilgesellschaft. Unter der verdienstvollen Geschäftsführerin Ruth Steiner (1986–2000) ließ die KA 1993 nach Gottesdiensten 750.000 Exemplare ihres Faltblattes „10 Gegen-Sätze für Menschenfreunde“ verteilen, die Argumente gegen das ausländerfeindliche FPÖ-Volksbegehren „Österreich zuerst“ enthielten. 1998 forderte die KA zur Rettung des „Dialogs für Österreich“ einen Maßnahmenkatalog. Ihr Präsident, Christian Friesl, ordnete ihr später in einem FURCHE- Interview sowohl eine weltoffene als auch eine spirituelle Seite zu: „Wir werden auch weiterhin jene Organisation sein, die sich nicht auf eine Entscheidung hindrängen lässt, entweder eine aktive gesellschaftspolitische oder eine besonders mystische Organisation zu sein.“ Der promovierte Pastoraltheologe ortete eine „Religiosität, die sehr individualisiert ist“ – und trat für eine differenzierte Seelsorge ein, vor allem in der Jugendarbeit. Raus aus „winterlicher Kirche“ Im Festvortrag zur 50-Jahr-Feier der KA stellte der Schweizer Pastoraltheologe Leo Karrer 2000 mit Bezug auf ein Wort des Theologen Karl Rahner fest: „Das Bild von der ,winterlichen Kirche‘ ist Wirklichkeit.“ Ins Heute gesprochen, wirkt sein damaliger Satz prophetisch: „Es erscheint unerlässlich, aus den laikalen und klerikalen Minderwertigkeitsgefühlen und Überheblichkeiten, aus lähmenden Stimmungen und Mutlosigkeiten aufzubrechen.“ Was kann nun eine große Laienorganisation wie die KA in einer höchst individualistischen und pluralistischen Zeit, in der sich jeder seine eigene kleine spirituelle Kuschelecke – manchmal auch Schmollecke – sucht, leisten? Vielleicht mehr, als sie sich selbst zutraut, wenn sie ihr Eigenbild der Gegenwart – eine weithin in die Gesellschaft vernetzte Pilgergruppe – umsetzt. Eine Manifestation der Kirche wie beim Katholikentag 1983, eine Initiative wie der „Dialog für Österreich“ von 1998 sind derzeit wohl un erreichbar; aber wer, wenn nicht die KAÖ, könnte noch – am besten gemeinsam mit dem Laienrat – einen längst fälligen Anlauf zu solchen Veranstaltungen nehmen, die Kirche in ihrer ganzen Breite abbilden und zusammenführen? Ihr Jubiläum vor dem Hintergrund des synodalen Prozesses in Rom könnte ein Anlass sein, einen neuen gesamtkirchlichen Aufbruch zu wagen. Der Autor war ab 1978 Redakteur und von 1995 bis 2001 Chefredakteur der FURCHE.

DIE FURCHE · 19 8. Mai 2024 Religion 13 Von Doris Helmberger Wie politisch kann, darf, ja muss Kirche sein? Was die Parteipolitik betrifft, so wurde diese Frage in Österreich durch das „Mariazeller Manifest“ von 1950 beantwortet. Weder dürfe es zu einer „Rückkehr zum Staatskirchentum“ noch zu einer „Rückkehr zum Protektorat über eine Partei“ kommen, heißt es darin (vgl. Seite links sowie „Zeit-Weise“ auf Seite 15). Politisch im Sinne von „Weltgestaltung aus dem Glauben“ und aus der „radikalen Botschaft des Evangeliums“ heraus müssten Christinnen und Christen freilich grundsätzlich sein, ist Ferdinand Kaineder überzeugt. Für die „Katholische Aktion Österreich“ (KAÖ), als deren Präsident der 67-jährige Theologe, Kommunikations- und Organisationsprofi 2021 gewählt wurde , gelte das in besonderem Maße. „Wir können gar nicht nicht politisch sein“, erklärt Kaineder im FUR- CHE-Gespräch. „Ein Rückzug in die Sakristei oder frommes Alleinsein, das liegt nicht in unserer DNA.“ Konkret versteht er die kirchliche Laienorganisation als „Inspiration für die gesellschaftspolitischen Anliegen, die mit der katholischen Soziallehre“ gegeben sind – und die durch Papst Franziskus in der Enzyklika Laudato si’ von 2015 im Sinne eines „sozial-ökologisch-spirituellen Welt- und Menschenbildes“ neu buchstabiert wurden. Gefragt beziehungsweise angesprochen sind dabei alle Getauften – von Jung bis Alt, „gleichberechtigt in allen Wirkfeldern sowie barrierefrei“. Als leidenschaftlichem Pilger steht ihm dabei das Bild vom gemeinsamen Aufbrechen und Gehen vor Augen, vom „Pilgern im Jetzt“. Dieses Motto prägt auch das „Zukunftsmanifest“ der KAÖ, das zu Christi Himmelfahrt bei der 75-Jahr-Feier der KAÖ in Linz präsentiert wird. Seine zentralen Punkte basieren auf jenen Themendossiers, die die KA als „Wegmarken und Orientierungspunkte“ zum synodalen Prozess erarbeitet hat: „Gerechtigkeit und Fairness“, „Demokratie und Teilhabe“, „Solidarität global“ – in Summe nicht weniger als „ein gutes Leben für alle“. „Avantgarde für eine neue kirchliche Präsenz in der Gesellschaft“: So lautet das Selbstverständnis anno 2024. Avantgarde versus Reaktion Dass angesichts multipler Krisen und neuer Unübersichtlichkeit „Avantgarde“ bei nicht wenigen an Attraktivität verloren hat und traditionalistische, ja reaktionäre Kräfte in Gesellschaft wie Kirche an Reiz gewinnen, sieht Kaineder mit Sorge. „Es ist eine unglaubliche Verführung, in das kristalline Verständnis von Kirche zurückzufallen“, sagt er. „Wenn die Welt fluider wird, ist die Sehnsucht der Menschen nach Ritualen und dem, ,wie es früher Foto: Kaineder Wohin soll die Katholische Aktion nach ihrem „Aufbruchsfest“ gehen – bzw. pilgern? Präsident Ferdinand Kaineder und Vizepräsidentin Katharina Renner über ihre Vision. „Frommes Alleinsein ist nicht unsere DNA“ Gemeinsam aufbrechen „Anpacken, nicht einpacken“ lautet das Motto von Ferdinand Kaineder. Gemeinsam mit Katharina Renner sowie Brigitte Knell (nicht im Bild) will er die KA als „gestaltende Kraft sichtbar machen“. war‘, zwar verständlich. Aber ich glaube trotzdem, dass auch die Kirche fluid bleiben muss, weil sie gemeinsam mit den Menschen das kirchliche Zukunftsbild. Voraussetzung dafür ist allerdings, in den Gemeinden „eine gewisse Ängstlichkeit davor, wer da aller man aus der eigenen Filterblase rauskommt und helfend tätig wird. Dann verschwindet irgendwann auch der Unterschied zwischen sätzliche Prinzipien wie Fairness und Gerechtigkeit, die die KA auf Basis der „radikalen Botschaft des Evangeliums“ und der unterwegs ist.“ Nicht nur das Bedürfnis kommen könnte“, zu überwinden. denen, die unterstützen, christlichen Soziallehre einforsätzliche nach Ritualen, auch jenes nach Wertschätzung, Anerkennung, Zugehörigkeit und einer sinnvollen Tätigkeit sei groß. Und ein solches „Miteinander“ werde in der Kirche in vielfältiger Weise geboten. Sonst bleibe man am Ende im kleinen oder kleinsten Kreis – und die vielen Räume, über die die Institution katholische Kirche im Wortsinn verfügt, leer. Ein trauriges Bild, das sich leider in allzu vielen Pfarren zeige, erklärt Renner im und denen, die Unterstützung brauchen.“ Auch wenn sie die Aufgabe der KAÖ „eher in der Gesellschaft und nicht so sehr innerkirchlich“ sehe, seien kirchliche Strukturreformen im Sinne der Glaubwürdigkeit dert, auch innerkirchlich gelten. „Ein gutes Leben für alle“ und „gemeinsam Pilgern im Jetzt“: Das schließt eben auch kirchlich Engagierte und Beschäftigte mit ein. unabdingbar. Durch FURCHE-Gespräch. Die vielen Räume öffnen Am lebendigsten erlebt sie Kirche hingegen dort, „wo gute Caritigt durch Klerikalismus und In- Am 29.9.2021 die Missbrauchsfälle, begüns- Ferdinand Kaineder Hinausgehen und Menschen in die „vielen offenen Räume“ der tas-Arbeit getätigt wird“ und wo transparenz, habe die Institution hat Otto Friedrich Kirche einladen: Das ist auch für Menschen zusammenkommen, Kirche diese Glaubwürdigkeit bei den damals KAÖ-Vizepräsidentin Katharina die ansonsten wenig miteinander vielen Menschen verloren – und neuen KAÖ-Präsidenten Ferdinand Renner, Theologin, Soziologin und zu tun haben. „Es dient auch der zwar „zu Recht“, wie Renner betont. Kaineder unter „Einer, der anpackt Mitarbeiterin der Caritas in Wien, Extremismusprävention, wenn Umso mehr müssten grund- und nicht einpackt“ porträtiert. „ Es ist eine Verführung, angesichts der fluiden Welt in das kristalline Verständnis von Kirche zurückzufallen. “ Unter den über 50 Referentinnen und Referenten des 12. Pfingstdialogs: Andreas TREICHL Präsident Europäisches Forum Alpbach Barbara EIBINGER-MIEDL Wissenschaftslandesrätin Igor PAPIČ Wissenschaftsminister Republik Slowenien © Luiza-Puiu © Teresa Rothwangl © Government/Slovenia Herfried MÜNKLER Politikwissenschafter Karoline EDTSTADLER Europaministerin Metropolit ARSENIOS Griechisch-orientalischer Metropolit von Austria Irene GINER-REICHL Global Forum on Sustainable Energy © Reiner Zensen © BKA/Andy Wenzel © LGP-2021 Benita FERRERO-WALDNER EU-Kommissarin a.D. Christopher DREXLER Landeshauptmann Velina TCHAKAROVA FACE, Expertin für Geopolitik Martin POLASCHEK Minister f. 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