19 · 8. Mai 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– 75 Jahre KA: Vom Bollwerk zum Netzwerk Die Katholische Aktion Österreich feiert ein rundes Jubiläum. Über Geschichte und Zukunft der Laienorganisation. · Seiten 12–13 Von der Währung des Andersseins Kants letzte Frage: Was ist der Mensch? Literarische Miniaturen Bewegungen wie die Bierpartei geben vor, eine Abweichung von der Norm zu sein – dabei wird die Abweichung selbst zur Norm. · Seite 5 Der Biologe Kurt Kotrschal und die Philosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz diskutieren über Gender und Würde. · Seiten 10–11 Karl-Markus Gauß widmet sich in seinem neuen Buch „Schiff aus Stein“ der Welt als Ort facettenreicher Preziosen. · Seiten 17–18 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Mit dem Gefühl der Unsicherheit wächst die Sehnsucht, sich zu erden. Über blumige Refugien und den Geschmack der Zukunft. Den Garten essen Foto: Getty Images/ coldsnowstorm Foto: picturedesk.com/ Anna Weise / SZ-Photo „Indien ist der Schlüsselstaat“ Politikwissenschafter Herfried Münkler über die notwendige Abkehr vom EU-Einstimmigkeitsprinzip, das Liebäugeln der USA mit der „autoritären Bank“, Österreichs selbstgewählte Bedeutungs losig keit und die Welt ordnung von morgen. Seiten 6–7 US-amerikanische Schulen haben ein Gegenmittel gegen die Smartphone-Sucht gefunden: ein radikales Handyverbot. Österreichs Bildungssystem sollte ihrem Beispiel folgen. Die echte Reifeprüfung AUS DEM INHALT EU-Spitzenwahl mit „Knacks“ Nach dem Umfaller 2019 soll das Spitzenkandidatenprinzip bei der EU-Wahl im Juni wieder umgesetzt werden. Wie groß sein Potenzial ist, zeigt der Geifer der FPÖ.Seite 8 Von Magdalena Schwarz D as Wort „Matura“ geht zurück auf den lateinischen Begriff maturus, der „reif“ bedeutet. Doch wie sich diese Reife definiert, hängt von der Welt ab, in der wir leben. Und die ist dank der technologischen Revolutionen des vergangenen Jahrzehnts eine andere. Ausdrucksfähigkeit und logisches Denkvermögen, unter Beweis gestellt in den Prüfungsfächern Deutsch, Englisch und Mathematik, sind nach wie vor unabdingbar. Aber sie sind wertlos, solange Smartphones unsere Willensfreiheit kapern. Dagegen muss sich das Schulsystem endlich geschlossen wehren. Menschen sind erschreckend manipulierbar – Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Der ehemalige Google-Mitarbeiter Tristan Harris vergleicht Apps mit Spielautomaten: Sie kidnappen die Belohnungszentren im Gehirn. Ein beschämend triviales Beispiel ist der 2006 erfundene infinite scroll: Klickte man sich früher noch von Google-Seite eins zu zwei, so liefern Suchmaschinen und soziale Medien heute eine niemals endende Content-Flut. So einfach ist es also, die Krone der Schöpfung auszutricksen: Entferne den Frankl’schen Raum zwischen Reiz und Reaktion, und schon hängen wir wie hypno- „ Heute bedeutet Reife, wieder Herrin und Herr der eigenen Sinne zu sein. Handys müssen raus aus der Schule. “ tisierte Zombies stundenlang vor den Bildschirmen. Die Einsicht unserer kollektiven Abhängigkeit ist der erste Schritt zur Besserung. Der zweite ist die Erkenntnis, dass Entzug keine Frage der Disziplin ist. „Sie müssen sich damit abfinden“ Weil die menschliche Willenskraft im Kampf gegen die Technodrogen nicht ausreicht, hat eine Mittelschule im amerikanischen Connecticut eine schlichte Lösung eingeführt: Beutel mit magnetischer Verriegelung, in die die Kinder morgens ihre Handys sperren und aus denen sie sie erst nach Schulschluss wieder herausholen. Die Jugendlichen tobten, einige Eltern protestierten. „Sie müssen sich damit abfinden“, bemerkte der Schulleiter trocken. Die Ergebnisse: mehr Aufmerksamkeit im Unterricht und persönlicher Austausch, weniger Onlinemobbing. Etwa 2000 US-Schulen nutzten die Sperrbeutel im vergangenen Jahr. Hierzulande fordert auch der steirische VP-Bildungslandesrat Werner Amon ein Handyverbot an Pflichtschulen. Die Gegenstimmen sind laut, ihre Argumente aber leicht adressiert. Ein Verbot stehe der Entwicklung von Digitalkompetenzen im Weg, behaupten zum Beispiel die steirischen Neos – und werfen damit sinnvolle digitale Tools mit jenen Apps in einen Topf, die uns zu ihren Werkzeugen machen. Ein einfacher Selbsttest unterscheidet zwischen Software und Suchtmittel: Wieviel Spaß bringt die Banking-App Ihres Vertrauens – und wieviel Instagram? Für die Kinder- und Jugendanwältin Denise Schiffrer- Barac ist ein Smartphone-Verbot an Schulen „zu kurz gedacht“. Schließlich sei das Handy nicht der einzige Grund für verrohte Umgangsformen. Damit hat sie recht. Auch Suchterkrankungen wie Alkoholismus sind meist nur ein Teil eines komplexen Netzwerks an Problemen. Dennoch: Was ist für alkoholkranke Menschen der erste Behandlungsschritt? Der körperliche Entzug. Wie bei vielen gesellschaftlichen Problemen muss die Schule der erste Ort sein, an dem wir zu einer Lösung ansetzen. Hier formen sich Gewohnheiten und Haltungen, die ein Leben überdauern. Es geht um viel mehr als die Befähigung junger Menschen, sich wieder auf Differenzialgleichungen und Gedichtanalysen zu konzen trieren. Einige Technologien radikalisieren Menschen, polarisieren Debatten, manipulieren Wahlen und lassen Konflikte eskalieren. Sie machen uns narzisstischer, einsamer und depressiver. Sie narkotisieren uns in einer Welt, in der wir dringend eine wache, wehrhafte junge Generation brauchen. Reife bedeutet heute, wieder Herrin und Herr seiner Sinne zu werden. Smartphones müssen raus aus der Schule. Dieser Kampf gegen die Marionettenspieler in unseren Hosentaschen ist eine der wichtigsten Prüfungen unserer Zeit. magdalena.schwarz@furche.at Unsichtbarkeit als Vorschrift Wie sich über 50-jährige Frauen kleiden, unterliegt immer noch hohem gesellschaftlichem Druck. Über Mode zwischen Psychologie, Ökonomie und Moral. Seite 9 „Christliche“ Politik und Diktatur In seiner neuen Kolumne „Zeit-Weise“ begrüßt Otto Friedrich die deutliche Distanzierung der katholischen Kirche von der „Maiverfassung“ des Jahres 1934. Seite 15 „Daher ist alles möglich“ Mit Paul Auster starb am 30. April einer der wichtigsten US-amerikanischen Schriftsteller der Gegenwart. Seine Geschichten bleiben. Ein Nachruf. Seite 18 Der Engel von Sewastopol Händewaschen und Lüften galten in der Coronazeit als Um und Auf. Diese Regeln gehen zurück auf Florence Nightingale, die Begründerin der modernen Pflege. Seite 24 @diefurche @diefurche furche.at @diefurche Die Furche Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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