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DIE FURCHE 08.02.2024

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DIE FURCHE · 6 2 Das Thema der Woche Schlechte Zeit für gute Laune? 8. Februar 2024 AUS DER REDAKTION Lassen Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, durch die Titelfrage dieser FURCHE-Ausgabe nicht davon abhalten, den von Manuela Tomic gestalteten Fokus rund ums Lachen zu genießen: Von Reminiszenzen an den französischen Surrealisten André Breton über den neurophysiologischen Sitz des Witzes im Gehirn bis zur philosophischen Variation der alten Erkenntnis, dass Lachen immer noch die beste Medizin ist, reicht der Bogen. Aber selbst wenn Fasching ist, gilt es auch diese Woche, mehr als Narreteien zu beleuchten: Wolfgang Machreich analysiert Performance und Programme der Spitzenkandidaten zur EU-Wahl, Philipp Axmann bittet Caritas-Österreich- Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler zum Antrittsinterview. Jan Opielka berichtet aus Polen über ein auf den ersten Blick ausgefallenes Projekt zur Resozialisierung von Strafgefangenen. Im Feuilleton entpuppen sich Ute Weinmanns Anmerkungen zur Thomas-Bernhard-Rezeption in Frankreich als brisanter Essay zur Zeitgeschichte Österreichs. Ein grandioses Zeitzeugnis stellt auch Nikolaus Geyrhalters Film „Stillstand“ dar, in dem der Regisseur mit glasklarem Blick Österreich in der Corona-Pandemie dokumentiert. Lukas Bayer fragt nach, warum es im Land Wunsch nach Klimaschutz gibt, dieser sich aber nicht im Wahlverhalten niederschlägt. Zum Abschluss porträtiert Martin Tauss die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter, die im „Ruhestand“ zur Handwerksaktivistin mutierte. (ofri) Von Manuela Tomic Paris, 10. Juni 1940: Der französische Schriftsteller André Breton hat es nach langen Auseinandersetzungen mit Verlegern geschafft, seine „Anthologie des Schwarzen Humors“ zu veröffentlichen. Doch die Stadt ist in Aufruhr. Die Franzosen versuchen mit letzter Kraft Hitlers Truppen abzuwehren. Nur wenige Tage später, am 16. Juni 1940, geschieht das Unfassbare: Die Franzosen müssen kapitulieren, Hitler bringt Nord- und Westfrankreich unter seine Kontrolle. Das Vichy- Regime ist geboren. Der Antinationalist und Antiimperialist Breton veröffentlichte seine Anthologie also zum ungünstigsten Zeitpunkt. Sie wird vom Regime sofort verboten. Und so hat die Entstehungsgeschichte der Anthologie, dieser düster-witzigen Geschichten, schon selbst etwas von einer schwarzen Komödie. Nachdem Breton, mittellos und frischgebackener Vater, seine ganze Kraft aufgewendet hat, um sein Werk zu veröffentlichen, bringt es ihm nun kein Geld. Die Deutschen ahnten, welche Sprengkraft Bretons Werk haben könnte, würde man es, wie den Geist aus der Flasche, in Umlauf bringen. Himmel und Hölle Ein Hickelkasten im spanischen Barcelona: Der Sprung in den „Himmel“ wird zu einem Fall in den Tod. André Breton, der „Papst des Surrealismus“, veröffentlichte seine „Anthologie des Schwarzen Humors“ mitten im Krieg. Sie lehrt uns, warum man gerade in den dunkelsten Stunden lachen sollte. „Die theatralische Sinnlosigkeit von allem“ Schreiben im Schweinestall Obwohl Breton mit seinem „Manifest des Surrealismus“, das heuer sein Hundert-Jahr-Jubiläum feiert, sowie seinen Romanen „Nadja“ und „L’Amour fou“ berühmt wurde, sah er seine „Anthologie des Schwarzen Humors“ als sein eigentliches Hauptwerk an. Bretons Sammlung zele briert den Humor im Angesicht von Angst und Verzweiflung. Inmitten des Ersten Weltkriegs entstehen Gedanken zum „schwarzen“ Lachen als Waffe gegen die Obrigkeit. Seine frühesten Überlegungen zu dieser radikalen Form des Humors teilte Breton mit einem Freund, den er im Lazarett kennengelernt hatte: dem Soldaten, Exzentriker und Mitbegründer des Surrealismus, Jacques Vaché. 1914 bei seinem ersten Militärdienst verwundet, wird Vaché ins Krankenhaus in der Rue du Bocage in Nantes eingeliefert. Dort freundet er sich mit André Breton an, der als Assistenzarzt arbeitet und ihn versorgt. 1916 kehrt Vaché an die Front zurück, doch bleibt mit Breton über Briefe eng verbunden. In den nach seinem Tod veröffentlichten „Kriegsbriefen“ entsteht die Idee des schwarzen Humors. „Lieber Freund, ich schreibe Ihnen aus einem Ex-Dorf, aus einem sehr engen Schweinestall, der mit Decken ausgeschlagen ist“, so beginnt Vaché einen seiner Briefe. In ebendiesem Brief liefert Vaché, wie Breton selbst sagt, eine erste Formulierung des schwarzen Humors als „Gefühl der theatralischen und freudlosen Sinnlosigkeit von allem“. Freudlos sinnlos muss sich Vaché im Schweinestall selbst gefühlt haben. Und so versucht der Lebenstrieb von Breton und Vaché mit der bizarren Realität des Krieges umzugehen, lange bevor der Surrealismus einen Namen hatte und programmatisch wurde. Für Breton ist schwarzer Humor das Gegenteil von Heiterkeit, Witz oder Sarkasmus. Es ist eine teils makabre, teils ironische „ Die Deutschen ahnten, welche Sprengkraft Bretons Werk haben könnte, würde man es, wie den Geist aus der Flasche, in Umlauf bringen. “ Foto: Andy Wright (cc by 2.0) und häufig absurde Wendung der Ereignisse, die einen „souveränen Aufstand des Verstandes auslöst“. Dabei bezog sich Breton auf Freuds Werk „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“. Freud bezeichnet Humor als die Rache des Lustprinzips: „Er ermöglicht die Befriedigung eines Triebes (eines lüsternen und feindseligen) gegen ein im Weg stehendes Hindernis, er umgeht dieses Hindernis und schöpft somit Lust aus einer durch das Hindernis unzugänglich gewordenen Lustquelle.“ Als Beispiel führte Freud die letzten Worte eines zum Tode Verurteilten an, der an einem Montag, als er zum Galgen schreitet, sagt: „Na, diese Woche fängt gut an!“ Breton eröffnet seine Anthologie mit dem irischen Schriftsteller und Satiriker Jonathan Swift. Seine Lösungen zur Überbevölkerung schildert Swift aus der Sicht von Reisenden in Dublin, die sich von den Bettlerinnen belästigt fühlen. Zur Lösung der Armut, Überbevölkerung und Kriminalität schlägt Swift vor, irische Babys als Nahrungsmittel zu verarbeiten und durch den Export nach London Profit daraus zu schlagen. Swift spielt in seiner Erzählung mit dem Gedanken über die Ressource Mensch. Im Irland zu Swifts Zeit gab es nämlich Diskussionen darüber, wie man „die Armen“ organisiert. Es ging dabei immer darum, ein einfaches Allheilmittel zu finden, dabei wurden die Menschen zunehmend als Ware gesehen. Die Nazis konnten über seine Ausführungen nicht lachen. Kein Wunder: Schließlich wurde die Ware Mensch in der Nazizeit zur grausamen Realität. Eine andere Sozialkritik in Bretons Anthologie kommt von dem französischen Autor und Adeligen Marquis de Sade. In seinen Romanen „Juliette“ und „Justine“ schreibt de Sade über die mittellosen Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die lasterhafte Juliette wird Prostituierte, lernt wichtige Leute kennen und kommt durch Verbrechen zu Reichtum und Glück. Justine, die immer alles richtig gemacht hat im Leben, erlebt ein Unglück nach dem anderen. Die Gewaltexzesse und Menschenquälereien, für die der Schriftsteller bekannt ist, scheinen die Surrealisten zu faszinieren. In seinen amoralischen Erzählungen spiegelten sich vielleicht ihre eigenen Kriegstraumata. Carringtons Hyäne Eine ganz kurze Geschichte findet sich gegen Ende von Bretons Anthologie, und zwar „Der Backfisch“ (englisch „The Debutant“), geschrieben von der britisch ­ mexikanischen surrealistischen Künstlerin Leonora Carrington. Sie war die einzige Frau, die es in die Anthologie geschafft hat. Als „Backfisch“ galten lange Zeit unverheiratete junge Frauen. Solch eine ist auch die Ich-Erzählerin in der Kurzgeschichte. Sie lernt im Zoo eine Hyäne kennen, die sie befreit. Die Hyäne soll statt ihr zu einem Ball gehen, den die Mutter für das Mädchen ausgerichtet hat. Die Hyäne verkleidet sich als Mensch, frisst die Haushälterin des Mädchens und setzt sich ihr Gesicht auf. Am Abend stürmt die Mutter in das Zimmer des Mädchens. „Wir haben uns gerade zu Tisch gesetzt, als das Ding, das da auf deinem Platz saß, in die Höhe fuhr und rief ‚Ich rieche etwas stark, was?‘“, schrie die Mutter, „darauf riß es sein Gesicht herunter und fraß es auf.“ In Carringtons wahnwitziger Geschichte werden Fragen weiblicher Selbstbestimmung, animalischer Gewalt, Kindheit und Identität verhandelt. Und das nur auf wenigen Seiten. Nicht nur die Hyäne verliert am Ende ihr Gesicht, sondern auch das Mädchen. Heute beziehen sich viele auf Bretons Verständnis des schwarzen Humors. In Zeiten von Krieg liegt das verzweifelte Lachen wieder nahe. Auch wenn der Humor der Surrealisten längst in die Popkultur eingegangen ist, man denke an Monty Pythons „Flying Circus“ oder David Lynchs Filme. Der Geist ist aus der Flasche. Vaché starb übrigens schon 1919 in einem Hotelzimmer in Nantes am Place Graslin an einer Überdosis Opium, wie so viele seiner Generation, die die Schrecken des Krieges miterlebt haben. Der Verfechter des schwarzen Humors zerbrach an der Wirklichkeit. Nicht alles ist zum Lachen.

DIE FURCHE · 6 8. Februar 2024 Das Thema der Woche Schlechte Zeit für gute Laune? 3 Die Psychologin Ilona Papoušek forscht zu Humor und Lachen. Sie weiß: Nicht alles, was darüber bekannt ist, lässt sich wissenschaftlich belegen. Aber was passiert in unserem Gehirn, wenn wir lachen? Und was weiß die Forschung darüber? Wie witzig ist ein Witz? Das Gespräch führte Laura Anninger Die Lachtherapie wird heutzutage häufig eingesetzt, um Depressionen oder Ängste zu lindern. Doch einfach grundlos laut loszulachen, hat noch keine positiven Aspekte auf unsere Gesundheit, weiß Ilona Papoušek, Forscherin am Institut für biologische Psychologie der Universität Graz. Ein Gespräch über die Ungereimtheit des Humors, Häme und Dopamin. Anregende Erheiterung Viele kurze lustige Momente können zum allgemeinen psychischen Wohlbefinden beitragen. Eine Soforthilfe oder Wunderwaffe sind sie aber nicht. DIE FURCHE: Warum lachen wir, und was lösen wir dadurch in anderen aus? Ilona Papoušek: Lachen ist ein soziales Signal. Es richtet sich an die Menschen, mit denen man gerade zu tun hat. Es signalisiert anderen: Ich bin dir freundlich gesinnt, ich bin friedlich, ich lade dich ein, mit mir in Kontakt zu treten oder ihn aufrechtzuerhalten. Lachen gibt es in sehr vielen Ausprägungen. Ein hämisches Auslachen versteht das Gegenüber wiederum komplett anders. DIE FURCHE: Was passiert in unserem Gehirn, wenn wir erheitert sind? Papoušek: Wenn man ordentlich erheitert ist, wird ein bestimmtes Netzwerk im Gehirn angeregt: das mesotelencephalische Dopaminsystem. Das Gehirn ist ja keine einheitliche Masse, sondern besteht aus unterschiedlichen Strukturen. An diesem Gehirnsystem sind viele solche Strukturen beteiligt – also sogenannte Kerne im Mittelhirn und die Großhirnrinde. Sie interagieren miteinander und werden auch zusammen angeregt. Dopamin ist eine Überträgersubstanz, die in diesem System besonders stark vorkommt. Wird man erheitert, kann das Dopaminsystem angeregt werden. Das passiert auch durch andere Dinge, die man schön findet: etwa durch Sex, Drogen oder gutes Essen. Alles, das dieses System anregt, hat einen belohnenden Charakter. Das möchte man gerne wieder machen. Bei herzlichem Lachen werden im Körper zudem Stresshormone ausgeschüttet. DIE FURCHE: Es gibt das Sprichwort: Lachen ist die beste Medizin. Ist das wissenschaftlich zu belegen? Papoušek: Lachen ist nur eine motorische Aktivität. Es hat für sich genommen überhaupt keine Bedeutung für die Gesundheit, weder psychisch noch physisch. Das Sprichwort hieß früher wahrscheinlich etwas Ähnliches wie: Ein heiteres Gemüt ist die beste Medizin. Über die Jahre wurde es verkürzt zu: Lachen ist die beste Medizin. Wir Forschenden unterscheiden da genauer. Wir trennen Humor, Lachen und eine heitere Grundstimmung. Vor allem Letzteres kann auch langfristig gesundheitliche Wirkung entfalten, das ist erwiesen. DIE FURCHE: Also hilft es auch nichts, sich zum Lachen zu zwingen, indem man die Mundwinkel nach oben zieht? Papoušek: Es gibt diesen einen Trick mit dem Stift. (Sie nimmt einen gelben Bleistift und klemmt ihn sich zwischen die Lippen, sodass ihre Mundwinkel nach oben gezogen werden. Nach wenigen Sekunden nimmt sie ihn wieder weg.) Eine Studie hat einmal nahegelegt, dass diese Handlung die Stimmung anheben kann. Mehrere Forschende haben in einem großangelegten Pro- Foto: Privat Ilona Papoušek forscht am Institut für biologische Psychologie der Karl-Franzens-Universität Graz. jekt versucht, die Ergebnisse zu replizieren, was nicht gelang. Wissenschaftlicher Konsens ist: Sich zum Lachen oder Lächeln zu zwingen, reicht leider nicht, um in eine bessere Stimmung zu kommen. DIE FURCHE: Dabei gibt es diese Grundannahme, dass humorvolle Menschen auch langfristig gesünder sind. Stimmt das denn auch nicht? Papoušek: Das kann man nicht allgemein sagen. Weder Lachen noch Humor haben unmittelbare Effekte auf körperliche oder geistige Gesundheit. Aber es gibt andere Effekte. Wenn man in seinem Alltag Dinge, die etwa traurig oder lästig sind, mit Humor umdeutet, lebt man positiver. Dieses Umdeuten hilft, die Sichtweise auf Dinge zu wechseln. Körperlich kann man nur wirklich nachhaltig etwas erreichen, wenn man eine gute psychische Grundstimmung hat – aber die hat nicht direkt mit Lachen oder Humor zu tun. Hat man sie, ist die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, im Vergleich etwa zu depressiven Menschen ein wenig geringer. DIE FURCHE: Reicht es da nicht auch, sich etwa lustige Videos anzusehen? Papoušek: Wenn man viele lustige Filme ansieht, hat das nicht langfristige positive Wirkungen auf die Stimmung oder die Aufrechterhaltung von körperlicher Lesen Sie dazu auch den Text von FURCHE- Chefredakteurin Doris Helmberger- Fleckl „In jedem Menschen steckt ein Clown“ (25.08.2011) auf furche.at. oder geistiger Gesundheit. Aber man kann so kurzfristig Erheiterung auslösen – das ist immerhin ein kurzes positives Erlebnis. Viele davon können zum psychischen Wohlbefinden beitragen. Humor kann so auch von Schmerzen ablenken und diese kurzfristig erleichtern. Dazu gibt es auch Forschung. Das wirkt in der Zeit, in der man den Humor konsumiert. Würde man Horrorfilme konsumieren, hätte das dieselbe Wirkung – aber wer macht das schon gerne, wenn es ihm nicht gut geht? Humor ist sehr wirkungsvoll in Situationen, in denen Menschen angespannt sind und Angst haben. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz von Clown-Doktoren, die Kindern vor medizinischen Eingriffen die Angst nehmen. Es gibt wissenschaftliche Belege dafür, dass das helfen kann, Angst zu reduzieren. Clown-Doktoren sehe ich also auch aus wissenschaftlicher Sicht sehr positiv. „ Was manche Menschen lustig finden, ist für andere ein furchtbares Erlebnis. “ DIE FURCHE: Welchen Aspekt von Humor finden Sie spannend? Papoušek: Mich interessieren Prozesse, die mit Humor zu tun haben. Das ist einerseits die Frage: Wer nimmt wie schnell welche Art von Humor als Humor wahr? Ein klassischer Witz beinhaltet immer etwas, das nicht ganz zusammenpasst. Das Hirn kann diese Ungereimtheit auflösen – und plötzlich ergibt das Unsinnige Sinn. Das ist der Punkt, an dem man die Pointe erkennt – und ein lustvolles Erlebnis. Danach passiert ein Prozess, in dem das Gehirn den Witz einordnet und bewertet. Kommen Regelverletzungen oder ethische Abwägungen ins Spiel – beschäftigt es sich damit, ob man mit dem „Opfer“ des Witzes Mitleid hat. Nach diesem Prozess ist dann erst vollständig bestimmt, wie witzig man den Witz tatsächlich erlebt. Illustration: iStock/ilbusca (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger) DIE FURCHE: Wie erforschen Sie als Psychologin diese Prozesse? Papoušek: In unseren Versuchen zeigen wir den Probanden etwa einen Cartoon, der ohne Text funktioniert, der Witz also im Bild enthalten ist. Dann bitten wir sie, in dem Moment, in dem sie die Pointe verstehen, auf einen Knopf zu drücken. Das können die Leute gut sagen, weil das auch ein Aha-Erlebnis ist. Mit einem Elektrokardiogramm (EKG) können wir ein zusätzliches objektives Maß darüber erhalten, wie belohnend die Testpersonen das fanden. Damit können wir etwa zeigen, dass zu dem Zeitpunkt, an dem die Testperson die Pointe erkennt, das Herz ein bisschen schneller schlägt. Man kann also objektiv feststellen, dass es gewissermaßen vor Freude „hüpft“. Zu wissen, wie lange Menschen zum Erkennen der Pointe brauchen, ist wissenschaftlich interessant. Das könnte sich zum Beispiel im Alter oder durch die psychische Verfassung ändern. Danach sollen die Testpersonen auf einer Skala bewerten, wie lustig sie den Witz fanden. DIE FURCHE: Was wünschten Sie sich, dass Menschen über Lachen und Humor verstehen sollten? Papoušek: Es ist wichtig, zu verstehen, dass beides nicht immer positiv wahrgenommen wird. Fangen zwei Reihen hinter einem in der Straßenbahn Menschen an, laut zu lachen, ist das für viele erst einmal irritierend. Einige müssen dann mitlachen, ob sie wollen oder nicht. Andere fühlen sich ausgelacht. Sie nehmen Lachen als negativ und bedrohlich wahr. Es gibt ja auch Kurse, wo Leute instruiert werden, absichtlich zu lachen. Ich habe das auch schon selbst ausprobiert. Solche Kurse können ein schönes Erlebnis sein, sind aber nicht für alle Menschen geeignet. Was manche Menschen lustig finden, ist für andere ein furchtbares Erlebnis. Es gibt auch Menschen, die Angst vor dem Lachen anderer haben, die Lachen negativ oder bedrohlich lesen. Etwa acht Prozent der Bevölkerung haben eine solche Gelotophobie (die Angst, ausgelacht zu werden, Anm. d. Red.). Auch an Menschen, die ausgelacht werden, kann man großen Schaden anrichten.

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