6 · 8. Februar 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– Verena Winiwarter: Mit Hand und Hirn Wie eine Universitätsprofessorin zur Handwerksaktionistin wurde: über die konstruktive Protestform des „Craftivism“. · Seite 19 Türkis-rot-blau-grün-pinke EU „Dem Gefängnis im Innern entfliehen“ Thomas Bernhard und Frankreich Die Europawahlen rangieren als zweitrangiger Vorlauf für die Nationalratswahl. Zu Unrecht. Wer aber sind die EU-Spitzenkandidaten? · Seite 5 Eine katholische Universität im ostpolnischen Lublin bietet Häftlingen die Möglichkeit, zu studieren. Ein Besuch vor Ort. · Seiten 8–9 Die französische Rezeption des österreichischen Schriftstellers hat viele Wandlungen erlebt. Beliebt ist er seit eh und je. · Seiten 13–14 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Lachen ist gesund und hilft sogar bei Depressionen. Aber was passiert da in unserem Gehirn? Und gibt es heute überhaupt noch etwas zu lachen? Ein Fokus zum Fasching. Schlechte Zeit für gute Laune? Foto: iStock/ Marina Demeshko Foto: APA / Helmut Fohringer „Konsens ist nicht immer unser Auftrag“ Ihre Karriere begann im Obdachlosenheim, nun ist Nora Tödtling- Musenbichler die erste Frau an der Spitze der Caritas Österreich. Im Interview spricht sie über ihre Werte und erklärt, was Leistung und Gerechtigkeit für sie bedeuten. Seiten 6–7 Auch wenn die Narrative über den 12. Februar 1934 nicht deckungsgleich sind: Es wäre höchst an der Zeit, sich politisch damit zu beschäftigen und die Folgen für heute zu bedenken. Dämme der Demokratie AUS DEM INHALT Nazis und Empfindungen Verstörendes aus Ostdeutschland berichtet Susanne Glass in ihrer Kolumne „Klartext“: Ein Lebensmittelhändler zieht einen Flyer „gegen Nazis“ nach Protesten zurück. Seite 5 Von Otto Friedrich Mitten in die politische Ratlosigkeit, wie dem europäischen Rechtsruck zu begegnen ist, der mit immer weniger Berührungsängsten hin zum Rechtsextremismus einhergeht, fällt ein Jahrestag, der die österreichischen Besonderheiten von Erinnerung und Lernen aus der Geschichte in den Blick rückt: Am 12. Februar jähren sich die Ereignisse zum 90. Mal, die in den unterschiedlichen politischen Narrativen als „Bürgerkrieg“, „Februaraufstand“, bewaffnete Revolte, Widerstand gegen die Abschaffung der Demokratie etc. bezeichnet werden. Der Kampf um die Deutung der blutigen Geschehnisse vor 90 Jahren war vor einigen Jahrzehnten viel heftiger als heute, und man wird damit leben müssen, dass die Narrative von links und rechts der Mitte nicht deckungsgleich werden. Geschichtliche Tatsache bleibt, dass die Dollfuß-Regierung die Demokratie der Ersten Republik durch den autoritären Ständestaat ersetzte und dass dieser Staat Sozialdemokraten verfolgte, internierte und an den Februarkämpfen unmittelbar Beteiligte auch hinrichten ließ. Tatsache bleibt auch, dass nur wenige Monate später die Nationalsozialis „ Es ist sträfliche Geschichtsvergessenheit, sich so wenig mit den Ereignissen von 1934 auseinanderzusetzen. “ ten einen Putsch versuchten, in dem der autoritäre Bundeskanzler Engelbert Dollfuß zu Tode kam. Bereits ein Jahr zuvor hatte Dollfuß einen Geschäftsordnungsfehler des Nationalrats ausgenutzt, um das Parlament am Weiterarbeiten zu hindern. Noch weit in die Zweite Republik hinein wurde diese Verfassungskrise als „Selbstausschaltung des Parlaments“ verniedlicht und auch so in den Schulen gelehrt. Vorbote der Katastrophe All das hier Angerissene gehört zu den Schritten zur Abschaffung der Demokratie. Und war doch nur ein von vielen damaligen Akteuren unterschätzter Vorbote der Katastrophe des Nationalsozialismus, der Österreich in der Folge anheimfiel. Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber aus den Ereignissen vor 90 Jahren, deren Vorgeschichte und Folgen könnten und sollten Schlüsse auch für heute gezogen werden. Es ist sträfliche Geschichtsvergessenheit, sich so wenig mit diesen Ereignissen auseinanderzusetzen, wie dies zurzeit geschieht: Es gab im Vorjahr keine Diskussion oder relevante Veranstaltung über das Ende des Parlaments vor 90 Jahren. Auch die Erinnerung an den 12. Februar 1934 scheint mehr in homöopathischen Dosen präsent denn in einem dringlichen Diskurs über die Gefährdung der Demokratie damals und heute. Man muss kein Prophet dafür sein, dass auch der 90. Jahrestag des NS-Putsches im Juli an der österreichischen Gesellschaft weitgehend spurlos vorübergehen wird. Auch wenn 2024 ganz gewiss nicht 1934 ist und schon gar nicht in den Gewaltdimensionen vergleichbar ist, wäre es höchst notwendig, aus dem damaligen Unvermögen, sich mit dem politischen Gegner auch politisch zu verständigen, Schlüsse für heute zu ziehen. Der Feind war damals nicht rot oder schwarz, sondern braun. Es war die bittere Lehre der Ersten Republik, dass die politischen Protagonisten dies erst auf den Lagerstraßen der KZs erkannten und dann nach der völligen Katastrophe 1945 in einen Schulterschluss für die Demokratie wandeln konnten. Von derartigem Schulterschluss kann zurzeit keine Rede mehr sein. Auch von daher wäre die Auseinandersetzung mit der beschriebenen Geschichte wichtig. Denn die Dämme der Demokratie sind längst aufgeweicht, zumal in Österreich. Wenn dann eine Partei noch mit Worten und Begriffen aus der NS-Zeit politische Rhetorik übt (und das immer weniger Menschen im Land zu stören scheint), ist Feuer am Dach. Den Worten sind, auch das eine Lehre aus jener Geschichte, die entsprechenden Taten gefolgt. Wer das nicht sehen will, arbeitet da ran mit, dass die Dämme alsbald bersten. otto.friedrich@furche.at Jung sein ist nicht alles In der dialogischen Kolumne „Erklär mir deine Welt“ schreibt der Autor Hubert Gaisbauer dieses Mal über jugendliche Hoffnung und die EU-Wahl. Seite 10 Welche Signale für unsere Kinder? Der jüngste OGH-Entscheid zur planwidrigen Geburt eines Kindes sorgt auch für Unbehagen. Ein Gastkommentar von Martina Kronthaler. Seite 11 Die Verfügungsmacht der Lüge Wie in einem viktorianischen Gesellschaftsroman erzählt die britische Autorin Zadie Smith in ihrem Buch „Betrug“ von sozialen Konflikten und Kolonialismus. Seite 15 Das Zeitzeugnis Nikolaus Geyrhalter betätigt sich in „Stillstand“ als Chronist der Corona-Pandemie in Österreich. Ein Ereignis von einem Dokumentarfilm. Seite 17 furche.at Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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