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DIE FURCHE 07.12.2023

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DIE FURCHE · 4924

DIE FURCHE · 4924 Ausstellung7. Dezember 2023Die Kunsthalle Krems widmet sich den sieben Todsünden anhand aktuellerKommentare sowohl aus der Bildenden Kunst als auch der Literatur.Von Ursula PhiladelphyStolz, Habgier, Wollust,Zorn, Völlerei, Neidund Trägheit – die aktuelleAusstellung inder Kunsthalle Kremshat eine Reihe internationalerund österreichischer Künstlerinnenund Künstler sowie Autorinnenund Autoren gebeten, die siebenTodsünden mittels aktuellerKommentare zu thematisieren.Die Beiträge setzen sich überkonfessionellund mit viel Verve mitden essenziellen und aktuell gesellschaftsrelevantenThemen zudem großen Überbegriff der „Todsünden“auseinander.Für Kurator Andreas Hofferregt das Thema „zum Nachdenkenüber den Umgang mit moralischenSetzungen an und wie wirsie für uns interpretieren“, er findetdie einzelnen Interpretationenallesamt extrem spannend,denn „die Ausstellung bietet sinnlicheErlebnisse voller Diversität,verhandelt aber auch den moralischenKanon als Impuls, über dieeigene Haltung zu reflektieren“.Bündel an BlickwinkelnHoffer überließ es den Künstlern,ganz frei und assoziativ andas Thema heranzugehen, siekonnten sich auch jene Todsündenfür die Be- oder Erarbeitungaussuchen, die entweder bereitsmit ihren künstlerischen Arbeitenkorrespondierten oder die sie imSpeziellen interessierten.In der Ausstellung selbst fehlenübrigens jegliche kuratorischenTexte – hier haben nur die Künstlerdas Wort, mit einem kleinenerklärenden Text zur jeweiligenArbeit respektive den Arbeiten.Nur der Film „Sieben Frauen –Sieben Sünden“ von Ulrike Ottingerüber den Stolz (1986) wurdevon Hoffer explizit als historischerBeitrag ausgesucht. Ottinger zähltseit den 1970er Jahren zu den bedeutendstenkünstlerischen Fil­© Kunstmeile Krems, Foto: eSeLZu vielGanz im Zeichender Völlerei stehtdie Videoarbeitvon Hans Berg undNathalie Djurberg,„How to Slay aDemon“ (2019).Glassplitter mitMesserwächternmemacherinnen Deutschlands.Ihre meist sehr opulenten Arbeitenzählen zur internationalenfeministischen Avantgarde.Eine sehr barocke Ästhetik findetman bei Julia Belova, die dieseEpoche mit queer-feministischenAnsätzen komplett neu definiert;sie kombiniert das statische MaterialPorzellan mit dem schmelzendenMaterial Wachs, wodurchdie Skulpturen einen performativenCharakter haben.Dämonischer Völlerei widmetsich die starke Videoarbeit „Howto Slay a Demon“ von Hans Bergund Nathalie Djurberg, währendsich Jonathan Meese malerischmit dem Zorn auseinandersetztund das Thema in üppig überfrachtetenBildwelten zelebriert.Aber auch Christa Biedermann,Ádám Dallos, Rob Frogoso, Èvvan Hettmer, Herta Müller oderDan Perjovschi zeigen mit ihrenBeiträgen die ganze Diversitätdes Themas.„ In der Ausstellung selbst fehlenjegliche kuratorischen Texte –hier haben nur die Künstlerdas Wort, mit einem kleinenerklärenden Text. “Die mexikanische KünstlerinTeresa Margolles, die in Kremskeine Unbekannte ist, zeigt einezutiefst bedrückende zweiteiligeArbeit. Eine glitzernde Haute-Couture-Robe,perfekt in einem dunklenRaum präsentiert, die Luft mitdem süß-schweren Parfum „GoodGirl“ geschwängert. In kapitalistischorientierten Lebensweltenwerden so Begehrlichkeiten geweckt,die in Margolles HeimatMexiko für viele Frauen die ultimativeKatastrophe bedeuten.Ein Ärmel des Kleides ist nichtmit Strass, sondern mit Autoglassplitternbestickt und macht ausdem scheinbaren Luxusobjekt ein„Mahnmal für pervertierte Machtund Brutalität“. Die Glassplitterstammen von einer fehlgeschlagenenOperation der mexikanischenNationalgarde, bei der Menschenerschossen wurden. Und als„Wächter“ für dieses Kleid fungierenzwei rudimentäre Messer inmit Samt ausgeschlagenen Metallboxen,die von Häftlingen ausLöffeln gearbeitet wurden, umsich vor der Gewalt von Wachpersonalund Mithäftlingen schützenzu können. Habgier undNeid – gepaart mit dem Zorn derKünstlerin auf diese gesellschaftlichenZustände.Eine Theaterproduktionzu demThema zeigtedas SchauspielhausSalzburg,siehe: „Dererste Stein ‒ einTodsündentanz“(22.3.2023),furche.at.Für Augʼ und OhrDer absolute Kontrast dazu sinddie Arbeiten von Nedko Solakov,einem der bedeutendsten bulgarischenKünstler der Gegenwart.Er hat sich gleich allen sieben Todsündengewidmet. Neben einerriesigen Arbeit, „Sinners“ (Öl/Leinwand), bestechen seine minimalistischenZeichnungen auf dickemBüttenpapier ‒ „Seven DeadlySins from a Distance“. Winzige,fast lapidar hingekritzelte Figürchensind jeweils von einem handgeschriebenenKommentar am unterenBildrand begleitet, der mitsubtilem Witz, oft zweideutig undimmer tiefgründig, eine zusätzlicheBedeutungsebene einzieht.Solakov ist übrigens ab Ende Novembermit einer künstlerischenIntervention in der Museumsgarderobedes Belvedere zu sehen.Literarisch setzen sich Juri Andruchowytsch,Noémi Kiss, AnaMarwan, Verena Stauffer, MichaelStavarič, Katharina Tiwald undAlexander Urosevic mit den siebenTodsünden auseinander. IhreBeiträge demonstrieren die prinzipielleKraft der Sprache ‒ undum sie noch eindrücklicher wirkenzu lassen, sind die Texte – vonden jeweiligen Autoren gelesen -als Audiobeiträge zu hören.7 Todsünden. Aktuelle KommentareKunsthalle Krems, bis 1. April 2024www.kunsthalle.atIN KÜRZEMUSIK■ Franz Bartolomey (1946–2023)LITERATUR■ Böll-Preis an RögglaGESCHICHTE■ Wien Museum neuKULTUR■ Feldman-Lesung abgesagtAm 23. Dezember 1946 wurde Franz Bartolomeyin eine prominente Wiener Musikerfamiliegeboren. Er studierte er ander Akademie für Musik und darstellendeKunst Wien und war schon früh Preisträgerinternationaler Wettbewerbe. 1967wurde er Mitglied des Staatsopernorchesters,1973 Mitglied der Wiener Philharmoniker,wo er bis 2012 Erster Solocellist war.Er spielte auch in vielen Kammermusikensembles,etwa im Küchl-Quartett, dessenGründungsmitglied er war. Derlangjährige Solocellist der Wiener Philharmonikerist am 1. Dezember im Alter von76 Jahren überraschend gestorben. Kathrin Röggla erhielt am 1. Dezember denheurigen Heinrich-Böll-Preis. Die renommierte,biennal verliehene Auszeichnung,die mit 30.000 Euro dotiert ist, ging zuvoran Autoren wie Christoph Ransmayr, IlijaTrojanow oder Juli Zeh. Die Jury verwies unteranderem auf das jüngste Buch der Literatin,„Laufendes Verfahren“, in dem sieüber Jahre hinweg den NSU-Prozess begleitete.„Allen ihren Texten gemeinsamist neben deren stilistischer und formalerBrillanz das gesellschaftspolitische Engagement,das seinen Ausdruck nicht in Theorie,sondern in dokumentarisch-literarischerBeobachtung findet.“ Mit der neuen Dauerausstellung „Wien. MeineGeschichte“ wurde das Wien Museum am6. Dezember nach drei Jahren Umbau wiedereröffnet.Aus dem 2015 ausgeschriebeneninternationalen Architekturwettbewerbging der Entwurf von Certov, Winkler+RuckArchitekten als Sieger hervor. Gegründetals Historisches Museum der Stadt Wien, erzähltman am Karlsplatz nun auf 3300 Quadratmeterndie Geschichte dieser Stadt vonder Frühzeit bis in die Gegenwart und damitauch die Geschichte der Wienerinnenund Wiener. Künftig wird der Eintritt indie Dauer aus stellung des Wien Museumfür alle frei sein. Kontroversen hat die Absage einer Lesungder jüdischen Autorin Deborah Feldmanin Wien ausgelöst. Feldman, die unter anderemdurch ihre innerjüdische Auseinandersetzungenund Kritik thematisierendenBücher – zuletzt das im September erschienene„Judenfetisch“ – bekannt ist, hätte am10. Dezember im Wiener Gartenbaukino lesensollen. Der Kinobetreiber sagte die Veranstaltungab. Auf der Homepage des Gartenbaukinosfindet sich als Begründung: „Wirsehen es in der aktuellen Stimmung – globalwie lokal – als schwierig bis unmöglich an,die Sicherheit und den Mehrwert einer solchenVeranstaltung zu gewährleisten.“

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