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DIE FURCHE 07.12.2023

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DIE FURCHE · 4914

DIE FURCHE · 4914 Diskurs7. Dezember 2023ERKLÄRMIR DEINEWELT„Fürchte dichnicht“: Das giltuns allenDen gesamten Briefwechselzwischen Hubert Gaisbauerund Johanna Hirzberger könnenSie auf furche.at bzw. unterdiesem QR-Code nachlesen.Hubert Gaisbauerist Publizist. Er leitete dieAbteilungen Gesellschaft-Jugend-Familie sowieReligion im ORF-Radio.Den Briefwechsel gibt esjetzt auch zum Hören unterfurche.at/podcastEs ist Zeit, dass ich Ihnen doch einmal schreibe, wasdas monströse Morden vom 7. Oktober in Israel unddann die Antwort des Krieges in Gaza bei mir ausgelösthaben. Ich bin es der Aufrichtigkeit unserer Korrespondenzschuldig. Auch wenn inzwischen zwei Monatevergangen sind. Es war für mich unfassbar. Jetzt habeich Angst davor, dass man sich auch an diesen Krieg – wiean den Krieg Putins gegen die Ukraine – gewöhnen wird.Mir ist manchmal, als würden alle Wüsten der Welt in einerSpirale des Hasses zu Gräbern werden. Ich lese ein Interviewmit Rachel, einer Sprecherinder Familien der israelischen„ Viele der Jüngerenlenken sich mit SozialenMedien von ihrergefühlten Ohnmacht ab.Ich Alter fürchte, ihnensind Fantasie undSehnsucht abhandengekommen.“Geiseln. Darin ist von der „Anerkennungdes Existenzrechts des anderen“die Rede. Rachels verwundeterSohn (23) ist zum Zeitpunkt des Interviewsnoch als Geisel irgendwo inGaza. Was Rachel sagte, hat mich beeindruckt:„Von beiden Seiten musses eine Anerkennung des anderengeben, eine Anerkennung des Leidensdes anderen. Wir müssen lernen,die Leiden der Palästinenseranzuerkennen, und sie müssen lernen,unser Leiden anzuerkennen.“ Vor ungefähr fünfzigJahren habe ich zum ersten Mal in Tel Aviv das „Beit Hatfutsot“,das Diaspora-Museum, besucht. Es dokumentiertLeben und Leiden des jüdischen Volkes, als es noch kein eigenesLand hatte. Da stand ich plötzlich beim Betreten einerbestimmten Stelle am Fußboden mitten in einer Prophetenleuchtschrift:„Fürchte dich nicht! Ich habe dich beideinem Namen gerufen.“ – Ich weiß, dieses „Fürchte dichnicht“ steht mindestens hundertmal in der Bibel. Und ich,in meiner heilen Welt, ich will einfach glauben, dass derProphetenspruch allen Menschen gilt. Auch wenn es angesichtsdes Chaos in der wirklichen Welt zynisch klingt.Zumindest all denen, die guten Willens sind.Liebe Frau Hirzberger, Sie haben von Orientierungslosigkeitund Überforderung geschrieben, die Sie beobachten.Ich erfahre dies ähnlich in aktuellen Gesprächen mitjungen Menschen aus der Generation meiner Enkel. Vieleder Jüngeren, so erzählen sie mir, lenken sich mit dem hemmungslosenGebrauch der sogenannten Sozialen Medienvon einer ungreifbaren Bedrohtheit und ihrer gefühltenOhnmacht ab. Ich Alter fürchte, den Jungen sind vor lauterZahlen und Fakten zwecks Nutzenund Gewinn zwei Begriffe abhandengekommen:Fantasie und Sehnsucht.Ihnen wieder einmal bei sich selbstnachzugehen, könnte Orientierunggeben bei der Suche nach einem Wegaus der Ratlosigkeit. Das klingt jetztalthergebracht, aber glauben Sie mir,auch wir Älteren möchten alles, wasin unserer Macht steht, tun, damit esin der Welt „enkeltauglich“ zugeht.Auch wenn wir keine Bäume mehrausreißen – und nur selten noch welchepflanzen. Wir wollen wenigstenstun, was der frühchristliche Nordafrikaner Cyprian vonKarthago (drittes Jahrhundert) empfiehlt: „Mit hoffendenHerzen Widerstand leisten gegen den Ansturm des Todesund der Verheerung. Wir wollen aufrecht stehen inmittender einstürzenden Menschenwelt und nicht resignierenmit denen, die keine Hoffnung haben.“ Das möchte ichauch euch Jungen empfehlen, als Adventprogramm.Noch ein Wort zu meiner Orchideenpflegestation: Ichwerde Ihnen ein Foto zukommen lassen, wenn die geretteteOrchidee tatsächlich blüht. Jetzt hat sie erst zarteAnsätze von Knospen.Von Hellmut Butterweck Am 29. November ist Henry Kissinger 100-jährigIn FURCHE Nr. 47gestorben. DIE FURCHE hat den ebenso prägenden wie380023. November 1974 umstrittenen Machtpolitiker oft porträtiert, hier 1974.„US-Politik mit schwindenden Optionen“: Solautete der Befund von Hellmut Butterwecknach dem arabischen Gipfeltreffen in Rabat,bei dem die Alleinvertretung der Palästinenserdurch die PLO fixiert wurde. Und der Befundtraf insbesondere Henry Kissinger. 1923im fränkischen Fürth geboren und 1938 vorden Nazis in die USA geflohen, prägte dieservon 1969 bis 1977 die US-Außenpolitik – alsSicherheitsberater sowie Außenminister vonRichard Nixon und Gerald Ford. 1973 erhielter den Friedensnobelpreis, anderen gilt er bisheute als Kriegsverbrecher.Kissinger hat einiges bewirkt. Erhat Amerika mit China versöhntund den Krieg in Vietnam beendet.Aber Kissinger wollte sehr viel mehr. Erwollte in einem großen Geben und Nehmeneine Ordnung herbeiführen, in derdie Saturierung der vitalsten Ansprüchealler Partner den Frieden für eine längerePeriode sichern sollte. In den ersten Jahrennach dem Eintritt des Harvard-Professorsin die politische Arena gelang es ihm,in der Hektik des Reagierens von Fall zuFall die große Perspektive zu verfolgen,die zu Nixons Reisen nach Peking undMoskau und zu einer Einigung in Vietnamführte, die nicht allen VorstellungenStürzt Kissingerins Dilemma?entsprach, aber jedenfalls besser war alsder Krieg. [...] Kissinger kann sich heutenur eine sehr kleine Chance ausrechnen,über 1976 hinaus Außenminister zubleiben. Ein so ehrgeiziges, selbstbewußtes,von Eitelkeit keineswegs freies Geniewie Henry Kissinger muß sich seit Monatenfragen, wie es nachher für ihn weitergehensoll. [...] Es ist tragisch für Kissinger,tragisch für Amerika und tragischfür die Welt, daß das mit der AnerkennungArafats als Sprecher der Palästinensereingetretene Patt ausgerechnet dieletzte Phase in der Amtszeit eines amerikanischenAußenministers überschattetund blockiert, der mit der Absicht angetretenwar, Amerikas Außenpolitik jenenneuen Ufern entgegenzuführen, die ihrPräsident Kennedy, Kissingers Ansichtzufolge, schuldig geblieben war. Die Massenmedienhaben den Architekten derNixonschen Außenpolitik zu einem genialenImprovisateur, zu einem Tausendsassader Verhandlungskunst und der Geheimdiplomatiestilisiert. Züge, die in derKonzeption von Außenpolitik, die Kissingerverfolgt, durchaus nicht hervortreten.[...] Kissinger, der in den fünfzigerJahren die USA mit der These erschütterthatte, Frieden an sich sei kein politischesZiel, sondern nur die Prämie einerrichtigen Politik, und die beste Methode,einen Atomkrieg zu vermeiden, sei dieEntschlossenheit, einen limitierten Atomkriegfür den äußersten Fall ins Auge zufassen, war immer der Mann einer beweglichen,aber illusionslosen Außenpolitikmit dem Ziel, „einen moralischen Kodexaufzubauen, der auch eine pluralistischeWelt eher kreativ als destruktiv macht“.[...] Der Mann, der immer gewarnt hatte,Hoffnungen auf eine „Verbürgerlichung“der sowjetischen Politik zu setzen, undder schließlich erkannte, daß Rußlandund China sich von „revolutionären“ zu„legitimen“ Mächten zu wandeln begannen,stieß hier, im Nahen Osten, auf eineneue [...] „revolutionäre Macht“. Die Hoffnung,sich mit ihr auf „Spielregeln“ einigenzu können, scheint geringer denn je.AUSGABENDIGITALISIERTVON 1945BIS HEUTEÜBER 175.000ARTIKELSEMANTISCHVERLINKTDIESEN TEXT UNDWEITERE ZUM TODKISSINGERS LESENSIE AUF FURCHE.ATMedieninhaber, Herausgeberund Verlag:Die Furche – Zeitschriften-Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KGHainburger Straße 33, 1030 Wienwww.furche.atGeschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner,Prokuristin: Mag. Doris Helmberger-FlecklChefredakteurin: Mag. Doris Helmberger-FlecklRedaktion: Philipp Axmann, Dr. Otto Friedrich(Stv. Chefredakteur), MMaga. Astrid Göttche,Dipl.-Soz. (Univ.), Brigitte Quint (Chefinvom Dienst), Victoria Schwendenwein BA,Dr. Brigitte Schwens-Harrant, Dr. Martin Tauss,Mag. (FH) Manuela TomicArtdirector/Layout: Rainer MesserklingerAboservice: +43 1 512 52 61-52aboservice@furche.atJahresabo (inkl. Digital): € 298,–Digitalabo: € 180,–; Uniabo (inkl. 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DIE FURCHE · 497. Dezember 2023Diskurs15Dass hiesige Nationalratspräsidenten nicht abberufen werden können, trübt die „Eleganz derVerfassung“. Spätestens nach der nächsten Wahl droht der große Katzenjammer. Ein Gastkommentar.Warum kann Sobotkanicht abgewählt werden?Nach Artikel 30 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz hat der Nationalrataus seiner Mitte einen Präsidentensowie einen Zweiten undeinen Dritten Präsidenten zu wählen.Diese bleiben so lange im Amt, bis ein neugewählter Nationalrat neuerlich Präsidenten gewählthat. Irgendeine Form der Abberufung, jaselbst das freiwillige Zurücklegen des Amtesist nicht vorgesehen. Diese Regelung ist einzigartigund entspricht wohl auch nicht mehrden Ansprüchen an eine moderne Demokratie.In der protokollarischen Rangordnung Österreichsbefindet sich der Nationalratspräsidentübrigens an vierter Stelle – nach demBundespräsidenten, dem Kardinal und demBundeskanzler. Im parlamentarisch-demokratischenVerständnis wird das Amt dennoch traditionellals „zweithöchstes im Staat“ angesehen.Das ist wohl der Tatsache geschuldet, dassdie drei Präsidenten des Nationalrates gemäßArtikel 64 Absatz 1 B-VG als Kollegium zur Vertretungdes Bundespräsidenten berufen sind,wenn dieser länger als 20 Tage verhindert ist,durch eine Volksabstimmung abgesetzt wurdeoder das Amt dauerhaft erledigt ist (Tod, Verzicht,Ablauf der sechsjährigen Amtszeit).Jenseits der AnlassgesetzgebungWenn man nun aber selbst dem Bundespräsidenten– immerhin dem höchsten Amt imStaat – während seiner laufenden Amtszeitdas Vertrauen entziehen kann (also quasi diebereits einmal erfolgte Volkswahl rückgängigmachen kann), warum soll man das nicht auchbei seinen „Stellvertretern im Notfall“ dürfen?Hier scheint die demokratiepolitische Schönheitunserer Verfassung zu bröckeln – und eswäre wohl längst an der Zeit, die überfälligenAusbesserungsarbeiten in Angriff zu nehmen.Hierbei soll es auch nicht um den aktuellenAnlassfall und die hochkochende Diskussionum die Person Wolfgang Sobotka gehen. Auchwenn manche meinen, dass er durch seine eigenwilligeAmtsführung die Funktion des Nationalratspräsidentennachhaltig beschädigtund ihr für immer die politische Unschuld genommenhat. Solche anlassbezogenen Diskussionenhat es immer wieder gegeben, und sieführten bekanntlich zu nichts. Selbst die vonFoto: Privatder damaligen Nationalratspräsidentin BarbaraPrammer im Mai 2009 (und einem weiterenVersuch im Mai 2012) ventilierte konkreteÄnderung der Nationalratsgeschäftsordnung,eine Abwahl mit Zweidrittelmöglichkeit zuermöglichen, fand keine politische Unterstützung.Anlass für die Prammer-Initiative warenübrigens umstrittene Aussagen des damaligenDritten Nationalratspräsidenten Martin Graf.Wie könnte nun also eine objektive Neuregelung– jenseits aller Anlassgesetzgebungsvorwürfe– aussehen? Vielleicht hilft dabei ja einBlick ins zweite österreichweit gewählte Parlament:das Europaparlament. Dort hat manDIESSEITSVON GUTUND BÖSEVonStefan Brocza„ Seit 2022 liegtausgerechnet ein FPÖ-Antrag im Verfassungsausschussvor.Warum lässt manihn verrotten?“erst vor Kurzem eine Vizepräsidentin innerhalbweniger Tage abgewählt. Grundlage dafürist Artikel 21 der Geschäftsordnung desEuropaparlaments, wonach man die Amtszeiteines jeden Amtsinhabers vorzeitig beendenkann, wenn man zur Auffassung gelangt, dassdie betroffene Person eine schwere Verfehlungbegangen hat. Das Europaparlament entscheidetin solchen Fällen mit einer Mehrheit vonzwei Dritteln der abgegebenen Stimmen undder Mehrheit der Mitglieder des Parlaments.Ein weiteres, politisch smartes Instrument indiesem Zusammenhang ist auch Artikel 19 derEP-Geschäftsordnung: Die Amtszeit beträgt je-weils nur zweieinhalb Jahre, zur Hälfte einerLegislaturperiode ist also automatisch Schluss,und die Führungspositionen müssen alle neugewählt und besetzt werden. Angesichts derebenfalls fünfjährigen Gesetzgebungsperiodedes Nationalrates wäre dies ein politisch unverfänglicherAnsatz: Vom Präsidenten bis zumAusschussvorsitzenden wird nach zweieinhalbJahren alles neu besetzt. Dies würde auchgleich einen Anreiz bieten, sich in der jeweiligenPosition vielleicht etwas mehr zu engagieren,als dies jetzt immer wieder der Fall ist.Auch Landtage zeigen, dass es anders gehtUnd wem das Europaparlament zu weitweg ist: Wie wär’s mit einem Blick in die österreichischenLandtage? Immerhin ist mandoch stolz auf die föderale Struktur. Sind alsogewählte Landtagspräsidenten absetzbar?Ja, das sind sie. Die oberösterreichische Landesverfassungwurde bereits 1971 genau ausdiesem Grund angepasst: Artikel 24 eröffnetseither dem oberösterreichischen Landtag dieMöglichkeit, den Ersten , Zweiten und DrittenPräsidenten aufgrund eines Misstrauensantragesdurch Beschluss abzuberufen. Einenkonkreten Anlassfall gab es dafür in Oberösterreichübrigens keinen. Es war einfach eineFrage der demokratiepolitischen Hygiene.Spätestens im Herbst, nach geschlagenerNationalratswahl, wird sich die Frage nachder Neubesetzung des Präsidiums des Nationalratesstellen. Glaubt man allen Umfragen,könnte es dabei zum großen Katzenjammerkommen, und all jene, die heute noch auf dieUnabsetzbarkeit des Nationalratspräsidentenpochen, werden urplötzlich ihre Bedenken äußerngegenüber einem allfälligen FPÖ-Nationalratspräsidenten.Erstaunlicherweise liegtübrigens seit November 2022 ausgerechnetein Antrag der FPÖ im Verfassungsausschuss,der die Abberufung des Präsidenten durch einenBeschluss des Nationalrates regeln soll.Warum nicht einmal über den eigenen politischenSchatten springen und zumindest darübernachdenken, statt den Antrag seit über einemJahr ohne Diskussion verrotten zu lassen?Der Autor ist Experte für Europarecht undinternationale Beziehungen.ZUGESPITZTSpielchenspielenWeihnachten ist die hohe Zeit desSpielens: Man fügt Megapuzzlesineinander, man klebt Superyachtenzusammen, oder man setzt sichkurz handylos an einen Tisch, umsich bei „Mensch ärgere dich nicht“maßlos zu ärgern. Österreichs türkis-grüneRegierung hat freilichmittlerweile beschlossen, die Spielchenganzjährig und ohne störendeSpielregeln zu spielen. Meist geschiehtdas im Hinterzimmer, dochzuletzt gelangte ein besonders raffiniertesSpielchen auf offene Bühne:Die Klimaministerin schickteden Nationalen Energie- und Klimaplannach Brüssel, und die Europaministerinzog ihn – weil „unabgestimmt“– wieder zurück. Daskönnte zwar im Hause Ravensburgerunter dem Titel „Täuschenund Tricksen für Profis“ reüssieren– ist aber in der realen Welteinfach nur „saupeinlich“, wie esGeorg Renner im Newsletter „Leitfaden“beschrieb; und zwar auf allenEbenen: europapolitisch, innenpolitischund sachpolitisch. Denn selbstwenn der Nationale Energie- undKlimaplan gemeinsam abgestimmtund nach Brüssel geschickt wordenwäre: Das Ziel „Klimaneutralität“bis 2040 verpasst Österreichdamit dennoch kolossal. „Wie nehmeich mich selbst aus dem Spiel?“:Das könnte der Weihnachts-Gaming-Knüller2023 werden.Doris HelmbergerNACHRUFParadiesische FarbenMit Wolfgang Hollegha ist am 2. Dezember 2023einer der ganz Großen der österreichischenabstrakten Malerei gestorben. Er war 94. In den1950er Jahren war er Mitbegründer der Malergruppe rundum die legendäre „Galerie nächst St. Stephan“ von MonsignoreOtto Mauer, der heuer vor 50 Jahren verstorben ist.Gemeinsam mit Arnulf Rainer, Markus Prachensky undJosef Mikl haben die sogenannten Mauerblümchen derabstrakten Malerei in Österreich den Weg bereitet.Wolfgang Hollegha war der „Landschafter“ der einstigenGruppe um „nächst St. Stephan“. Was den gleichaltrigenJosef Mikl im Aufbau eines menschlichen Körpers besondersmachte, war bei Hollegha das Gefühl für Natur,für Organisches, für Vegetatives. Durch das Kennenlernendes Tachismus (Wols) hat sich Hollegha in seiner Bildweltzunehmend aufgelöst und zugleich differenziert. DieBilder wurden immer weißer, mehr Hintergrund bliebfrei. Dabei hatte er vorher auch kurze Zeit phantastischgemalt, Hexenbilder, eine Gespensterbarke, dann siegteine abstrahiert, nicht surreal verzerrt gesehene Natur.Pflanzliches wurde anfänglich, noch unter Mikls Einfluss,als Werkzeug, als Waffe entdeckt, die spontane Niederschriftfühlte sich strengen Konstruktionsgesetzenverpflichtet. Dann befreite Hollegha sich aus diesem engenKorsett; die Farbe triumphierte, ein Grün vor allem,das von Blühen bis Verwelken alle Trübungen durchläuftund rein wieder hervorgeht: So hat der große Kenner derösterreichischen Moderne, Wieland Schmied, Holleghasfrühe Entwicklung 1995 beschrieben.Grün wird die beherrschende Farbe in Holleghas Bildern,mit seinem Grün vermochte er die gleiche Skalavon Empfindungen auszudrücken – und hervorzurufen– wie Mikl mit seinem Orange-Gelb. HolleghasFarbe floss, strömte, wuchs über das Bild, rankte es ein,durchgrünte es, durchblühte es – die künstlerischeHandschrift war dabei zurückgetreten, die Geste verschmolzenmit der vegetativen Entfaltung, der Eigenbewegungder Farbe, der Maler belauschte das entstehendeBild. Nicht nur mit diesem Entschluss, demMalprozess nicht willentlich dazwischenzukommen,knüpfte Hollegha an Paul Cézanne an, der in der Malereieine Parallele zur Natur sah. Der Apfelbaum in seinemsteirischen Garten um sein 1962 bezogenes großesAtelier am Rechberg in der Steiermark blieb sein MontSainte-Victoire. Ein vorweggenommenes Paradies –nunc pro tunc. (Johannes Rauchenberger)Foto: APA / Franz Hubmann1929 in Klagenfurtgeboren, warWolfgang HolleghaMitbegründer derMalergruppe rundum die legendäre„Galerie nächstSt. Stephan“.

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