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DIE FURCHE 07.11.2024

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DIE FURCHE · 45 22 Wissen/Medien 7. November 2024 Von Martin Tauss HUMAN SPIRITS Triff dich und bleib gesund! Am 11.11. startet in Aserbaidschan die UN-Klimakonferenz. Dass das Thema „Klimakrise“ zwischen Wissenschaft und Lobbyismus verzerrt werde, beschreibt ein umstrittenes Buch des Journalisten Axel Bojanowski. Die FURCHE bat Medienwissenschaftler Stephan Ruß-Mohl und Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb dazu um ihre Einschätzung. Journalistische Ethik Wie soll man über den Klimawandel und sich häufende Extremwetterereignisse berichten? Schenkt man der Dringlichkeit des Themas noch immer zu wenig Aufmerksamkeit – oder gibt es die Gefahr eines übertriebenen Alarmismus? Manche Menschen sind in ihrem Alltag so durchgetaktet, dass sie sich danach sehnen, hin und wieder mehr Zeit für sich zu haben – und einfach mal allein zu sein. Doch es gibt auch viele, die ungewollt allein sind: Sie leiden unter Einsamkeit. Der Grund dafür kann eine vorhersehbare Veränderung sein, etwa wenn die Kinder ausziehen oder die Pension angetreten wird. Manchmal sind es aber auch unerwartete Ereignisse, die das Leben schlagartig verändern, zum Beispiel Trennungen oder der Tod nahestehender Menschen. Der Aufbau neuer Kontakte und Beziehungen gestaltet sich oft schwierig; vor allem unsichere und schüchterne Personen brauchen dazu eine gehörige Portion Mut. Doch es lohnt sich mehrfach, denn Studien der letzten Jahre haben gezeigt, dass Einsamkeit auch mit gesundheitlichen Risiken einhergeht. So haben die Betroffenen laut einem aktuellen Review ein bis zu doppelt so hohes Risiko, an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken. Bei dieser Erkrankung kommt es zu einem fortschreitenden Abbau von geistigen Funktionen. Wie ist das zu erklären? Gemeinsam mit Andersdenkenden Längere Einsamkeit und fehlende Ansprache können einerseits dazu führen, dass das Gehirn nicht mehr gefordert wird und ein kognitiver Leistungsabfall beginnt. Andererseits kann Einsamkeit ein Auslöser für Depressionen sein, die das Alzheimer-Risiko ebenfalls erhöhen. Wie bei einer Muskelpartie gilt also auch für unser Denkwerkzeug die Regel: Use it or loose it! Und wenn man das Gehirn als zentrale Schaltstelle für unsere Beziehungen mit der Außen- und Innenwelt versteht, dann wird klar, dass das Wegfallen oder Verkümmern von Beziehungen tatsächlich organschädigend sein kann. „Dass das Gehirn zunächst das Organ eines Lebewesens und nicht primär das Organ des Geistes ist, hat bislang kaum die erforderliche Beachtung gefunden“, schreibt der Philosoph und Psychiater Thomas Fuchs in seinem viel beachteten Buch „Das Gehirn – ein Beziehungsorgan“ (6. Auflage, 2021). „ Versteht man das Gehirn als ,Beziehungsorgan‘, wird klar, dass das Verkümmern von Beziehungen tatsächlich organschädigend sein kann. “ Die deutsche Alzheimer Forschung Initiative e.V. hat Tipps zusammengestellt, was man gegen Einsamkeit tun kann: alte Kontakte auffrischen, Nachbarschaften pflegen, ehrenamtliche Tätigkeiten übernehmen oder ein neues Hobby suchen. Gerade bei organisierten Freizeit- und Sportaktivitäten kann man leicht neue Menschen kennenlernen. Nicht zuletzt gibt es heute auch viele Internetangebote, bei denen man andere für gemeinsame Aktivitäten finden kann – womöglich auch Andersdenkende. Autoritäre Führer versprechen das Ende von Einsamkeit und Entfremdung. Doch dieses Versprechen ist toxisch, denn es beruht darauf, ständig Feindbilder in die Welt zu bringen. In Wirklichkeit geht es um gute Beziehungen – und um unsere Gesundheit, individuell wie kollektiv. Von Stephan Ruß-Mohl Was Sie schon immer übers Klima wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten Von Axel Bojanowski Westend 2024 285 S., kart., € 26,50 Wie die meisten Medien über den Klimawandel, also die langfristigen Veränderungen der Wetterbedingungen, berichten, ist hinreichend bekannt: alarmistisch, ja apokalyptisch. Es geht um Aufmerksamkeitsökonomie, nur bedingt um Ausgewogenheit und die Darstellung von Fakten. Die Berichterstattungsmuster ähneln sich: Wahrgenommen wird nicht „was ist“, sondern sehr selektiv, was Angst einflößt, somit Auflage, Quote oder Klicks verheißt – und sich dann eben vielleicht auch ökonomisch rechnet. Wobei es einen zweiten, womöglich noch wichtigeren Filter gibt: Angeboten wird, was von Öko-Aktivisten, die in vielen Redaktionen die seriöseren Wissenschaftsjournalisten ersetzt haben, gewünscht ist, im öffentlichen Raum die links-grüne „kulturelle Hegemonie“ festigt und sich entsprechend im vorgefertigten Framing darstellen lässt. Verlängerter Arm von Lobbygruppen Zu den wenigen unbestechlichen Beobachtern dieses nun schon Jahrzehnte währenden Geschehens zählt Axel Bojanowski. Er ist Chefreporter Wissenschaft bei der Welt und war zuvor in Personalunion Chefredakteur der Zeitschriften Bild der Wissenschaft und Natur. In seinem neuesten Buch zeichnet er die vielen Etappen und Facetten nach, in denen der Klimawandel medial und politisch thematisiert wurde – die Liste der Stichworte, mit denen Weltuntergänge avisiert wurden, ist inzwischen lang, fast endlos: Luftverschmutzung, Atomenergie, Waldsterben, das Ozonloch, die Erderwärmung und der Klimawandel, die so nicht mehr genannt werden sollen, weil „Erderhitzung“ und „Klimakatastrophe“ viel dramatischer klingen. Bojanowski zeigt, wie immer wieder Naturereignisse, aber auch Statistiken und wissenschaftliche Studien aufgeplustert wurden – und wie leider viele Journalistinnen und Journalisten als verlängerte Arme von Lobbygruppen agieren, statt sich redlich um Wahrheitssuche zu bemühen. Sein Buch ist im aufklärerischen Foto: Getty Images / Los Angeles / Allen J. Schaben Axel Bojanowski beschäftigt sich in seinem neuen Buch mit der Frage, wie Medien über Unwetter und die Erderhitzung berichten – und übt dabei berechtigte Kritik. Ein Gastkommentar. Klima-Apokalypse als Medienereignis Sinne ernüchternd. Es beginnt mit dem Treibhauseffekt, den Guy Callendar 1938 in der Royal Meteorological Society in London verkündete. Doch es sollte lange dauern, bis die Diskussion richtig in Fahrt kam. Noch 1970 titelte der Boston Globe: „Wissenschaftler warnen vor einer Eiszeit im 21. Jahrhundert“ – und Bojanowski spottet, die „Karriere der Eiszeit-Warnung“ sei verlaufen „wie Mahnungen vor Umweltkatastrophen typischerweise“, sie habe sich verselbständigt. Abgleiche mit dem Stand der Wissenschaft hätten kaum stattgefunden, und das moniert er dann auch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder bei den darauf folgenden, alarmistischen Arbeiten, die zur Erderwärmung den Weg in die Medien fanden. Ganz vorne dabei war und ist der Spiegel, der 1979 seine neue Weltuntergangserzählung mit einer Serie zum „Tod im Treibhaus“ begann. „ Im öffentlichen Überbietungsdiskurs erfährt bahnbrechende Wissenschaft nur dann Resonanz, wenn sie eine ‚katastrophische Note‘ enthält. “ Aus den unzähligen Einzelstudien, die Bojanowski auflistet, lassen sich so etwas wie Muster herausarbeiten: Apokalyptische Fehlprognosen haben für ihre Vertreter keine Kehrseite. Im öffentlichen Überbietungsdiskurs erfährt bahnbrechende Wissenschaft nur dann Resonanz, wenn sie eine „katastrophische Note“ enthält. Dabei spaltet sich die Klimaforschung schon bald in politische Lager. Lobbyisten, die die Wissenschaft für ihre Zwecke instrumentalisieren, werden mit ihren Katastrophenszenarien zu Adjutanten der Medien. Deren Klimaberichterstattung wiederum wird nicht zuletzt von Stiftungen und Netzwerken sowie deren offensiver und gut orchestrierter Öffentlichkeitsarbeit gesteuert – die Fakten, die Bojanowski zusammenträgt, lassen den Eindruck entstehen, große Teile der „Qualitätsmedien“ seien inzwischen regelrecht von Aktivisten unterwandert. Nicht nur in den USA begannen zudem Gutachten-Schlachten ums Klima. Bereits in den 1990er Jahren bekannten mehr als die Hälfte der deutschen Bundestagsabgeordneten, dass sie bewusst Forschungsergebnisse suchten, die ihren Standpunkt unterstützten. Schon in dieser Zeit, so Bojanowski, hatte „die seriöse Klimaforschung die Deutungshoheit über ihre eigenen Daten verloren und war zum Spielball von Politikern und Lobbyisten geworden“. Das große Misstrauen Andererseits ist das Publikum oft klüger, als die Klimaaktivisten offenbar vermuten: Vor allem bei konservativen Wählern und Wählerinnen hat sich in den USA, einer Langzeitstudie des Gallup-Instituts zufolge, das Misstrauen gegenüber dem Thema „Klimawandel“ dramatisch verstärkt. Und noch eine interessante Forschungsarbeit aus den USA zitiert Bojanowski: Auf Wähler der Demokraten wirke der Klimawandel mit höherem Wissensstand zunehmend bedrohlicher, während Republikaner die Erderwärmung für weniger gefährlich erachteten, je besser sie darüber informiert seien. Wissenschaftler, die vorsichtig argumentierten und meinten, auf Ratschläge verzichten zu sollen, weil die Interaktionen der menschlichen Gesellschaft „noch komplexer“ seien als die natürliche Umwelt, hatten Bojanowski zufolge kaum eine Chance, sich Gehör zu verschaffen. Daran waren die Medien erheblich mitschuld, die eben nicht an Relativierung, sondern an Dramatisierung interessiert waren. Bojanowski zitiert einen britischen Wissenschaftler: „Wenn ihn ein Journalist fragt, ob ein Extremwetter auf den Klimawandel zurückzuführen sei, und er verneint, rufe dieser einfach andere Forscher an, bis einer das antwortet, was er hören will.“ Leider haben solche Klima-Aktivisten, die nicht ergebnisoffen recherchieren, auch bei uns inzwischen zu viele Redaktionen gekapert. Der Autor ist em. Professor für Journalistik sowie Gründer des Europäischen Journalismus-Observatoriums.

DIE FURCHE · 45 7. November 2024 Wissen/Medien 23 Bei der Lektüre des aktuellen Buches von Axel Bojanowski bleibt man ratlos zurück: Glaubt der Autor tatsächlich, was er schreibt, oder ist es bewusste Effekthascherei – oder, schlimmer noch, gezielte Desinformation? Ein Gastkommentar. Geschickt in die Irre geführt Von Helga Kromp-Kolb Der Titel lässt eigentlich eine naturwissenschaftliche Abhandlung erwarten: Autor Axel Bojanowski will aber vielmehr in jedem Kapitel „einen Mechanismus entschlüsseln, der zur Eskalation des ,Krieges um das Klima‘ beigetragen hat, und erklären, inwiefern wissenschaftliche Debatten als Stellvertreter für schwelende gesellschaftliche Konflikte über Werte, Vorlieben und politische Ziele dienen.“ Das ist ein löbliches Ziel und wohl wert, dass man ihm ein Buch widmet. Auch der deutsche Ökonom Ottmar Edenhofer betonte 2018 bei seinem Festvortrag zur Verleihung des Romano Guardini-Preises, dass das „fundamentale Problem der Klimapolitik nicht die wissenschaftlichen Fakten, sondern Konflikte um Weltanschauungen und Werte“ sind. Allerdings geht Axel Bojanowski in seinem Buch sehr locker mit Fakten und deren Interpretationen um und scheut auch Widersprüche in seinen Aussagen nicht. Man weiß nicht, glaubt der Autor, was er schreibt, ist es Effekthascherei oder, schlimmer, bewusste und gezielte Desinformation? Weil Dichtung und Wahrheit hier so eng verflochten sind, ist eine Entgegnung schwierig. Einzelne Sätze herauszugreifen, die schlicht falsch sind, wird der Aufgabe nicht gerecht, denn das eigentliche Problem ist der Gesamteindruck, der von den einzelnen „Geschichtchen“ vermittelt wird, durch deren Auswahl und die Wortwahl. Das vermittelte Bild ist geschickt so bunt gehalten, dass jeder Leser das herauslesen kann, was er zu finden hofft – und, sich so in seinen Ansichten bestätigt fühlend, dazu neigt, auch alles andere zu glauben. Links gegen Rechts? So wird zum Beispiel die Gründung des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) als eine „eingefädelte“ Aktion des damaligen Leiters der UNEP geschildert (warum „eingefädelt“ und nicht initiiert?), gestützt von Wissenschaftlern, die sich nach der Konferenz in Villach 1985 endlich wirksam glaubten (persönliche Kränkung bzw. Eitelkeit?). Die USA sei „ausgetrickst“ worden, indem man dem Präsidenten politischen Einfluss im IPCC versprach, während in Wirklichkeit das IPCC übermächtig wurde. Gleich anschließend wird der politische Einfluss auf das IPCC über die Nominierung von Wissenschaftlern und die politisch abgestimmte Formulierung der Zusammenfassung für Entscheidungsträger wortreich beklagt. Der Text ist so flüssig geschrieben, dass dem Leser, der Leserin, die Widersprüche entgehen. Wissenschaft wird systematisch diskreditiert, etwa durch den wiederholten Vorwurf, Wissenschaftler hätten Entwicklungen in der Öffentlichkeit ange- Foto: APA / AFP / Manaure Quintero sprochen, die wissenschaftlich noch nicht belegt gewesen seien. Die jeweiligen IPCC-Berichte seien viel zurückhaltender gewesen (hier werden sie als höchster wissenschaftlicher Maßstab herangezogen, zuvor gerade als zu politisch diskreditiert). Dass IPCC-Berichte aufgrund des Erstellungsverfahrens immer hinter dem aktuellen Stand der Wissenschaft hinterherhinken müssen, muss dem Autor jedoch bekannt sein; auch dass konsensual formulierte Darstellungen Ecken und Kanten verlieren, denn Konsens glättet. Es stört Bojanowski offenbar nicht, dass die meisten der vorhergesagten Klima-Entwicklungen dann tatsächlich eintrafen und dass dies wohl kaum nur auf eine gesunde „Intuition“ der Wissenschaftler zurückgeht. Ein Anliegen des Buches dürfte sein, aufzuzeigen, dass auch Wissenschaftler von Interessen getrieben sein können, die nichts mit wissenschaftlicher Erkenntnis zu tun haben. Das ist unbestreitbar richtig – auch Wissenschaftler sind Menschen und nicht immer in der Lage, nüchtern mit Anfeindungen und Druck umzugehen oder den Verlockungen von Geld oder Ruhm zu widerstehen. Erstaunlich ist nur, dass der Autor diese Schwäche nicht an jenen Beispielen festmacht, bei denen erwiesenermaßen Geld z.B. der fossilen Industrie geflossen ist – und die tatsächlich Teil einer politischen Strategie der sich von Klimaschutzmaßnahmen bedroht fühlenden Industrie waren. Er beschreibt zwar die Strategie, ihre wissenschaftlichen Helfer benennt er aber nicht namentlich; im Gegenteil, er zitiert sie an anderen Stellen als Zeugen für seine eigenen Argumente. Man gewinnt den Eindruck, dass die Klimawissenschaft oder einzelne Klimawissenschaftler die Politik vor sich hertreiben, und das reale, aber wenig dringliche Klimaproblem für wirtschafts- und technologiefeindliche Politik missbraucht wird. Als Klimawissenschaftlerin ist man fast geneigt zu sagen: Ach, wäre es doch nur so! Leider ist das Klimaproblem nicht nur real, sondern auch dringlich, und Politiker führen es zwar im Munde, die notwendigen politischen Maßnahmen fehlen jedoch weitgehend. Das wird Jahr für Jahr durch den „Emission Gap Report“ der UNEP belegt. Der Kampf um eine angemessene Klimapolitik wird vom Autor als „links“ gegen „rechts“, Nord gegen Süd, Umwelt gegen Wirtschaft dargestellt. Die Akteure seien demnach Politiker; missbrauchte, fehlgeleitete oder unethische Wissenschaftler; und in zarten Anklängen wohl Siehe dazu auch das Interview von Martin Tauss mit Helga Kromp-Kolb anlässlich der letztjährigen Weltklimakonferenz in Dubai (COP28) am 6.12.2023: „Der COP-Tanker ist zu langsam“, nachzulesen auf furche.at. „ Es stört Bojanowski offenbar nicht, dass die meisten der von der Wissenschaft vorhergesagten Klima- Entwicklungen dann tatsächlich eingetroffen sind. “ Verheerende Flut in Spanien Der Klimawandel verstärkt reguläre Wetterlagen wie die Herbststürme in Teilen Spaniens („Dana“-Phänomen). Bei der jüngsten Flutkatastrophe regnete es binnen weniger Stunden so viel wie sonst in einem Jahr (Bild aus Sedavi, südlich von Valencia). auch die Medien, manchmal Wirtschaftsbosse. Klingt beim Lesen verführerisch, aber so einfach ist die Situation leider nicht. Bei einer etwas längerfristigeren Perspektive, das müsste auch der Autor wissen, liegt Klimaschutz im Interesse aller. Und die praktizierten Verzögerungstaktiken verschlimmern die Situation nur. In seiner Sichtweise auf das Klimaproblem dürfte Bojanowski übersehen, dass der Klimawandel, ebenso wie die Versauerung der Ozeane, der Biodiversitätsverlust, etc. im Grunde Symptome für ein tieferliegendes Problem sind: Der Mensch überfordert das globale Ökosystem in vielfacher Weise – teils wegen der ständig wachsenden Zahl der Menschen, teils getrieben durch ein Wirtschafts- und Finanzsystem, das ständiges Wachstum erfordert, um stabil zu sein. Klimawandel als Symptom „Was Sie schon immer übers Klima wissen wollten, aber bisher nie zu fragen wagten“: Diese Frage beantwortet das Buch von Axel Bojanowski daher leider auch nicht. Es beantwortet Fragen, die Sie wahrscheinlich nie gestellt haben, aber – hier gebe ich dem Autor recht – wahrscheinlich stellen sollten, denn wie Wissenschaft und Politik interagieren, ist relevant, nicht nur in der Klimawissenschaft. Selbstverständlich gibt es auch in der Klimawissenschaft unangemessene Praktiken und Verfehlungen. Diese müssen offengelegt und behoben werden. Leider richtet der Autor aber seinen Fokus nicht auf diese. Das Buch führt – fast würde ich sagen systematisch – in die Irre und ortet Missbrauch und Fehlverhalten, wo keine sind: Die vorgebrachten Thesen sind nur mit großem Aufwand überprüfbar, da keine Quellen angegeben werden. Das Grundverständnis für die wissenschaftliche Methode kommt dem Autor immer dort abhanden, wo es nicht in seine Argumentation passt. Und dass der Klimawandel nur das Symptom eines tieferliegenden Problems ist, dürfte ihm vollständig entgangen sein. Damit tut das Buch – wissentlich oder unwissentlich – genau das, wogegen es sich wendet: die Instrumentalisierung des Themas für eigene Zwecke, hier unter dem Deckmantel der Aufdeckung. Die Autorin ist em. Professorin am Institut für Meteorologie und Klimatologie an der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien.

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