DIE FURCHE · 45 10 Religion 7. November 2024 Von Till Schönwälder Riesige Augen im Stil japanischer Mangas, mit Jakobsmuscheln als Spiegelung, blaue Haare, geschützt von der Kapuze eines in Gelb gehaltenen Regenmantels. Das Mädchen Luce (italienisch für Licht) ist das Werk des Manga-Künstlers Simone Legno und es ist das offizielle Maskottchen des Heiligen Jahres 2025 der katholischen Kirche. Passend dazu trägt Luce einen Pilgerstab und einen bunten Rosenkranz mit Kreuz um den Hals. Es war ein nicht alltägliches Bild, als Erzbischof Rino Fisichella (73), Pro-Präfekt des vatikanischen Evangelisierungs- Dikasteriums, Ende Oktober die etwa 30 Zentimeter große Figur Luce in der ehrwürdigen Sala Stampa − dem vatikanischen Presseamt − enthüllte. Ihren leuchtend blauen Augen habe die bunte Figur auch ihren Namen zu verdanken, sagte Fisichella bei der Vorstellung. Die Augen von Luce symbolisierten „die Hoffnung, die im Herzen eines jeden Pilgers geboren wird, und erinnern an die universelle Botschaft von Frieden und Brüderlichkeit“. Die Resonanz, die das Maskottchen in den darauffolgenden Tagen hervorrief, hätte sich wohl auch der optimistischste vatikanische PR-Stratege nicht erträumen lassen: Kurz nach der Präsentation war das Internet voll von Darstellungen und Memes (für Social Media erstellte Bilder mit lustigem Inhalt und Texten, Anm.). Dass man mit dem Stil vordergründig ein junges Publikum ansprechen will, liegt auf der Hand und wird vonseiten des Vatikans auch gar nicht erst dementiert. Die Figur „möge die Popkultur junger Menschen von heute reflektieren“, schrieb der Vatikan selbst auf der Instagram-Seite @iubilaeum des Heiligen Jahres. Sie trage dabei eine „Botschaft der Hoffnung und Inklusivität“. Screenshot: civitai.com/user/dttrc35 „ Das Mädchen Luce ist das offizielle Maskottchen des Vatikans für das Heilige Jahr. Es soll vor allem Jugendliche ansprechen. “ Comic- Pilgerin Wenige Stunden nach der Präsentation waren im Internet unzählige Neuinterpretationen des Maskottchens für das Heilige Jahr zu finden. Anime-Meister Hayao Miyazaki greift in seinen Filmen immer wieder religiöse Motive auf. Dazu ein Text (3.1.2024) auf furche.at. Comic-Kunst Veröffentlicht wurde das Maskottchen – ebenfalls ganz auf das junge Publikum zugeschnitten – in einer gemeinsamen Instagram-Collaboration, das heißt einem gemeinsamen Posting, das auf den Seiten des Vatikans und des Künstlers geteilt wurde. Der aus Italien stammende und in Los Angeles lebende Legno habe sich „nie erträumt, jemals einen künstlerischen Beitrag für den Heiligen Stuhl zu kreieren“. Er selbst sei in einer katholischen Familie aufgewachsen und habe dort die Grundsätze des Glaubens „mit einem Fundament an Großzügigkeit und Respekt für andere“ gelernt, so Legno, der seine Manga-Kunst unter der Marke „tokidoki“ vertreibt. Der Vatikan geht mit einem im Stil japanischer Mangas gehaltenen Maskottchen neue Wege. Der Erfolg gibt den PR-Strategen recht, doch es gibt auch Kritik. Licht auf Luce Das Heilige Jahr sehe er als „einzigartige Gelegenheit zur Begegnung und zum Dialog für Millionen von Menschen, darunter viele junge Menschen“. Deswegen hoffe er, mit seiner Pilgerin Luce - sie wird von den Freunden Fe, Xin und Sky mit Jacken in Grün, Rot und Blau sowie vom Hund Santino begleitet - „die Gefühle, die in den Herzen der jungen Generationen mitschwingen“, zu repräsentieren. Für viele mag die Ästhetik, in der Luce dargestellt wird, befremdlich wirken und nicht wie eine geeignete Ausdrucksform für ein katholisches Glaubensevent, wie dem Heiligen Jahr. Dabei sind Anime, Manga und Cosplay – also das Verkleiden als Charakter aus einem Comic, Film, oder Missio-Kaffee gemahlen, ART812 7,90 € Buch „Den Esel also mache ich!“ BUG161 9,80 € Garantierte Lieferung vor Weihnachten bei Bestellung bis 18.12. Capiz-Fensterstern ART693 21,90 € Missio-Kaffee Bohnen, ART813 14,90 € Seilerstätte 12/1, 1010 Wien Öffnungszeiten: Mo-Do 8 – 17:00 Uhr, Fr 8 – 12:00 Uhr Online bestellen: shop.missio.at Schoko-Adventskalender ART767 10,90 € Eine größere Produktauswahl finden Sie in der Beilage oder unserem Online-Shop: shop.missio.at Versandkosten innerhalb Österreichs 5,90 €. Verkauf und Lieferung erfolgen durch Missio Service GmbH.
DIE FURCHE · 45 7. November 2024 Religion 11 Videospiel – längst keine Nische mehr für Nerds, sondern vielmehr eine der größten jugendkulturellen Phänomene der heutigen Zeit. Schätzungen zufolge beläuft sich der Markt für die japanische Popkultur aktuell bei 25 bis 30 Milliarden Euro mit jährlichen Wachstumsraten von rund 15 Prozent. Zum Treffen und Vernetzen nutzen die jugendlichen Mangafans neben dem Internet vor allem Messen und Conventions. So verwundert es nicht, dass Luce auf Europas wichtigster Messe für Comics, Spiele, Videospiele, Zeichentrickfilme, Fantasy und Fernsehserien in Lucca in Italien Anfang November ihren ersten öffentlichen „Auftritt“ bestritt. Luce erregte auch medial Aufmerksamkeit, weltweit wurde über die Figur berichtet, auch über das klassische Spektrum hinaus. So beschäftigten sich etwa Publikationen über Anime und Videospiele mit dem Mädchen. „Manche Nachrichten können wir selbst kaum glauben, aber es ist tatsächlich wahr. In den sozialen Netzen wird derzeit vermehrt Fanart zu einem Anime-Mädchen im gelben Regenmantel, mit grünen Stiefeln, blauen Haaren und Kreuz um den Hals geteilt. Hierbei dreht es sich nicht etwa um die Heldin einer völlig neuen Anime-Serie, sondern um das offizielle Maskottchen des Vatikan“, schreibt etwa das Gaming-Portal Gamestar. Für die Pop- und Internetkultur-Plattform dailydot.com ist Luce ein Versuch des Vatikans, das negative öffentliche Bild, das insbesondere junge Menschen von der Kirche haben, ins Positive zu verschieben. Außerdem bedeute der gewählte Stil einen Schritt weg von der klassischen europäisch geprägten kirchlichen Kunst und Kultur hin zu einer asiatisch angehauchten Animekultur. Wie sehr Luce tatsächlich zum popkulturellen Thema avancierte, lassen unzählige Postings auf Plattformen wie X (vormals Twitter), Reddit oder Instagram erahnen. Schon jetzt finden sich hunderte Fanarts von Luce. Diese reichen von kreativen Neuinterpretationen bis hin zu klassischen Memes, aber auch Referenzen auf Videospiele, die Luce in einigen Entwürfen etwa im Ringen mit dem Teufel oder anderen Dämonen zeigen. An anderer Stelle wird sie in inniger Umarmung mit der Gottesmutter oder Jesus Christus dargestellt. Auch werden im katholischen Spektrum kontroverse Themen wie Abtreibung oder LGBTQ in einigen Werken thematisiert. „ ‚Kawaii‘ bezeichnet im Japanischen einen süßen bzw. niedlichen Stil. Eine solche Darstellungsform mutet gerade im kirchlichen Kontext irritierend an. “ Im Westen „kindisch“ Die Figur ist im sogenannten Kawaii-Stil gehalten. Der Ausdruck steht im japanischen für „süß“ beziehungsweise „niedlich“. Es handelt sich um ein ästhetisches Konzept, das Unschuld und Kindlichkeit betont und sich auf alle Bereiche der japanischen Gesellschaft ausgedehnt hat. Für westliche Beobachter wirkt das mitunter ungewohnt, da diese Niedlichkeit in vielen Situationen eingesetzt wird, die hierzulande als unpassend kindisch oder unseriös angesehen werden, wie etwa in staatlichen Veröffentlichungen, behördlichen Warnungen oder Büroumgebungen. Eine solche Darstellungsform kann gerade im kirchlichen Kontext sicherlich irritierend anmuten. Dass sich unter den Fankreationen von Luce mitunter auch freizügigere Interpretationen der Pilgerin finden, war einerseits absehbar, andererseits verstärkt es das Unbehagen vieler und dürfte dem Vatikan alles andere als recht sein. Dabei stand der Begriff ursprünglich für jemanden oder etwas, der oder das keinerlei negative Eigenschaften „ In Fanentwürfen sieht man Luce im Ringen mit dem Teufel. An anderer Stelle wird sie in inniger Umarmung mit der Gottesmutter oder Jesus Christus dargestellt. “ Luce in der Darstellung ihres Schöpfers Simone Legno: Die Ästhetik ist auch ein Schritt weg von der klassischen europäisch geprägten kirchlichen Kunst und Kultur. Illustration: Wikipedia / Simone Legno hat. Demzufolge verehrt Kawaii alles, was liebenswert ist und ist die Verkörperung des reinen Guten. Das Wort entwickelte sich in der Taisho-Ära (1912-1926) und bedeutete verlegen, schüchtern, verletzlich, liebenswert und klein. Die moderne Verwendung hat diese Bedeutung beibehalten, umfasst aber auch Gefühle wie Liebe, Fürsorge und Beschützerinstinkt. Die heutige Kawaii-Kultur hat ihren Ursprung in der Jugendkultur der 1970er Jahre in Japan, einer Zeit, in der das Land schnell wirtschaftlich wuchs und sich die Jugendkultur drastisch veränderte. Die geschaffenen Figuren richteten sich ursprünglich an junge Mädchen und wurden mit niedlicher Kleidung, Accessoires und Gegenständen auf die Zielgruppe maßgeschneidert. Als „Mutter“ des modernen Kawaii gilt die 1974 erschaffene Marke Hello Kitty, mit mittlerweile über 50.000 Produktlinien, die in 130 Ländern erhältlich sind. Während sich unter vielen Fanentwürfen Lob und Anerkennung finden, schlägt Luce insbesondere auf traditionalistisch-katholischen Seiten Kritik entgegen. So wird insbesondere der Schöpfer der Figur, Simone Legno, dafür angegriffen, eine Reihe von weiteren Charakteren geschaffen zu haben, die nicht dem katholischen Weltbild entsprechen und beispielsweise LGBTQ-Zielgruppen ansprechen. Andere bekrittelten, die katholische Kirche habe im gekreuzigten Christus genuin ihr einziges Maskottchen und brauche kein weiteres. Wieder andere fühlten sich vom Namen Luce an jenen des Teufels Luzifer erinnert. 30 Millionen Menschen Nachdem der Vatikan mit dem Slogan „Pilger der Hoffnung“ erstmals ein Heiliges Jahr unter ein bestimmtes Motto gestellt hat, ist ein eigenes Maskottchen für das Event ebenfalls eine Premiere. Kritiker werfen der Kirche deshalb vor, eine Profanisierung der Pilgerfahrt im Stile von Fußball-Weltmeisterschaften, oder Olympischen Spielen vorzunehmen. Ein Heiliges Jahr ist ein besonderes heiliges Gnaden- und Pilgerjahr in der katholischen Kirche. Es findet in der Regel alle 25 Jahre statt, doch kann der Papst auch häufiger außerordentliche Heilige Jahre ausrufen, wie im Fall des Jahres der Barmherzigkeit 2016 oder des Jahres des Glaubens 2013. Das Heilige Jahr 2025 wird mit der Öffnung der Heiligen Pforte des Petersdoms am Heiligabend 2024 beginnen und bis 6. Jänner 2026 andauern. In Rom selbst laufen die Vorbereitungen dafür seit Jahren. In der ewigen Stadt rechnet man mit voraussichtlich 30 Millionen Pilgerinnen und Pilgern aus aller Welt. Wer in einem Heiligen Jahr in Rom durch eine der Heiligen Pforten der päpstlichen Basiliken schreitet, erreicht damit einen Erlass aller Sünden. Luce soll dazu beitragen, dass sich möglichst viele junge „Pilger der Hoffnung“ auf den Weg machen. Wochenausblick DIE FURCHE nimmt in den kommenden Ausgaben diese Themen in den Fokus: Chefredakteur: ChatGPT Nr. 47 • 21. November Künstliche Intelligenz wird den Medienmarkt durchwirbeln. Nach der Erfindung des Internets bedeutet sie die nächste Revolution für den Journalismus. Doch der Markt hat noch nicht einmal die letzte verarbeitet. Ein Ausblick. Die große Erschöpfung Nr. 48 • 28. November In der dunkelsten Zeit des Jahres macht sich oft Müdigkeit breit. Zudem zeigen Erhebungen, dass viele Menschen in Erschöpfungszuständen gefangen sind. Über Burn-on, Long Covid & Co – sowie wirksame Wege zum Energietanken. Die Jahrhundertdichterin Nr. 49 • 5. Dezember Sie war eine der eigenwillgsten und bedeutendsten Schriftstellerinnnen des 20. Jahrhunderts und prägte das Schreiben anderer Autorinnen und Autoren: Am 20. Dezember 2024 wäre Friederike Mayröcker 100 Jahre alt geworden. Jeden Mittwoch und Freitag! Josef und andere Väter Nr. 50 • 12. Dezember Vaterschaft verändert Männer, auch biologisch. Doch lange Zeit stand der mächtige Muttermythos der Väter-Forschung im Weg. Auch in der Bibel steht Gottesmutter Maria im Zentrum. Welche Rolle spielt eigentlich Josef? Skandalöse Weihnacht Nr. 51/52 • 19. Dezember „Evangelium von Jesus Christus, Gottes Sohn“ – Schon im ersten Satz des Markus- Evangeliums liegt die ganze Sprengkraft des christlichen Glaubens. Heute meist als kitschiges Familienfest gefeiert, ist der Ursprung von Weihnachten eine Anmaßung. Wer braucht Bräuche? Nr. 1 • 2. Jänner 2025 Rund um den Jahreswechsel feiert das Brauchtum Hochsaison. Wozu braucht es diesen Rückgriff in einer zunehmend auf das Jetzt ausgerichteten Welt? Und wer unterscheidet zwischen „falschem“ Kitsch und Kommerz bzw. „echten“ Bräuchen? Nichts mehr verpassen – Newsletter abonnieren Änderungen aus Aktualitätsgründen vorbehalten. Jetzt anmelden furche.at/newsletter
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