DIE FURCHE · 36 24 Ausstellung 7. September 2023 Das Bild der Frau Die Performanceund Medienkünstlerin VALIE EXPORT (*1940) setzt sich in zahlreichen ihrer Werke mit dem in den Massenmedien und der Gesellschaft repräsentierten Bild der Frau auseinander. Legendär ist ihr „Selbstportrait“, 1970, Silbergelatineabzug. ALBERTINA, Wien – The ESSL Collection | © VALIE EXPORT, Bildrecht, Wien 2023, Foto: © Gertraud Wolfschwenger, Bildrecht, Wien 2023 Von Theresa Steininger VALIE EXPORT, so prangt es in großen Lettern auf der Zigarettenpackung, die die gleichnamige Künstlerin mit provokanter Pose und Glimmstängel im Mund in die Kamera hält: Es sind ikonische Werke wie dieses, die die Albertina in einer Retrospektive versammelt hat. Auch Erinnerungen an das „TAPP und TASTKINO“ und vielfache Reproduktionen der „Aktionshose“ sind zu sehen, also Arbeiten, die VALIE EXPORT seit den 1960er Jahren in der ganzen Welt berühmt machten. Mit ihren Aktionen, Performances, Fotos, Collagen und Installationen hat die gebürtige Linzerin seither das gängige Kunstverständnis und die Sicht auf die Frau in Kunst und FEDERSPIEL Fremdkörper „ In der Schau hat man durch den Fokus auf Fotos oft das Gefühl, dass durch diese der angeprangerte Voyeurismus noch verstärkt werde. “ Gesellschaft nicht nur hinterfragt, sondern auf den Kopf gestellt. In der Basteihalle widmet man ihr nun eine umfassende Ausstellung, die 163 Werke versammelt und die Relevanz der Fotografie in EXPORTs Werk in den Vordergrund stellt, aber auch zahlreiche Expanded-Cinema-Aktionen, Collagen, Zeichnungen und Installationen zeigt. Ob sie sich nun ein Strumpfband auf den Oberschenkel tätowieren ließ, um patriarchale Machtstrukturen aufzuzeigen und auf eine nicht selbstbestimmte Weiblichkeit und die Eigenschaft der Frau als durch männliche Vorstellungen geformtes Sexualobjekt hinzuweisen. Ob sie Peter Weibel wie einen Hund an der Leine und auf allen Vieren kriechend über die Kärntner Straße führte und die herkömmlichen Machtverhältnisse so umdrehte. Ob sie gesellschaftlich konstruierte Geschlechterrollen durch an ihre Beine oder ihren Oberkörper montierte Brotlaibe zeigte, die sie am Vorwärtskommen hinderten oder von denen die Menschen etwas abschneiden sollten. Oder ob sie im „TAPP und TASTKINO“ eine Box vor ihre Brüste schnallte und die Besucher aufforderte, hineinzugreifen, und so den voyeuristischen Blick, der normalerweise im dunklen Kinosaal verborgen bleibt, öffentlich sichtbar machte: Von Lydia Mischkulnig Mit einer Retrospektive, die den Schwerpunkt auf Fotografisches legt, würdigt die Albertina das Werk der Künstlerin VALIE EXPORT. Gegen den Strich gebürstet Oft war das Werk der Künstlerin, die eigentlich Waltraud Höllinger hieß, sich aber sowohl vom Namen ihres Vaters als auch von dem ihres Ex-Mannes bewusst lossagte, auf Provokation aus. Sie setzte sich kritisch mit dem in den Massenmedien und der Gesellschaft an sich repräsentierten Bild der Frau auseinander und wurde zur Pionierin der Performance- und Medienkunst, die ihren Körper oft als Ausdrucksmittel nutzte – häufig auch fragmentiert gezeigt und dadurch erst recht entindividualisiert und verallgemeinert. Kritik am männlichen Blick In der Albertina-Schau hat man gerade durch den Fokus auf Fotos oft das Gefühl, dass durch diese der angeprangerte Voyeurismus noch verstärkt werde. Und dass EXPORTs Einsatz des eigenen Körpers als künstlerisches Medium ihre Aussage stark unterstrich – nicht umsonst kommentierte die Künstlerin bei der Presseführung ihrer Ausstellung, sie haben den Schmerz selbst fühlen müssen, um die damit verbundenen psychischen Zustände in ihrer Arbeit wiedergeben zu können. Ihr Werk stehe seit jeher, fügte Albertina-Direktor Klaus A. Schröder hinzu, „für eine neue Art der Auseinandersetzung mit patriarchalen Strukturen. Gleichzeitig zeigt unsere Ausstellung, dass sie einen unglaublichen Sinn für das technische Gestalten gehabt hat“. Er nennt das Werk, das in den 1960er Jahren oft noch „geschmäht oder bedroht wurde, von einer Radikalität und Direktheit, die auch heute noch verstören würde“. Dass EXPORT auch anders konnte, leiser, vorsichtiger, zeigen beispielsweise ihre Nachstellungen weiblich konnotierter Posen aus klassischen Gemälden von Sandro Botticelli und Rogier van der Weyden. Und doch ist auch hier die Kritik an der männlichen Sichtweise deutlich. Außerdem hat man in der Albertina-Ausstellung auch zahlreiche Werke in den Fokus gerückt, in denen EXPORT ihren Körper in Beziehung mit dem Raum setzt. So gibt es Fotos, auf denen man sieht, wie Export mit Beinen und Oberkörper eine Ecke eines Hauses, einer Stiege oder eines Gehsteigs nachbildet oder Dünen einer Landschaft ergänzt. Man lernt ihr „Baumdreieck“ ebenso kennen wie die „Anfügung“ an einen Treppenabsatz. Und doch bleibt vor allem die mehrfach gezeigte „Aktionshose: Genitalpanik“ dominant, in der sich EXPORT 1969 mit gespreizten Beinen in einer im Schambereich ausgeschnittenen Hose zeigte – einerseits entblößt, andererseits durch Lederjacke, Maschinengewehr und ihre Art zu sitzen mit der klaren Aussage: Diese Frau lässt sich nichts gefallen. VALIE EXPORT. Retrospektive Albertina, bis 1. Oktober Täglich 10‒18 Uhr, Mi u. Fr bis 21 Uhr www.albertina.at Ich hatte Lust auf einen Espresso, ging in den Turm, dessen Front das Gesicht einer Puppe zierte. Der Turm war nicht gerade das World Trade Center, aber ich dachte doch, ins höchste Stockwerk zu fahren, ins „Window on the World“, um durch das Auge der affichierten Gestalt mein geliebtes Wien zu sehen. Der Blick fiel auf lauter Augen, in denen die Schönheit des Affichierten lag. Ich tanzte auf dem Vulkan. Die Zeiten waren irre, wie mir widerstrebt, es niederzuschreiben, weil es immer stimmt, eine Plattitüde, doch ich saß im Auge des Betrachters einer mir fremden Perspektive. Sie gehörte der Lichtgestalt, die keine Wahrheit neben sich duldete. Missstände wurden mit ihrem Glanz überstrahlt. Eine Art Barbieland war visioniert. Immer Spaß und keine Sterblichkeit. Reich und Schön. Die Frage nur: für wen? Da gibt es Duschen ohne Wasser und Wellen aus Plastik, Essen aus Luft, nur die Verpackung. Wer kann so wirklich leben? Niemand. Richtig ist daher, dass die Kunst, jene Kurt Langbeins, die Machenschaften dieses Ken im Kino unter die Lupe nimmt und dem Pöbel, also mir, aufzeigt, wie die türkise Sekte den Blick mit rosa Brille verhängt und mit Oligarchie-Bestreben den Kopf verdreht. Puppen als Larven einer Macht zu entlarven, die zur Verpuppung neigt und schlüpfrig ist, macht meinen Spaß der Erwartung an den Film aus. Kunst ist Ernst. Salbungsvolles Gerede entpuppte sich als Chat der Verachtung zur Schande des Affichierten. Wer ein Mensch ist, entscheidet die Message Control. Nur Geblendete folgten ins Land ewigen Quells und gehörten zur Familie der Jugend. Geblieben sind Long Covid und die Lehre, dass Oligarchen schnell am Verwesen sind, dass die Hybris des „Sich-alles-richten-Könnens“ ins Kriminal gehört. Das Eis der Zurückhaltung schmilzt, der Faschismus rinnt heraus. Was tun? Tempo hundert? Glockengeläut gegen Unwetter? Bild dir nix ein. Die Autorin ist Schriftstellerin. DIE FURCHE EMPFIEHLT /imagine: „stell dir vor“ Bis Sonntag läuft noch eine Ausstellung im MAK, die einen Überblick über die vielfältigen Gestaltungsstrategien der „Neuen Virtualität“ und spannende, teils neu produzierte Projekte internationaler Architekten, Designer und Künstler präsentiert. /imagine: („stell dir vor“) ist der Befehl, der User die Gestaltung eigener Architektur-Utopien mit der Software „Midjourney“ ermöglicht. Auf Basis von beschreibendem Text generiert eine KI Bilder, die unendlich variiert werden können. /imagine: Eine Reise in die Neue Virtualität MAK, bis 10. 9. Kuratorinnenführung am 8.9., 16.30; Avatar-Building mit VR-Künstlerin Paula Strunden am 9.9., 12 Uhr. Infos: mak.at
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