Aufrufe
vor 10 Monaten

DIE FURCHE 07.09.2023

  • Text
  • Furche
  • September
  • Menschen
  • Kinder
  • Welt
  • Schule
  • Wien
  • Gesellschaft
  • Zeit
  • Frau

DIE

DIE FURCHE · 36 20 Film & Medien 7. September 2023 KINDERSPIELFILM Ferien- Detektive FILMKOMÖDIE Langsam lässt sich das Muster erkennen, nach dem die Abenteuer des kleinen Franz Fröstl wohl noch einige Kino-Runden drehen werden: Es ist Sommer, es ist Wien und es gibt Franz und seine besten Freunde, Gabi und Eberhard. Und natürlich auch Mama und Papa, den großen Bruder, den Lehrer Zackzack sowie Frau Berger, die Nachbarin aus dem Erdgeschoss, vor der sich Franz etwas fürchtet. Also das Bezugspersonen-Universum eines Kindes, aus dem sich auch „Neue Geschichten vom Franz“, der zweite Film nach der Buchreihe von Christine Nöstlinger, speist. Ausgerechnet zu Beginn der großen Ferien haben sich Gabi und Eberhard zerstritten. Weil Franz keine Partei ergreifen will, schon gar nicht die eigene, versucht er, die beiden über eine gemeinsame Verbrecherjagd wieder zu versöhnen. Zum Glück scheint die Hauptverdächtige gleich bei ihm im Zinshaus zu wohnen: die Frau Berger. Die weit konventioneller gestrickte, in manchen Momenten etwas erzwungen wirkende Fortsetzung bewegt sich zwar immer noch in der urbanen Erlebniswelt von Kindern, zwischen Freibad, Eissalon und Dachboden, doch entwickelt sie dabei lange nicht die bunte Mischung, die ihren gutmütigen Vorgänger auszeichnete. Trotz des Titels verhalten sich die „Neuen Geschichten“ mehr wie eine einzige, die von der Sherlock-Mütze bis zur Musik detektivisch-verschwörerisch anmuten will und Mühe hat, die ohnehin kurze Laufzeit zu füllen. Es ist Maria Bills Aufgabe, als Nachbarin dieses Manko einigermaßen zu beheben: Auch ihres großen Auftritts wegen ist dieser „Franz“ in Wahrheit ihr Film. (Thomas Taborsky) Neue Geschichten vom Franz A/D 2023. Regie: Johannes Schmid. Mit Jossi Jantschitsch, Nora Reidinger, Leo Wacha, Maria Bill. Constantin. 72 Min. Jossi Jantschitsch (Mi.) spielt auch in den „Neuen Geschichten vom Franz“ den Protagonisten. Tonnenschwer Die Begegnung zwischen Dolores, Meeressäuger, und Patrick Dykstra, Mensch, ist ungleich und unglaublich.Der Film „Patrick and the Whale“ erzählt die Geschichte davon. In Mark Fletchers Dokumentarfilm „Patrick and the Whale“ erzählt Unterwasserfotograf Patrick Dykstra von seiner Begegnung mit Pottwal-Dame Dolores – und noch viel mehr. Von der Liebe zu den Pottwalen Von Otto Friedrich Tierdokumentarfilme haben sich im Lauf der Jahre durchaus als Publikumsmagneten erwiesen. Luc Jacquets „Reise der Pinguine“ (2005) oder „My Octopus Teacher“ (2020) kamen sogar zu Dokumentarfilm-Oscar-Ehren. Dass James Reed, Co-Regisseur von „Mein Lehrer, der Krake“, bei der jüngsten Begegnung von Tier und Mensch im Kino zu den Produzenten zählt, mag gewiss als Qualitätsmerkmal von „Patrick and the Whale“ herhalten. Dieses bereits preisgekrönte Leinwand-Epos über die Freundschaft von Pottwalen – und insbesondere der Pottwal-Dame Dolores – mit dem US-amerikanischen Unterwasserfotografen Patrick Dykstra ist aber ein österreichischer Film aus der „Terra Mater“-Werkstatt, die auch für die gleichnamige Programmschiene auf „Servus TV“ Naturdokus liefert. Und Regisseur Mark Fletcher ist seinerseits ein renommierter Tierfilmer, der den Geschichten von Patrick Dykstra und auch dessen Bildern einen unnachahmlichen Look verleiht. Eigentlich ist Patrick Dykstra Anwalt und arbeitete für renommierte Anwaltskanzleien. Aber vor 20 Jahren machte der passionierte Taucher, Paragleiter und Fallschirmspringer seine Leidenschaft zur Profession, indem er quer durch die Welt Walen nachreiste und versuchte, mit den größten Lebewesen der Erde buchstäblich in Kontakt zu kommen. Dykstra ist selber ein begnadeter Unterwasserfilmer, der für die BBC und für Netflix-Produktionen Preise einheimste. Freundschaft mit Dolores In „Patrick and the Whale“ wird Dykstra aber rund um eine unglaubliche Begegnung und Freundschaft selber zum Film-Star: 2019 trifft Dykstra vor der Karibikinsel Dominica auf die Pottwal-Dame Dolores. Zwischen dem tonnenschweren Meeressäuger und dem kleinen Menschen entwickelt sich Kommunikation und es entsteht eine Beziehung, die alles andere als alltäglich und doch real ist. In langen ruhigen Einstellungen erzählen Dykstra und der Film von dieser Begegnung der besonderen Art. Das geht sogar soweit, dass Dolores zu Patrick eine Beziehung aufbaut, die bei einem späteren Besuch allerdings zugunsten eines Pottwal-Männchens „erkaltet“. Allerdings darf Dykstra sich dann um Dolores’ Nachwuchs kümmern – und so tritt diese Mensch-Pottwal-Beziehung in eine neue Phase. Das alles klingt phantastisch, aber „Patrick and the Whale“ legt nahe, dass dies doch mehr Fakt denn Fake ist. Spannend und filmisch grandios zusammengestellt, ist das Ganze jedoch allemal. Patrick and the Whale A 2022. Regie: Mark Fletcher. Polyfilm. 72 Min. Nia Vardalos und John Corbett im dritten Teil von „My Big Fat Greek Wedding“. Gut gemachter Kitsch Familie schweißt auf ewig zusammen, könnte das Motto auch des dritten Teils eines – mittlerweile – Klassikers des Genres der Romantischen Komödie lauten: „My Big Fat Greek Wedding“, der Independent-Überraschungserfolg (Produktion: Tom Hanks und dessen griechisch-amerikanische Ehefrau Rita Wilson), der im Jahr 2002 mehr als das 70-fache seiner Entstehungskosten einspielte, fand 2016 seine Fortsetzung, um nunmehr als Spätsommerstarter seinen (wohl weltweiten) Siegeszug anzutreten. Die Backstory war seinerzeit schon bestechend und ist es heute noch: Die Drehbuchautorin Nia Vardalos erzählt ihre Lebensgeschichte – und übernimmt zugleich die weibliche Hauptrolle der Toula Portokalos. „20 Jahre danach“ ist zwar ihr Vater (Kostas „Gus“ Portokalos, dargestellt von Michael Constantine) verstorben – aber eine neue, hoffnungsvolle Generation Chicagoer griechischer Abkunft herangereift: Mit der griechischstämmigen Großfamilie im Gepäck geht der Flieger nun gen Griechenland. Gemäß der Konvention stolpern die Großstädter durch die Insel-Einöde – um schließlich doch erkennen zu dürfen: „Wir sind alle mangelbehaftet – aber ohne Familieneinheit eben gar nichts.“ Unnötig zu erwähnen: Es gibt auch in diesem Sequel etliche Verwechslungs- und darauffolgende Aufdeckungs-Szenen sowie natürlich eine Hochzeit (zwischen einem griechischen Bauernsohn und der schönen Syrerin). „My Big Fat Greek Wedding“ ist gut gemachter Kitsch (wer’s freilich mag), die eine oder andere Träne darf gerne zerdrückt werden – und am Ende fällt man einander in die Arme. (Rudolf Preyer) My Big Fat Greek Wedding – Familientreffen (My Big Fat Greek Wedding 3) USA 2023. Regie Nia Vardalos. Mit Nia Vardalos, John Corbett. Universal. 91 Min. MEDIEN IN DER KRISE Journalistische Qualität meint auch Selbstkritik Das Ö1-Magazin Doublecheck lieferte letzten Freitag ein Gustostückerl öffentlich-rechtlicher Qualität: Es ging um Kriegsberichterstattung, Fake News und Propaganda dabei – und auch um den Fehler des ORF-Ukraine-Korrespondenten Christian Wehrschütz, der einen ZIB1-Bericht über Korruption in der Ukraine mit Fake-Videos russischer Provenienz illustriert hatte. Das Ö1-Medienmagazin lieferte einen Beitrag, wie das Problem unter vielen Gesichtspunkten dargestellt werden muss, und wie schwierig es ist, gerade in der Kriegsberichterstattung journalistisch korrekt zu informieren. Journalistisch korrekt auch, dass rund um den Fehler des ZIB1- Berichtes auch Wehrschütz, seine Arbeit und seine Reaktionen auf den Fehler thematisiert wurden. Leider stand er selber (im Gegensatz zu anderen Medien) hier nicht für ein Interview zur Verfügung. Kritischer Journalismus bedeutet, sich auch mit der eigenen Branche oder dem eigenen Haus auseinanderzusetzen, und dass dies auf Ö1 „pro domo“ möglich war, sollte dem ORF angerechnet werden. Auch der FURCHE-Leitartikler hatte ja Wehrschütz kritisiert (FURCHE 34, Seite 1) – und zwar nicht wegen des Fehlers, sondern ob seines Umgangs damit: etwa dass Wehrschütz sich via Kronen Zeitung an die Öffentlichkeit wandte und dort wortreich beklagte, dass er zu Unrecht einer Putin-nahen Berichterstattung geziehen werde. Nochmals: Fehler passieren; und wenn man damit transparent umgeht, wird niemand einen Stein werfen. Aber in der Art, wie sich Wehrschütz erklärte, lag auch eine Selbststilisierung als Opfer böser Kritik. Dieser Umgang der Verteidigung – auch und gerade via Boulevard – muss den Medienkritiker auf den Plan rufen. Dass im Ukrainekrieg hüben wie drüben Propaganda zu finden ist, bleibt unbestritten. Aber dass es dennoch eine Asymmetrie gibt – ein Korrespondent in Moskau kann mit Sicherheit nicht so über Korruption in Russland berichten wie Wehrschütz über jene in der Ukraine – muss gerade ein Kriegsberichterstatter in seiner Arbeit ebenso thematisieren. Derartiges war aus Wehrschütz’ Reaktionen nicht zu hören. Und wenn mittlerweile noch zu hören ist, Doublecheck wäre deswegen so „selbstkritisch“ , weil Wehrschütz bei seinen ORF-Kollegen nicht wohlgelitten sei, kann man sich die Ahnung nicht verkneifen, dass hier „typisch österreichisch“ vernebelt wird: Denn im Doublecheck-Beitrag wurden all diese Aspekte genau angesprochen. Kritische Auseinandersetzung mit Position, Gegenposition usw. ist für Medienqualität unabdingbar. Und hat zu geschehen, sei sie gelegen oder ungelegen. Doublecheck sei Dank, dass diese journalistische Grundregel hier so klar befolgt wurde. (Otto Friedrich)

DIE FURCHE · 36 7. September 2023 Theater 21 Von Christine Ehardt bevor es wieder finster wird“, lautet „Aufwachen, Martin Kušejs Slogan für seine letzte Spielzeit. Der scheidende Burgtheaterchef stellt eine politische Saison in Aussicht, unterdessen startet man auf der Bühne lieber in schlaftrunkener Bedächtigkeit. Und doch passt Barbara Freys Inszenierung von „Ein Sommernachtstraum“ erstaunlich gut zu Kušejs Ansage. Frey nimmt der vielgespielten Komödie zwar das Tempo, nicht aber dessen dystopische Ausdruckskraft. So langsam, zurückgenommen, humorvoll und hochaktuell hat man William Shakespeares mehr als 400-jähriges Erfolgsstück über Liebe und Leiden selten gesehen. Gleich zu Beginn wird die Athener Hofgesellschaft in all ihrer Garstigkeit gezeigt. Die Köpfe übereinandergestapelt, richten sie über das Schicksal der an der Rampe schlafenden Hermia (Meike Droste), die sich vor Liebe zu Lysander (Marie-Luise Stockinger) verzehrt, aber vom Vater in die Ehe mit Demetrius (Langston Uibel) gezwungen wird. Herzog Theseus (Markus Scheumann) hat sein Urteil schnell gesprochen: Heirat mit dem verschmähten Demetrius ‒ oder es wartet der Tod. Er selbst hat noch freudvollere Entscheidungen zu treffen. In vier Tagen soll die Hochzeit mit Hippolyta (Sylvie Rohrer) gefeiert werden. Achtung! Triggerwarnung Bis dahin hat die unglückliche Hermia Zeit zu wählen, da ist ein Fluchtplan mit dem Liebsten schnell gefasst und schon geht es ab in den Zauberwald, gefolgt von Demetrius und Helena (Lili Winderlich), die nur allzu gern anstelle Hermias dessen Liebeswerben erliegen möchte. Dort warten Feenkönig Oberon (Rohrer) und sein Gehilfe Puck (Dorothee Hartinger) darauf, die vier in noch größere Liebeswirren zu stürzen. Das verwunschene Waldstück voller Zauberwesen hat jedoch schon bessere Tage gesehen. Auf der Bühne entfaltet sich dank ausgeklügelter Drehtechnik Stück für Stück ein Autofriedhof inklusive verrosteten Containern und kläglichem Baumbestand. Das Setting mag verwirren. Was macht ein florierendes Elfenreich Foto: Matthias Horn Mit neuen Ideen und einer breiten Themenpalette inszeniert Barbara Frey Shakespeares Klassiker „Ein Sommernachtstraum“ am Burgtheater. Relaxt und groovy in den Theaterherbst mitten unter Autowracks? Doch gibt Feenkönigin Titania (Scheumann) selbst Auskunft über die Endzeitatmosphäre ihres Königreichs. Ein Streit mit Oberon lässt die Jahreszeiten und die Natur erschüttern und tatsächlich scheint Shakespeares Text in diesem trostlosen Bühnenbild den Klimawandel vorwegzunehmen. Auch sonst lässt Frey den Komödienklassiker mit neuen Ideen versehen. Ihre Themenpalette ist dabei weit gefasst und die präzise gesetzten Worte legen in ihrer gewitzten Akzentuierung ganz neue Deutungsräume offen. Neben der Klimakatastrophe sind das unter anderem patriarchale Strukturen, Bodyshaming, Solidarität und die erste Triggerwarnung der Unterhaltungsindustrie. Denn im Stück im Stück „Pyramus und Thisbe“, das eine beherzte Laientheatertruppe zu Ehren von Theseus Vermählung im Zauberwald probt, wird zur Schonung des Publikums vor Löwengebrüll und Messerstichen gewarnt. Überhaupt mutiert das Amateur-Theaterstück zur meistbeklatschten Bravournummer des Abends. Mit Verve und Zärtlichkeit stürzt sich Zettel (Oliver Nägele) nach geglückter Rückwandlung vom Esel und Liebesgefährten der Titania als Pyramus in die unheilvolle Liebe zu seiner „Tössne“. Ein weiterer Höhepunkt ist Scheumanns Auftritt als grazile Titania mit beeindruckender Hochsteckfrisur und Flüsterstimme. Und auch das ihr zur Seite stehende Elfenpaar (Gunther Eckes und Sabine Haupt), mit frappanter Ähnlichkeit zu den „Shining“-Zwillingen, überzeugt durch verspieltclowneske Bewegungsabläufe. Dazwischen erfasst große Erschöpfung die Schauspieler, die abrupt zu Boden sinken, um das nächste Schläfchen abzuhalten, nur den genervten Puck lässt die undurchschaubare Gefühlswelt der Menschen und Feen kalt. Insgesamt ist die Stimmung relaxt und „groovy“ (herzzerreißend: Haupts und Eckesʼ gerappte Version von „Feelin’ Groovy“). Das macht auch die live gespielte Musik von Josh Sneesby deutlich, zu dessen Klängen das Ensemble beim Happy End in Slow Motion das Tanzbein schwingt. Verdrehte Welt Humorvoll, aber mit klaren Verweisen zu Themen unserer Zeit verläuft „Ein Sommernachtstraum“; mit Markus Scheumann (Titania), Oliver Nägele (Zettel), Sabine Haupt und Gunther Eckes (Elfenpaar). „ Das Setting mag verwirren. Was macht ein florierendes Elfenreich mitten unter Autowracks? Ein Streit mit Oberon lässt die Jahreszeiten und die Natur erschüttern. “ Frey hat die Auftaktproduktion für die heurige Burgtheatersaison bereits im August bei der Ruhrtriennale gezeigt (deren Intendantin sie aktuell noch ist). Die Premiere wurde von den deutschen Medien mit Zurückhaltung aufgenommen. In Ästhetik und Ausdruck erinnert diese Inszenierung an ihre letzte Koproduktion „Das weite Land“, die 2022 am Akademietheater gezeigt wurde. Auch diesmal setzt sie ganz auf Reduktion und Sorgfalt. Licht, Farben, Sprache, Mimik und Gestik sind verhalten eingesetzt und doch entfaltet sich ein spannungsgeladener Abend voller Tiefgründigkeit und Humor, der vom Premierenpublikum mit viel Beifall quittiert wurde. Ein Sommernachtstraum Burgtheater, 9., 18., 23.9. KREUZ UND QUER GRÄFIN – ORDENSFRAU – BEFREIERIN DI 12. SEPT 22:35 In flammenden Appellen wollte sie Spendengelder gegen die Sklaverei und für die Missionen in Afrika sammeln: Maria Theresia Ledóchowska (1869–1922). Die zierliche Frau ließ ihr sorgenfreies Leben als Hofdame hinter sich, um in Bergheim bei Salzburg die Ordensgemeinschaft Maria Sorg zu gründen. 1975 wurde sie selig gesprochen. Regisseurin Gabriele Neudecker zeichnet das filmische Portrait einer außergewöhnlichen Frau und ihrer Zeit. religion.ORF.at Furche23_KW36.indd 1 28.08.23 17:10

DIE FURCHE 2024

DIE FURCHE 2023