36 · 7. September 2023 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 79. Jg. · € 4,– „In seiner Sterbesekunde war ich da“ Ein Porträt der Kinderkrankenpflegerin Gabriele Hintermayer im Rahmen der Reihe „Gesichter des Zusammenhalts“. · Seiten 12–13 Erben und Reiche zur Kasse bitten? Katholische Abgründe: Missbrauch der Seelen Von Schokolade herbeigeträumt Ob Steuern für Vermögende zum Wohle der Allgemeinheit erhöht werden sollen, ist eine Grundsatzfrage. Zwei Standpunkte. · Seite 5 Spiritueller und sexueller Missbrauch als Kehrseite Neuer geistlicher Gemeinschaften. Andere Gruppen setzen auf die Vergangenheit. · Seite 9 Die Entwicklung Englands nach 1945 erzählt Jonathan Coes Roman „Bournville“ durch eine Familiengeschichte. · Seite 17 Das Thema der Woche Seiten 2–4 ChatGPT und Ressourcen prägen den Diskurs über Schule. Deren elementare Aufgaben geraten dabei leicht aus dem Blick. Wofür muss sie junge Menschen rüsten? Lernziel: Leben Collage: Rainer Messerklinger (unter Verwendung von Bildern von iStock/Igishevamaria bzw. iStock/Serg_Velusceac) Foto: IMAGO / Photo12 Chiles 11. September Vor 50 Jahren haben Militärs den linken Reformer Salvador Allende gestürzt und das Land unter Augusto Pinochet in eine Diktatur gezwungen. Der Schriftsteller Erich Hackl und drei Wiener Exil-Chilenen über den Putsch und seine Folgen. Seiten 6–7 Eine (Kickl-lose) Koalition mit der FPÖ – damit liebäugelt die Volkspartei. Ein Beleg dafür, dass der strukturelle Rassismus im Land einfach hingenommen wird. Der unheimliche Groll AUS DEM INHALT „Wahrheit ist eine verbrauchte Idee Kann man zwischen „wahr“ und „falsch“ Trennlinien ziehen? Und wie funktioniert Unterscheidung generell? Ein philosophisches Gespräch. Seiten 10–11 Von Brigitte Quint „ Es gilt darüber nachzudenken, Türkisch, Arabisch oder Serbisch als dritte Fremdsprache zu etablieren. “ schen aus Osteuropa, Sinti und Roma, werden immer wieder neu reproduziert: in der Familie, in der Schule, in der Politik, seitens der Behörden, durch die Medien. Dass über die rassistischen Äußerungen einer Junggesellenpartie gnädig hinweggesehen und Kindern suggeriert wird, von Ausländern ginge eine Gefahr aus, korreliert mit der Akzeptanz, die den Freiheitlichen entgegengebracht wird. Laut Umfragen würden sie gegenwärtig mit 28 Prozent der Stimmen rechnen können. Fast jeder dritte Befragte dürfte also die offen menschenrechtsfeindlichen Äußerungen vieler Parteifunktionäre – von Kickl abwärts – schlimmstenfalls goutieren, bestenfalls als Kavaliersdelikt begreifen. Hassreden als Kavaliersdelikt? In dieses Lagebild passt die Positionierung der ÖVP, die eine Absage an Schwarz- Blau nach der nächsten Wahl vermeidet. Auch der Kanzler hat im ORF-Sommergespräch eine erneute Zusammenarbeit nicht ausgeschlossen. Zwar scheint Kickl die persona non grata zu sein, aber Parteiobmann könnte er im Falle des Falles wohl bleiben. Dass das jüngste Video der FPÖ-Jugend, das mit seiner rechtsextremen Bildsprache Ein gedrängt voller Zugwaggon auf der Strecke zwischen Salzburg und Bayern. Unter den Passagieren: junge Männer aus Braunau, die einen Junggesellenabschied feiern. Alle trinken Dosenbier und grölen „Die Inder fressen unsere Kinder“, sobald eine Person, die optisch ein Zuwanderer sein könnte, den Durchgangsbereich passiert. Ein Teil der anderen Fahrgäste schaut beschämt zu Boden. Ein anderer schmunzelt. Auch der Schaffner. Ganz besonders der Schaffner. Ortswechsel. Ein Weiler in der Steiermark. 2015 wurde ein altes Bauerngehöft in eine Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert. Der anfängliche Unmut hat sich gelegt. „Nur die Tür muss man halt fest zugesperren, seit die da sind“, meint ein Zwölfjähriger. Wie viele Einbrüche gab es in den vergangenen acht Jahren? „Noch keinen.“ Gelächter bei den Erwachsenen. Der Widerspruch bleibt unthematisiert. Zwei Anekdoten, zwei Beispiele für Alltagsrassismus, zwei Belege, das dieser mitnichten nur am rechten Rand zu finden ist – sondern in der Mitte der Gesellschaft. Die Ressentiments, der heimliche Groll gegenüber Schwarzen, Asiaten, Muslimen, Menund der Hervorhebung des sogenannten Hitlerbalkons bei Nicht-FPÖ-Sympathisanten für Empörung sorgte, zu keinem Umdenken geführt hat, ist wenig überraschend. Der strukturelle Rassismus in Österreich wird einfach hingenommen. Dabei gäbe es durchaus Maßnahmen, die dem entgegenwirken könnten. Erstens: die Ausweitung des Faches „Politische Bildung“ mit Schwerpunkt Menschenrechte auf die Volksschulen. Denn Zivilcourage ist lernbar. Zweitens: politische Mitbestimmung. Dass Einwanderer aus Nicht-EU-Staaten hiervon gänzlich ausgeschlossen sind, spielt dem Alltagsrassismus in die Hände. Parlamentsparteien müssen bei ihren Beschlüssen keine Rücksicht auf Einwanderer als potenzielle Wähler nehmen. Drittens: einen bildungspolitischen Paradigmenwechsel. Es gilt darüber nachzudenken, auch Türkisch, Arabisch oder Serbisch als eine der dritten Fremdsprachen an höheren Schulen zu etablieren. Das würde die Fähigkeiten von Minderheiten aufwerten. Auch das heißt Integration. Viertens: verpflichtende Schulungen zum Thema Rassismus (ebenso zu Antisemitismus) für Beamte ausweiten. Wohl auch für Schaffner ... Die Junggesellen wollten übrigens auf eines der Herbstfeste nach Bayern. Seit Markus Söder (vgl. Seite 14) seinen Skandal- Stellvertreter Aiwanger begnadigt hat, dröhnen die „Jetzt erst recht“- Parolen besonders laut aus den Bierzelten. Dass die Truppe dort mit ihrer Art Gegenwind erfahren hat, ist unwahrscheinlich. Gemeinsame Feinde erhalten die Freundschaft. brigitte.quint@furche.at Journalismus kann Leben retten Golli Marboe macht sich im „Diesseits von Gut und Böse“ Gedanken zum Welttag der Suizidprävention am 10. September – und zum „Papageno-Medienpreis“. Seite 15 Vergessene Welt der Silberscheiben Videotheken waren früher an jeder Ecke zu finden, heute sind sie ein rares Relikt einer vergangenen Zeit. Zu Besuch an einem besonderen Ort. Seite 19 Sorgsam hineingedehnt Langes Sitzen und Fehlhaltungen fördern die „Volkskrankheit“ Rückenschmerzen. Arzt und Yoga-Therapeut Peter Poeckh hat dafür ein natürliches Heilmittel. Seite 23 Federspiel: Fremdkörper Lydia Mischkulnig war im Turm, dessen Front groß das Gesicht eines Ex-Politikers ziert. Über Hybris und die Kunst, Puppen als Larven einer Macht zu entlarven. Seite 24 furche.at Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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