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DIE FURCHE 07.06.2023

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DIE FURCHE · 23 20 Film & Medien 7. Juni 2023 MEDIEN IN DER KRISE Künstliche Intelligenz Mario Martone taucht in „Nostalgia“ mit atmosphärisch dichten Bildern ins sozial zerrissene neapolitanische Stadtviertel Sanità ein. Künstliche Intelligenz (KI) ist bekanntlich längst keine Utopie (oder, je nach Blickwinkel: Dystopie) mehr. Insbesondere seit dem Aufkommen der Texterstellungssoftware ChatGPT ist KI in den Kanälen der Alltagskommunikation angekommen. Zwar ist das Programm (noch) nicht der Wunderwuzzi, als der es gehypt wird. Aber als Angehöriger der schreibenden Zunft kann man sich schon Sorgen machen, ob und wie die sprachliche Kreativität von KI beeinflusst wird. Wie bei vielen neuen Technologien überwiegen bei KI einmal die Vorbehalte, während gleichzeitig KI-basierte Technologien auch im Journalismus längst eingesetzt werden. Es wird wohl in Zukunft kein Weg daran vorbeiführen. Nun sollen nach dem Willen der EU-Kommission Texte oder Bilder im Internet, die mittels KI geschaffen worden sind, entsprechend gekennzeichnet werden. Nach den Worten der zuständigen EU-Kommissarin Vera Jourova sollten Internet-User klar erkennen können, dass bestimmte Inhalte nicht von Menschen geschaffen worden seien. Plan ist, dass Plattformen, die sich freiwillig dem EU-Verhaltenskodex gegen Desinformation angeschlossen haben, auch eine derartige KI-Kennzeichnung durchführen. Zu diesen Plattformen zählen Google, Facebook, Youtube oder Tiktok. Twitter hingegen hat diese Gruppe allerdings verlassen – ein weiterer Schlag gegen die Vertrauenswürdigkeit der Informationen aus dem Musk-Universum. Zuletzt gab es vor allem rund um Google Versuche, mit Kampagnen Desinformationen leichter erkennbar zu machen. KI, die per se natürlich nicht „böse“ ist, macht es schwerer, fake von facts zu unterscheiden. Von daher ist jede Initiative zu begrüßen, KI-generierte Inhalte zu kennzeichnen. Ob es allerdings reicht, hier auf Freiwilligkeit zu setzen, steht auf einem anderen Blatt. Richtige Information ist ebenso wie Qualitätsjournalismus ein hohes Gut. Die EU tut gut daran, den Plattformen wirklich auf die Finger zu schauen. (Otto Friedrich) Francesco Di Leva (links) als Padre Luigi Rega, Pierfrancesco Favino als Felice Lasco in Mario Martones Film „Nostalgia“. Von Walter Gasperi Vierzig Jahre war Felice Lasco (Pierfrancesco Favino) im arabischen Ausland. Als Teenager hat ihn sein Onkel nach Beirut mitgenommen, in Kairo hat er sich ein Baugeschäft aufgebaut und lebt mit seiner Frau in einer schicken Wohnung. Jetzt kehrt er in seine Heimatstadt Neapel – oder genauer ins Viertel Sanità – zurück, um nochmals seine Mutter zu besuchen. Bewegend ist die Begegnung mit dieser alten Frau. Man spürt in den zärtlichen Berührungen und Umarmungen, wie sehr sie sich vermisst haben, wie glücklich sie das Wiedersehen macht. Sofort mietet Felice für seine Mutter eine größere und hellere Wohnung. Wenig später ist die Mutter aber tot. Felice aber denkt nicht daran, abzureisen, obwohl sein Motorrad in Brand gesteckt wird und ihn eine Schmiererei in seiner Wohnung zum Verlassen der Stadt auffordert. Der Priester des Viertels spürt, dass den Heimkehrer etwas bedrückt, doch erst nach „ Atmosphärisch dicht werden die engen Gassen, die einfachen und auch baufälligen Wohnungen eingefangen, die aber immer auch Lebensfreude ausstrahlen. “ längerem Zögern erzählt Felice von einer Jugendfreundschaft und einem traumatischen Erlebnis. Sein Jugendfreund ist inzwischen aber im Viertel der Boss der Camorra und der schärfste Feind des Priesters, der versucht, die Jugendlichen mit Sportangeboten und einem Orchester vom Verbrechen fernzuhalten und ihnen einen anderen Weg in die Zukunft zu weisen. Solo für Pierfrancesco Favino Auf Schritt und Tritt folgt Mario Martone in seiner Verfilmung von Ermanno Reas 2018 erschienenem Roman „Nostalgia“ Felice. Eine Paraderolle ist das für Pierfrancesco Favino („Il traditore“, „Auf alles, was uns glücklich macht“). Mit seinen Blicken und Gesten, die stets Wohlwollen und Güte ausstrahlen, sorgt er dafür, dass man schnell Sympathie für den wortkargen Mann entwickelt, der in Ägypten zum Islam konvertiert ist. Spürbar wird auch, wie er den Bezug zu seiner Heimatstadt verloren hat, wenn er nach seinem seltsamen Akzent gefragt wird oder wenn ihm beim Einkauf bestimmte italienische Worte nicht mehr einfallen. Doch langsam wächst er wieder in diese Welt hi nein. Immer wieder lösen so auch Gassen und Plätze Erinnerungen und damit Rückblenden aus, die durch das enge 4:3-Format von der Gegenwartshandlung abgehoben sind. Kein verklärend-nostalgischer Blick auf die Jugend ist das aber, sondern vielmehr Fremd in der eigenen Stadt ein melancholischer. Durchzogen von dieser Melancholie ist auch der Blick der Kamera von Paolo Carnero auf das gegenwärtige Viertel Sanità. Atmosphärisch dicht werden die engen Gassen, die einfachen und teils auch baufälligen Wohnungen eingefangen, die aber immer auch durch ihre Bewohner Lebensfreude und Vitalität ausstrahlen. Mit dem Blick Felices auf diese von ihm neu entdeckte Welt gewinnt man aber auch ein präzises Bild vom Spannungsfeld dieses Milieus zwischen allgegenwärtiger Gewalt auf der einen Seite und sozialem Engagement des Priesters auf der anderen. Langsam und mäandernd entwickelt Martone die Handlung, doch durch die sorgfältige und runde Erzählweise, die atmosphärische Dichte und vor allem durch Pierfrancesco Favino zieht „Nostalgia“ sukzessive tiefer in seinen Bann. Nur in kurzen Szenen und eher im Hintergrund mag die Camorra konkret präsent sein, doch immer scheint ihr Schatten über dem Film und Felice zu lasten. Jederzeit scheint hier ein Anschlag möglich, sodass sich die Spannung vor allem im Finale nochmals steigert. Nostalgia I/F 2022. Regie: Mario Martone Mit Pierfrancesco Favino, Francesco Di Leva, Tommaso Ragno, Aurora Quattrocchi, Sofia Essaïdi, Nello Mascia. Polyfilm. 117 Min. PRÄSENTIERT ACTIONFILM Tschinbumm fürs Multiplex FILMMONTAG 7500 Im Cockpit eines Airbus auf dem Flug von Berlin nach Paris ist die Hölle los. Islamisten haben in der Kabine Geiseln genommen und versuchen, die Piloten auszuschalten. Eine existenzielle Zerreißprobe – insbesondere für den Co-Piloten Tobias (Joseph Gordon-Levitt). Otto Friedrich (DIE FURCHE) und Christian Rathner (ORF) zeigen und analysieren diesen deutsch-österreichischen Actionfilm aus dem Jahr 2019. Montag, 12. Juni, 19 Uhr, Otto-Mauer-Zentrum, 1090 Wien, Währinger Straße 2–4. Infos: www.kav-wien.at Foto: Credit Mit „Transformers: Aufstieg der Bestien“ sind wir mitten in der Saison sinnentleerter Sommerblockbuster angekommen. Der Film ist der jüngste Eintrag in jenem Unterhaltungsfranchise, das auf den sich in Roboter transformierenden Spielzeugautos basiert und durch Michael Bays „Transformers“-Filme (2007–2017) weltweit bekannt wurde. Travis Knights „Bumblebee“ (2018) brachte zuletzt frischen Wind in die Reihe, indem er die Freundschaft eines Mädchens zu einem Außerirdischen ins Zentrum stellte, anstatt sich wie Bay bloß der Fetischisierung von Metall und Frauenkörpern hinzugeben. Mit „Aufstieg der Bestien“ bewegt sich die „Transformers“-Reihe nun wieder auf bewährtem Terrain. Regisseur Steven Caple Jr. lässt Bays Sexismen zwar dankenswerterweise hinter sich, die Figuren bleiben nur leider trotzdem völlig farblos. Anthony Ramos als Ex-Soldat und Dominique Fishback als toughe Archäologin geben ihr Bestes, können aber nicht verhehlen, dass sie Statisten im Kampf intergalaktischer Roboterrassen bleiben. Die Actionszenen sind kompetent genug inszeniert, dass man in all dem Krawall nicht die Übersicht verliert. Für eine Handvoll Popcorn reicht’s. (Philip Waldner) Transformers: Aufstieg der Bestien (Transformers: Rise of the Beasts) USA 2023. Regie: Steven Caple Jr. Mit Anthony Ramos, Dominique Fishback, Peter Cullen (Stimme), Pete Davidson (Stimme), Ron Perlman (Stimme). Constantin. 127 Min.

DIE FURCHE · 23 7. Juni 2023 Film 21 COMING-OF-AGE-FILM Beziehungsgeschichte, auf ihre Weise tiefgehend Von Otto Friedrich Lake“ ist das Regiedebüt der frankokanadischen Schauspielerin „Falcon Charlotte Le Bon – und was für eines! Und es ist zugleich der berührende Talentbeweis von Joseph Engel, der in der Rolle des 13-jährigen Bastien eine mehr als gelungene Probe seines Könnens vorlegt. Bastien ist ein schüchterner französischer Teenager, der mit seinen Eltern Urlaub in einem Holzhaus am Falcon Lake im kanadischen Québec macht. Ein Ort mit Idylle, aber auch Potenzial zum Unheimlichen. Zumindest legen dies die Bilder, die viel mit Zwielicht und Dunkelheit arbeiten, nahe. Und Bastien, der seine ersten Schritte gen Mannwerdung versucht, hat dennoch vor allem Augen für seine Cousine Chloé, die drei Jahre älter ist als er. In spielerischer wie ambivalent abweisender Art kommen die altersmäßig ungleichen Jugendlichen zueinander und entfernen sich wieder. Das ganze Reservoir von erwachender Erotik und Gefühlsachterbahn entlädt sich in Bastien, wobei Chloé sich nicht immer klar entscheidet, ob sie den Jüngeren an sich heranlässt oder doch die lokale gleichaltrige Jugend, die sich allabendlich bei Party und mehr vergnügt. Dazu kommt noch ein Geist, von dem man sich hinter vorgehaltener Hand erzählt und der die mystische Grundstimmung bedrohlich verstärkt. Sara Montpetit ist als Chloé das glaubwürdige Pendant zum suchenden Bastien. Eine Romanze der besonderen Art ist Le Bon gelungen. Und eine auf ihre Weise tiefgehende Beziehungsgeschichte, was man bei deren Herkunft – Vorlage für den Plot bildete die Graphic Novel „Eine Schwester – kaum vermutet hätte. Falcon Lake CDN/F 2022. Regie: Charlotte Le Bon. Mit Joseph Engel, Sara Montpetit. Filmladen. 100 Min. Bastien (13; Joseph Engel) und Chloé (16; Sara Montpetit) entdecken ihre Gefühle füreinander. DOKUMENTARFILM „Schulen dieser Welt“ zeigt drei Lehrerinnen aus verschiedenen Weltgegenden. Schule ist Gesellschaft Interessanterweise sind im Subgenre „Schulfilm“ – sei es Dokumentar- oder Spielfilm – kaum regelrecht misslungene Beispiele zu finden. Auch der Dokumentarfilm „Schulen dieser Welt“ von Emilie Thérond begreift die tiefe Verankerung und reziproke Verzahnung des Themas in den herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen und beleuchtet die Themen Schule, System und Bildung in einerseits informativer, andererseits auch emotionaler Weise. Sie entscheidet sich für die Perspektive der drei Lehrerinnen Sandrine, Svetlana und Taslima, die unter sehr anspruchsvollen Bedingungen in einem kleinen Dorf in Burkina Faso, in schneeversunkenen Nomaden zelten in Sibirien oder während des Monsuns in Indien auf einer ausrangierten Fähre jeweils so viele Kinder wie möglich auf einmal unterrichten, weil sie deren einziger Zugang zu Bildung, Wissen und damit verbundener Emanzipation sind. Über die informativen Elemente hinaus gelingt es Thérond, anhand weniger Einzelgeschichten deutlich dafür zu sensibilisieren, wie essenziell Bildung für das individuelle Würde-Empfinden eines jeden Menschen ist. Aber nicht nur das. Wer den Wert der Würde verstanden hat, muss, nein, will sich umgehend und mit aller Vehemenz daran machen, herrschende Unterdrückungsstrukturen abzuschaffen. Genau: so wie diese drei Lehrerinnen. (Alexandra Zawia) Printwerber des Jahres: ÖBB Auto & Motor Volvo Car Austria Agentur: Havas Village Wien Dienstleistungen McDonald´s Österreich Agentur: DDB Wien Soziales & Karitatives Greenpeace Österreich Agentur: DDB Wien Handel, Konsum- & Luxusgüter BioBloom Agentur: Demner, Merlicek & Bergmann / DMB. Kreativer Einsatz von Onlinewerbung Miele Austria Agentur: TUNNEL23 Schulen dieser Welt (Étre Prof) F, 2021. Regie: Émilie Thérond Mit Sandrine Zongo, Svetlana Vassileva, Taslima Akter. Filmladen. 83 Min.

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