DIE FURCHE · 23 2 Das Thema der Woche Väter von Welt 7. Juni 2023 AUS DER REDAKTION Der Bedarf an umstürzlerischer Innenpolitik ist langsam gedeckt. Ob die Sozialdemokratie das beherzigt, ist zwar eine andere Frage – aber ich wollte es doch gesagt haben. Es gibt nämlich auch noch andere wichtige Themen. Zum Beispiel die Frage, was es anno 2023 heißt, Vater zu sein. Wie breit hier die Palette ist – dies- und jenseits der Grenzen dieser Operettenrepublik –, entfaltet Victoria Schwendenwein in ihrem Fokus „Väter von Welt“. Dass Paschas nicht nur hier abgemeldet sind, sondern auch im Tierreich, lesen Sie ergänzend auf Seite 22. Im Journal beleuchtet Wolfgang Machreich indes die vieldiskutierte Frage, ob man angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine für Frieden werben darf. Inwiefern Russland die liberale Demokratie gefährdet, kommt auch im Interview mit der Politikwissenschafterin Ulrike Ackermann zur Sprache. Neben diesen äußeren Bedrohungen ortet sie freilich auch innere – etwa die Verengung der Diskursräume durch Identitätspolitik. Wer sich stets für Weite ausgesprochen hat, war Johannes XXIII. Otto Friedrich würdigt den Konzilspapst zum 60. Todestag – und Hubert Gaisbauer wirbt im „Erklär mir deine Welt“ für Offenheit für Romantik. Das Feuilleton eröffnet mit einem Porträt des weitgereisten Literaten Pierre Loti, der vor hundert Jahren gestorben ist – und Brigitte Schwens-Harrant bespricht A. L. Kennedys neuen Roman „Als lebten wir in einem barmherzigen Land“. Klingt nach Pflichtlektüre – nicht nur für die SPÖ. (dh) Von Peter Strasser Den Vatertag gibt es in Österreich seit 1956. Damals war ich sechs Jahre alt. Aber weit und breit kein Vater in Sicht. Das blieb so. Also habe ich den Vatertag niemals gefeiert. Ich weiß nicht, ob ich mich als Heranwachsender hätte bedauern sollen, vor allem wegen meiner Klassenkollegen, die mit ihren Vätern protzten. Was diese alles konnten und wie viel sie verdienten! Ihre Sprösslinge bekamen nicht bloß ein Butterbrot zur Jause mit, sie hatten stets reichlich Taschengeld, und mit dem Papa durften sie tolle Ausflüge machen … Ich habe meinen Vater nur einmal kurz getroffen, er spendierte mir eine heiße Schokolade, ich war froh, dass ich mir nicht den Gaumen verbrannte. Später habe ich dann von Familiendramen gehört und gelesen, in denen Väter verbissen um ihren Sohn kämpften, während sie Anwälte engagierten, um, gegen den Willen der Kindesmutter, ein Obsorge- oder Besuchsrecht zu erhalten. Da erst wurde mir vollends bewusst, dass ich mich jedenfalls nicht im Nachteil befand gegenüber jenen, die das Schnulzenstück „Vater, Mutter, Kind“ vor ihren Freunden und Bekannten bei jeder Gelegenheit zur Aufführung brachten. Mama hin und Papa her, ich hingegen: ohne Vater, auch gut! Der Traum vom Superhero Weshalb sage ich das? Weil ich, nachdem ich mehrfach Vater geworden war, mir immer innigst wünschte, dass meinen Kindern niemals in den Sinn käme, sich vorzustellen, dass es gut sein könnte, keinen Vater zu haben. Erst selbst Vater geworden, überkam mich der Vaterstolz. Und die Vaterliebe. Ich würde meine Kinder stets liebend umsorgen, egal, wie sie sich entwickelten und was sie anstellen mochten – so wie ich von meinen Kindern geliebt werden wollte, auf dieselbe unbedingte Weise, wie ich sie liebte. Und nun darf ich hoffen, dass mein Wunsch in Erfüllung ging. Stets rührt es mich fast zu Tränen, wenn Bruce Willis (der mittlerweile leider an Demenz leidet) in einem seiner Actionkracher von seiner halbwüchsigen Filmtochter, die er am liebsten zu Hause für immer vor den bösen Jungs weggesperrt hätte, scheinbar tief verachtet, ja als asshole beschimpft wird – bis er sie, beim nervenzerfetzenden Finale des Films, auf heldenhafte Weise aus den Fängen irgendwelcher Bösewichte errettet, woraufhin das Tochterherz ihm um den Hals fällt: „Oh daddy! You’re the best, I love you!“ Ich glaube, dass viele Väter ihren Kindern gegenüber nur allzu gerne Superhelden sein möchten Pendant in Polen Gedichte, Basteleien, Gratulationen – der Großvatertag als Pendant zum Vatertag hat etwa in Polen einen Fixplatz im Kalender. Er ist angelehnt an den 1978 gesetzlich verankerten Großelterntag in den USA. Die Einführung des Vatertags betrachtete Erich Gschwend in „... Vater sein dagegen sehr“ (19.7.56) kritisch. Zu lesen auf furche.at. Der zweite Sonntag im Juni ehrt seit 67 Jahren die Papas. Ebenso lange wird darüber diskutiert. Über fehlende und neue Helden – und wie der Opa Abhilfe schaffen kann. Weit und breit kein Vater Foto: iStock/RyanJLane (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger) und dass sie darunter leiden, eine zivile Existenz zu führen, von der ihr Nachwuchs nur weiß, dass sie als junge Heißsporne gerne „etwas ganz anderes“ gemacht hätten. Unter solchen Umständen ist es eine Art Ersatztrost, wenn die Kinder – angefeuert von der Mama – mit ihrem biologischen Erzeuger den Vatertag feiern. Die von Vatertagskritikern gebetsmühlenartig wiederholten Argumente sind bestens bekannt: Jawohl, der Nachwuchs hätte nie das Licht der Welt erblickt, wenn nicht der väterliche Samen in einer Liebesnacht (und manchmal nur in vitro, so eben sind die modernen Zeiten) seinen Beitrag geleistet hätte; aber das ist kein Grund, den Samenspender zu feiern, oder? Ferner, der moderne Vater nimmt, falls er nicht ein schlimmer Reaktionär oder, schlimmer noch, ein scheinliberaler „Abseiler“ ist, an der Erziehung und am Wohlergehen seiner Kinder aktiv teil; aber das ist von Gesetzes wegen ohnehin seine Pflicht, oder? Bleibt, gleichsam als menschlicher Überschuss, die väterliche Liebe, die in den Nachwuchs „investiert“ wird (so liest sich’s tatsächlich bei ökonomisierenden Autoren über die Kinderaufzucht); aber wenn die Liebe erst „investiert“ werden muss, dann ist sie schon keine echte Vaterliebe mehr – und dann mutet es patriarchal an, von der „Frucht meiner eigenen Lenden“ zu erwarten, dass sie vatertägliche Liebe verströmt, oder? Neue Rituale, alte Muster Nach diesem dreifachen rhetorischen „Oder?“ der Vatertagsskeptiker darf nun jedoch ein viertes, gleichsam am Puls der Zeit, nicht verschwiegen werden: Wir leben in der Epoche des Genderdiskurses, in dessen Zentrum die LGBTQ*-Maxime steht, oder? Das Geschlecht ist, sozial betrachtet, nichts Feststehendes, sondern andauernd Fließendes. Das sollten die lieben Kleinen so „ Ich wurde von zwiespältigen Gefühlen heimgesucht. Sogar als Großvater will man in unserer Zeit mit ihren moralischen Suchscheinwerfern kein ,alter weißer Mann‘ sein. “ bald wie möglich erfahren. Der Liebe werden solcherlei Umstände gewiss nichts anhaben können, obwohl die sprachliche Seite der Angelegenheit erhebliche Schwierigkeiten bereitet: „Vatertag“? Es mag der Fall sein, dass Papa aus seinem femininen oder geschlechtsunbezüglichen Wesen kein Hehl macht, sondern eine Tugend. Und da soll er dann, als ein feiertäglich gegendertes Femininum oder etwas annähernd Ähnliches – vielleicht in eroticis überhaupt Neutrales –, die Vatertagswünsche seiner Kinder entgegennehmen, die gendermäßig auch schon irgendwohin fließen oder geflossen sind? Bei uns, in Österreich, feiert man den Vatertag am zweiten Sonntag im Juni, hingegen fällt er in Deutschland mit Christi Himmelfahrt zusammen. Dabei zelebrieren die eher atheistisch geprägten Gegenden den Vatertag gerne als „Männer-“ oder „Herrentag“. Das passt insofern, als die Herren der Schöpfung bei allerlei Umtrünken vor allem sich selbst feiern – was wiederum, wie ich mich im Kulturlexikon informiere, nicht ohne Kritik bleibt: Durch den Termin zu Christi Himmelfahrt wurde ein mehr als 1500 Jahre alter religiöser Festtag von einem knapp 100 Jahre alten Trinkritual und einer drastisch erhöhten Rate an Verkehrsunfällen überlagert. Mit der Herrentagspartie, so das Lexikon zeitgeistig, wird ein überkommenes Männerbild von Männerbünden samt ihrem sexistischen Ausschluss von Frauen und Kindern zementiert. Wenn sich Kinder Bilder machen Sei dem, wie es sei, ich plädiere ohnehin für die Einführung eines Großvatertages. Warum? Erst kürzlich kam meine jüngere Enkeltochter vom Religionsunterricht nach Hause: „Heute lernten wir vom alten weißen Mann.“ Sie strahlte, indem sie mir ein Bild, das sie selbst gezeichnet und angemalt hatte, mit einem weitausholenden, feierlichen Schwung überreichte, etwa so, wie er großen Künstlerinnen gut ansteht (und er stand meiner Enkeltochter wirklich gut an): „Das bist du, Opa!“ Ich wurde von zwiespältigen Gefühlen heimgesucht. Sogar als Großvater will man in unserer Zeit mit ihren moralischen Suchscheinwerfern kein „alter weißer Mann“ sein. Egal, meine Enkeltochter machte mich vollends glücklich: Ihr Religionslehrer habe ihr beigebracht, um seine Liebsten wirklich kennenzulernen, müsse man sich ein Bild von ihnen machen. Und so müsse man sich auch ein Bild vom lieben Gott machen, halleluja, obwohl man sich eigentlich vom lieben Gott gar kein Bild machen dürfe. Kinder aber dürften. Und indem sie mein Bild gemalt habe, habe sie sich auch ein Bild vom lieben Gott gemacht. Sie habe den lieben Gott als ihren Opa gemalt, ihr Religionslehrer schenkte ihr dafür ein Heiligenbildchen. Einerseits wird mir jetzt mulmig, ist das nicht Blasphemie? Doch andererseits hat ein berühmter Atheist geschrieben, er glaube nicht an Gott, den Vater; denn sein eigener Vater sei ihm vollauf genug. Mir kommt vor, das ist ein sehr guter Grund für die Einführung eines Großvatertags, die Polen haben schon einen, „Dzień Dziadka“, oder? Der Autor ist Professor i. R. für Philosophie an der Universität Graz.
DIE FURCHE · 23 7. Juni 2023 Das Thema der Woche Väter von Welt 3 Seit der Einführung des Papamonats vor sechs Jahren gehen weniger Väter in Karenz. Erich Lehner, Psychoanalytiker und Vorsitzender des Dachverbands der Männerarbeit in Österreich (DMÖ), erklärt, warum – und was es heute heißt, ein guter Vater zu sein. „Es braucht zwei Lebenswelten“ Das Gespräch führte Milena Österreicher Wie gestaltet sich Vaterschaft heutzutage? Eine Möglichkeit, intensiv Zeit mit seinen Kindern zu verbringen, ist die Elternkarenz. Seit 1990 gibt es diese Möglichkeit auch für Väter. Laut einer Studie der Arbeiterkammer aus dem Vorjahr gehen jedoch bei acht von zehn Paaren Männer weder in Karenz, noch beziehen sie Kinderbetreuungsgeld. Zehn Prozent gehen in Karenz, nehmen sich dafür aber weniger als drei Monate Zeit. Der Psychoanalytiker, Theologe und DMÖ-Vorsitzende Erich Lehner beschäftigt sich seit über zwei Jahrzehnten mit Männlichkeitsforschung und dem Rollenbild von Vätern. DIE FURCHE: Was ist im Jahr 2023 ein „guter Papa“? Erich Lehner: Ein guter Papa ist unseren Forschungen zufolge einer, der dem Kind zugewandt ist und es präsent im Leben begleitet. Für die Beziehungsqualität zum Kind ist Sorgearbeit entscheidend: Spielen, Reden und Ausflüge-Machen sind das eine, aber wenn ich für das Kind sorge, indem ich etwa koche, putze und wasche, wird die Bindung erhöht. In der Forschung haben wir lange überlegt, warum das so ist, und sind zu der Erkenntnis gekommen, dass das Kind ein vertieftes Vertrauen entwickelt, dass auch der Vater sorgen kann, wenn es ihm schlecht geht bzw. seine Bedürfnisse äußert. Für die Entwicklung des Kindes ist wesentlich, dass zumindest zwei Personen ihm eine vertiefte Bindungsmöglichkeit bieten. So können sie verschiedene Beziehungen eingehen und zwei Lebenswelten kennenlernen. Das können nach dem traditionellen Familienbild Mutter und Vater sein, aber natürlich auch andere Konstellationen. DIE FURCHE: Hat sich das Vaterschaftsbild in den letzten Jahrzehnten stark verändert? Lehner: Vor allem ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sagen viele Männer, sie möchten in ihrer Familie präsenter sein, als es ihr Vater damals war. Das stammt daher, dass Männer in Kriegszeiten gefehlt haben und auch in der Nachkriegszeit – nicht nur physisch – abwesend waren. Viele Väter waren vom Krieg geprägt bzw. beim Wiederaufbau eingesetzt. Auch der Feminismus trug sehr dazu bei, dass bei Männern ein Umdenken stattgefunden hat – auch wenn diese ihn nicht immer begrüßten. Die Forderungen der Frauen haben sich auch auf die Männer ausgewirkt, sodass für sie die Familie stärker in den Mittelpunkt gerückt ist: zwar noch nicht in den Strukturen, aber zumindest schon in der Haltung und einer gewissen Offenheit dafür. Foto: Pilo Pichler Erich Lehner ist Psychoanalytiker. Er forscht und lehrt zu Geschlechterfragen und Palliative Care. DIE FURCHE: Aktuelle Zahlen zeigen, dass Männer immer noch weniger und auch kürzer in Karenz gehen als Frauen. Wo ran liegt das? Lehner: Es herrscht immer noch ein Männerbild, das nicht den sorgenden Mann, sondern den berufstätigen Mann unterstützt. Die Folge ist, dass Arbeitsstrukturen nicht darauf ausgerichtet sind, dass Männer Sorgearbeit übernehmen. Wir sehen, dass es für viele Männer ein Problem ist, ihre Elternzeit gegenüber den Arbeitgebern durchzusetzen. Wenn wir Männer heute zudem fragen, warum sie nicht oder nur kurz in Karenz gehen, hören wir meist zwei Gründe: ein befürchteter Karriere- sowie Gehaltseinschnitt. Hier muss etwa mit Schulungen im Bereich Karenzmanagement in Betrieben nachgebessert werden. Für Männer ist beispielsweise sehr wichtig, dass ihnen der Arbeitgeber sagt: Wir wollen, dass du in Karenz gehst. Viele Männer brauchen das proaktive Herangehen und die spürbare Sicherheit, wieder zurückkehren zu können. Zum Gehaltseinschnitt muss man sagen, dass es natürlich Gruppen gibt, für die das drastisch ist. Es gibt aber auch Gruppen, die den Einschnitt kaum oder gar nicht spüren würden. Die Sozialwissenschafterin Edit Schlaffer rechnete bereits in den 1990ern aus, dass sich die finanziellen Einbußen tendenziell in der Höhe eines größeren Urlaubs belaufen. DIE FURCHE: Sie sprechen finanzielle Einbußen in Höhe eines Urlaubs an. Wir sparen meist auf verschiedene Dinge: Kleidung, Auto, Reisen. Warum scheint die Zeit mit den eigenen Kindern nicht so wichtig, um darauf zu sparen? Lehner: Es stimmt natürlich: Man spart auf einen Urlaub, weil er einem wichtig ist. Also könnte man auch auf diese Zeit zu Hause bei den Kindern sparen, wenn es eine Priorität ist. Das kann jedoch nicht für alle gelten. Wer wenig verdient, für den sind finanzielle Einschnitte existenzgefährdend. Hier ist auch die Politik gefragt, sich zu überlegen, wie sie finanziell unterstützen kann. Foto: iStock/puhimec (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger) DIE FURCHE: Seit der Einführung des Papamonats 2017, der es Vätern ermöglicht, sich vier Wochen freistellen zu lassen, gehen noch weniger Väter daraufhin in Karenz. Ist der Papamonat noch eine sinnvolle Maßnahme? Lehner: Die Grundüberlegung war, dass beide Elternteile rund um die Geburt beim Kind sein können. Gerade in der Anfangszeit ist das für den Bindungsaufbau wichtig. Man hat angenommen, dass die Bereitschaft, nach dem Papamonat in Karenz zu gehen, größer wird. Dem ist aber offensichtlich nicht so. Hier muss man wohl an der Konstruktion schrauben. Der Papamonatsbetrag wurde beispielsweise bis 2023 vom späteren Kinderbetreuungsgeld abgezogen. Das war nicht förderlich. DIE FURCHE: Welche Maßnahmen braucht es auf politischer Ebene noch? Lehner: Es braucht ein Karenzmodell wie etwa in Island. Dort gibt es ein Jahr Karenz: Die Eltern müssen das Jahr teilen, sonst verfällt der jeweilige Anteil. Nur zwei Monate können sie vom einen zum anderen Partner verschieben. Es bleibt eine gewisse Flexibilität. Mein Wunsch für Österreich ist eine Karenzzeit nach diesem „Use it or lose it“-Prinzip. So wäre klar: Beide Elternteile gehen in Karenz, und der Mann hätte ein stärkeres Standing gegenüber dem Arbeitgeber, der das dann nicht so einfach ablehnen könnte. „ Mit einem Karenzmodell nach dem „Use it or lose it“- Prinzip wäre klar: Beide Elternteile gehen in Karenz, und der Mann hätte ein stärkeres Standing gegenüber dem Arbeitgeber. “ Lesen Sie auch Christof Gasparis „Väter, eure Kinder brauchen euch“ (19.11.1992) über veränderte die Vaterrolle auf furche.at. Eine neue Superkraft Hierarchien fördern Gewalt in Beziehungen. Wenn Männer aber Sorgearbeit leisten, entwickelt sich ein neues Verständnis von Männlichkeit, das zur Reduzierung von Gewalt beiträgt. DIE FURCHE: Was braucht es auf gesamtgesellschaftlicher Ebene? Lehner: Es fehlt uns noch ein gewisses Bewusstsein. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es zum Glück auch Ausnahmebetriebe, wo man eher in Erklärungsnot kommt, wenn man nicht in Karenz geht. Ich würde mich über eine Kampagne zu Männern in Sorgearbeit freuen: Männer als Väter, aber auch Männer, die dargestellt werden, wie sie ältere, kranke oder sterbende Personen ihrer Familie betreuen. Mein Wunsch im privaten Bereich ist auch, dass jeder gefragt wird, ob er in Karenz geht, wenn er Vater wird. So bekommen alle das Gefühl: Wenn ich ein Kind bekomme, kümmere ich mich darum. Hier braucht es einen kulturellen Wandel. DIE FURCHE: Wie wirkt sich eine gleich aufgeteilte Kinderbetreuung auf Paarbeziehungen aus? Lehner: Wir wissen aus Studien, dass sich die Beziehungsqualität des Paares dann meist verbessert. Je mehr Beziehungsjahre vergehen, desto eher sinkt die Zufriedenheit der Frauen in der Beziehung. Bei Männern ist es hingegen so, dass sie gleich bleibt oder sogar steigt. Das hängt auch mit der Kinderbetreuung zusammen. Die ersten Überlegungen, dass Frauen sich in einer Beziehung allein fühlen, tauchen oft mit Kindern auf. In dieser Phase kommen häufig erste Scheidungsgedanken. DIE FURCHE: Welche positiven Effekte gibt es noch? Lehner: Wenn Männer Sorgearbeit leisten, entwickeln sie auch eine andere Männlichkeit. Das ist wesentlich, denn solche Männlichkeiten tragen zu einer Reduzierung von Gewalt bei. Hierarchien fördern hingegen Gewalt in Beziehungen. Gewalt wird am größten, wenn Hierarchie und Männer zusammenkommen. Sorgende Väter wirken dem entgegen.
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