DIE FURCHE · 23 16 Diskurs 7. Juni 2023 ZEITBILD Foto: APA / AFP / Wojtek Radwanski Großdemo gegen „Lex Tusk“ Suchst du nach Hoffnung, komm am 4. Juni nach Warschau“ – mit diesen Worten animierte Donald Tusk, Führer von Polens größter Oppositionspartei „Bürgerplattform“, am vergangenen Wochenende Hunderttausende zum Protestmarsch und läutete damit indirekt den Wahlkampf für die Parlamentswahl im Herbst ein. Die Demonstranten trugen Plakate mit der Aufschrift „Europa, wir entschuldigen uns für die PiS“, „Abrakadabra – weg ist das PiS-Makaber“ und „PiS ins Pissoir“. Anlass für die Großkundgebung ist ein Gesetzesentwurf der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, der die Einsetzung einer Untersuchungskommission zur russischen Einflussnahme vorsieht. Die Kommission soll prüfen, ob Amtsträger in den Jahren 2007 bis 2022 unter dem Einfluss Russlands Entscheidungen getroffen haben, die Polens Sicherheit gefährden. Das Gesetz sieht unter anderem die Möglichkeit vor, Betroffene zehn Jahre lang von öffentlichen Ämtern und vom Zugang zu staatlichen Mitteln auszusperren. Kritiker werfen der PiS vor, sie wolle mit diesem Gesetz wenige Monate vor einem möglichen Machtwechsel gegen Oppositionspolitiker wegen angeblicher Russland-Freundlichkeit vorgehen. Polnische Medien sprechen mitunter von einer „Lex Tusk“ – einem auf Tusk gemünzten Gesetz. Der PiS und ihrem Chef Jarosław Kaczyński werden autoritäre Tendenzen vorgeworfen. (APA, bqu) Rubbellos startet mit einem neuen Los in die warme Jahreszeit Hallo Sommer, hallo 30.000 Euro Heuer schon geplanscht? Rubbellos heißt die bevorstehende Badesaison mit dem neuen Los „Fresh Cash“ willkommen. Sollte das kühle Nass also noch ein bisschen zu kühl sein, einfach hier eintauchen und nach Gewinnen von bis zu 30.000 Euro Ausschau halten. IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at Ich verstehe Antisemiten nicht Von Maram Stern, Nr. 21, Seite 9 „Ich verstehe Antisemiten nicht“, schreibt Maram Stern. Ich auch nicht. Meine Mutter vermietete Privatzimmer, manchmal auch an jüdische Gäste aus Israel. Als nach dem Krieg Heranwachsender wusste ich doch einiges von der Judenverfolgung in der Nazizeit und war sehr erstaunt, als ich die ersten Juden persönlich traf, dass ich keine Unterschiede zu uns feststellen konnte. Zum solidarischen Kippa-Tragen bei Nichtjuden bin ich etwas toleranter. In Israel musste ich sie an manchen Orten tragen. Auch bei Politikerbesuchen kann man das sehen. Nach meinem ersten Israel- Besuch habe ich mir eine Mesusa gekauft und daheim am rechten Türpfosten aufgehängt. Aus Solidarität zu den Juden, den Verfolgten und auch den vielen hochbegabten Wissenschaftern, Künstlern, Kreativschaffenden in vielen Bereichen, vor allem der Religion. Aber auch weil ich mich zu einer religiösen jüdischen Gruppe bekenne – dem Christentum! Mag. Josef Löberbauer Mondsee wie oben Dass der geschäftsführende Vizepräsident des World Jewish Congress den Antisemitismus „schon rein intellektuell“ nicht verstehen kann, ist verständlich, wer kann das schon? Geht es doch vor allem um emotionale Dimensionen. Auf die Gefahr hinauf, missverstanden zu werden: Ich sehe einen Zusammenhang zwischen einem wahrgenommenen Selbstverständnis des Judentums und der Wahrnehmung von Juden als Persönlichkeiten im Bereich von Wissenschaft, Kunst, Politik und Wirtschaft. An dieser Wahrnehmung scheitert, so vermute ich, eine wertschätzende Selbstwahrnehmung von Menschen mit antisemitischen Vorstellungen. Es ist ein Leiden an der eigenen Unvollkommenheit, ein Gefühl einer nur gewaltsam überwindbaren Unterlegenheit. Ich weiß nicht, ob es Erkenntnisse darüber gibt, wo, wann und wie Antisemiten sich von ihrem Antisemitismus befreien konnten. Um Antisemitismus erfolgreich überwinden zu können, werden Informationen über den Holocaust allein zu wenig sein. Dafür müsste ein Verständnis von Antisemitismus entwickelt werden, welches in einem für alle annehmbaren Einverständnis mündet. Nämlich, dass eine Welt ohne Antisemitismus eine bessere ist. Dr. Stephan Prayer, 1190 Wien Korrektes Klingeling Von Daniela Strigl, Nr. 22, Seite 20 Den Ausführungen dieser Glosse ist vollinhaltlich beizupflichten. Als Ergänzung sei allerdings ein Faktum beigefügt, wonach die Endung „-ling“ bedauerlicherweise maskulin konnotiert ist und somit für selbstbestimmte Frauen als absolut inakzeptabel zu DIE FURCHE EMPFIEHLT gelten hat. Am Beispiel des Lehrlings – den man im neuen politisch korrekten Sprachgebäude als „handwerklich auszubildende Person“ tituliert – ist unschwer ersichtlich, welche Probleme sich daraus ergeben. In einem Alter, wo diese Person noch ein Kind ist, steht uns nämlich höchstens die Bezeichnung „Lehrmädchen“ zur Verfügung – und dieses ist leider sächlich. Solche philologischen Schwierigkeiten treten nur in der deutschen Sprache auf. Und dann wundern wir uns, warum es diese - entgegen der englischen oder französischen – niemals zum weltweiten Kommunikationsmittel gebracht hat. Dr. Martin Grünzweig, 8010 Graz Heiße Eisen und neue Visionen Nach dem II. Vatikanum war Aufbruchstimmung spürbar. Doch nicht alle waren mit der Entwicklung einverstanden. Heute steht die katholische Kirche vor ganz eigenen Herausforderungen. Quo vadis Kirche? Darüber diskutieren Pastoraltheologe Johann Pock, Ordensfrau Sr. Beatrix Mayrhofer und FURCHE-Chefredakteurin Doris Helmberger. Moderation: Henning Klingen. Heiße Eisen und Visionen für eine lebendige Kirche Mi, 14. Juni, 19 Uhr. Ägydiussaal, Stadtpfarre Korneuburg, Kirchenplatz 1 Die Spielsystematik ist es ein klassisches „Match Three“ Game, das heißt, unter der Rubbelschicht befinden sich unterschiedliche Geldbeträge. Stimmen drei Geldbeträge überein, so hat man diesen Betrag einmal gewonnen. Auch ein Bonusspiel ist wieder eingebaut und so gibt es die Chance, pro Los bis zu zweimal zu gewinnen. Der Hauptgewinn beträgt 30.000 Euro und ist in dieser Serie mit 1.620.000 Losen zweimal enthalten. Daneben gibt es zahlreiche weitere Gewinn von 3 Euro bis 1.000 Euro. Die Chance auf einen Gewinn beträgt 1:3,03, die Ausschüttungsquote liegt bei 56%. Das Los ist zum Preis von 3 Euro in den Annahmestellen der Österreichischen Lotterien erhältlich. Bis zu 30.000 Euro verstecken sich unter den sommerlichen Symbolen Foto: © Österreichische Lotterien IN KÜRZE MEDIEN ■ Erste Hugo-Portisch-Preis-Verleihung ORF-Journalist Peter Fritz ist am Donnerstagabend mit dem erstmals vergebenen Hugo-Portisch-Preis ausgezeichnet worden. Die Verleihung fand in Wien durch Medienministerin Susanne Raab (ÖVP), VÖZ-Präsident und Styria-Vorstandsvorsitzenden Markus Mair, den stv. Kurier-Chefredakteur Gert Koretschnig und ORF-Generaldirektor Roland Weißmann, der Fritz „einen der profiliertesten Journalisten Österreichs“ nannte, statt. Weiters prämiert mit dem insgesamt mit 60.000 Euro dotierten Preis wurden ARD-Journalistin Tatjana Mischke und der freie Journalist Benjamin Hindrichs. „Als Sonderkorrespondent etwa während des ersten Golfkriegs und Korrespondent in Bonn, Leiter der Büros Washington, Berlin und Brüssel sowie als Chef der ‚ZiB‘-Auslandsredaktion hat Peter Fritz dem ORF-Publikum das Weltgeschehen stets hautnah, authentisch und objektiv vermittelt und trägt als außenpolitischer Chefanalyst von ORF III ebenfalls maßgeblich zum Qualitätsjournalismus in Österreich bei“, streute Weißmann in seiner Laudatio dem Preisträger Rosen. Letzterer beschrieb in seiner Dankesrede das eigene Arbeitsethos so: „Wenn es darum geht, den Dingen auf den Grund zu gehen, dann sollte man nicht die eigene Meinung im Weg stehen lassen. So hat es Hugo Portisch gehalten, und so versuche ich es zu halten.“ BILDUNG ■ AK fordert Reform der Matura Die Arbeiterkammer (AK) fordert eine Reform der Matura. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter 400 AHS- und BHS-Lehrer(inne)n. Die AK kritisiert nun, dass durch die Reifeprüfung in der derzeitigen Form für wesentliche Fragen im Unterricht kaum noch Zeit bleibt. Jugendliche können nach zwölf oder 13 Schuljahren an punktuellen Prüfungen scheitern. Stupides Auswendiglernen für Tests als Endgegner (vgl. Seite 15) sei nicht mehr zeitgemäß. Dazu komme, dass die Matura allein ohnehin oft nicht mehr zum Hochschulbesuch berechtige. Die AK will die Reifeprüfung nun durch eine Abschlussprojektarbeit ersetzen. RELIGION ■ Martin Jäggle, 75 Der Religionspädagoge feiert am 9. Juni seinen 75. Geburtstag. Der gebürtige Wiener war von 2003 bis 2013 Professor für Religionspädagogik und Katechetik an der Katholisch-Theologischen Fakultät Wien, deren Dekan er zwischen 2008 und 2011 war. Als Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Verständigung steht er Österreichs führendem Institut des Dialogs zwischen Judentum und Christentum vor. Außerdem ist er Herausgebervertreter des Südwind-Magazins. In der FURCHE ist Martin Jäggle ein regelmäßiger Gastautor, 2000/2001 war er für diese Zeitung auch als vierzehntäglicher Religionskolumnist tätig.
DIE FURCHE · 23 7. Juni 2023 Literatur 17 Er war einer der meistgelesenen Autoren seiner Zeit – und sein Leben war Theater und Verkleidung: zum 100. Todestag des französischen Autors Pierre Loti. Von Ingeborg Waldinger Auf halber Höhe der französischen Westküste, nur 20 Kilometer vom Atlantik und der Charente-Mündung entfernt, wurde 1666 Europas größtes Marinearsenal aus dem Boden gestampft. Und um dieses herum die Rasterstadt Rochefort-sur-Mer. Der Sonnenkönig baute seine Seemacht aus, die Atlantikküste bedurfte eines gesicherten Marinestützpunkts. Eine hier 1816 gestartete Senegal-Expedition gelangte zu traurigem Ruhm: mit dem Schiffbruch der Fregatte Méduse. Am 14. Jänner 1850 wird in Rochefort Julien Viaud geboren. Der Großvater Marineoffizier, ein Onkel unter den Überlebenden der Méduse, der Bruder Marinearzt. Der Vater ist leitender Finanzbeamter in Rochefort. Zu Unrecht wegen Unterschlagung verhaftet, stirbt er als gebrochener, verarmter Mann. Nachzügler Julien (die Schwester ist um 19, der Bruder um 14 Jahre älter) wächst als exzessiv behütetes Kind in gedämpft-bourgeoiser Atmosphäre und hugenottischer Strenge auf. Großmutter, Tanten, Mutter und Schwester schirmen ihn gegen die Außenwelt ab. Fernweh und Aufbruch Noch spielt der Benjamin Puppentheater oder sucht die verrinnende Zeit in seinem „Museum“ zu bannen, einer Wunderkammer aus Spielsachen, exotischen Souvenirs und anderen Erinnerungsstücken. Doch schon dürstet es den Jungen nach Aufbruch. Briefe des Bruders und Reisebücher fachen sein Fernweh an. Vergessen sind die ersten Berufsziele Pastor und Missionar, Julien Viaud absolviert die renommierte Marineschule in Brest. Als Marineoffizier wird er die Weltmeere befahren – und als Pierre Loti in die Literaturgeschichte eingehen. Den klingenden Namen bekommt er in Tahiti, wo „Loti“ eine Tropenblume bezeichnet. Polynesien, Indochina, China und Japan, Marokko und Ägypten, Persien und die Türkei bilden die Schauplätze für seine Romane, desgleichen die archaischen Ränder seiner Heimat, die Bretagne und das Baskenland. 1879 erscheint sein Romanerstling „Aziyadé“ im Pariser Verlag Calmann Lévy, anonym. Der Naturalismus gibt damals den literarischen Ton an, doch Loti negiert den gängigen Stil (zwölf Jahre später wird er Émile Zola auf dem Weg in die Académie Française ausstechen). Viel Autobiografie, exotische Szenerien, kunstvolle Naturbilder, etwas Melodramatik und ein melancholischer Grundton prägen das Romanwerk des Autors aus der Charente-Maritime. Wie eine Reihe prominenter Zunftgenossen – Chateaubriand, Nerval, Hugo, Gautier, Flaubert oder Mérimée – gerät Loti in den Bann der mystisch-erotischen Verheißungen des Orients; seine Turkophilie füllt Bände. 40 Jahre bei der Marine führen Julien Viaud an Kriegsschauplätze, in umkämpfte Kolonialgebiete und in bröckelnde Großreiche. Seine Eindrücke hält er auch in Zeichnungen, Reiseberichten und kritischen Artikeln fest. Er geißelt die westliche Einflussnahme auf ferne Kulturen, verteidigt die „osmanische Sache“ („Türkei in Agonie“) oder verurteilt, nach seiner Teilnahme an der Tonkin-Kampagne, die Grausamkeit französischer Soldaten in Annam. Das bringt ihm eine vorübergehende Versetzung nach Rochefort ein. Alles vergeht, die Jugend, die Schönheit, die Kulturen und Traditionen. Lotis Wunsch, die Zeit anzuhalten, schlägt sich mitunter auch in Aktionismus nieder. Der Autor lanciert Appelle gegen die Schließung des Arsenals in Rochefort und verhindert die spekulative Abholzung des nahen Schlosswaldes von La Roche-Courbon. Der Hain ist ein persönlicher „Erinnerungsort“, wo eine junge „gitane“ (siehe Roman „Prime Jeunesse“) ihn einst die Liebe lehrte. Zahlreiche Liaisonen Loti und die Frauen: 1873 beginnt er auf Tahiti eine Liaison mit der schönen Rarahu (Roman „Lotis Hochzeit“). Drei Jahre später verfällt er der geheimnisvollen Hatice, einer Odaliske in Konstantinopel. Auf die Einlösung seines Versprechens, sie nach Frankreich zu holen, wartet Hatice vergeblich; sie stirbt aus Kummer – wie „Aziyadé“ im gleichnamigen Roman. 1886 heiratet Loti eine adelige Französin: Der erste Sohn stirbt bei der Geburt, der zweite, Samuel, wird 1889 geboren. Zuvor „heiratet“ der Frauenheld in Nagasaki noch eine blutjunge Japanerin; die Ehe gilt nur für die Dauer seines Aufenthalts, eine höchst fragwürdige, aber legale Praxis im damaligen Japan (siehe Roman „Madame Chrysanthème“). Es folgt Crucita Gainza, eine Baskin. Loti ist gerade in Hendaye stationiert. Fasziniert von Menschen und Natur des Baskenlandes, mietet er ein Fischerhaus mit Meerblick, zeugt mit Crucita vier uneheliche Kinder und holt sie heim, in ein eigens gekauftes Haus in Rochefort. Das Pierre Loti Er wurde als Louis Marie Julien Viaud am 14. Jänner 1850 in Rochefort geboren und schrieb zahlreiche Bestseller. Am 10. Juni 1923 starb er in Hendaye. Melancholischer Weltreisender „ Als Marineoffizier wird er die Weltmeere befahren – und als Pierre Loti in die Literaturgeschichte eingehen. “ Foto: imago / Kharbine-Tapabor baskische Refugium sucht er weiterhin auf, allein. Madame Viaud, seine Angetraute, spielt nicht länger mit und zieht in die Dordogne. Der Marineoffizier liebt nicht nur die Frauen, wie er in den Romanen „Islandfischer“ und „Mein Bruder Yves“ auf subtile Weise vermittelt. Anders als seine Amouren finden seine Kinder im literarischen Werk kaum Niederschlag. „Ramuntcho“ aber, sein erster Sohn mit Crucita, inspiriert ihn zum Helden des gleichnamigen Romans (neu ins Deutsche übertragen vom kongenialen Übersetzerduo Holger Fock und Sabine Müller; Bilder Verlag 2021). Es ist die Geschichte eines jungen Basken, der als Pelota-Spieler ebenso brilliert wie als Schmuggler. Der Militärdienst verändert seine Sicht auf die geliebte Heimat, zumal er nun weiß, „dass es sehr weiträumige und freie andere Orte auf der Welt gibt“. Die Angebetete entgleitet ihm ins Kloster, die verehrte Mutter stirbt. Ramuntcho findet keinen Halt mehr. Der Himmel ist „leer“, und der junge Mann „ein Entwurzelter, den der Hauch von Abenteuer davonträgt“. Der Autor selbst hat sich von der Religion entfernt; auch seine Pilgerfahrt ins Heilige Land bringt kein spirituelles Erweckungserlebnis. Und all die anderen, weiten Reisen? Die Suche nach dem Fremden erweist sich letztlich als die Suche nach sich selbst. Eine Chimäre nur, ein steter Aufbruch, um immer wieder in den Heimathafen zurückzukehren. Postromantischer Exzentriker Pierre Loti ist einer der meistgelesenen Autoren seiner Zeit, auch der junge Proust verschlingt seine Romane. Der schreibende Marineoffizier ist ein postromantischer Exzentriker. Er fürchtet das Alter, stählt seinen schmächtigen Körper bis zur Zirkustauglichkeit, gibt schillernde Feste und inszeniert sich dabei als Scheich, Sarazene oder Mandarin. Seine beiden Katzen stattet er mit Visitenkarten aus. Er kauft Großmutters Haus auf Oléron, schließlich das Elternhaus in Rochefort, das er in eine eklektizistisch-exotische Traumwelt verwandelt: türkischer und chinesischer Salon, japanische Pagode, Renaissance-Speisesaal. Für die „Moschee“ schmuggelt er Abrissmaterial der ausgebrannten Umayyaden-Moschee von Damaskus nach Rochefort. Ein dekadentes Interieur, das jenem von Des Esseintes, dem Helden aus Huysmansʼ Roman „Gegen den Strich“, um nichts nachsteht. 1969 von der Stadt Rochefort erworben, ist die „Maison Pierre Loti“ nach langer Renovierung nun wieder als Museum zugänglich. Der Rundgang endet im spartanischen Zimmer des Dichters. Endstation eines melancholischen Weltreisenden, dessen ganzes Leben Theater und Verkleidung ist. Dessen Fernziele, einmal erreicht, nur ein schales „Déjà-vu“ bewirken. Bittere Ironie des Schicksals: Der Rastlose ist nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt. Pierre Loti stirbt am 10. Juni 1923 in Hendaye. Die Nation ehrt ihn mit einem Staatsbegräbnis. Seine letzte Ruhestatt findet er im Garten des Anwesens auf Oléron.
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