DIE FURCHE · 1024 Ausstellung7. März 2024„The Beauty of Diversity“ in der Albertina modern:eine Gegenstromanlage gegen eine von westlichen,weißen Männern dominierte Kunstwelt.Vielfalt alsBereicherungAdamDie Ausstellung isteine künstlerischeGegenstromanlagegegen denvon westlichen,weißen Männerndominierten Kunstkanon,darunterVerena Bretschneidermit ihrem Werk„Adam“, 1989.Einen Blick aufafrikanischeKunst findenSie unter „Blacknessund blackidentity“ von UrsulaPhiladelphy,vom 25.1.2023auf furche.at.Von Theresa Steininger–so nennt MiriamCahn ihr Werk, in„Zurückschlagen“ dem eine Damesich gegen Annäherungeneines erregten Manneswehrt. Und „zurückschlagen“möchte man sichtlich generellmit der Ausstellung „The Beautyof Diversity“ in der Albertina modern.Eine Kunstwelt aufrütteln,die traditionell westlich, männlichund weiß dominiert ist. Dieaktuelle Ausstellung will eineBild und Skulptur gewordene Gegenstromanlagezu dem sein, was„ Diversität sei ein wichtigesPostulat des Zeitgeists, demMuseen folgen müssen, zeigtsich Angela Stief überzeugt –und tut dies in dieser Schauin vielen Facetten. “man seit Jahrhunderten in Museensammelt und ausstellt. Diversitätsei ein wichtiges Postulatdes Zeitgeists, dem Museen folgenmüssen, zeigt sich Albertinamodern-Direktorinund -KuratorinAngela Stief überzeugt – undtut dies in dieser Schau in vielenFacetten. Dabei greift sie fastausschließlich auf eigene Beständezurück, hat es sich die Albertinadoch in den vergangenen Jahrenzum Ziel gemacht, diese imSinne der Diversifizierung zu erweitern:Einerseits gibt Stief Bewegungenwie Black Lives Matterkünstlerisch Platz, andererseitssieht man Maria Lassnigs Selbstermächtigungsbestrebungebensowie Art Brut und Kunst autochthonerVölker. SogenannteAußenseiter finden ebenso Präsentationsmöglichkeitwie Autodidaktinnen.Insgesamt sind43 Künstlerinnen und Künstlerund 110 Werke vertreten. Ziel derAlbertina, Wien – Sammlung Dagmar und Manfred Chobot © Verena Georgina BretschneiderAusstellung sei es, so Albertina-Direktor Klaus A. Schröder, zuzeigen, „dass Vielfalt, die im Alltagoft als Bedrohung empfundenwird, eine Bereicherung ist“.Oft sind in den Werken Identitätsfragenkreativ behandelt. Rassismus,Gewalt und Aggressionsowie die soziale Diskriminierungschwarzer Menschen in denkünstlerischen Blickpunkt zurücken, begann bereits bei Jean-Michel Basquiat (seine „Venus“ist als Leihgabe zu sehen) undfindet seither und vor allem auchin der Gegenwart großen Niederschlagin der Kunst. Dem hat Stiefein eigenes Kapitel gewidmet:Eindringlich blickt einen da einefarbige Porträtierte von SungiMlengeya an. Die tansanischeAutodidaktin schafft durch weißesGewand auf schwarzer Hautvor weißem Hintergrund eineneindringlichen Effekt. Anmutigund selbstbewusst geben sich ihreModelle, die somit als stummeMitkämpferinnen der „BlackLives Matter“-Bewegung geltenkönnen. Außerdem ist AlexandreDiop in diesem Kapitel ebensovertreten wie Amoako Boafo ausGhana, ihm widmet das Belvedereim Herbst die erste institutionelleAusstellung in Europa.Reiches KunstpanoptikumAber auch herkömmlichen Geschlechtervorstellungenwidersetzensich zahlreiche Arbeitender Schau. Ob das nun Franz Ringelsbiomorph zusammengesetzte,aus dem Unterbewusstseingespeiste, groteske Figuren sindoder Jürgen Klaukes „Selbstperformance“.Auch Jonathan MeesesSkulptur, teils Mann, teilsFrau, teils Tier, führt dies fort.Stief geht es bei Weitem nicht darum,vorrangig weniger bekannteKünstlerinnen und Künstler zupräsentieren. Vielmehr stellt siediesen etablierte wie beispielsweiseauch Maria Lassnig gegenüber,wenn es ihr darum geht, zuzeigen, wie sich Frauen gegen diemännliche Dominanz im Kunstbetriebwehrten. Ihre „QueenKong“ darf durch New Yorkschreiten und bildmächtig gegenbis dahin geltende Vormachtstellungenrebellieren. KonventionelleRollenmodelle und gängigekünstlerische Zugänge werdenauch durch Werke von CindySherman, Franz West und VALIEEXPORT hinterfragt. Und vonder eingangs genannten MiriamCahn, die nie als explizite Feministinverstanden werden wollte,sind auch sechs farbenprächtige,aber hinterrücks bedrückende„atombomben“ zu sehen. Bei ihrliegen Gewalt und Schönheit sehrnah beieinander.Nebstbei geht es auch um Diversitätin der Wahl der Mittel: obPuppenspiele wie jene von StefanieErjautz, die sich mit aus derZeitung entnommenen Themenauseinandersetzt und Adolf Hitlerebenso nachbildet wie MenschenrechtsaktivistAi Weiwei, ob dieMona-Lisa-Adaption von Gelitin/Gelatin, bei der das Gesicht derPorträtierten in Wachs aus demBild förmlich herauszuwachsenscheint, ob Tony Ourslers verzerrteVideogesichter, die auf Gestelleprojiziert werden. Oder ob VerenaBretschneiders aus Christbaumkugeln,Federn, Haarteilen undkünstlichen Blumen geschaffenePorträts. Zum Abschluss wirddann noch eine weite „Reise“ ermöglicht,hier hängt AboriginalArt von Emily Kame Kngwarreyeund Nyunmiti Burton.So entsteht ein facettenreicherReigen, der eines gemeinsam hat:den künstlerischen Kampf gegenDiskriminierung jeder Art. Dennlaut Kuratorin Stief ist das, wasall diese künstlerischen Positionenzusammenhält, das Abweichenvon der „Norm“, Widerstand,Empowerment und „das Einstehenfür Freiheit, die eigene Identitätdarzustellen“.Beauty of DiversityAlbertina modernBis 18. August 2024, täglich 10–18 Uhrwww.albertina.atDIE FURCHE EMPFIEHLTIN KÜRZEPoetische Porträtsund GesprächeVon der Kunst biografischer Dichtung:In der zweiten Ausgabe seiner Reihe„VERSsprechen“ spricht Semier Insayifmit Sophie Reyer und Monika Vasik überihre Gedichte, über den Stellenwert derPoesie in ihrem Leben, über die Positionierungder Poesie in der gegenwärtigenLiteratur und mehr …VERSsprechen14. März 2024, 19 UhrÖsterreichische Gesellschaft für Literatur,Herrengasse 5, 1010 Wien. www.ogl.atARCHITEKTUR■ Riken YamamotoDer in Peking geborene und in Yokohamaarbeitende Architekt hat in Japan Wohnkomplexe,Universitäten, Museen und Bibliotheken gebaut, in Europa wurde er mitdem Projekt „The Circle“ am Flughafen Zürichbekannt. Nun erhält er die renommiertesteAuszeichnung für Architektur, denPritzker-Preis 2024, „vor allem, weil eruns daran erinnert, dass in der Architekturwie in der Demokratie Räume durch dieEntschlossenheit der Menschen geschaffenwerden müssen“, so die Begründung der Jury.Riken Yamamoto definiere in seiner Arbeitdie Schwelle zwischen öffentlichemund privatem Leben neu.LITERATUR■ Cvetka Lipuš„Ihre prosaähnlichen Gedichte sind voll vonkraftvollen, intensiven Bildern und Metaphern,in denen das lyrische Ich ständigder menschlichen Existenz auf der Spur ist,Gedichte, in denen die ‚Wörter zu Stolpersteinen‘werden können und die es durchihre Genauigkeit und sprachliche Intensitätoft ‚bis in die Mitte des Herzens schaffen‘“,begründet die Jury ihre Entscheidung,die Lyrikerin Cvetka Lipuš mit dem Humbert-Fink-Literaturpreis2024 auszuzeichnen.Der Preis wird alle zwei Jahre von derLandeshauptstadt Klagenfurt vergeben, istmit 12.000 Euro dotiert und wird der Autorinam 16. Juni im Musil-Haus verliehen. LITERATUR■ Dietmar Grieser (90)1934 in Hannover geboren, lebt der Sachbuchautorund „Literaturreporter“, wie ersich selbst nennt, seit 1957 in Wien. Seinem1973 erschienenen Buch „Von Schloss Gripsholmzum River Kwai: Literarische Lokaltermine“folgten an die 50 weitere Werke.Seine Vorbilder sind Feuilletonisten wie AlfredPolgar, Egon Erwin Kisch, Raoul Auernheimer,Daniel Spitzer oder Victor Auburtin.Zuletzt erschien unter dem Titel „Es musswas Wunderbares sein ... Das Salzkammergutund seine Künstler“ eine überarbeiteteNeuauflage seines Buches „Nachsommertraum“.Am 9. März feiert Dietmar Grieserseinen 90. Geburtstag.
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