DIE FURCHE · 1020 Film & Medien7. März 2024DAS ERWARTETSIE IN DEN NÄCHSTENWOCHEN.DIE FURCHE nimmt in den kommenden Ausgabenfolgende Themen* in den Fokus:Drei HandlungssträngeüberFrauen in ganzunterschiedlichenKulturkreisen undLebensabschnittenwerden im Filmmiteinander verwoben(Bild: Smitamit Tochter Lalitain Nordindien).Waldland ÖsterreichNr. 12 • 21. MärzZum internationalen Tag der Wälderrichten wir den Blick auf das WaldlandÖsterreich: Fast die Hälfte desStaatsgebietes ist bewaldet, doch das„grüne Herz“ gerät zusehends in Klima-,Energie-, Bau- und Freizeitstress.Gott – (k)eine FrageNr. 13 • 28. MärzIn säkularen Gesellschaften spielt Religioneine immer geringere Rolle. Wasbedeutet das für die Gottesfrage? Hatsich der Glaube an ein übergeordnetesund übernatürliches Wesen erübrigt?Oder kommt er wieder – und ganz neu?Mit der Verfilmung von „Der Zopf“ stellt Regisseurin LaetitiaColombani Feminismus zur Schau – kitschig und ohne Kraft.Haarige SacheDiagonaleNr. 14 • 4. AprilÖsterreichs Filmbranche versammeltsich in Graz zur großen Werk- und Leistungsschau.Wie hat sich das FilmlandÖsterreichs im letzten Jahr entwickelt?Und was wird anders unter der neuenDiagonale-Intendanz?Der AufklärerNr. 16 • 18. AprilAm 22. April jährt sich der GeburtstagImmanuel Kants zum 300. Mal. Wiekaum ein anderer hat der Königsbergerdas Denken revolutioniert. Wie stehtes heute um den Ausgang aus der„selbstverschuldeten Unmündigkeit“?Die europäische IdeeNr. 18 • 2. MaiAm 5. Mai 2024 feiert der Europaratsein 75-jähriges Bestehen – einDreivierteljahrhundert Arbeit fürDemokratie, Menschenrechte undRechtsstaatlichkeit. Auftakt einerFURCHE-Serie zur EU-Wahl.Liebe ohne RomantikNr. 20 • 16. MaiSind Freundinnen und Freunde diewahren Seelenverwandten? WährendMedien und die Gesellschaft romantischeLiebe glorifizieren, finden vieleMenschen Erfüllung und Verbindlichkeitin platonischem Miteinander.Franz KafkaNr. 22 • 30. MaiVor 100 Jahren, am 3. Juni 1924, starberst 40-jährig in Kierling bei Klosterneuburgeiner der wichtigsten Schriftstellerdes 20. Jahrhunderts. Die Wirkungenseines Werks auf Lesende, Schreibende,Kunstschaffende sind enorm.*Änderungen aus Aktualitätsgründen vorbehalten.Wie geht Verzeihen?Nr. 15 • 11. AprilKaum eine Beziehung kommt ohneVerletzungen aus. Versöhnung kannhelfen, um einen Neustart zu wagen.Aber haben wir das Verzeihen in Zeitenvon immer extremeren Positionen bereitsverlernt? Wie es dennoch gelingt.GedankenraubNr. 17 • 25. AprilVon KI-Kunst bis Gen-Daten: Das21. Jahrhundert revolutioniert dieDefinition von „geistigem Eigentum“und stellt an Juristen, Philosophenund Datenschützer spannende – undbeunruhigende – Fragen.Wilde DelikatessenNr. 19 • 8. MaiDas Interesse an Wildpflanzen boomt:In der Volksmedizin sind viele als Heil-,Gift- und „Kraftpflanzen“ bekannt. Überdas sinnliche Projekt des „essbarenGartens“ und die Wiederentdeckungeines alten Wissensschatzes.Schreckgespenst AfDNr. 21 • 23. MaiAuch Deutschland kippt längst nachrechts – und die Lage wird sichzuspitzen, wenn gewichtige Wahlen imOsten anstehen. Die AfD greift in Brandenburg,Sachsen und Thüringen nachder Macht. Was sind die Folgen?Reale Dystopie?Nr. 23 • 6. Juni1949 zeichnete George Orwell in seinemRoman „1984“ das Bild einer totalüberwachten Gesellschaft. 75 Jahrespäter sind viele der Vorhersagen eingetreten.Wie es heute um die Freiheitin Staat und Öffentlichkeit steht.ALLES AUCH DIGITALAUF FURCHE.ATPodcasts, Videos, E-Paper und alle FURCHE-Artikel seit 1945JETZT 77 Jahre Zeitgeschichte imNAVIGATOR.Von Alexandra ZawiaFEDERSPIELFernsehmissbrauchMit „Der Zopf“ verfilmt die FranzösinLaetitia Colombani ihr eigenesBuch – und legt sichtlich Wert darauf,Geschichten über Frauen zu erzählen,die ihr Leben aktiv selbst gestalten.Dazu stellt sie die Handlungsstränge überdrei verschiedene Frauen in komplett unterschiedlichenKulturkreisen, finanziellenSituationen und Lebensabschnitten nebeneinander.Schon in dieser Konstruktionliegt eine der großen Schwächen des Films.Die drei Geschichten können einander inihrer kurzgeführten Dramaturgie nichtbereichern, sondern verwässern die übergeordneteErzählung von „Emanzipation“und „Mut“ – und steigern sie in triefenden,im Grunde problematischen Kitsch.In Nordindien verdingt sich die jungeSmita (Mia Maelzer) als sogenannte Unberührbaremit niederen Arbeiten. Ihr Mann,ein Rattenfänger, ist nett, aber kein Revoluzzer.Doch ihrer Tochter Lalita (Sajda Pathan)will Smita ein besseres Leben ermöglichen,und so versucht sie die Flucht. Sieschaffen es bis zu einem Tempel.Religiös ist die junge Giulia (Fotini Peluso)zwar nicht, aber sie glaubt an ihrenVater. Als dieser stirbt, will sie in der sonnigenKleinstadt in Apulien sein Haaraufbereitungsgeschäftweiterführen, das er inden Konkurs gewirtschaftet hat. Hilfe erhältsie von dem dort lebenden Sikh Kamal(Avi Nash), der selbst eine berauschendlange Haarpracht trägt. Dass die Haare dasverbindende „Element“ in einem Film mitdem Titel „Zopf“ sind, mag wenig überraschen.Dass Colombani es aber trotz ihresausgestellten „Feminismus“ schafft, derenpolitische Kraft zu untergraben, verwundertdann doch.In Montreal muss sich die erfolgreicheAnwältin Sarah (Kim Raver) ihrer Brustkrebsdiagnosestellen. Nach OP und Chemomuss sie ihren Fokus von der Karriereauf sich und die Familie legen und kauftsich eine (womöglich in Apulien?) gefertigtePerücke aus (womöglich Smitas und Lalitas)„indischem Echthaar“. Im Film werdenSmita und Lalita – so authentisch bleibt Colombani– für ihre „Opfergabe“ im Tempelnicht bezahlt. Für Colombanis Schlussszenemüssen sie dennoch kitschig in einenSonnenuntergang blicken und so tun,als gäbe es Hoffnung. Das darf man als Verratan der Sache bezeichnen.Der Zopf (The Braid)FR/IT/CA/BE 2023Regie: Laetitia Colombani. Mit Kim Raver,Mia Maelzer, Fotini Peluso. Polyfilm. 119 Min.Gegen Paulus Manker gibt es schwere Missbrauchsvorwürfe.Das bescherte ihm eine Einladung in den „Kulturmontag“ desORF. Dort sprach Peter Schneeberger mit dem Regisseur undMeike Lauggas von der Beratungsstelle „We Do“. Sie argumentiertekenntnisreich, klug, differenziert und strafte ihr Gegenüber mitVerweigerung von Blickkontakt. Ihm geriet die Gelegenheit, sich live als Opfer zu inszenieren,mit verschränkten Armen zur peinlichen Selbstdemontage.Nur dieses Resultat spricht für die Intention der Sendungsmacher. Sie hatten den Auftrittvorab mit der journalistischen Sorgfaltspflicht begründet, auch dem Beschuldigtendie Möglichkeit zur Äußerung zu geben. Schneebergers redliche Versuche, Mankerzu enttarnen, glichen allerdings dem Festnageln eines Puddings an der Wand. Letztlichblieb vom Dreiergespräch zu viel vom Mythos „Genie und Wahnsinn“ – und zu wenig vonLauggas’ bedächtig mahnenden Einwürfen. Das Ganze erinnerte an zwei frühere Interviews:2018 nahm Armin Wolf Dirigent Gustav Kuhn aufgrund von Missbrauchsvorwürfenerfolgreich in die Mangel. 2019 hakte Filmressortleiter Christian Konrad bei Politikattackenvon Brachialsatiriker Jan Böhmermann kaum nach. Die Lehre sollte seitdem sein:Harte Interviews sind keine Domäne des Panoptikums „Kulturmontag“, wo zuletzt in derFolge auch nahezu PR für eine Zauberei-Show betrieben wurde. Falls für Manker aktuellüberhaupt eine Live-TV-Bühne gerechtfertigt sein sollte, dann in der „ZiB 2“ – oder bei einem„Kulturmontag“, der sich Wolf ausborgt. Das hätte wohl sogar jenen Aspekt verbessert,von dem niemand zugibt, dass er mitverantwortlich für die Einladung des hinlänglichals „Enfant terrible“ punzierten Regisseurs war – die Einschaltquote. 2024 hatte derspätabendliche „Kulturmontag“ noch nie so wenig Publikum wie in dieser Woche.Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst.Von Peter Plaikner
DIE FURCHE · 107. März 2024Film21„Des Teufels Bad“: Veronika Franz’ und Severin Fialas exzeptioneller Film, für den KameramannMartin Gschlacht soeben den Silbernen Bären der Berlinale errang, kommt ins Kino.Töten, um zu sterbenVon Otto FriedrichAls Veronika Franz und SeverinFiala vor zehn Jahren mit „Ichseh Ich seh“ als Regieduo beimSpielfilm debütierten, setztensie in puncto Abgründe neueMaßstäbe im österreichischen Film – unddas in einer Filmlandschaft, wo die Abgründeja fast genetisch bedingt scheinen(von Michael Haneke bis zu Franz’ PartnerUlrich Seidl): In der Einschicht des Waldviertelsbricht sich das Böse in den Kinderneiner alleinstehenden Mutter Bahn, dasseinem Hören und Sehen vergeht.Doch die Abgründe müssen nicht nurkünstlich sein, lernen wir von „Des TeufelsBad“, dem nunmehrigen cineastischenParforceritt dieser Regisseure. Denn beimStoff, aus dem die Albträume dieses Filmssind, handelt es sich um historisch verbürgteGeschehnisse aus dem 18. Jahrhundert,die aber kaum bekannt sind: Mehr als400 Fälle von Frauensuizid durch Kindsmordgab es allein im deutschen Sprachraum,liest man im Nachspann des Film.Unausweichlich in den (Selbst-)MordDie fast unerträgliche Wahrheit: Selbstmordwar in jener Zeit eine Todsünde, die„ewige Verdammnis“ und die Verweigerungeines Begräbnisses zur Folge hatte.Einem Mörder und einer Mörderin hingegenwurde durch dieBeichte, die diese vorder Hinrichtung ablegten,jede Schuld, alsoauch die des Mordens,vergeben. Um als Selbstmörderinder Verdammniszu entgehen, wurdendiese Frauen so zuKindsmörderinnen.Solch historischerAbgrund ist der Hintergrunddes düsterenFilms, der sich nicht zuletztum den Weg seinerProtagonistin Agnes indiese mörderische Weise,Selbstmord zu begehen, dreht. Was manheute „Depression“ nennt, war im Oberösterreichischenjener Zeit mit „Bad desTeufels“ beschrieben.Es beginnt mit einer Hochzeit: Agnesehelicht den Zweitgeborenen einer Bauersfamilie,aber Wolf, ihr Mann, kommtjedenfalls seinen ehelichen Pflichten in Bezugauf Nachwuchs nicht nach; und seineMutter macht der Schwiegertochter darobdas Leben schwer. Ein Strudel von Unglücklichseinund Unglück bahnt sich an –und auch wenn man um die historischenVorgänge weiß, die dem Plot von „Des TeufelsBad“ zugrunde liegen, so verfolgt manatemlos den Fortgang einer Entwicklung,von der man bis zuletzthofft, dass sie doch nicht„ Einem Mörderwurde durch dieBeichte jede Schuldvor der Hinrichtungvergeben. Um alsSelbstmörderin derVerdammnis zuentgehen, wurdendiese Frauen so zuKindsmörderinnen. “eintritt.Franz und Fiala gelingtes, Suspense undHorror im historischenGewand zu verorten,einmal mehr ist den beidenzu bescheinigen,dass ihnen auch mit diesemFilm ein Meisterwerkgelungen ist. WesentlichenAnteil an denganz in Schwarz-Weißgehaltenen Bildern von„Des Teufels Bad“ hatMartin Gschlacht, derja auch bei „Ich seh Ich seh“ die Kameraverantwortet hat. Dass ihm soeben auf derBerlinale für die beste Kamera der SilberneBär überreicht wurde, hat er mehr alsverdient.Aber auch beim Cast ist den Filmemachernein höchst glückliches Händchen zuAls nochIdylle war ...Anja Plaschgalias Soap&Skin inder Rolle der Agnes,David Scheidalias DJ Dave als ihrEhemann Wolf.bescheinigen: Anja Plaschg gelingt in derRolle der Agnes ein erstaunliches Spielfilmdebüt.Was in der unter dem KünstlernamenSoap&Skin bekannten Sängerinauch darstellerisch steckt, war nichtvon vornherein zu vermuten. Plaschg/Soap&Skin zeichnet auch für die Filmmusikverantwortlich – eine ungewöhnliche,aber für diesen Film äußerst produktiveMehrfachbegabung.Plaschg, Scheid, HofstätterAuch der als Kabarettist und DJ Dave bekannteDavid Scheid überzeugt als EhemannWolf über alle Maßen. Und als Dritteim Schauspielbund kann Maria Hofstätterin der Rolle der übermächtigen Schwiegermuttervon Agnes alle Register ihrer zwischenHerzlichsein und Abgründigkeitchangierenden Performance ziehen.Wie schon im Debütfilm „Ich seh Ich seh“entpuppen sich Veronika Franz und SeverinFiala als Meister darin, seelische Verwundungennicht durch bloße Gewalt darzustellen,sondern als Entwicklungen vonverkorksten Beziehungen aller Art, dieausweglos scheinen. Das Leben – damalswie heute – hält solches Schicksal ja bereit.Des Teufels BadA 2024. Regie: Veronika Franz, Severin FialaMit Anja Plaschg, Maria Hofstätter, David ScheidFilmladen. 121 Min.FILMKOMÖDIETallahassee, du Stadtder Träumerinnen!Kann ein Film der Coen-Brüder ohne„Brüder“ funktionieren? Joel, der älteredes kreativen Geschwisterpaares,wagte schon vor drei Jahren mit „Macbeth“den Schritt in die alleinige Verantwortungeines Films – und es wurde auch deswegenein Meisterwerk, weil Joel Coen Shakespeareexpressionistisch und weitgehendwerkgetreu, also ganz weit weg vom Coen-Brothers-Look, inszenierte.Nun hat es ihm Bruder Ethan gleichgetan:In „Drive-Away Dolls“ wagt auch er seinen„Erstling“ ohne den anderen, allerdings erzähltund filmt er in der Weise, die als Markenzeichender Gebrüder gilt. Kann das gutgehen?Lustig ist es allemal, und vom erstenMoment des absurden Road-Movies werdendie Requisiten eines Coen-Brothers-Filmsmit dem Holzhammer präsentiert: Kameraeinstellungenlanger Gänge – aus „BartonFink“ längst gekannt; durch eine Kameraoptikverzerrte Gesichter, wie sie nicht zuletztin „Fargo“ Kinogeschichte machten;oder schon eine Eingangsszene, die damitendet, dass der Auftragskiller den Kopf seineserbarmungswürdigen Opfers zu Breiverarbeitet: ein weiteres „No Country forOld Men“ gefällig?Das Publikum darf in „Drive-Away Dolls“einem lesbischen Paar ausführlich beimSex und bei der Abwehr der in Coen-Manierunfähig agierenden Kriminellen zusehen.Die mit vielen Wassern gewascheneJamie (Margaret Qualley) und die schüchterneMarian (Geraldine Viswanathan) machensich auf von Massachusetts in Floridasprüde Hauptstadt Tallahassee. Sehrflott inszeniert, die Action ist aber bisweilenso überbordend schrill, dass einem wenigerder Atem stockt, sondern sich das eineoder andere Gähnen einschleicht. Fürdiesen Fall gilt: Zwei Coens können es dochbesser als einer. (Otto Friedrich)Drive-Away DollsUSA 2024. Regie: Ethan Coen. Mit Margaret Qualley,Geraldine Viswanathan. Universal. 84 Min.Was Margaret Qualley (Jamie) und Geraldine Viswanathan(Marian) auf dem Trip gen Süden alles widerfährt.ORIENTIERUNGMEXIKO: ZWISCHEN MARIENKULTUND FRAUENMORDENSO 10. MÄRZ 12:30Mexiko ist nicht nur bekannt für seine Kultur und die schöne Landschaft,sondern auch für Gewalt und Korruption. Daran konnte bisher auch derweit verbreitete christliche Glaube nichts ändern. Jedes Jahr pilgernMillionen Gläubige zum Fest der heiligen Maria von Guadalupe nachMexiko-Stadt, doch täglich werden in Mexiko rund zehn Frauen getötet.Nun beginnen die Frauen sich zu wehren.religion.ORF.atFurche24_KW10.indd 1 27.02.24 16:45
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