23 · 6. Juni 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– Ukraine: Wenn Papa an die Front muss Der Krieg beginnt, und die Kindheit endet. Eine ukrainische Autorin über Todesangst und zerplatzte Träume. · Seite 12 30 Jahre nach der EU-Abstimmung „Es bleibt trotzdem Antisemitismus“ „Man sollte Engel nicht leiden lassen“ Franz Fischler erinnert sich im FURCHE-Interview an die Widerstände von einst und Stefan Brocza denkt an den nächsten Kommissar. · Seiten 5–6 Die Leiterin des neuen Kulturzentrums „Ehemalige Synagoge“ in St. Pölten, Martha Keil, über alten und aktuellen Judenhass. · Seite 9 Philosoph Thomas Metzinger über Meditation, Spiritualität und den Ausblick auf eine erwachende Künstliche Intelligenz. · Seiten 22–23 Foto: APA / AFP / Angela Weiss Das Thema der Woche Seiten 2–4 Foto: APA / Christian Bruna Foto: APA / AFP / POOL / Vyacheslav Prokofyev Illustration: Rainer Messerklinger Populisten und Autokraten attackieren das westliche Politikmodell von innen und außen. Was dagegen schützt. Ausgespielte Demokratie Foto: APA / AFP / POOL / Szilard Koszticsak Foto: iStock/Nastco (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger) Text in der Welt Literatur soll man nach ihrer Ästhetik bewerten, heißt es. So weit, so gut. Doch den Text allein gab es nie und gibt es nicht. Entsprechend divers sind die Maßstäbe und Kriterien der Literaturkritik. Seite 17 – 18 So sehr der zurückliegende EU-Wahlkampf die Politik-Aversion gefördert haben mag: Das Projekt Europa steht vor einer Schicksalswahl. Es seinen Feinden zu überlassen, wird sich bitter rächen. Nach dem Getöse AUS DEM INHALT Österreich: Land der Querabsteiger Ausländische Fachkräfte werden dringend gebraucht. Wie schwer wir es zugewanderten Spezialisten dennoch machen, zeigt die Geschichte einer Ärztin. Seiten 7–8 Von Doris Helmberger Es war ein kurzer, beinah kathartischer Moment: Mitten in das Finale dieses aberwitzigen Wahlkampfs platzte vergangenen Montag die Meldung vom Tod Brigitte Bierleins, Österreichs erster und bislang einziger Bundeskanzlerin (siehe Nachruf Seite 15). Sie sei nicht nur fachlich exzeptionell gewesen, erklärte ihr einstiger Vizekanzler und Justizminister, Clemens Jabloner, am Abend desselben Tages in der ZIB 2; sie sei auch eine der „lautersten“ Persönlichkeiten gewesen, die er bislang kennenlernen durfte. Zudem habe Bierleins Expertenregierung nach dem Ibiza- Skandal und dem Ende von Türkis-Blau gezeigt, „dass diese Gesellschaft auch ohne dieses ganze Getöse“ ganz gut leben könne. Professionalität, Lauterkeit, Zurückhaltung: Was für ein Kontrast zum Getöse der vergangenen Wochen. Kaum je wurde ein Wahlkampf so sehr von Nebenthemen, echten Skandalen und vermeintlichen Skandälchen überlagert wie der gerade zu Ende gehende. Nach dem ausufernden Fall Lena Schilling, der – je nach Standpunkt – eher die Grünen oder die Medien oder beide beschädigte (vgl. ebenfalls Seite 15), sorgte zuletzt die Regierungs- „ In Brüssel zustimmen, zuhause gegen Brüssel agitieren: Solch kafkaeske Aktionen fördern nur EU-Skepsis. “ partei ÖVP für Verstörung. Wenige Tage vor der Wahl geißelte sie in einem groß angekündigten „Auto-Gipfel“ jenes „Verbrenner- Aus“, das man in der (bereits abgeschwächten!) Form selbst mitbeschlossen hatte. Ein reichlich durchsichtiges Manöver. In Brüssel zustimmen und später zuhause „gegen die in Brüssel“ agitieren: Mit solch kafkaesken Aktionen schürt man verlässlich jene Europaskepsis, gegen die man gern in Sonntagsreden kämpft. Wohin driftet die politische Mitte? Dieses Beispiel ist umso ärgerlicher, als gerade die Ausrichtung der (politischen) Mitte bzw. der Konservativen nach der kommenden Wahl von entscheidender Bedeutung sein wird. Vor allem an ihnen wird es liegen, ob das Friedens-, Sicherheits-, Wohlstands- und Aufklärungsprojekt Europa angesichts der globalen Herausforderungen konstruktiv weiterentwickelt werden kann – oder im Verbund mit Rechtspopulisten und Rechtsextremen rückabgewickelt wird. Die Zahl jener, die an einer nationalstaatlichen Verzwergung Interesse haben und dabei auch gleich „das System“ der liberalen Demokratie auf dem „Misthaufen der Geschichte“ entsorgen möchten, ist je- denfalls größer denn je (vgl. diesen Fokus). Und längst agieren Europas Feinde von außen wie von innen: Die Enthüllungen rund um die Unterwanderung Österreichs durch russische Spione und vom Kreml finanzierte rechtspopulistische bzw. rechtsextreme Parteien haben das drastisch offengelegt. Umso bedeutsamer ist der bevorstehende Urnengang. Wo wird sich Europa sicherheitspolitisch positionieren – zwischen dem Kriegstreiber Putin und den Vereinigten Staaten von Amerika, die spätestens im Fall von Trump 2.0 ihre Schutzmacht ad acta legen werden? Welche Lösung findet das alternde Europa für die Migration, auf die es einerseits in beinah allen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen angewiesen ist, mit deren Herausforderungen – bis hin zu demokratiefeindlichem Extremismus – man sich bislang zu wenig ernsthaft beschäftigte und damit das Geschäft der rechten Demokratiefeinde besorgte? Und nicht zuletzt: Wie ehrlich meint man es mit dem Green Deal, den EU-Kommissarin Ursula von der Leyen einst als Europas Man on the Moon- Moment beschwor? Kann ein reicher Kontinent in dieser Menschheitsfrage wirklich beim ersten Widerstand einknicken, ohne vor sich selbst und der Welt das Gesicht zu verlieren – und dabei auch noch die eigene Industrie vor den Kopf zu stoßen, die nichts mehr braucht als Planbarkeit? All das gilt es am Sonntag zu bedenken. Wie auch die Frage, welche Persönlichkeiten dafür mit ausreichend Professionalität und Lauterkeit gesegnet sind. Ein wenig Zeit haben wir ja noch, nach all dem Getöse. doris.helmberger@furche.at Der zwiegespaltene Papst Mit Aussagen hinter vermeintlich verschlossener Tür sorgte Franziskus dieser Tage für Aufregung. Ändern wird sich der 87-Jährige nicht mehr. Eine Analyse. Seite 11 Selbstverzwergung der Medien Die Causa Lena Schilling beutelte nicht nur die Grünen, sondern auch die Medien: Ein kritischer Rückblick von Otto Friedrich in seiner Kolumne „Zeit-Weise“. Seite 15 Kein Herz und keine Krone Was mit der Sisi-Platane im Wiener Volksgarten geschah, ist symptomatisch für den Umgang mit der historischen Parkkultur am Ring, meint Daniela Strigl. Seite 18 Klassik und Vielfalt Die Initiative „Superar“ ermöglicht allen Kindern kostenlosen Musikunterricht. Fatima und Aset haben so Geige spielen gelernt und treten nun in Paris auf. Seite 24 @diefurche @diefurche furche.at @diefurche Die Furche Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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