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DIE FURCHE 06.03.2025

DIE FURCHE · 106

DIE FURCHE · 106 Politik6. März 2025Das 211-seitige Regierungsprogramm spiegelt die Ideen von drei programmatisch sehr diversen Parteien wider. Inwieweit ist derKompromiss geglückt? Eine FURCHE-Analyse anhand von fünf ausgewählten Bereichen.Schwarz-rot-pinkeRegierungspläneBILDUNGFairer, inklusiver, autonomerRELIGION„Viel Segen“ für neue RegierungVon Magdalena Schwarz„ Die bahnbrechendeBildungsreform, auf die dasLand wartet, sucht man indem Dokument vergebens.Vielversprechend klingendie pinken Pläne dennoch. “Wofür ist Bildung da? Die Humanistender Renaissance träumtendavon, dass sich Menschendurch Wissen und Tugend bestmöglichentfalten. „Ist einem Bildung zuteil, dannnutze man sie, um gut zu leben“, schriebetwa Erasmus von Rotterdam. Wie aberbeantworten die Neos diese Frage? EineSpur anders als der niederländische Philosoph,so viel vorab. Dass ihre lebensnaheund wirtschaftsorientierte Bildungspolitikdennoch vielversprechend klingt,zeigt das schwarz-rot-pinke Regierungsprogramm.Zugegeben, die bahnbrechende Bildungsreform,auf die dieses Land seit Jahrzehntenwartet, sucht man in dem Dokumentvergebens. Das liegt aber eher an derVolkspartei: Bezüglich der von Neos undSPÖ geforderten gemeinsamen Schule fürZehn- bis 14-Jährige plant die Regierungeine „Erleichterung von Modellregionen“für derartige Versuche. Mehr Verklausulierungscheint kaum möglich. Allerdingssind mehrere sinnvolle pinke Maßnahmenaufgelistet: Denn – und das isteine Antwort der Liberalen auf die einleitendeFrage: Bildung ist für alle da. Dankeines „Chancenbonus“ sollen Schulen mitsozialen Herausforderungen zusätzlich gefördertwerden. Mehr Geld statt Umverteilungalso – im Gegensatz zum Mini-Chancen-Index,der Wiens Brennpunktschulenmehr Lehrkräfte brachte, während andereStandorte Mittel verloren. Außerdemstellt der Bund für die Elementarpädagogikzusätzliches Geld zur Verfügung, undein zweites verpflichtendes Kindergartenjahrsoll kommen. Mangelnde Deutschkenntnissesollen bereits im vorletztenKindergartenjahr erkannt und behobenwerden. Weniger positiv: Die vielkritisiertenDeutschförderklassen werden „weiterentwickelt“.Auch bei der Inklusion verspricht dieDreierkoalition Verbesserungen: Sonderschulensollen zwar nicht aufgelöst, aberzumindest durch integrative Angeboteergänzt werden. In Aussicht stehen auchzwei Maßnahmen, auf die Eltern und Hilfsorganisationenschon lange drängen: derRechtsanspruch auf ein elftes und zwölftesSchuljahr für Schülerinnen und Schülermit sonderpädagogischem Förderbedarfsowie mehr Geld und Personal fürihre Förderung. Trotz Lehrkräftemangel?Schwarz-Rot-Pink will unter anderem miteiner Fortsetzung von Ex-Minister MartinPolascheks (ÖVP) „Klasse Job“-Initiativegegensteuern. Weitere Versprechen: mehrSchulautonomie, psychosoziales Supportpersonal,altersgerechte Handyverbote,stärkere Elterneinbindung, ein Ausbau derGanztagsschulen, mehr Fokus auf Demokratiebildungund Medienkompetenz.Zurück zu der Frage: Wofür ist Bildung(noch) da? Natürlich um den WirtschaftsstandortÖsterreich zu stärken. (Ein Detailam Rande: Die „umfassende Finanzbildungund Stärkung der Financial Literacy“findet sich im Regierungsprogramm nichtim Kapitel „Bildung“, sondern u.a. unter„Industriestrategie“.) Jugendliche sollenwissen, wie sie Schuldenfallen vermeiden.Fraglich ist, ob es in diesem Fach auchRaum für Kapitalismuskritik gibt.Fotos: APA / Roland SchlagerDer neue Bildungsminister Christoph Wiederkehr(Neos) ist seit 2020 Wiener Vizebürgermeisterund war u.a. Bildungsstadtrat (nun amtsführend).Insgesamt ist das Bildungspaket solide.Und der zukünftige BildungsministerChristoph Wiederkehr konnte seine Umsetzungsstärkeschon in der Hauptstadtunter Beweis stellen. In der Bildung – diefast zur Gänze Bundessache ist – hatte derPolitikwissenschafter wenig Spielraum –diesen nutzte er allerdings. Er stockte dasBudget für Kindergärten von einer Milliardeauf 1,23 Milliarden Euro auf und führteein Handyverbot an Wiener Volksschulenein. Sein Vorschlag von Geldstrafen fürsäumige Eltern provozierte, wichtige Debattenhat er dadurch allemal angestoßen.Von Till SchönwälderAusgesprochen positiv fiel das Statementdes Vorsitzenden der ÖsterreichischenBischofskonferenz,Erzbischof Franz Lackner, anlässlich desStarts der neuen Koalition aus. Lacknerwünschte der Regierung „viel Segen“. Diekatholische Kirche werde die neue Bun-Kanzleramtsministerin Claudia Plakolm (ÖVP)wird in der Bundesregierung künftig für Kirchenund Religionen zuständig sein.desregierung mit Gebet und tatkräftigemEinsatz unterstützen, betonte der SalzburgerErzbischof. Zuständig für die Kirchenund Religionsgemeinschaften wirdÖVP-Kanzleramtsministerin Claudia Plakolm,die die Agenden von Susanne Raabübernimmt.Die Freude seitens der katholischen Kircheist nachvollziehbar. Es ist davon auszugehen,dass die ÖVP an ihrer kirchenfreundlichenLinie nichts ändern wird.„ Die Freude der katholischenKirche ist nachvollziehbar.Es ist davon auszugehen,dass die ÖVP an ihrerkirchenfreundlichen Linienichts ändern wird. “Die Aufregung, nachdem Anfang Februardie von den Freiheitlichen geplante Aufhebungder steuerlichen Absetzbarkeit desKirchenbeitrags und die Beendigung derGrundsteuerbefreiung für Religionsgemeinschaftenbekannt worden waren, istverflogen. Dass Klaudia Tanner – die Niederösterreicherinmachte als Einzige beider Angelobung von der Formel „So wahrmir Gott helfe“ Gebrauch – weiterhin Verteidigungsministerinbleibt, ist auch fürdie Militärseelsorge eine gute Nachricht.So gilt das Verhältnis zwischen ihr unddem katholischen Militärbischof WernerFrei stetter als ausgesprochen gut.Auch von kirchlichen Hilfsorganisationen,wie der Caritas und der Diakonie sowiedem Katholischen Familienverbandund dem überkonfessionellen Schwangerenberatungsverein„Aktion Leben“, kamenpositive Signale. So sah Caritas-PräsidentinNora Tödtling-Musenbichler imAPA-Interview „viele Maßnahmen, die indie richtige Richtung gehen“. Die katholischenPublizisten begrüßten im Medienkapiteldes Regierungsprogramms das Bekenntniszum Qualitätsjournalismus.Neben den vielen lobenden Worten ist dereine oder andere Punkt hingegen mit einergewissen Unsicherheit versehen. Dass mitChristoph Wiederkehr ausgerechnet jenerNeos-Politiker Bildungsminister wird, derim Laufe des Wahlkampfes den verpflichtendenReligionsunterricht noch durch einPflichtfach „Demokratie“ ersetzen wollte,gehört jedenfalls dazu. Im Herbst klangder ehemalige Wiener Bildungsstadtrat beieiner Enquete zur Zukunft des Religionsunterrichtsbereits deutlich versöhnlicher,als er dem Religionsunterricht eine wichtigeFunktion bei der Etablierung gemeinsamerWerte, Respekt, Anerkennung undeiner demokratischen Grundhaltung einräumte.Der Umstand, dass der erste Amtsbesuchdes Neo-Bildungsministers ausgerechneteinem kirchlichen Kindergartengalt, kann wohl als Symbol für eine Kehrtwendegewertet werden.Islam im FokusEinen besonderen Fokus legt die Koaltionauf das Migrations- und Integrationsthema.So ist es nicht verwunderlich, dasssich im Regierungsprogramm Passagenfinden wie: „Religionspädagogik muss imEinklang mit Verfassung und Menschenrechtenstehen und in deutscher Sprachesowie im Einklang mit unserem westlichenLebensmodell (Europäischer Islam)unterrichtet werden.“ Zudem werde eine„Stärkung der Islamischen Religionspädagogikan österreichischen Universitäten“angestrebt. Zur Sicherstellung der Durchführungdes Religionsunterrichts soll zudemeine religionsunabhängige Schulaufsichteingeführt werden. Eine weitereMaßnahme richtet sich ebenfalls explizitan den Islam, so plant die Regierung ein generellesKopftuchverbot für unter 14-Jährige.Ein Kopftuchtrageverbot an Volksschulenwurde allerdings bereits 2002 vomVfGH als verfassungswidrig erklärt unddamit aufgehoben.

DIE FURCHE · 106. März 2025Politik7LANDESVERTEIDIGUNGNeutral, europäisch und klugASYL & MIGRATIONRaue Sprache, aber im EU-EinklangBei der Angelobung der neuen Regierungnannte Bundespräsident AlexanderVan der Bellen als ersten seinersieben Aufträge, „eine kluge Friedens- undVerteidigungspolitik“ zu etablieren, „die dieInteressen Österreichs, der EuropäischenUnion und unseren Frieden schützt“. Wirddas Kapitel Landesverteidigung im Regierungsprogrammdiesem Auftrag gerecht?Siegfried Albel, Oberst i. R. des ÖsterreichischenBundesheers und Vorstand derInteressengemeinschaft Berufsoffiziere(IGBO), beantwortet diese Frage im FURCHE-Gespräch mit Ja: „Mit diesem Pro gramm bestehtdie Möglichkeit, die Pro ble me, die verteidigungspolitischsowohl im geopolitischenRahmen als auch wirtschaftlich aufnationaler Ebene vor uns liegen, lösen zukönnen.“ Vor allem der Punkt Personaloffensiveim Kapitel Landesverteidigung istlaut Albel ein Grund für Optimismus.Personalflucht stoppen30 Jahre kämpfte die IGBO dafür, dass Bundesheeroffiziere,von denen als Dienstkriteriumein Studienabschluss verlangt wird,auch diesem Ausbildungsgrad entsprechendeingestuft und entlohnt werden. Bis datowar das nicht der Fall, mit der beschlossenenÜbergabe der Personalhoheit an das Verteidigungsministeriumwird diese Ungleichbehandlungbeendet. Für Albel ein überfälligerSchritt, um der „Personalflucht“ im Bereichder Berufsoffiziere entgegenzutreten, „unslaufen sonst die Leute davon“.Damit es insgesamt beim Bundesheerrunder läuft, bekennt sich die Dreierkoalitionim Regierungsprogramm dazu, den Aufbauplandes Bundesheeres „konsequent“weiter umzusetzen und die in der vorigenLegislaturperiode begonnene Nachrüstungfortzusetzen. Bis 2032 soll das Verteidigungsbudgetauf über zehn MilliardenEuro und damit zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktesangehoben werden. VonKLIMA- & UMWELTSCHUTZHellgrünesHerz vonÖVP-SPÖ-NeosDonald Trumps Vorgaben für die NATO-Aufrüstung ist man damit weit entfernt,aber für österreichische Verhältnisse istdiese Größenordnung ein den unsicherenZeitläuften geschuldeter Quantensprung.Statt einer Verlängerung des Grundwehrdienstesbehilft man sich mit einer„Bereitschaftstruppe zur bundesweitenErstreaktion mit strukturierten Kräften“,um auf überraschend auftretende Bedrohungenrasch reagieren zu können.Neben einem knappen Bekenntnis zurNeutralität betont man „die Zusammenarbeitund Solidarität innerhalb der EU“.Im Unterschied zu einer Regierung mitder FPÖ wird damit auch das österreichischeEngagement beim europäischen LuftabwehrschirmSky Shield nicht infrage gestellt.(Wolfgang Machreich)Die Koalitionsspitzen zu Wochenbeginn bei der Präsentation des Regierungsprogramms mit schwarz-rot-pinken Handschriften.Foto: APA / Hans Klaus Techtdererseits wird laut Regierungsprogrammausgerechnet der Familiennachzug mit sofortigerWirkung gestoppt, obwohl das dieeinzige reguläre Migration ist, die in diesemBereich stattfindet. „Diese Attacke aufden Familiennachzug ist nicht nachhaltigund sehr kurzsichtig und integrationszerstörend“,sagt Gahleitner-Gertz, „weil dieFamilie ist ein ganz wesentliches Elementfür eine erfolgreiche Integration.“Das Aussetzen des Familiennachzugssei zudem „mit Anlauf rechtswidrig“, istder Asylrechtsexperte überzeugt. Ins gleicheHorn stößt Diakonie-Direktorin MariaKatharina Moser, die Grundwerte missachtetsieht, „wenn der Familiennachzugfür anerkannte Flüchtlinge gestoppt wird“.Gerade aus integrationspolitischer Sichtist auch für sie „die Familienzusammenführunghilfreich und beschleunigt die Integrationmassiv“.Als Fortschritt im Regierungsprogrammbewertet die Diakonie-Direktorin das Bekenntniszu einheitlichen Standards inder Grundversorgung und Obsorge ab demersten Tag für unbegleitete minderjährigeFlüchtlinge. Gahleitner-Gertz teilt dieseMeinung, erinnert aber daran, dass es dieseZusage bereits im Regierungsprogrammvon ÖVP und Grünen gegeben habe: „Alsomuss man einmal schauen, ob das Papier daswert ist, was draufsteht und was dann tatsächlichzur Umsetzung kommt“, meint er.ÖVP-HandschriftDaneben ortet er noch weitere grundsätzlichpositive Punkte für eine bessereAusgestaltung der Asylpolitik. Als Beispielenennt Gahleitner-Gertz, dass bei derVersorgung von Geflüchteten in der GrundversorgungMindestqualitätsstandardsfestgelegt werden sollen oder auch eine Inflationsabgeltungkommen soll – „das sindlauter kleine praktische Dinge, die, wennsie kommen, tatsächlich gut sind“.Außer Frage steht für Gahleitner-Gertz,dass dieses Kapitel die „Handschrift derÖVP“ trage und in der aus den letzten Jahrenvon Innenminister Gerhard Karner gewohnten„robusten Sprache“ verfasst wordensei. Einen großen Unterschied zumAsylpapier aus den Verhandlungen zwischenFPÖ und ÖVP sieht Gahleitner-Gertzaber insofern gegeben, als die „Dreierkoalitionklar beabsichtigt, das gemeinsameeuropäische Asylsystem umzusetzen, daswar mit der FPÖ nicht der Fall“. (WM)Dass ein Regierungsprogramm ohnegrüne Beteiligung Klimaschutzmaßnahmenweniger Priorität einräumt,ist nicht zwingend, aber logisch. Nicht zwingend,da auch bei anderen Parteien (AusnahmeFPÖ) die Einsicht gewachsen sein sollte,dass Klimaschutz eine Zukunftsnotwendigkeitohne parteipolitisches Mascherl ist. Logisch,weil es nach einer ÖVP-Grünen-Legislaturperiode,in der man sich entweder„Betonierer“ oder „Blockierer“ schimpfte,kein „Weiter wie bisher“ geben durfte.Auch wenn das Wort „Klimaschutz“ keindutzend Mal im ganzen Regierungsprogrammvorkommt, übertreiben die Grünenmit ihrem Vorwurf, die neue Regierung reißeKlimaschutzmaßnahmen mit der „Abrissbirne“nieder. Umweltschutzorganisationenwie Global 2000, der WWF oderGreenpeace analysieren da differenzierter,bewerten die Klima- und Umweltschutzmaßnahmenals „durchwachsen“, sehen „Lichtund Schatten“ und stellen „ein gemischtesZeugnis“ aus: Unisono positiv wird das Bekenntniszum Green Deal der EuropäischenUnion und zu einem Klimaschutzgesetz gesehen,auch wenn dieses jetzt nur mehr Klimagesetzheißt. Dass sich die Regierung zurKlimaneutralität 2040 bekennt, wird ebenfallsgelobt, so wie der geplante Ausbau erneuerbarerEnergie, sowohl im Strom- alsauch im Wärmebereich. Dass es dazu Förderungenbrauchen wird, die laut Regierungs-Am Anfang des Themenblocks Sicherheitim Regierungsprogramm stehtdas Kapitel Asyl und Migration. Vordem Kapitel Innere Sicherheit, vor dem KapitelLandesverteidigung und vor dem ThemaIntegration – interessante Reihung undeigenartig, dass Asyl und Migration nichtin direktem Zusammenhang mit Integrationzur Sprache kommen. Von der FURCHEnach einer Analyse des Asyl- und Migrationskapitelsgefragt, stößt sich Lukas Gahleitner-Gertz,Sprecher und Asylrechtsexperteder Asylkoordination Österreich, anden einen oder anderen „nicht ganz stimmigenVorhaben“. Als ein Beispiel, das besondersheraussteche, nennt Gahleitner-Gertzfolgenden Widerspruch: Einerseits werdeseitens der Regierung stets betont, man wolledie irreguläre Migration bekämpfen; anprogrammaber noch überprüft und „praxistauglichausgestaltet“ werden müssen,schürt gleichzeitig Planungsunsicherheitfür Unternehmen wie Private.Im Unterkapitel Mobilität und Verkehrwird „die Beibehaltung und Weiterentwicklungeines leistbaren Klimatickets“ angekündigt– insofern droht auch diesem grünenPrestigeprojekt mit großer Breitenwirkungkeine Abrissbirne. Bei der Filetierung desKlimaministeriums und der Aufteilungder Zuständigkeiten in die Ministerien fürLandwirtschaft (Umwelt, Klima), Wirtschaft(Energie), Infrastruktur (Verkehr) kann mansicher von einer Zerschlagung sprechen.Vorrang für StraßenbauDie Befürchtung, dass mit der Einordnungder Klima- und Umweltagenden ins Landwirtschaftsministeriumauch deren Unterordnungeinhergeht, ist begründet undmuss erst durch eine anders gelebte Praxisentkräftet werden. Als größte Schwachstelleim Klima- und Umweltschutzkapitel identifizierendie Umwelt-NGOs das bei dieser Regierungskonstellationnicht überraschendeBekenntnis zu umstrittenen Straßenbauprojekten(etwa der Lobau-Autobahn). Hierzeige sich noch zu viel „altes Denken“, wirdkritisiert. In einem anderen Fall ist dieses„alte Denken“ nach wie vor ein Umweltschutzgarant:Atomenergie bleibt auch lautdiesem Regierungsprogramm tabu. (WM)KLARTEXTFaire Chance auf NeubeginnAuch bei Regierungsprogrammen empfiehltes sich, das Kleingedruckte zu lesen.Nach Lektüre der 211 Seiten konnteich erleichtert resümieren: Ein guter Anfangist damit gemacht. Die Dreierkoalition kam zuguter Letzt wohl auch zustande, weil allen Beteiligtendämmerte, wie gefährlich es gewesenwäre, in Brüssel von einem kämpferischenAnti- Europäer vertreten zu werden. Wir erlebenja in diesen Tagen, wie das transatlantischeWertebündnis mutwillig niedergetrumpeltwird: Da ist gemeinsames europäisches Handelnwichtiger denn je. Schon deshalb verdientdie neue Bundesregierung eine faire Chance.Das gilt auch für das wohl etwas voreiligkritisierte Kapitel Staatshaushalt. Die vonInterims finanzminister Gunter Mayr definiertenAnsätze zur Vermeidung eines EU-Defizitverfahrenssind ohnehin unumgänglich. Dassder Streichung des Klimabonus eine vorübergehenderhöhte Bankensteuer gegenübersteht,wurde diesmal klugerweise nicht zum Streitpunkt– wohl auch, weil Nationalbank-GouverneurRobert Holzmanndafür durchaus sachgerechteArgumente lieferte.Auch die Sistierungder Ausschüttung des letztenDrittels der beseitigten kalten Progressionist schlicht ein Gebot der Stunde.Ob die durchaus ambitioniert angepeiltenEinsparungen in der öffentlichen Verwaltungtatsächlich gelingen, muss derzeit noch ebensooffenbleiben wie die Frage, ob durch echteStrukturreformen genügend Mittel für all dieangepeilten bildungspolitischen, infrastrukturellen,sicherheits- und umweltpolitischen Investitionenfreigespielt werden können.Umso entscheidender wird es sein, dass dasDreierbündnis mit genügend Verantwortungsbewusstseinund Teamgeist gerüstet ist, umüber eine ganze Legislaturperiode abseits reinenParteiinteresses für das Staatsganze zuarbeiten. Wir wollen hoffen!Der Autor ist Ökonom und Publizist.Von Wilfried Stadler

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