DIE FURCHE · 1016 Diskurs6. März 2025ZEITBILDFoto: FOTO: APA / Roland Schlager„Das Richtige tun“ – ganz ohne TheaterDas Ambiente war gewohnt imperial, aber alles andere sonüchtern, wie es sich geziemt. Die am Montag in der Hofburgangelobte Regierung hat schließlich keine Zuckerlnzu verteilen, auch wenn man ihr im gescheiterten Erstversuchdiesen Namen gab. Sie wird vielmehr ein „Blut Schweiß und Tränen“-Programmbespielen müssen: von zwingenden Einsparungenbis zur erzwungenen Stärkung der Verteidigung gegen die neueAutokratenachse Putin–Trump. Dass die meisten Leuchttürme„unter Budgetvorbehalt“ rangieren, darf nicht verwundern. Dassman sich auch behübschende PR à la „Das Beste aus drei Welten“spart, ist erfreulich. Wer von vornherein auf Lack verzichtet,IHREMEINUNGSchreiben Sie uns unterleserbriefe@furche.atSchöne Welt von gestern?Von Franz PrettenthalerNr. 9, Seite 4sachern einer multiplen Systemkriseund Flüchtlinge generalisierend zuSozialschmarotzern erklärt. VielfacherFördermissbrauch und die komplexenProbleme (z. B. an den WienerSchulen) sollen hier keineswegs kleingeredetwerden; sie warten auf kluge,besonnene Lösungen durch dieneue Regierung. Doch das geleakteRegierungsprogramm der Kickl-FPÖist ein Blick in die DNA dieser Partei.Wer Kreuze in jedem Klassenzimmerfordert, muss auch das „Regierungsprogramm“des jüdischen Wanderlehrersaus Nazareth vertreten, unddas ist bekanntlich eine völlig andere,„todernste“ Sache. Wer christlichesBrauchtum (wie den Nikolaus im Kindergarten)einmahnt und gleichzeitigden Kirchen und der Caritas/Diakoniedroht, den Geldhahn abzudrehen,ist schlicht ein Heuchler, und die hatJesus bekanntlich abgelehnt.Ja, wir brauchen wieder Politikerinnenund Politiker in allen Parteien, die –dem kann er nicht abblättern; wer nicht auf Theater setzt, dersitzt später nicht vor enttäuschtem Publikum. „Dreierkoalition“:So schlicht nennt sich die neue ÖVP-SPÖ-Neos-Regierung. Dasssie immerhin 14 Minister(innen) und sieben Staatssekretäreumfasst, ist kein Makel – solange sich darin auch Schwergewichtefinden. Ob die ideologisch gewagte Wirtschaftsachse Marterbauer–Hanke–Hattmannsdorfer funktioniert oder sich ständig selbstblockiert, wird sich zeigen. Die stoische Gelassenheit und der bisan die Schmerzgrenze gehende Pragmatismus von Neo-KanzlerChristian Stocker wird dabei ganz nützlich sein. Die Zeit derSchauspieler ist ohnehin vorbei. (Doris Helmberger)Nun werden sie wieder laut auftreten,die Hassprediger und Volksverhetzer.Nein, es sind nicht islamistische Imamegemeint, die auf TikTok ihre Lehrenverkünden, sondern jene Politiker,die einen christlichen Einkehrtag,den Aschermittwoch, missbrauchenund mit dem Bierkrug in der Handpolitisch Andersdenkende hämischverunglimpfen und Zwietracht undHass verbreiten. Unter Berufung auf„unsere christlich-abendländischenWerte“ werden Ausländer zu Verurunabhängigvom religiösen Bekenntnis– die universell gültigen christlichenWerte vertreten! So wie der„Erfinder“ der ökosozialen Marktwirtschaft,Josef Riegler, den ich in den1990er Jahren bei einem mehrtägigenKontemplationsseminar von WilligisJäger in Würzburg gesehen habe.Ja, und wir brauchen mutige Bischöfe,die sich öffentlich dagegen verwahren,wenn ein kirchlicher Fasten- undEinkehrtag für eine völlig unchristlicheBotschaft missbraucht wird.Dr. Alfons Huber, 1180 Wienwie obenDas hochgefährliche Spiel der FPÖmit niederen Instinkten (ob Ausländerhassoder Adrenalinschub bei150 km/h auf der Autobahn) verfängtoffensichtlich genauso in der Stadt.Bekanntermaßen aber sammeln populistischeParteien darüber hinausberechtigten Protest von Menschenein, die sich in keiner anderen Parteigesehen fühlen, und das gilt auch fürdie FPÖ am Land.Dass die Kirchen kein stabiler (auchgeistiger) Infrastrukturanbieter amLand mehr sind, hat kürzlich die Studie„Was glaubt Österreich“ bewiesen.Dass das Land ständig Einwohnerverliert zugunsten der Stadt, machtdeutlich, wo das Leben unbequemerist. Am Land müssen täglich riesigeMengen an Versorgungsgütern einschließlichEnergie möglichst klimafreundlicherzeugt werden und klimafreundlichin die Städte gelangen. Indiesem Sinn wünscht Prettenthalersich bei der Energiewende die Landbewohner„im Rücken“. Die allerdingswünschen sich, man möge ihnen dasGesicht zuwenden und einen Dialogauf Augenhöhe führen. Stattdesseninfantilisiert sie der Autor, indemer Erziehungsvorschläge formuliert.Genau das gehört zu dem Stoff, ausdem der Wahlerfolg der FPÖ am Landgemacht ist. Ich lebe am Land, undnein, ich habe Kickl nicht gewählt.Elisabeth Ertl, 8350 FehringEqual Play Day:Seit dem20. Februar istFrauensportunsichtbarDer Equal Play Day markiertden Tag im Jahr, ab dem statistischgesehen kein Frauensportmehr in heimischenMedien erscheint. Mit der EqualPlay Initiative macht win2day, dieSpieleseite der ÖsterreichischenLotterien, auf das Ungleichgewichtin der Sichtbarkeitvon Frauen- und Herrensportaufmerksam, und setzt auf Maßnahmen,die diese Diskrepanzverringern sollen. Nur rund 14Prozent der gesamten Sportberichterstattungin Österreichsind dem Frauensport gewidmet.Lediglich 1 Prozent ist dem Behindertensportvorbehalten. MehrSichtbarkeit für Frauensportbedeutet aber: Mehr Sponsoring,mehr Professionalisierung, mehrNachwuchs.Österreichweite Kampagnefür mehr Sichtbarkeit vonFrauensportwin2day, Equal Play Initiator, wirddeshalb nicht müde, auf diesesUngleichgewicht reichweitenstarkhinzuweisen. Von 10. bis23.02. haben in ganz ÖsterreichPlakate auf das Thema „MehrSichtbarkeit von Frauensport“aufmerksam gemacht – in Kombinationmit Zitaten, die aufrüttelnsollen.PR-Staatspreis 2025Als Anerkennung dieses starkenZeichens für Geschlechterfairnessim Sport wurde die Initiativeheuer auch in der Kategorie „GesellschaftlichesEngagement undDiversity, Equity & Inclusion“ desÖsterreichischen PR-Staatspreisesausgezeichnet.GLAUBENSFRAGEGnadenlosVon Hildegund KeulIn dieser Ausgabeder FURCHE finden Sieeine bezahlte Beilage derKatholische FrauenbewegungÖsterreich zur AktionFamielienfasttag.Für den Equal Play Day hat win2dayösterreichische Nationalteamspielerinnenstark inszeniert, hier Dorinaund Ronja Klinger (Beach Volleyball).Foto: © win2dayTheologische Begriffe sind manchmal sofehlverwendet und folglich ausgelaugt,dass erst ein Blick auf säkulare Kontexteerschließt, was sie heute bedeuten. So geht es mirmit der „Gnade“. Sollen wir sie nicht lieber ausdem Wortschatz streichen? Aber dann fällt dasWort „gnadenlos“ im Blick auf die Politik des US-Präsidenten und seiner Tech-Milliardäre. Sie istgnadenlos. Sie nimmt keine Rücksicht auf Andere,sondern hat nur den eigenen Vorteil im Sinn.Sie ist respektlos gegenüber Menschen in schwierigenLebenslagen, Frauen, Homosexuellen undTranspersonen. Die Wahrheit wird als Lüge verkauft,im wahrsten Sinn des Wortes, und dieWahrheit als Fake News verleumdet. Gnadenlos.Dass der Apostel Paulus in seinen Briefen sohäufig über die Gnade spricht, hat mit seiner eigenenGnadenlosigkeit zu tun. Denn in der Zeit,als er noch Saulus hieß, war er selbst ein gnadenloserMann. Rücksichtslos verfolgte er Menschen,die vom tradierten Glaubensweg abwichen. Tatkräftigbekämpfte er die Jüngerinnen und JüngerJesu als gefährliche Sekte.Gnadenlos in gnadenloserZeit, so lässt sich Saulus beschreiben.Doch dann erfuhrer vor den Toren vonDamaskus seine Bekehrung, die alles andersmachte. Er wandte sich ab von seiner Vulneranzund redete der Gnade das Wort. Denn er erfuhram eigenen Leib, welche Lebensmacht sie eröffnetund wie sehr er sie braucht, um in Freiheit lebenzu können. Fortan erlitt er lieber selbst Gewalt,als Anderen Gewalt anzutun.Heute von lügenden Tech-Milliardären Bekehrungzu erwarten, wäre naiv. Aber wofür Paulusheute noch steht: Wer nicht in einer gnadenlosenGesellschaft leben will, zeigt Respekt für Andere,steht für Menschenwürde ein, wo sie bedroht ist,und engagiert sich für Gerechtigkeit, die alleinFrieden ermöglicht.Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherinan der Universität Würzburg.RELIGIONIN KÜRZE■ Fastenmonat Ramadan hat begonnnenDer islamische Fastenmonat Ramadan hat für die weltweit 1,9 Milliarden Musliminnenund Muslime am 28. Februar begonnen. Er dauert bis 30. März. Es sei eineZeit der Spiritualität, der inneren Einkehr und der Gemeinschaft, sagte MahmudYavuz von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in einer Videobotschaft zumheurigen Ramadan. In Österreich leben fast 650.000 Musliminnen und Muslime.GESELLSCHAFT/WISSEN■ Neue Drogen große Gefahr für EuropaEuropa sei unvorbereitet auf den Anstieg synthetischer Drogen, so der UNO-DrogenkontrollratINCB mit Sitz in Wien. Das Geschäft mit den im Vergleich zu Opium undKokain billig herstellbaren Stoffen blühe. Ein Beispiel seien Nitazene, vermarktet als„synthetisches Heroin“. In Estland und Polen habe es bereits Überdosisfälle gegeben,auch in Frankreich und Irland seien diese künstlichen Drogen bereits aufgetaucht.
DIE FURCHE · 106. März 2025Literatur17Von Daniel WisserElse Feldmann kam am25. Februar 1884 inWien zur Welt. IhreHeimat waren die Leopoldstadtund die Brigittenau. Sie arbeitete als Journalistinund Schriftstellerin.Ihre Reportagen erschienen inverschiedenen Zeitungen, undalsbald begann sie, Erzählungenzu schreiben. Bekannt wurde vorallem ihr Roman „Löwenzahn –eine Kindheit“. Wie „Löwenzahn“wird auch ihr Roman „Der Leibder Mutter“ den „sozialrealistischenArbeiten“ des Roten Wienzugeordnet.Das Rote Wien bezeichnet eineEpoche zwischen 1919 und 1934,die von der Politik der SozialdemokratischenPartei (damalsSDAP) geprägt wird, welche 1934verboten wird. Doch die Rezeptionder Literatur dieser Phase istkeineswegs nur auf Parteifunktionäre,-mitglieder und -sympathisantinnenbegrenzt. Die LiteraturwissenschafterRichardLambert und Gernot Waldnerverstehen sie vielmehr „als Konstellationvon Schriftstellern undSchriftstellerinnen sowohl ausdem Zentrum als auch aus derPeripherie (Stefan Zweig, HermannBroch, Jura Soyfer), derenTexte auch von Teilen der Arbeiterschichtpositiv aufgenommenwurden“.Enorme PresselandschaftDie literarische Kultur des RotenWien profitierte, wie Lambertund Waldner im Band „Das RoteWien“ schreiben, „vor allem vonzwei Institutionen: den Arbeiterbüchereienund der enormenPresselandschaft“. Letztere warfür Feldmann besonders wichtig.Einige ihrer Werke sind als Fortsetzungsromanein Zeitungen erschienen.„Der Leib der Mutter“erschien in der Arbeiter Zeitungim Jahr 1924 und erst 1931 auchals Buch.Feldmann hat die Erzählung ineinem ihr bekannten Milieu angesiedelt.Absalon Laich, die Hauptfigurdes Romans, ist Journalist.Er war einige Zeit in den USA undwird daher in seiner Redaktionhauptsächlich als Übersetzer verwendet.Er schreibt aber auch Artikel.Wiewohl sein beruflicherAufstieg möglich, ja sicher scheint,sucht er eine Unterkunft in einemverruchten Viertel. Er bezieht einZimmer in der Wohnung des HutmachersJohann Miczek.Miczek ist kein Unternehmer,sondern arbeitet in einer Fabrik,und die elenden Verhältnisse derFamilie drängen sich Laich vonAnfang an gnadenlos auf. Er kannin seinem Zimmer nicht arbeitenund wird stattdessen unfreiwilligzum Zeugen fürchterlicherUmstände: Miczek betrügt seineFrau, gibt ihr kein Geld und bleibtoft nächtelang aus. Regelmäßigist seine Frau von ihm schwanger,wobei sie die Kleinkinder baldnach ihrer Geburt durch Vergiftungenlangsam tötet.Absalon Laich gerät innerlich ineine ambivalente Haltung. Im Romanheißt es: „Von Monat zu Monatdachte er daran, zu kündigenoder einfach auszubleiben, vorauszuzahlenund seine Sachendurch einen Dienstmann abholenzu lassen. Doch war es einmal soweit, dann suchte er selbst nacheiner Ausrede, legte sich Gründezurecht, die ihm das Ausziehenunmöglich machten; zum Schlußsagte er zu sich, ohne recht zu wissen,warum: Als Ehrenmann mußich bleiben.“Diese innere Ambivalenz bestimmtdie Fallhöhe der Figur.Laich, der für seine Arbeit durchausAnerkennung bekommt undden ein Kollege drängt, sich eineFrau aus einem gutbürgerlichenHaus zu suchen, zieht es immerwieder in die verruchten Straßendes Viertels, in verrufene Cafésund zu Prostituierten. Zwei Prostituiertefaszinieren ihn besonders,und er sucht ihre Nähe, abernicht zum Sex, sondern um ihnenfinanziell und durch Zuspruch zuhelfen.Moderner, sachlicher StilDie Schilderung dieser Verhältnisseist wie der gesamte Romanin einem modernen, sachlichenStil gehalten, wie er dem Realismusseiner Zeit entspricht. DerRoman gibt keine Hinweise zurzeitlichen Einordnung der Handlung.Ein Satz bringt mich allerdingszu der Vermutung, dass dieHandlung im Jahr 1911 angesiedeltist. Absalon Laich schreibt einesTages einen Artikel, der großeBeachtung findet: „Es war ausdem Pariser Louvre ein berühmtesBild gestohlen worden. DieZeitung sollte ausführlich darüberberichten – und der Kunstkritikerwar eben auf Urlaub. Einigeglaubten von Laich zu wissen,daß er kunstgeschichtlich gebildetsei. Er wurde also gebeten darüberzu schreiben. […] Es war eineDichtung auf die Frau, auf dieKunst, auf die Menschheit … Wardas überhaupt von ihm, dieseherrliche Philosophie, diese griechischheiteren Gedanken unddieser Stil! Am Abend nanntensie ihn bereits Meister.“Ich gehe davon aus, dass es sichbei dem „berühmten Bild“ um jenesGemälde handelt, das wirheute als Mona Lisa bezeichnen.Es war im August 1911 von VincenzoPeruggia aus dem Louvregestohlen worden.Welches Buch sollte man heute (wieder) lesen?In der neuen FURCHE-Reihe „Angesagt“ empfiehltDaniel Wisser Else Feldmanns Roman„Der Leib der Mutter“ von 1924.„Es fehltedie Liebe“Und hier liegt meiner Meinungnach der Schlüssel zu diesem Roman:Er ist ein Gegenentwurfzu den Schönheitsidealen derKunst – ein schonungsloses Bildder Hässlichkeitsrealität, das ihrentgegengehalten wird. Und diesesBild ist die Erzählung vonFrauen, die an Gewalt und Ausbeutungzugrunde gehen – anmännlicher Gewalt und männlicherAusbeutung.Elend ihrer ZeitNach dem Erscheinen seinesArtikels über den Gemäldediebstahlwird Absalon Laich he rumgereicht,landet beim Abendesseneiner Verlegerfamilie undhat schließlich auch in der ausbürgerlichem Hause kommendenErika eine Bewunderin, derer sich nur widmen müsste. Zudiesem Zeitpunkt könnte er ausder Faszination für die geschundenenFrauen ausbrechen; docher ist ihnen verfallen. DieseFrauen sind die ProstituiertenFlora und Justine und die Ehefraudes Hutmachers Miczek.Der psychisch und physischverkommene Zustand von FrauMiczek, ihr Zahnverlust nachder Geburt jedes Kindes, ihrWahnsinn und ihr Tod im Altervon vierunddreißig Jahren werdenmit an Samuel Beckett erinnernderDrastik geschildert. IhrLeichnam wird schließlich Medizinstudentenals Studienobjektdienlich.„‚Was Sie hier sehen, meineHerren‘, sagte der Professor, ‚istnichts Geringeres als der Leibder Mutter. Hier, in diesem Teile,den Sie auf der Zeichnung sehen,vollzieht sich das Geschehen derMenschwerdung.‘“Foto: picturedesk.com / brandstaetter images / Archiv Setzer-TschiedelElseFeldmann1884 in Wien geboren,widmetesich Feldmann inKurzgeschichtenund journalistischenBeiträgen Themenwie Kindernot,Jugendkriminalitätund dem Leben inden Wiener Elendsbezirken.1942 wurdesie durch das NS-Regime ermordet.„ Kann sich eineWelt ändern, in derdie Umstände, diemenschliches Elendproduzieren, ausnützenund sich im Ekel vonihm abwenden, nichtverändert werden?“Die Welt, die uns Else Feldmannzeigt, die Welt des Elendsihrer Zeit, steht dem Ruhm einesGemäldes, das eine angeblichschöne Frau zeigt, gegenüber.Durch Zuwendung versuchtLaich aus der Hässlichkeit Schönheitzu machen. Er versucht, Frauenfür schön zu erklären, indemer ihnen jene Aufmerksamkeitschenkt, die die Presse der Giocondades Leonardo da Vincischenkt. Doch die Kinder undFrauen führen in dieser Welt eineschauderhafte Existenz. In einemlapidaren Satz heißt es im Roman:„Es fehlte die Liebe.“Auch der Journalist Laich scheitertund geht fast zugrunde. Erwird krank, verliert seine Anstellungund verarmt. Schließlichkann er sich zu seinen Eltern aufsLand retten. Er sucht Ruhe undsieht auch dort ein Leben, das erhätte haben können. Eltern undBruder sparen nicht mit Kritikan ihm. Es werden ihm zahlreicheMöglichkeiten geboten. Auffälligist hier die positive, verklärteSchilderung des Landlebensim Gegensatz zum Überlebenskampfin der Stadt. Doch AbsalonLaich ist nicht zu halten.Und so zieht es ihn wieder indie Stadt. Dieser doppelte Kursus,das Wiedererleben einer Situation,in der er schon einmalgescheitert ist, vermittelt Hoffnung.Er vermittelt die Hoffnungdes Unterhaltungsromans unddes Kinos: dass der einmal gescheiterteHeld beim zweiten Malsiegreich ist.Scheitern der NächstenliebeAber kann sich eine Welt ändern,in der die Umstände, diemenschliches Elend produzieren,ausnützen und sich im Ekel vonihm abwenden, nicht verändertwerden? Kann es Schönheit geben,wo die Liebe fehlt?Else Feldmanns Roman enthältkeine Spur von Kitsch, nichtsThesenhaftes und keine politischePropaganda. Man könnteihn sogar als eindringliche Studiemenschlicher Nächstenliebelesen. Eine Nächstenliebe allerdings,die aus Mangel an Ausblickauf eine bessere Welt erbärmlichscheitert. Auch Else Feldmannhatte keinen Ausblick auf einebessere Welt. Ihre Werke wurdenvon den Nationalsozialisten 1938zu „schändlichem Schrifttum“ erklärt.1942 wurde sie im KonzentrationslagerSobibór ermordet.Daniel Wisser, geboren 1971,schreibt Romane, Erzählungen,Hörspiele und Essays. Für denRoman „Königin der Berge“ erhielter den ÖsterreichischenBuchpreis und den Johann-Beer-Preis 2018. Unter Pseudonymschreibt er Kriminalromane rundum den Ermittler Benedikt Kordesch.2024 wurde Wisser mitdem Wiener Buchpreis und demWürdigungspreis der Stadt Wienfür Literatur ausgezeichnet.„Angesagt“ ist ein neues Format derFURCHE. Christa Zöchling, DanielWisser, Sandra Gugić und ChristianJostmann stellen abwechselnd allezwei Wochen ein Buch vor, das sie fürdie Gegenwart empfehlen.Am 20. März präsentiert Sandra Gugićihr „Buch für diese Zeit“.
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