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DIE FURCHE 05.12.2024

DIE FURCHE · 4922

DIE FURCHE · 4922 Lebenskunst5. Dezember 2024Von Martin TaussHUMANSPIRITSVerlierenverboten?Frühe Kindheitserinnerungen bleibenoft gut zugänglich, wenn in ihnenbedeutsame Erfahrungen abgespeichertsind. Ich erinnere mich zumBeispiel noch daran, als der Schäferhundmeiner steirischen Großmutter nicht mehraufgetaucht ist. Ich erfuhr, dass der Hundvon einem Auto überfahren wurde. DiffuseTraurigkeit machte sich in mir breit. Aufalten Fotos sieht man einen kleinen Buben,der einen großen Hund umarmt. Plötzlichwar er weg. Doch ich blieb allein mit dieserTraurigkeit. Die Großfamilie saß in der Kücheund schien nicht betroffen zu sein. Dieemotionale Dimension blieb ausgespart.Seltsamerweise, so nahm ich es wahr, gingman zur Tagesordnung über. Schon frühmusste ich erfahren, dass es offensichtlichselbst in einer liebevollen Umgebung nichtleicht ist, mit Verlust umzugehen.„ Nicht zufällig steht derTranshumanismus in TrumpsAmerika und in Putins Russlandhoch im Kurs: Es geht darum,nie mehr loszulassen. “Doch es geht hier nicht nur um die tragischeDimension von Verlust. Auch umdie sportliche, die man bereits im Kindergartenerlernen sollte. Allein den Begriffnimmt niemand gern in den Mund: Allzuleicht wird „Verlust“ mit Missgeschick,Scheitern und Unglück assoziiert. Niemandwill ein „Loser“ sein, jeder ein „Achiever“oder Siegertyp. Der Soziologe Sighard Neckelbeschrieb den kulturellen Wandelhin zur heutigen Erfolgsgesellschaft. Deren(un)heimliche Devise lautet: Verlierenist tabu. Das kann Menschen zu Monsternmachen. Gewinnen wird dann zum Zwang,dem alles andere untergeordnet wird. Wozudas führt, sieht man etwa im Mutterlandder Erfolgsgesellschaft: In den USA amtiertbald wieder ein Präsident, der lieber dieDemokratie an den Abgrund führt als eineNiederlage einzugestehen.Verlust durchdringt das LebenWerden Verluste verdrängt oder als persönlicheKränkung erlebt, steht Unheil vorder Tür. Im schlimmsten Fall werden Kriegeangezettelt und weiter eskaliert – dasultimative Schreckensszenario ist geographischnicht weit weg. Der Hintergrund:Mächtige Männer sind krankhaft davonbesessen, nie mehr loszulassen, nie mehrzu verlieren (geschweige denn sich selbstinfrage zu stellen). Nicht zufällig steht derTranshumanismus in Trumps Amerikaund in Putins Russland hoch im Kurs: Einigevon dessen Vordenkern wollen nichtnur einen erfolgsträchtigen „Techno-Menschen“ins Leben bringen, sondern auchgleich den Tod abschaffen.Wer bringt uns eigentlich bei, gesundmit Verlust umzugehen? Wo sind die Politikerund Wirtschaftsbosse, die da ein würdevollesVorbild abgeben? Leider treten sienur noch selten in Erscheinung. Existenziellgesehen sind wir alle Verlierer: Verlustdurchdringt jede Pore des Lebens – und„niemand kommt hier lebend raus“ (JimMorrison). Die wahre Größe einer Kulturbesteht nicht in ihren Siegen und Errungenschaften,sondern in ihrer Fähigkeit,das Verlieren zu vermitteln.Foto: iStock/KenCanningVon Georg WickDie Erwähnung des Wortes „Gewissenserforschung“stößtheute bei jungen Menschenmeist auf Unverständnis. Füreinen Teil der Christenheit –vor allem katholische, aber auch orthodoxeGemeinschaften – ist die Erforschung desGewissens ein Akt der Vorbereitung aufdas Sakrament der Beichte. Für Protestanten,Anglikaner, die Evangelikalen in denUSA und viele andere christliche Organisationengilt das in dieser Form nicht. DieBeichte, d.h. das Gespräch mit einem Priesterunter vier Augen, kam erst im 6. Jahrhundertmit der Einwanderung iroschottischerMönche nach Kontinentaleuropa.Diese Praxis war lange Zeit eine regelmäßigeGlaubenspflicht jedes Katholiken, hataber in den letzten Jahrzehnten zunehmendan Akzeptanz verloren. Dies, obwohldie Beichte ja den sündigen Menschen vonseiner Schuld „reinigt“ – ihn also „befreit“wieder in das tägliche Leben entlässt; unddas alles unter dem Mantel der Verschwiegenheitdes Beichtvaters, also des absolutenBeichtgeheimnisses. Dieses Bekenntnisvor dem Priester genügt allerdingsnicht: aufrichtige Reue, der Wille, sich zubessern, und der ernsteVorsatz für eineWiedergutmachungsind ebenfalls nötigfür eine Absolution:Fehlt einer dieser Faktoren,kann sie verweigertwerden oder sichsogar als ungültig erweisen.Das „befreite“Gefühl erwirbt man alsonicht ganz mühelos.Flüchtiger KairosDie tägliche Rückschau auf das Geschehendes Tages in Form einer langen, intensiven,spirituell geprägten Gewissenserforschungwird u.a. von den Mitgliederndes Ordens der Jesuiten – dem auch PapstFranziskus angehört – besonders innigpraktiziert, wie von seinem Gründer, Ignatiusvon Loyola (1491–1556), propagiert.Sie ist auch in den Regeln des Jesuitenordenskodifiziert. Vor der Beichte sollte derMensch innehalten, in sich gehen unddas Gewissen bezüglich seiner durch dieBeichte hoffentlich vergebenen Verfehlungenerforschen. In unserer säkularisierten,emanzipierten Gesellschaft ist die Beichteinzwischen allerdings zu einem ungeliebtenSakrament mutiert – im Gegensatzzu den mit einer gewissen „Folklore“„ Ein falsches Wortzur falschen Zeit oderdas Verpassen einesunwiederbringlichenAugenblicks für dasrichtige Wort könnenbereits Anlass zurIn der „blauen Stunde“Nach Sonnenuntergang gibt es die guteGelegenheit, sich den schönsten und schlechtestenMoment des Tages nochmals vor Augen zu führen.Im Rückblick auf den Tag zeigen sich oft Verfehlungen,aus denen man viel lernen kann: Warum es generellempfehlenswert ist, sein Gewissen zu erforschen.Ins Reinekommenverbundenen Sakramenten der Taufe, Firmungund Ehe oder des tröstenden Sakramentsder Krankenölung. Und auch strenggläubigeKatholiken sagen oft, dass sie sichdie Verzeihung ihrer Sünden allein im Gebetmit Gott ausmachen. Dazu passt einSpruch der Anglikanischen Kirche: „Alledürfen, keiner muss, einige sollten“.Sein Gewissen ehrlich und möglichst unvoreingenommenzu erforschen ist aber fürjeden Menschen empfehlenswert. Dies istz.B. in Form einer „Gewissenserforschung Beichte zu sich selbstlight“ ohne großen Zeitaufwandkurz vor demEinschlafen oder in der„blauen Stunde“, wennder Tag den Abendtrifft, möglich, indemman sich nochmalsden schönsten undden schlechtesten Momentdes Tages vor Augenführt. Bei manchenReue sein. “ Menschen wird dies zueinem täglichen Ritual.Dabei merkt man, dassder schönste Moment nicht pompös, theatralisch,ekstatisch oder „bedeutend“ war,sondern meist leise und bescheiden, wiedas unerwartete Lächeln eines unbekanntenPassanten, ein überraschender, flüchtigerBlick, die Wärme der Sonnenstrahlen inder Mittagspause, eine ferne Melodie, eineeinzelne Blume am Wegrand oder die überraschendeBegegnung mit einem der wenigen,noch übrig gebliebenen Zitronenfalter.Beim Nachdenken über den schlechtestenMoment – abgesehen von persönlichenKatastrophen, wie wir sie z.B. jetzt in Formvon Kriegen in nächster Nähe erleben –wird meist offensichtlich, dass man diesen„schlechten Moment“ selbst verursacht hat:durch Taktlosigkeit, mangelndes Einfühlungsvermögen,Rechthaberei, ungezügeltenZorn. Vor allem aber durch ein einzigesfalsches Wort zur falschen Zeit oder durchdas Verpassen eines wichtigen, einmaligen,unwiederbringlichen Augenblicks fürdas richtige Wort oder den richtigen Blick.Kairos, der Gott des richtigen Augenblicks,hat vorne am Kopf einen wilden Haarschopf(den man rechtzeitig packen muss)und hinten eine Glatze, deren Berührungim Vorbeihasten nichts mehr bringt.Diese Einsicht sollte aber nicht zu einerschlaflosen Nacht führen, sondern im Gegenteilals eine Art „Beichte zu sich selbst“empfunden werden, verbunden mit Reue,dem Vorsatz zur Besserung und dem Entschluss,den Fehler vielleicht schon amnächsten Tag, wenigstens durch einefreundliche Geste, gut zu machen. Mansollte ja immer selbst sein strengster Kritikersein. Diesbezüglich ist die Lektüre desBuchs „Versuch über den geglückten Tag“von Peter Handke zu empfehlen.Dann kann man wegen der hoffentlichzu erwartenden Absolution („Ent-Schuldigung“)seelenruhig einschlafen und von einemglücklichen Leben träumen. Eine „Gewissenserforschunglight“ sollte also einerpositiven Selbstbetrachtung dienen. Dasist nicht weltbewegend, aber eine hilfreiche,einfache Übung für das tägliche Leben.Eine erweiterte, ernstere Form dieserkurzen Selbstbetrachtung wären Exerzitien– aber das ist eine andere Geschichte.Auch Schreiben hilft bei der Gewissenserforschung,denn Schreiben mit der Handist Denken auf Papier.Der Autor ist em. o. Professor an derMed-Uni Innsbruck und war Gründungsdirektordes ÖAW-Instituts für BiomedizinischeAlternsforschung sowieehemaliger Präsident des FWF.

DIE FURCHE · 495. Dezember 2024Wissen23Am 10. Dezember werden die Nobelpreise für Physik und Chemie verliehen. Beide Auszeichnungen würdigenheuer die jahrzehntelange Entwicklungsarbeit zur Künstlichen Intelligenz.Die Macht der NetzwerkeVon Michaela OrtisMedizinische Diagnosen erstellen,Lieferketten optimieren,Chatbots im Kundenservice:Überall wirdheute schon Künstliche Intelligenzeingesetzt. Mit ChatGPT konnteman plötzlich selbst KI als Textprogrammausprobieren; die amerikanische EntwicklerfirmaOpenAI war weltweit in aller Munde.Aber möglich gemacht hat diese Revolutiondie Wissenschaft, die erst in vielenSchritten über Jahrzehnte die Grundlagenfür KI-Technologien schuf, die nun kommerziellgenutzt werden.Grundlagenforscherinnen und -forschererleben Rückschläge und bleiben trotzdemdran, stellen alte Wege in Frage und probierenneue aus. Oft ist dabei noch gar keinepraktische Anwendung in Sicht. Das Nobelpreis-Komiteein Stockholm würdigte heuerdie wissenschaftliche Entwicklungsarbeitbei KI mit den Auszeichnungen fürPhysik und Chemie. Die Nobelpreise sindder wichtigste Wissenschaftspreis, gleichsamdie olympische Goldmedaille in derForschung.Computer mit GedächtnisUnser Gehirn nutzt ein neuronalesNetzwerk, wo Neuronen über Synapsenkommunizieren. Wenn wir etwas lernen,werden die Verbindungen zwischen bestimmtenNeuronen stärker. An künstlichenneuronalen Netzen forschte John Hopfieldin den 1980er Jahren mit seinen Ideenzum assoziativen Gedächtnis. Das verwendenwir, wenn uns ein Wort nicht einfällt.Dann denken wir etwa so: „Die Zellen imGehirn heißen ähnlich wie ,Neurologen‘,aber am Schluss ist ,…onen‘ – ah ja, sie heißen,Neuronen‘!“ Sein physikalisches Modelldes assoziativen Gedächtnisses nannteer Hopfield-Netzwerk: Dieses kannMuster speichern, zum Beispiel Buchstaben.Wenn ihm dann ein unvollständigesMuster gezeigt wird, findet es mit Assoziationenjenes gespeicherte Muster, das amähnlichsten ist.Hopfield hatte es geschafft, dass Computersich sozusagen an etwas erinnern können.Das Modell entwickelte Geoffrey Hintonweiter, denn er stellte folgende Frage:Wie können Computer ein Bild richtig interpretieren?Wenn wir einem Kind wenigeBilder von Katzen oder Hunden zeigen,kann es diese bald erkennen. Ein Computerbraucht hingegen Millionen Bilder vonKatzen oder Hunden, um diese an Handvon charakteristischen Elementen kategorisierenzu können. Für dieses aufwändigeTraining entwickelte Hinton die BoltzmannMaschine, die den Durchbruch derKI ermöglichte. Allerdings nicht sofort,denn um 1990 waren die Computer zu langsam.Hinton blieb jedoch dran und verbessertesein Modell. Erst ab 2010 begann mitleistungsfähigen Computern und großenMengen an Trainingsdaten die Ära des Maschinenlernens.Mit künstlichen neuronalenNetzen, für die Hopfield und Hinton dieGrundlagen erforscht hatten.LernendeMaschinenJohn Hopfield undGeoffrey Hintonteilen sich denPhysik-Nobelpreis„für bahnbrechendeEntdeckungen undErfindungen“ imBereich desmaschinellenLernens, so dieNobelpreis-Jury.„ Das von John Hopfield entwickelteModell kann Muster speichern.Wenn ihm dann ein unvollständigesMuster gezeigt wird, findet es mitAssoziationen das nächstähnliche. “Foto: iStock/imaginimaSiehe dazu auch„KünstlicheIntelligenz:Den Dschungeleinhegen“(13.12.2013)von MartinTauss auffurche.at.Maßgeschneiderte ProteineAuch der Chemie-Nobelpreis hat mitKünstlicher Intelligenz zu tun, genutzt beider Forschung über Proteine: Diese chemischenBausteine unseres Lebens, auch alsEiweiße bekannt, regulieren lebenswichtigeKörperfunktionen. Proteine setzen sichaus Aminosäuren zusammen: Davon wiederumgibt es insgesamt 20, die in unendlichenVarianten kombiniert werden könnenund lange Ketten bilden, die sich in eindreidimensionales Gebilde falten.Die 3D-Struktur bestimmt, was ein Proteinin unserem Körper macht: Zum Beispielschafft es Muskeln, damit wir uns bewegenkönnen. Um zu verstehen, wie einProtein seine Funktion erfüllt, muss manseine Struktur kennen – und diesen genauenBauplan konnte die Wissenschaft übermehr als fünf Jahrzehnte nicht enträtseln.Eine Hälfte des Chemie-Nobelpreises teilensich Demis Hassabis und John Jumperfür die Entwicklung von AlphaFold 2: DieseKI-Software wurde mit dem bestehendenWissen aus der Proteinforschung trainiert.Damit kann sie jetzt eine 3D-Proteinstrukturin wenigen Minuten entschlüsseln, früherbrauchte man dafür Monate. Forscherteamsin 190 Ländern nutzen AlphaFold 2,das öffentlich zugänglich ist. Das KI-Modellist noch nicht perfekt, daher gibt es die Verlässlichkeitdes Ergebnisses an. Die anderePreishälfte gehört David Baker. Er schafftedas, was bis davor unmöglich schien: 2003stellte er mit Computerprogrammen erstmalsein künstliches Protein her. Mit Hilfevon KI können nun maßgeschneiderte Proteinemit neuen Funktionen entwickelt werden.So entstehen Materialien, die umweltfreundlichersind oder Medikamente, diespezifischer wirken.Hassabis ist Mitbegründer der FirmaDeepMind, die von Google 2014 gekauftwurde. Jumper brachte bei DeepMind seineKenntnisse von Proteinen ein, mit 39Jahren ein junger Nobelpreisträger. Diebeiden nutzten künstliche neuronale Netzeund maschinelles Lernen, um AlphaFold2 mit riesigen Datenmengen zu trainieren –das ist die Verbindung zum Physik-Nobelpreis.Und es gibt noch eine Verbindung:John Jumper und Demis Hassabis arbeitenbei Google, wo auch Geoffrey Hinton zehnJahre lang neben seiner universitären Tätigkeitgearbeitet hatte.Doch Innovation in falschen Händenkann auch schaden. 2023 kündigte der heute76-jährige Hinton bei Google, weil er offenüber mögliche Gefahren von KI-Anwendungensprechen wollte. In vielen spannendenInterviews (etwa auf Youtube) ist das heutenachzuhören. Der „Urvater der KünstlichenIntelligenz“, wie er gern genannt wird, nutzteauch gleich die mediale Aufmerksamkeit,als er am 8. Oktober frühmorgens in Kalifornienvon seinem Nobelpreis telefonisch verständigtwurde: Mit maschinellem Lernenkönne viel Gutes passieren wie etwa die Verbesserungdes Gesundheitssystems. Aberdie rasante Entwicklung einer fortgeschrittenenKI könne auch gefährlich außer Kontrollegeraten.EU: Kontrolle durch KI-GesetzFür Kontrolle will die EU mit dem KI-Gesetz(„AI Act“) sorgen, das kürzlich in Kraftgetreten ist. Das weltweit erste Regelwerkteilt KI-Anwendungen in drei Risikoklassen:Verboten wird u.a. Social Scoring oderManipulation. Hohes Risiko haben zumBeispiel Anwendungen zur Beurteilungvon Kreditvergaben: Sie müssen strengenRegeln folgen und transparent durchDritte kontrollierbar sein. Geringes Risikohaben Chatbots oder ChatGPT, ihre KI-Inhalte müssen jedoch laut Gesetz klar gekennzeichnetsein.„Die Einführung von ChatGPT hat gezeigt,wie zurückhaltend die Gesellschaft bei derRegulierung digitaler Technologien ist. DiesesKI-Programm nutzten binnen wenigerWochen mehr als 100 Millionen Menschen,auch Kinder. Aber eine externe Qualitätskontrollevor der Markteinführung gabes nicht“, beobachtet Iris Eisenberger. Sieforscht und lehrt am Institut für Digitalisierungund Innovation im Recht an der UniversitätWien. Beinahe alles, was auf denMarkt kommt, muss eine Qualitätskontrolledurchlaufen. So muss etwa ein Würstelstandweit mehr Auflagen erfüllen alsChatGPT bei seiner Einführung.Aus demokratischer Sicht sollten Politik,Wissenschaft und Zivilgesellschaftgemeinsam diskutieren, was wir als Gesellschaftwollen und was nicht. Dieser Diskurshabe immerhin in den letzten Jahrenbegonnen, wobei die Politik Verantwortungübernehmen und bestimmen müsse,ob sie eine Technologie regulieren oderfreigeben wolle. Manches sollte überhauptverboten werden, etwa KI-basierte autonomeWaffen. Iris Eisenberger folgert weiter:„Wenn Technologien einmal in unsererGesellschaft etabliert sind, dann sindsie kaum noch veränderbar. Daher ist Regulierungwichtig – und wer dafür eintritt,muss nicht technikfeindlich sein.“IN KÜRZEKUNSTKULTURMUSIKWISSEN■ Turner Prize an KaurFür ihre Würdigung der schottischen Sikhshat Jasleen Kaur den Turner Prize gewonnen.Die 37-Jährige bringe „mit unerwartetenund spielerischen Materialkombinationenunterschiedliche Stimmen“ zusammen, lobtedie Jury. Die bedeutendste britische Auszeichnungfür moderne Kunst feiert in diesemJahr ihren 40. Geburtstag. Der Preis istmit 25.000 Pfund dotiert und nach dem britischenMaler J.M.W. Turner (1775–1851) benannt.Er geht jedes Jahr an einen Künstler,der entweder aus Großbritannien stammtoder im Land arbeitet. Damit gilt die Auszeichnungals Gegenstück zum Booker Prizefür britische Schriftsteller.■ Marina DavydovaWenige Tage vor Bekanntgabe ihres Programmesfür 2025 trennen sich die SalzburgerFestspiele von ihrer Schauspielchefin.„Infolge von Verstößen gegen vertraglicheDienstpflichten, insbesondere durch die wederangezeigte noch genehmigte TätigkeitMarina Davydovas bei einem Berliner Theaterfestival,haben die Salzburger Festspieledas Dienstverhältnis mit Marina Davydovamit sofortiger Wirkung aufgelöst“, hießes am 28. November in einer Aussendung.Marina Davydova will ihre vorzeitige Vertragsauflösungbekämpfen. Sie habe keinFehlverhalten gesetzt, betonte sie gegenüberder APA. ■ Hans HammerschmidAm 12. März 1930 in Wien geboren, studierteer am Konservatorium Klavier, Kompositionund Dirigieren. Seine musikalischeAusbildung finanzierte er als Vertreter undals Jazzpianist in verschiedenen WienerClubs. 1957 verließ er Österreich, um beimSüdwestfunk in Baden-Baden zu arbeiten.Ab den 1960er Jahren lebte er in München.Zu Hammerschmids größten Erfolgen gehörendie Knef-Hits „Für mich soll’s rote Rosenregnen“, „Von nun an ging’s bergab“ und„Tapetenwechsel“. Mit Udo Jürgens arbeiteteer zusammen. Am 30. November ist HansHammerschmid in Gräfeling bei Münchengestorben. ■ Wolf: gesenkter SchutzstatusBinnen zehn Jahren hat sich die Zahl derWölfe in Europa laut EU-Daten auf rund20.300 fast verdoppelt, die Zahl der getötetenNutztiere – vor allem Schafe und Ziegen– wird auf mindestens 65.000 pro Jahrgeschätzt. Vor diesem Hintergrund ebneteder Europarat in Straßburg den Weg fürein schärferes Vorgehen gegen Wölfe. Künftigsollen die Tiere eher geschossen werdendürfen: Deren Schutzstatus wird von„streng geschützt“ auf „geschützt“ gesenkt.Darauf einigten sich die Mitgliedsstaatender Berner Konvention, eines völkerrechtlichenVertrags des Europarats zum Schutzwildlebender Tiere und Pflanzen.

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