DIE FURCHE · 4914 Diskurs5. Dezember 2024Den gesamten Briefwechselzwischen Johanna Hirzbergerund Hubert Gaisbauer könnenSie auf furche.at bzw. unterdiesem QR-Code nachlesen.ERKLÄRMIR DEINEWELTWiener Liederals Labsal imAltersheimJohanna Hirzbergerist Redakteurin von „RadioRadieschen“ und freieMitarbeiterin von Ö1.„ Seit einigen Monatenbesuche ich jede Wochezwei Frauen im Altersheim.Eine von ihnenist dement, liebt aberMusik. Ich möchte ihrein kleines Ständchenbringen. “Ihr letzter Brief hat mich an einem arbeitsreichen erstenAdventwochenende erreicht. Dreißig Stunden habeich in einem staubtrockenen, fensterlosen Raumverbracht. Ich saß direkt neben der Lüftung/Klimaanlage/Heizung.Schon am zweiten Tag kratzte die erhitzteLuft wie Schmirgelpapier auf meinen Schleimhäuten. Ichbekam Migräne und eine Erkältung. Hoffentlich hattenSie einen besinnlicheren Auftakt in die Weihnachtszeit.Übrigens habe ich „Labsal“ vorsichtshalber gegoogelt,um zu prüfen, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege.Das erste Suchergebnis lautete: „Labsal– Konservierungsmittel für Tauwerkaus Naturfaser“. Aber ich gehedavon aus, dass Sie „Labsal“ in derBedeutung von „das kühlende Quellwasserwar ein Labsal für die Wanderer“gemeint haben, oder? Apropos:Im Gesangsunterricht lerne ich geradeWiener Lieder. Seit einigen Monatenbesuche ich nämlich jede Wochezwei Frauen im Altersheim. Einevon ihnen ist dement, liebt aber Musik,und Wiener Lieder sang sie wohlimmer, wenn sie zu Hause Gäste hatte.Darum bat ich meine Gesangslehrerin, mit mir WienerLieder zu lernen, ohne zu wissen (mir ist es peinlich, daszu gestehen), was es damit überhaupt genau auf sich hat.Um mich stimmlich in Stimmung zu bringen, habeich also online recherchiert. Es folgt ein kurzer historischerExkurs: 1852 wurden die Volkssänger, also Männer,die Wiener Volksmusik sangen, ein anerkannter Berufsstand.Auf der Bühne durfte nur in schwarzer Kleidunggesungen werden, man musste über 20 Jahre alt sein, undder Chef einer Gruppe benötigte eine polizeiliche Erlaubnis.Frauen durften erst 30 Jahre später öffentlich auftreten.Obwohl sie meist viele Verehrer hatten, die sie mitGeschenken überhäuften, starben sie häufig vereinsamtund arm. Es war ein gesundheitsschädlicher Beruf, dennoft wurde Nacht für Nacht unter völliger Erschöpfung inverrauchten Lokalen gesungen. Um diesen Frauen zu helfen,gründeten sich schließlich wohltätige Vereine.Spannend, finden Sie nicht? Das nennt man übrigens„Rabbit Hole“, wenn man etwas googelt und plötzlich totaltief in ein Thema abtaucht. Dazu kann ich den NDR-Podcast„Too Many Tabs“ empfehlen, in dem Carolin Worbs und MiguelRobitzky darüber sprechen, wiesie im Recherche-Rausch neue Weltenentdecken und von einem „RabbitHole“ ins nächste stolpern.Mit meinen Gesangskünstenmöchte ich nicht auf der Bühne auftreten,aber vielleicht kann ich mirein wenig Mut abschneiden undmich trauen, dieser Dame in dieserWoche ein kleines Ständchen ins Altersheimzu bringen. Ich werde Ihnenvon den Reaktionen berichten.Doch nun muss ich der Transparenzhalber zugeben, dass – währendich Ihnen schreibe – meine junge Hündin geradewieder dem Staubsaugerroboter hinterherjagt. JederVersuch, sie zu beruhigen, reißt mich wieder aus meinenGedanken. Im Moment steht es zwei zu eins für denStaubsauger, und meine Hündin hat sich verängstigtauf meinen Schoß gesetzt. Jetzt schnarcht sie laut undschmatzt zwischendurch. Ich bilde mir ein, dass es einZeichen ihres Wohlbefindens ist.Lieber Herr Gaisbauer, ich lege jetzt den Laptop wegund kuschle mich zu ihr, hoffentlich bin ich dann baldwieder fit!KOMMENTARGenügt die Kathedrale?„ Notre-Dame gilt als Symbolfür das Christentum. Dasfolkloristische Hochhalteneiner für die meisten nichtmehr relevanten Hüllereicht aber nicht aus. “Am 15. April 2019 schaute die Welt gebannt nach Paris: Mitder Kathedrale Notre-Dame stand die wohl berühmtesteKirche der Welt in Flammen. Der Schock saß tief, als nachStunden des Brandes maßgebliche Teile dieses stolzen Zeichensder Stärke und Macht des christlichen Abendlandes in Schutt undAsche lagen. Umgehend versprach Präsident Emmanuel Macron,die Kathedrale binnen fünf Jahren wiederaufzubauen. 840 MillionenEuro Spendengelder wurden gesammelt, die 350.000 Spenderstammten aus 150 Ländern. 200 Millionen gab allein der Milliardärund Chef des Luxuskonzerns LVMH, Bernard Arnault. AmSamstag wird die Welt erneut nach Parisschauen, wenn die Kirche wiedereröffnetwird. Am Tag darauf, dem HochfestMariä Empfängnis, wird dann der PariserErzbischof Laurent Ulrich die Altarweihein der, der Gottesmutter geweihtenKirche vornehmen.Wer sich hingegen dieser Tage (noch)auf Elon Musks X aufhält, wird mittlerweilemit Postings überschwemmt, dieMichelangelos David vermeintlich primitiverStammeskunst gegenüberstellen,gotische Kirchenräume werden in Kontrast zu einfachenLehmhütten gesetzt. Die Botschaft dahinter ist so simpel wieabsurd: Sie soll die Überlegenheit der europäischen, christlichkonnotiertenKultur untermauern. Dass sich auch der künftigeUS-Präsident Donald Trump zur Wiedereröffnung in Paris angekündigthat, passt da nur allzu gut ins Bild eines Kulturkampfes.Notre-Dame als Symbol für die Wehrhaftigkeit des christlichenAbendlandes?Bei der Eröffnung werden diese Gedanken eine untergeordneteRolle spielen. Stolz wird wohl das vorherrschende Gefühl der Pariserinnenund Pariser sein, wenn „ihre“ Notre-Dame wieder ihrePforten öffnet – bis zu 40.000 Schaulustige werden am Samstagauf der Seine-Insel rund um die Kirche erwartet. Das Spektakelwird per TV in alle Welt übertragen. In einem Kraftakt hattenmehr als 2000 Handwerker und Spezialisten aller Disziplinen dazubeigetragen, dass die Kathedrale künftig heller als je zuvor erstrahlenwird. Die Leistung, die auf der „Jahrhundertbaustelle“ imLaufe der vergangenen fünfeinhalb Jahre vollbracht wurde, ist ohneZweifel bemerkenswert.Von der Weltbühne ins beschaulicheÖsterreich, wo sich die FPÖ seit Jahrenpünktlich zur Adventzeit mit freundlicherUnterstützung des Boulevards übervermeintlich verbotene Nikolausfeiern inKindergärten und Schulen (vgl. Seite 24)empört. Christen müssten aufgrund derimmer größer werdenden Gruppe muslimischerMenschen in Österreich aufihre Traditionen verzichten, so der Subtextder Botschaft. Nur die FPÖ garantiereden Fortbestand der christlichen Werte im Land, passend dazuwünschte Herbert Kickl seinen Followern auf Instagram am Sonntageinen „besinnlichen Advent“, „lasst euch diese besondere Zeitnicht nehmen“. Auch in dieser Formulierung schwingt ein deutliches„Wir gegen die Anderen“ mit, als wäre das Feiern christlicherFeste in Österreich an sich bedroht.Gleichzeitig besuchen immer weniger Menschen den sonntäglichenGottesdienst. Auf die Frage, warum der Islam im Gegensatzzum Christentum hierzulande wachse,meinte Kardinal Schönborn in der jüngstenORF-Pressestunde, angesichts der hohenAustrittszahlen aus den Kirchen, braucheman sich nicht wundern, wenn es immermehr muslimische Kinder in den Schulen gebe. „Es gibt eine klareMehrheit, die will, dass Österreich christlich bleibt, aber wastun wir dafür?“, so der Kardinal, der damit eine deutliche Spitzein Richtung eines Kulturchristentums richtete. Drastischer formuliertedie Theologin Regina Polak in der FURCHE (Ausgabe 48),dass der christlich formatierte Glauben in Österreich „implodiere“.Christliche Symbole und liebgewonnene Bräuche allein reicheneben nicht aus. Wenn die Menschen mit dem christlichen Glaubenan sich nichts mehr anfangen können und weite Teile der Bevölkerungals „religiös unmusikalisch“ bezeichnet werden können,bleiben nur Blitzlichter wie das Nikolausfest oder Notre-Dameübrig. Das folkloristische Hochhalten einer für die meisten Menschennicht mehr relevanten Hülle, verkennt aber schlussendlichdie Botschaften, die den christlichen Glauben ausmachen.Aber auch die katholische Kirche kann nicht aus der Verantwortungentlassen werden, wenn sich immer mehr Menschen von ihrabwenden. Die von Missbrauchsskandalen gebeutelte Institution(siehe Interview mit Klaus Mertes auf Seite 12) steckt selbst tief inder Krise. Das Vertrauen in die Kirche ist mit 28 Prozent laut eineraktuellen Studie auf einem historischen Tiefstand. Ihre Leiter inForm der Bischöfe sind im Rahmen der Nachwehen des SynodalenProzesses nach wie vor mit sich selbst beschäftigt. Dabei wäre eswohl an der Zeit hinauszugehen aus den schützenden Kirchenmauern.Auch wenn sie – wie im Fall der Kathedrale Notre-Dame – nochso schön und kunstvoll gestaltet sind. (Till Schönwälder)Medieninhaber, Herausgeberund Verlag:Die Furche – Zeitschriften-Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KGHainburger Straße 33, 1030 Wienwww.furche.atGeschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner,Prokuristin: Mag. Doris Helmberger-FlecklChefredakteurin: Mag. Doris Helmberger-FlecklRedaktion: Philipp Axmann BA, MMaga. AstridGöttche, Viktoria Kapp BA, Dipl.-Soz. (Univ.)Brigitte Quint (CvD), Magdalena Schwarz MA MSc,Dr. Brigitte Schwens-Harrant, Mag. Till Schönwälder,Dr. Martin Tauss, Astrid Wenz-Theriault MAArtdirector/Layout: Rainer MesserklingerAboservice: +43 1 512 52 61-52aboservice@furche.atJahresabo (inkl. Digital): € 298,–Digitalabo: € 180,–; Uniabo (inkl. 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DIE FURCHE · 495. Dezember 2024Diskurs15Seit langem gibt es hierzulande den Typus „Hofnarr“, der das demokratische Gefüge nicht zu erschütternvermochte. Mit Rudolf Fußi agiert aber einer, der die SPÖ aufmischen könnte. Kein gutes Zeichen.Von der Herrschaftder HofnarrenEinst hielten sich die Herrscher Hofnarren,welche alles sagen durften,was Normalsterbliche ins Gefängnisoder zu Schlimmeren gebrachthätte, die aber auch ein Ventil fürden Volkszorn darstellten. In der Demokratieschien der Bedarf an derartigen Narreteien obsolet.Im Laufe der Zeit gab es aber auch in demokratischenGesellschaften Hofnarren, diedem System gleichzeitig die lange Nase zeigtenund es sich darin bequem machten. Hierzulandelassen sich bislang vier Typen ausmachen.Typ 1 ist Marke Richard Lugner: Ein erfolgreicherBauunternehmer mit Hang zu – im wörtlichenSinn – Vielehen erkennt das Potenzial vonReality TV und leistet sich Opernball für Opernballeine gekaufte, prominente Begleiterin. Dasvor allem boulevardeske Interesse verleitet ihnzweimal zur Kandidatur im Präsidentschaftswahlkampf,wo er durch inhaltliche Inkompetenz,aber sonst nicht weiter auffällt. Obwohlsein Beziehungsleben vom katholischen Ehe-Ideal weiter weg ist als der Jupiter von der Sonne,bekommt er 2024 ein Requiem im WienerStephansdom. Fazit: pittoresk, aber harmlos.Typ 2 ist Marke Frank Stronach: Dem Selfmade-Milliardäraus Übersee ist das hiesigedemokratische System zu wenig zupackend.Deshalb kandidiert er für den Nationalrat (undein paar Landtage) und wird mit Mitstreiterntrotz inferiorer TV-Auftritte gewählt. Auchihm sind die parlamentarischen und demokratischenAbläufe unbegreiflich, der Parlamentsklubpulverisiert sich zwischen 2013 und 2017.Heute hat der Parteigründer in seiner WahlheimatKanada gröbste Probleme mit der Justiz.Fazit: politische Eintagsfliege.nikationsberater hat schon an mehrere Partei-Konstellationenangedockt und einst miteiner FPÖ-Abspaltung für ein Volksbegehrengegen Abfangjäger mehr als 600.000 Unterschriftengeneriert. Zuletzt im Dunstkreisder SPÖ war er Unterstützer für Andreas Babler,später Anhänger Hans Peter Doskozils,aber nach dem 29. September startete er eineKampagne gegen Babler, die er mit allenKommunikationsmitteln, nicht zuletzt aufder Plattform X, befördert. Er will zehn ProzentUnterstützungserklärungen der SPÖ-Mitgliedererreichen, womit er einen Parteitagerzwingen kann, um gegen Babler für den SPÖ-Vorsitz zu kandidieren. Fazit: ein Hofnarr, derpolitisch reüssieren könnte.ZEIT-WEISEVon Otto Friedrich„ Politik ist auchdeswegen ein Beruf,weil Sachkenntnisnötig ist, um komplexeProbleme angehenzu können.“Letzten Mittwoch gab Rudolf Fußi eine Pressekonferenz,die ihresgleichen sucht. Auch werals Journalist schon einiges an politischer PRgewohnt ist, hatte so etwas wie das auch ins Internetgestellte Event noch nicht erlebt. Eigentlichwar es eine unerträgliche Dreiviertelstunde,die Fußi da auf die Welt losließ.Seit damals wissen wir aus seinem Mund,welche sexuelle Orientierung er hat, wie es umseine Beziehung steht, welche physischen undpsychischen Krankheiten er hat und dass erEine unerträgliche DreiviertelstundeTyp 3 ist Marke Dominik Wlazny: Der Rocksänger,der die als Jux gegründete „Bierpartei“ernsthaft in Wahlkämpfe bringt, erreichtbei der Präsidentenwahl 2022 acht Prozent derStimmen, bei der Nationalratswahl 2024, inderen Vorfeld er durch Ahnungslosigkeit unddurch seine Weigerung auffällt, zu Themen inhaltlichStellung zu nehmen, reicht es nur fürzwei Prozent der Stimmen. Fazit: an der eigenenUnbedarftheit gescheitert.Typ 4 ist Marke Rudolf Fußi: Der Kommuersteremit Joints bekämpfte. Auch was er mitseinem cholerischen Temperament im privatenund beruflichen Bereich angerichtet hat, ließ erdas p.t. Publikum wissen.Eigentlich wollen wir das alles nicht wissen.Aber dann fällt einem der Fall Lena Schillingein, und man beginnt zu ahnen, dass hier eineralles selber öffentlich machen will, was ihmschaden könnte, wenn es öffentlich würde. UndFußi lieferte die – unbewiesene – Begründungdafür gleich dazu: Aus der SPÖ sei seine Krankenaktean Redaktionen gespielt worden.Social-Media-Schnipsel statt „Programm“Doch nicht nur mit seinem Seelen-Stripteasebehelligte Fußi sein Publikum, sondern auchmit einer Suada an politischem Programm. Inbeständiger Wiederholung redete er davon,dass die aktuell politisch Handelnden (natürlichvornehmlich der SPÖ) nie in der Wirtschafttätig gewesen seien, weswegen sie keine Ahnungvom Leben der Menschen hätten. SolcheAnwürfe sind im Einzelfall nicht falsch, aberin ihrer Pauschalierung unhaltbar: Politikist auch deswegen ein Beruf, weil große Sachkenntnisnötig ist, um die komplexen Problemeüberhaupt angehen zu können. Die obengenannten Hofnarren sind politisch auch deswegengescheitert, weil sie sich derartiger Expertiseverweigert haben.Fußi sprach in seiner Suada fast jedes politischeProblem im Lande an – auch da war nichtalles falsch, und er hatte einfach klingende Lösungenparat, die einander mitunter widersprachen.Aber auch das nahm Fußi in Kauf: Dennwer würde sich die unerträgliche Pressekonferenzschon in voller Länge geben? Doch die einzelnenBotschaften – für die jeweilige Zielgruppeals Schnipsel per Social Media verbreitet– können den Eindruck erwecken: Hier packt einerzu und löst endlich das jeweilige Problem.Kommunikationstechnisch ist das ein Husarenritt,mit dem er einiges außer Rand undBand bringen kann. Unabhängig davon, obman der SPÖ nahesteht oder nicht: Die Machtübernahmedurch einen solchen Hofnarrenwürde die Demokratie weiter schwächen.Der Autor war bis April 2024 stv.Chefredakteur der FURCHE.ZUGESPITZTRené,wie geht’s?Herzlich willkommen in der erstenFolge unseres neuen Podcasts. Es isttatsächlich das erste Mal, dass du,René, unseren Zuhörern Einblickein deine ganz private Welt gewährst.Üblicherweise hältst du dich da jasehr bedeckt, man könnte sogar sagen,bevor der René einem Mediumetwas von sich, der Signa und derLaura-Privatstiftung erzählt, wagter sogar eine Nacht in einem Dreisternehotelam Gardasee. Auch dieletzten Schlagzeilen haben dazu beigetragen,dass manche vielleicht einenfalschen Eindruck von dir bekommenhaben. Du weißt schon, derEuropäische Haftbefehl der StaatsanwaltschaftTrient, die Festnahmedeiner rechten Hand in Italienund der Bürgermeisterin von Rivadel Garda, die Razzien und die Ermittlungengegen 77 Personen wegenkrimineller Verschwörung, unrechtmäßigerParteienfinanzierung,Bestechung etc. Auch du bist in Tirolvernommen worden, aber auffreiem Fuß. Das muss man betonen,wie auch die Unschuldsvermutung.Überhaupt sagen viele, dass du imdirekten Gespräch viel sympathischerbist als im Fernsehen. Auchder Alfred und der Sebastian habendich voll nett gefunden, aber was sageich, die halbe Republik. Jetzt gibtes kein Törggelen mehr im Park Hyatt.Wie geht es dir damit, dass dichniemand mehr gekannt haben will?Doris HelmbergerPORTRÄTIERTSeniorinnen üben WiderstandEs begann 2017 mit der Gründung einer Facebook-Gruppe namens „Omas gegen rechts”. Die frühereevangelische Pfarrerin und systemische TherapeutinMonika Salzer setzte damit ein Zeichen gegendie damalige Koalitionsbildung zwischen der ÖVP unterSebastian Kurz und der rechtspopulistischen FPÖ.„Die ‚Omas gegen rechts‘ sind aus einer Emotion herausentstanden. Wir stellen uns gegen die Menschenverachtung,den Faschismus, den Rassismus“, erklärte GründerinMonika Salzer. „Wir gehen nicht für unsere Interessenoder unsere Pension auf die Straße, sondern fürdie nachfolgenden Generationen.“Ihr Engagement war von Erfolg gekrönt: Mittlerweilehat der Verein laut eigenen Angaben mehr als 30.000Mitglieder und Ableger in der Schweiz und in Deutschland.„Oma der ersten Stunde” war außerdem die einstigeORF-Korrespondentin Susanne Scholl. Mit bunten,selbst gestrickten Mützen nehmen die Seniorinnenan Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und anMahnwachen teil. Ein Einsatz, der jetzt belohnt wird:Salzer und ihre Mit-Omas erhalten den Menschenrechtspreis2024 von der „Liga für Menschenrechte”.„Es reicht nicht, dass wir Alten auf die Straße gehen, ichsag’s euch ehrlich. Ihr müsst für eure Zukunft kämpfenund die Demokratie - von der ihr gar nicht versteht, warumdie so wichtig ist, weil sie für euch selbstverständlichist. Wir wollen, dass ihr eine gute Zukunft habt”, erklärtSalzer in einer Videobotschaft auf ihrer Homepage.Die Omas engagieren sich für eine zukunftsfähigeGesellschaft im Sinne ihrer Enkel. Sie organisierenMahnwachen vor Synagogen, demonstrieren für denUmweltschutz und nehmen die Anliegen besorgterBürger ernst. Nach eigener Aussage setzen sie sich auchfür eine höhere Wahlbeteiligung ein, da die Stimmeeiner Oma ebenso im Interesse ihrer Enkelkinderwirken kann.Salzer, die 2013 bei der ORF-Show „Dancing Stars”den achten Platz machte, sagte in einem Gespräch mitEdition F, dass sie und ihre Kolleginnen nicht darauf reduziertwerden möchten, Omas mit lustigen Haubenzu sein. Die Kopfbedeckungen sind eine Anspielungauf die Frauenmärsche in den USA, die als Protestgegen Donald Trump stattfanden: Die Teilnehmerinnentrugen damals rosa Hauben mit Katzenohren inAnspielung auf Trumps misogynes Kommentar „Grabthem by the pussy”. (Miriam Al Kafur)Foto: APA / AFP / Joe KlamarDie Pensionistinnensetzen sich gegenden Rechtsruck ein.Ihr Ziel ist es, dernächsten Generationeine lebenswerteZukunft zuhinterlassen.
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