DIE FURCHE · 4910 Gesellschaft5. Dezember 2024FORTSETZUNG VON SEITE 9„ Die Leihmutterschaft erlaubt es, biologischeGrenzen zu überwinden – auch beim Alter. So wurdedie Komikerin Kristen Wiig mit 47 Jahren nochMutter von Zwillingen. “LEIHMUTTERSCHAFT IN EUROPAKommerzielleLeihmutterschaftAltruistischeLeihmutterschaftWeder legalnoch illegalVerbotenRusslandwelteinflüsse, wie Weichmacherin Plastikprodukten. Die Leihmutterschafterlaubt es, biologischeHindernisse zu überwinden –auch was Altersgrenzen betrifft.Auf diese Weise wurde die KomikerinKristen Wiig mit 47 Jahrennoch Mutter von Zwillingen.Auf lange Sicht könnte die moderneMedizin der „Produktion von Designer-Babys“Tür und Tor öffnen,so Kritiker. Die amerikanische Reality-TV-Darstellerinund UnternehmerinKim Kardashian wurde 2015dank künstlicher Befruchtungschwanger. Berichte besagten, siehätte sich ausschließlich männlicheEmbryos einsetzen lassen. „Kanyeliebt Nori über alles, aber umseine Welt zu vervollständigen, hater sich einen kleinen Jungen, einenErben gewünscht“, behauptete einVertrauter der Familie gegenüberdem Magazin US Weekly. Kardashianbestritt dies später.Es gibt nicht nur bioethische,sondern auch juristische Fragen,wie ein Gerichtsurteil aus Amerikazeigt. Die FernsehmoderatorinSherri Shepherd und ihr damaligerEhemann Lamar Sally hatten2013 eine Leihmutterschaft viaEizellenspende beauftragt. Dochnoch während der Schwangerschafttrennten sich Shepherdund Sally, woraufhin die Moderatorindas Kind nicht mehr wollte.In mehreren Prozessen kämpftesie gegen ihre Eintragung inder Geburtsurkunde des Sohnes,der bei ihrem Ex-Mann aufwächst.Schlussendlich entschied ein Gericht,dass sie Unterhalt für dasKind bezahlen muss, mit dem siebiologisch nicht verwandt ist.Nur JUNOS pro LeihmutterschaftDurch die EU-weite Anerkennungder Elternschaft würdenKinder geschützt, auch vor Mütternund Vätern – egal ob genetischverwandt oder nicht –, dieihren elterlichen Pflichten nichtnachkommen. Schlachter von FAmOsRegenbogenfamilien hältdas Gesetz für unerlässlich: „Zuden Rechten von Kindern gehörtauch, dass ihre Familien überallgleichermaßen anerkannt werden.“Kronthaler von Aktion Lebensieht Vor- und Nachteile derNovelle: „Das Elternschaftszertifikatwill verhindern, dass Kinder,zum Beispiel von homosexuellenEltern, staatenlos werden oder umdie Obsorge umfallen. Das ist natürlichein berechtigtes Anliegen.Die automatische Anerkennungvon Leihmutterschaft würde damitaber einhergehen.“Für das Elternschaftszertifikatder EU stimmten alle österreichischenVertreter mit Ausnahme derFPÖ. Allerdings sprechen sich allepolitischen Parteien gegen dieLeihmutterschaft aus. Lediglichdie JUNOS, die jungen liberalenNeos, sind für eine Legalisierung.Vorstandsmitglied Alina Steinerfordert eine klare Regelung, anstattMenschen „in rechtlich unsichereSysteme im Ausland zudrängen“. Voraussetzungen wärenunter anderem Verträge, die dieRechte des Kindes schützen, Freiwilligkeit,und staatliche Regulierung.Außerdem sollen Leihmütter,die genetisch mit dem Kindverwandt sind, ein Rücktrittsrechtnach der Geburt haben.Anders als in Hollywood ist Leihmutterschaftin Österreich kaumdenkbar. Dazu beigetragen hatauch das eine oder andere Negativbeispielaus der Sphäre der Starsund Sternchen.PTIEUKNLBECZPolenGRUkraineDas große Glück ab 40.000 EuroGeorgienIn den Niederlanden oder Dänemark ist nur die altruistische Leihmutterschaftlegal, bei der es keine finanzielle Gegenleistung gibt,also etwa als „Freundschaftsdienst“. In Griechenland bezahlen dieBestelleltern eine Aufwandsentschädigung. Außerhalb Europas tragenFrauen zum Beispiel in den USA, der Ukraine oder Georgien Babysgegen Bezahlung für Paare im Westen aus. Die Kosten belaufen sichauf etwa 100.000 bis 200.000 Euro in den USA, wobei die Leihmutter10 bis 30 Prozent des Geldes erhält. Der Rest geht an die Vermittlungsagenturoder wird für medizinische Eingriffe, Reisekosten undso weiter verwendet. In der Ukraine liegen die Preise bei rund 40.000bis 70.000 Euro. Wie viele Kinder durch Leihmutterschaft auf dieWelt kommen, ist aufgrund mangelnder Erhebungen unklar. Die BBCschätzt, dass vor Kriegsbeginn allein in der Ukraine jährlich mehrals 2000 Kinder von Leihmüttern auf die Welt gebracht wurden. (ms)Grafik: Rainer Messerklinger (Quelle: Diverse)DerGeschenk-Tippz.B.: „Wien im Lauf der Zeit“150 Jahre Staatsoper • Die Ringstraße • 150 JahreWeltausstellung • Klimt & Co – Die Wiener ModerneMAGAZINSchicken Sie Ihre Liebsten auf eine ZeitreiseAb sofort sind spannende Kollektionen mit jeweils vier Ausgaben zum Vorteilspreis erhältlich.Bis zum 18. Dezember bestellen und rechtzeitig zu Weihnachten erhalten!24, 99 €STATT 35, 60 €für 4 MagazineJetzt kaufen:diepresse.com/geschichte
DIE FURCHE · 495. Dezember 2024Religion/Gesellschaft11Nach der Jahrhundertflut sind die Folgen im spanischen Valencia auch nach einem Monat noch längstnicht beseitigt. Pfarrer Salvador Romero berichtet aus dem Katastrophengebiet.„Nur das Volk rettet das Volk“Von Manuel MeyerDen Abend des 29. Oktoberwird Pfarrer Salvador Romeroniemals vergessen: „Ich feiertegerade die Eucharistie,als das Wasser in die Kirchelief. Gott sei Dank waren nur vier Personengekommen. Bei der Vergabe der HeiligenKommunion ging uns das Wasserbereits bis zu den Knien. Alles passierteso plötzlich. Wir bekamen Angst. Schnellflüchteten wir ins Nebengebäude in denzweiten Stock, wo ich wohne“, erklärt derPfarrer aus der spanischen Ortschaft Paiporta.Doch dann sah er durchs Fenstersechs Frauen, die vor der Kirche auf einerBank Schutz vor den Fluten suchten. „DasWasser war so stark. Wären wir nicht nochmal runtergegangen, wären sie mit Sicherheitertrunken“. Sie öffneten die Kirchentür,bildeten eine Menschenkette undzogen die Frauen durchs strömende Wasserins Innere, um schnell wieder in denzweiten Stock zu flüchten.Das Wasser ging ihnen mittlerweilebis zur Brust. In seiner Pfarrwohnungverbrachten alle gemeinsam die Nacht.„Strom gab es nicht. Wir machten Kerzenan und beteten stundenlang. Keinerkonnte schlafen“, erinnert sich SalvadorRomero. Sie alle hatten Glück – vorallem die sechs geretteten Frauen. Die15.000-Einwohner-Gemeinde rund sechsKilometer südlich der LandeshauptstadtValencia war das Epizentrum der Flutkatastrophe,die die spanische Mittelmeerregionheimsuchte.Die durch eine Kaltfront und verheerendeRegenfälle ausgelösten Sturzfluten zerstörtenrund 80 Ortschaften. 214 Tote wurdenbisher geborgen, 23 Personen geltenimmer noch als vermisst. 70 Personen verlorenin jener Nacht allein in Paiporta ihrLeben.Kirchenbänke wie LegosteineAls Pfarrer Romero am nächsten Morgennach unten in die Kirche und auf dieStraße ging, fand er eine „apokalyptischeLandschaft“ vor, sagt er. Von der Flut mitgerisseneAutos hatten die Kirchentüreingeschlagen. Teilweise stand das Wasserzwei Meter hoch in der Kirche. Marien-Bilderschwammen auf dem Wasser.Die Kirchenbänke waren wie Legosteinedurcheinandergewürfelt. Die Sakristeivollkommen zerstört.Doch draußen war die Lage noch dantesker.Die Straßen waren voller Schlamm, Möbelund Unrat. Die Fluten hatten die Autosin den schmalen Gassen meterhoch übereinandergestapelt.Frisörläden, Supermärkte,Beim EinsatzSeit Wochen koordiniert PfarrerSalvador Romero die Verteilungvon Lebensmitteln, Gummistiefelnund Reinigungsmitteln.die Bank, Modegeschäfte, Restaurants, derKindergarten, die Apotheke, das Gesundheitszentrum– praktisch alle Gebäude inErdgeschosslagen wurden zerstört. GanzeHäuserwände waren eingerissen.„Es war herzzerreißend, wie die Menschenweinten. Viele haben ihr ganzesHab und Gut verloren, ihre Geschäfte, ihreWohnungen, ihre Lebensgrundlage“,beschreibt Pfarrer Romero das Panorama.Das Schlimmste seien aber die Verluste vonMenschenleben. Gerade viele ältere Menschen,aber auch kleine Kinder ertrankenin ihren Erdgeschosswohnungen. „EinigeMenschen mussten tagelang mit Leichenin der Wohnung verbringen, weil zerstörteAutos und Berge aus Möbeln und Elektrogerätenihre Fenster und Häusertüren versperrten“,versichert Pfarrer Romero.Privatpersonen mit Geländewagen undTraktoren versuchten, die Autos zu entfernen.Die Feuerwehr und Soldaten der NaturkatastropheneinheitUME mit den dafüreigentlich notwendigen Räumungsfahrzeugenund Wasserpumpen kamen erstfünf Tage nach der Flutkatastrophe nachPaiporta, kritisiert auch Pfarrer Romero.Zufall oder nicht: Sie kamen erst an jenemSonntag, den 3. November, kurz bevor auchSpaniens Regierungschef Pedro Sánchez,Valencias Regionalpräsident Carlos Mazónund das spanische Königspaar Felipe VI.und Letizia Paiporta besuchten.Das brachte das Fass für viel verzweifelteAnwohner, die sich nach dem Unglück zulange allein gelassen fühlten, zum Überlaufen.Einige bewarfen das Königspaarund die beiden Regierungschefs mit Besen,Schaufeln, Wasserflaschen und Schlamm.Spaniens Ministerpräsident Sánchezwurde schließlich evakuiert, Mazón verschwand.Nur das Königspaar hielt Stand,suchte das Gespräch mit der aufgebrachtenMasse, spendete Trost und zeigte ernsthafteBetroffenheit.Für die Gewalt hat Pfarrer Romero keinVerständnis. Wohl aber für die aufgestauteWut und Frustration der Menschen, dievor allem gegen die Regionalregierunggerichtet ist. Fast 130.000 forderten amvergangenen Wochenende in der LandeshauptstadtValencia den Rücktritt von RegierungschefCarlos Mazón. Nicht nurwegen der schleppend anlaufenden Hilfeseitens der staatlichen Institutionen.Ihm wird auch vorgeworfen, er habe dieWarnungen des staatlichen Wetterdienstesvom Morgen jenes 29. Oktober erst amAbend als Alarm auf die Handys der Bevölkerungschicken lassen. Da waren dieFoto: Manuel MeyerIn unserem Dossier„Kampf umsKlima“ findenSie auf furche.at aktuelle Textezum Klimawandelund dessenFolgen.„ Einige Menschen mussten tagelangmit Leichen in der Wohnung verbringen,weil zerstörte Autos und Berge ausMöbeln und Elektrogeräten ihreFenster und Haustüren versperrten. “Pfarrer Salvador RomeroFlüsse bereits über die Ufer getreten. Sohörte man auf dem Protestmarsch auch„Rücktritts“- und „Mörder“-Rufe gegen denRegionalpräsidenten.Zwar schnürte die spanische Zentralregierungbereits ein milliardenschweresSoforthilfepaket für die betroffene Regionim Südosten des Landes und schickte15.000 Soldaten und Polizisten aus ganzSpanien, um bei den Rettungs- und Aufräumarbeitenzu helfen. Doch tatsächlichscheiterte das Krisenmanagement in denersten Tagen nach der Flutkatastrophe aneiner mangelnden Koordination zwischender konservativen Landes- und der sozialistischenZentralregierung. Danach kames zu traurigen gegenseitigen Schuldzuweisungen,wer was falsch gemacht hätte.Zigtausende FreiwilligePfarrer Romero will kein weiteres Öl insFeuer gießen. Doch Fakt sei: „Es waren dieZigtausenden von freiwilligen Helfern, diesahen, wie wir allein mit den Folgen derKatastrophe zu kämpfen hatten und diesich Besen, Schaufeln, Eimer und Wasserflaschenschnappten und teilweise bis zuzwei Stunden in den betroffenen Ortschaftenzu Fuß gingen, weil die Polizei ausSicherheitsgründen die Straßen gesperrthatte“, so der 54-jährige Geistliche.Von 7 Uhr morgens bis zum Einbruch derDunkelheit halfen sie. Seitdem sieht manan vielen Häuserwänden mit Schlammgeschrieben den bereits viral gehendenSpruch: „Nur das Volk rettet das Volk“. „DieSolidarität der Menschen untereinanderist wirklich bewegend. Das Unglück hatuns menschlich zusammengebracht“, willPfarrer Romero etwas Positives aus demUnglück ziehen.Vor allem waren es Priester aus nicht vonder Katastrophe betroffenen Nachbarorten,die mit Mitgliedern ihrer Kirchengemeindezur Hilfe kamen. Einige halfen den Menschenauf der Straße, andere säubertendie Kirche. „Das war wichtig, denn unsereKirche sollte so schnell wie möglich zumZentrum für die Verteilung von Hilfsgüternan die Bevölkerung werden“. Seitdemhängt Pfarrer Romero nur noch am Handy,koordiniert die Verteilung von Lebensmitteln,Gummistiefeln und Reinigungsmaterial.Aus ganz Spanien bringt die Caritastäglich ganze Lkw-Ladungen nach Paiporta.Die Lage hat sich seitdem entspannt.Der Strom ist wieder da. Nur Gas und Wasserfehlen noch in einigen Ortschaften.Doch schon bald kommen ganz andere Problemeauf uns zu – die psychologischen, diespirituellen, meint Pfarrer Romero.Es sei nicht leicht, den Menschen, die allesverloren haben, eine positive Botschaftzu vermitteln. In seinen Gottesdiensten,die er teils draußen vor der Kirche imMatsch abhält, erzählt er ihnen von der„Hoffnung im Glauben“. Mit Gesprächenund Gebeten versucht er sie zu trösten.„Doch manchmal kann ich auch nicht mehrtun, als die Menschen einfach nur in denArm zu nehmen und sie weinen zu lassen“.Seine Stimme klingt müde und erschöpft.Die Belastung der vergangenen Wochenwar enorm – körperlich, wie psychisch.DringendeNothilfefür Familienim LibanonBITTE UM DRINGENDE UNTERSTÜTZUNG IM LIBANONNothilfe für geflüchtete Familien„Trotz der aktuellen Waffenruhe ist die Situation der Menschenim Libanon weiterhin schrecklich. Viele Familien habenkein Zuhause mehr, in das sie zurückkehren könnten. Unseretatkräftigen Partnerinnen und Partner vor Ort tun nach wievor alles, um das Leid der vielen christlichen Familien zu lindern.Bitte helfen Sie unseren Schwestern und Brüdern!“Pater Dr. Karl Wallner,Nationaldirektor von Missio ÖsterreichBitte beachten Sie den Spendenbeileger in dieser Zeitung!Verändern Sie mit uns die Welt!
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