DIE FURCHE · 40 20 Literatur 5. Oktober 2023 Von Alfred Kirchmayr Hermen von Kleeborn erblickte am 1. März 1908 das Licht der Welt in Wien. Ihr Vater Bogumil Girtler Ritter von Kleeborn, war Senatspräsident beim Obersten Gerichtshof in Wien. Ihre Mutter Maria Magdalena Baroness Zwiedinek von Südenhorst, stammte aus einer vornehmen Diplomatenfamilie. Daher wuchs Hermen mehrsprachig auf, lernte früh Französisch, aber auch Italienisch und Englisch. Die ersten eigenen Verse entstanden sehr früh, wurden nicht aufgeschrieben, sondern nur dem früh verstorbenen Vater in halb singendem Ton vorgetragen. Als Anton Wildgans 1925 Verse des jungen Talents hörte, charakterisierte er die kaum 17-Jährige so: „Ein tiefer Brunnen voll klaren Wassers.“ Erst 1948 erschien von ihr ein kleiner Band Gedichte, versehen mit einem begeisterten Vorwort von ihrem väterlichen Freund Felix Braun. Katholische Erneuerung In den 1920er Jahren machte Hermen von Kleeborn eine Ausbildung zur Gärtnerin und nahm ihr Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Romanistik auf. Damals begann sie auch mit dem Übersetzen französischer Lyrik. In den 1930ern, der Zeit großer Arbeitslosigkeit, war sie mehrere Jahre lang als Haus- und Zimmerfrau in der Wohnung der Mutter, als Köchin, Übersetzerin, Sprachlehrerin und Fremdenführerin tätig. Denn Studierende aus dem Inund Ausland kamen als Zahlgäste nach Wien und wohnten in der Siebenzimmer-Wohnung in der Rathausstraße. Seit früher Jugend durch Krankheiten hart geprüft, litt Hermen von Kleeborn ab 1961 an einer schmerzhaften Lähmung, die sie ans Bett fesselte. Nach einer längeren Entfremdung durch das Studium wandte sie sich Mitte der 1930er Jahre wieder dem Katholizismus zu. Die Begeisterung für die religiöse Welt des Christentums und der christlichen Schriftsteller war groß. Mit den Schriftstellern der französischen Bewegung Renouveau catholique rund um Gabriel Marcel, Paul Claudel, Charles Péguy, die von Graham Greene, T.S. Eliot und Lesen Sie Friedrich Heers Nachruf auf Hermen von Kleeborn vom 19.10.1978 und seine Würdigung ihrer Übersetzungen vom 9.2.1963 auf furche.at. Lesen Sie jetzt DIE FURCHE 4 Wochen gratis und begeben Sie sich im FURCHE-Navigator auf eine literarische Zeitreise mit Texten großer Autorinnen und Autoren – von heute bis 1945. Wir wünschen Ihnen eine schöne Matinee anlässlich des Christine-Lavant-Preises 2023. Hermen von Kleeborns Mitgliedsausweis des P.E.N.-Clubs 1949 (links die Unterschrift des österreichischen P.E.N.-Präsidenten Franz Theodor Csokor) Jetzt bestellen: furche.at/abo/gratis absoservice@furche.at +43 1 512 52 61 -52 Erinnerung an Hermen von Kleeborn, Lyrikerin, Übersetzerin und Quelle von Spiritualität für viele Menschen, anlässlich ihres 45. Todestags. Gärtnerin der Sprache und Kultur QR-Code scannen und losstarten in Deutschland von Romano Guardini, Werner Bergengruen, Reinhold Schneider und Heinrich Böll mitgetragen wurde, war Hermen von Kleeborn freundschaftlich verbunden. Sie übersetzte wichtige Werke dieser Autoren ins Deutsche. Der österreichische Schriftsteller Ernst Wurm (1906–71), der in den 1930er-Jahren in Berlin arbeitete und mit Erich Mühsam und Ödön von Horváth befreundet war, schrieb 1951 in der Klagenfurter Zeitung ein begeistertes „Dichterportrait“ über sie. Seit Maria v. Ebner-Eschenbach traten allmählich auch Dichterinnen in das öffentliche Bewusstsein. Neben Christine Lavant und Christine Busta betrachtet er Hermen von Kleeborn als dritte große Lyrikerin Österreichs in dieser Zeit. Hermen von Kleeborn liebte es, weite, stilisierte Kleidung zu tragen, gegürtet wie eine Griechin. Und ihr langes dunkles Haar trug sie gescheitelt und seitlich zu Zöpfen gebunden. Sie hatte eine tiefe, sonore Stimme und war ebenso selbstbewusst wie bescheiden. „ Eine große Wohnung in der Rathausstraße 8 in Wien war für viele junge Menschen, besonders für Studentinnen und Studenten, ein besonderer Ort der Geisteskultur. “ Hans Weigel war ein großer Förderer junger Talente und hatte einen Stammtisch im Café Raimund beim Volkstheater. Anlässlich des Rimbaud-Buches schickte er ihr 1958 einen begeisterten, handgeschriebenen Brief: „Liebe Hermen von Kleeborn, Sie ahnen nicht, wie sehr mich Ihr Rimbaud-Büchel erfreut hat – nicht nur an sich, sondern an mich! Weil wir einander doch so aus den Augen verloren haben und ich manchmal den Foto: (c) Literaturhaus Wien / DST.N1.22: Hermen v. Kleeborn (Friedrich, Anm.) Heer beschimpfe und mich also freue, Sie mir nach wie vor gut gesinnt zu wissen. Was mir wohltut. Sehr herzlich Ihr Hans Weigel.“ Auch Kardinal Franz König bedankte sich in einem Brief für dieses Buch und schrieb: „Ich kann Ihnen zu der wirklich gelungenen Übertragung, die nicht nur von einer großen Sprachkenntnis, sondern auch von einem großen Einfühlungsvermögen in einen so schwierigen Poeten zeigt, herzlich gratulieren!“ Lektorin und Übersetzerin Um 1945 begann Hermen von Kleeborneine intensive Lektoren- und Übersetzungstätigkeit, zuerst im Amandus-Verlag und dann viele Jahre lang im Herold-Verlag. Wir verdanken ihr die Vermittlung und Erschließung vor allem der katholischen Spitzenliteratur Europas. Sie begann – gemeinsam mit anderen – die erste deutsche Übersetzung großer Werke von Charles Péguy. Sein Buch „Nota conjuncta“ erschien 1956, ein besonders geistreiches, engagiertes Werk. Ihre internationalen Kontakte brachten dem Verlag Herold viele Autor(inn)en. Hermen von Kleeborn pflegte Freundschaften mit Felix Braun, Jeannie Ebner, Frank Zwillinger, Friedrich Heer, Marlen Haushofer und mit vielen anderen Zeitgenoss(inn)en. Eine große, fast mystisch wirkende dunkle Wohnung im ersten Stock eines Patrizierhauses in der Rathausstraße 8 in Wien war für viele junge Menschen aus dem In- und Ausland, besonders für Studentinnen und Studenten, die Musik, Theaterwissenschaften, Germanistik oder Romanistik studierten, ein besonderer Ort, ein anregendes Zentrum für Geisteskultur in der Metropole des einstigen Vielvölkerstaates. Wir nannten Hermen einfach Putzi oder Putzel. Ich fand in einem sehr persönlichen Brief von Ludwig Reichsgraf von Attems (1902– 31) an die 21-Jährige die Anrede „Liebe Putzel!“ Offenbar waren beide sehr gut befreundet und strebten eine Ehe an. Aber dieser Freund starb, kaum 30 Jahre alt. Friedrich Heer schrieb ihr zum Neujahr 1962 eine berührende Karte: „Liebe verehrte Freundin, Sie haben so viel für mich getan – beschämt stehe ich nun wieder vor Ihnen, vor Ihrer Kraft, vor Ihrer Freude – als ein kleines Männlein! Danke, Danke, Danke! Freude und Freiheit, der Christnacht – die eine Auferstehung ist – bin Ihr Friedrich Heer.“ Diese Wohnung war für mich als Untermieter 1965–1970 ein besonderer Ort der Begegnungen mit kreativen Zeitgenossen, auch mit den großen Jesuiten Erich Przywara, Hans Urs von Balthasar und Mario von Galli, der immer mit Tabaksbeutel und Pfeife unterwegs war. Diese großen Theologen hatten schon während des Krieges mit Hermen von Kleeborn Kontakt und besuchten sie oft. Sehr viele Menschen besuchten die Bewohnerin dieser Oase der Geisteskultur, nicht nur prominente Schriftsteller(innen) und Schauspieler(innen), sondern auch Seelsorger und viele Studierende aus aller Welt. Geisterfüllte Freude-Kraft Hermen erhielt fünf Auszeichnungen als Lyrikerin und eine besonders große als Übersetzerin: den Prix de l’Ille St. Louis, der alle zwei Jahre in Frankreich für die beste Übersetzung ins Deutsche verliehen wurde. Und für ihr christliches Engagement bekam sie den Orden des Papstes „Pro Ecclesia et Pontifice“ und den Orden Benemerenti. Sie war Mitglied des Österreichischen P.E.N.-Zentrums sowie des Österreichischen Schriftstellerverbandes. Am 5. Oktober 1978 verstarb Hermen von Kleeborn im 71. Lebensjahr, nach jahrelang mit großer Geduld ertragenem Leiden. Sie wurde in der Familiengruft Freiherr von Zwiedinek am Zentralfriedhof in Wien beigesetzt. Friedrich Heer schrieb in der FURCHE einen sehr persönlichen Nachruf, nach dem er bereits 15 Jahre zuvor ihre Übersetzungstätigkeit gewürdigt hatte. Heer charakterisierte diese große Frau als „Geisteskraft, Seelenkraft, als Quelle von Spiritualität, von geisterfüllter Freude-Kraft“. Viele Studierende aus ganz Europa haben bei ihr gewohnt und konnten ein Klima der Hochkultur genießen. Obwohl sie ans Bett gefesselt war, hat sie die Programme der Theater und Opern in Wien andauernd verfolgt und zu Besuchen animiert. In ihrem persönlichsten Gedicht „Die Gelähmte“ finden ihre Lebensfreude, Offenheit und Dankbarkeit trotz vieler Krankheiten und jahrzehntelanger schmerzhafter Lähmungen einen heiteren und tiefsinnigen Ausdruck: In meinem Garten spielen die Kinder und Vögel, In meinem großen Garten der keinen Zaun hat. Sie huschen um fallende Blätter, um fallende Blüten, Sie holen sich fröhlich die Kirschen von meinen Bäumen Und alle Tage tanzen sie mit dem Wind. Ich kann nicht mehr tanzen und ich habe kein Kind, Ich kann nicht mehr spielen wie die Kinder und Vögel, Und langsam decken die fallenden Flocken mich zu. Paráklet, o Herr du des Windes, o stürmische Taube, Leihst du mir bald deine Flügel zum Flug in die Nacht?“ Der Autor, Theologe, Psychoanalytiker, lehrt an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien.
DIE FURCHE · 40 5. Oktober 2023 Film 21 Stephen Frears erzählt in „The Lost King“ in souveräner Balance von Drama und Witz über die Suche nach dem Grab des berüchtigten Königs Richard III. KRIMINALKOMÖDIE Ein Verfemter gerettet „Pulled Pork“ ist der erste Film des Musikkabarett-Duos Paul Pizzera (li.) und Otto Jaus. Von Walter Gasperi William Shakespeare hat mit seiner Tragödie „Richard III.“ das Bild des letzten Königs der Plantagenets (1452–85) als durch einen Buckel entstellten mehrfachen Mörder und Usurpator über Jahrhunderte geprägt. Heutige Historiker sehen darin aber eine Verzerrung der Realität aufgrund parteiischer Quellen. Auch in Stephen Frears Dramödie, die auf Philippa Langleys und Michael Jones’ 2014 erschienenem Buch „The King’s Grave: The Search for Richard III.“ beruht, löst eine Aufführung von Shakespeares Stück die Handlung aus. Gerührt ist nämlich die Amateurhistorikerin Philippa Langley (Sally Hawkins) vom Schicksal des verfemten Monarchen und beginnt zu recherchieren. Frustriert in Privatleben und Beruf, verbohrt sich die Mittvierzigerin in den Fall, wohl auch weil sie in dem verhassten König, der ihr in Tagträumen immer wieder persönlich erscheint und mit ihr spricht (Harry Lloyd), einen Seelenverwandten sieht. So schließt sie sich auch der skurrilen „Richard III. Society“ an, von der sie wichtige Tipps erhält, und macht sich auf die Suche nach dem Grab des Königs, das sie bald unter einem Parkplatz der mittelenglischen Stadt Leicester vermutet. Große Verkürzungen nehmen Frears und seine Drehbuchautoren Steve Coogan und Jeff Pope vor, denn die reale Philippa Langley entwickelte schon 1998 ihr Interesse für Richard III. und suchte ab 2004 nach dem Grab des Königs, das dann 2012 gefunden wurde. Erst durch diese Verdichtung des Stoffes gelingt es aber, die unglaubliche und recht schräge Geschichte zu einer runden und geschlossenen Erzählung zu formen und ein Abgleiten in eine anekdotische Szenenfolge zu vermeiden. „ Daneben erzählt ‚The Lost King‘ mit Philippa auch die Geschichte eines Underdogs, die gegen eine arrogante Akademiker-Welt ankämpfen muss. “ Gleichzeitig verstehen es Frears, der sich hier nach „The Queen“ (2006) zum zweiten Mal mit britischer Königsgeschichte beschäftigt, und Coogan/Pope, immer wieder aktuelle Aspekte herauszukitzeln. Wenn Philippa nämlich versucht, die Reputation des Regenten, dessen Image durch Propaganda der König und „Retterin“ Harry Lloyd als Richard III. und Sally Hawkins als Amateurhistorikerin Philippa Langley, die sein Grab sucht – und findet. feindlichen Tudor-Dynastie diffamiert wurde, zu korrigieren, dann verweist das unübersehbar auch auf die Auswirkungen heutiger Schmutzkübelkampagnen oder Social-Media-Propaganda. Gesellschaftskritischer Biss Daneben erzählt „The Lost King“ mit Philippa auch die Geschichte eines Underdogs, die gegen eine arrogante Akademiker-Welt ankämpfen muss, schließlich mit Hartnäckigkeit aber ihr Ziel erreicht. Im Blick auf die männlich dominierten Institutionen und den Opportunismus ihrer Vertreter entwickelt Frears Film dabei beträchtlichen Biss. Den Vorwurf der Wissenschaftsskepsis kann man dem Briten dabei aber nicht ganz ersparen, wenn Philippas Gefühl und Intuition als zielführender erscheinen als die Ansichten der Experten. Aber die augenzwinkernde und leichthändig-souveräne Erzählweise lassen darüber locker hinwegsehen. Denn wie aus dem Ärmel geschüttelt wirkt dieser Film, betont nichts besonders und hat mit Philippa eine von Sally Hawkins hinreißend gespielte Protagonistin, die nicht nur mit ihrer Aufgabe wächst, sondern die man auch zunehmend ins Herz schließt. The Lost King GB 2022. Regie: Stephen Frears. Mit Sally Hawkins, Harry Lloyd. Filmladen. 108 Min. Die Eberhofers von Graz Zweifellos zählt Regisseur Andreas Schmied (Die Werkstürmer, Love Machine 1 + 2) Quentin Tarantino zu seinen Vorbildern. Mit Pulled Pork versucht er nun, dem Genre „Crime-Comedy“ ein weiteres Kapitel hinzuzufügen: mit dem heimischen Musikkabarett-Duo Paul Pizzera und Otto Jaus in den Hauptrollen (von ihnen stammt auch die Filmmusik). In einer weiteren Leading Role: ein breiter Brachial-Dialekt aus Graz, wo dieser „explizite Regionalkrimi“ spielt. Apropos Regionalkrimi: Mit gutem Recht darf angenommen werden, dass sich die „Pulled Pork“-Produzenten die auf Rita Falks Büchern basierenden Eberhofer-Krimis mit Sebastian Bezzel und Simon Schwarz sehr genau angesehen haben. Sie sind als Ziehgeschwister im Kinderheim aufgewachsen: Flo Kienzl (Pizzera), geschasster Polizist und nunmehriger – im Wohnwagen lebender – Detektiv; Eddi Kovac (Jaus): auf Bewährung entlassen und mit seiner griechischstämmigen Bewährungshelferin Eleni (Elisabeth Kanettis) liiert; sowie Samira (Gizem Emre), die sich zur Staatsanwältin hochgearbeitet hat – ihr Studium hat sie sich durch nächtliche Einsätze in den Etablissements des Schweinezüchters Benny Jagschitz (Gregor Seberg) finanziert. Letzterer – Ex-Fußballprofi und Partytiger – möchte nun Grazer Bürgermeister werden: Was Kienzl und Kovac zu verhindern suchen, vermuten sie doch in Jenem den Grund für das Verschwinden ihrer Schwester. Kabarettisten ziehen! Das wissen wir spätestens seit Harald Sicheritz’ Filmen („Muttertag“, „Hinterholz 8“). Eine hochkulturelle Blüte ist „Pulled Pork“ zwar nicht, und der Humor ist – gelinde gesagt – gewöhnungsbedürftig, man darf den Filmemachern trotzdem ein großes Publikum wünschen. Gerade der österreichische (Independent-)Film braucht Erfolgsproduktionen, die die Industrie überhaupt am Leben erhalten. Die Schlusspointe allerdings verstört: Ist das wirklich die vermeintlich verschwundene Schwester, die, aus dem Wohnwagen kommend, dem ungleichen Brüder-Paar eine Pistole entgegenstreckt? – Was auf eine Fortsetzung hindeutet. (Rudolf Preyer) Pulled Pork A 2023. Regie: Andreas Schmied. Mit Paul Pizzera, Otto Jaus, Elisabeth Kanettis, Valerie Huber, Gregor Seberg. Constantin. 100 Min. ACTION-THRILLER Dem Killer auf den Fersen Zu Silvester knallen die Böller so laut, dass es gar nicht auffällt, wenn ein Killer sich mit seinem Gewehr verschanzt und dabei in großer Präzision 29 Menschen erschießt – von großer Ferne und mit absoluter Kaltblütigkeit. Eleanor Falco (Shailene Woodley), eine Streifenpolizistin, wird an diesem Abend zur Unterstützung beim Großeinsatz der Polizei in Baltimore mit dabeisein – und sie wird sich schnell von der einfachen Polizistin zur Sonderermittlerin mausern, weil sie scheinbar eine Verbindung zu dem Killer hat – rein aus dessen Denkweise heraus, versteht sich. Eine psychische Vorbelastung aus ihrer Vergangenheit bringt ihr aber auch Schwierigkeiten ein; es ist nicht leicht, für ihren Chefermittler vom FBI, Lammark (Ben Mendelsohn), sie deshalb als Mitarbeiterin zu halten – aber gemeinsam und mit viel Hirnschmalz kommen die beiden dem Täter dann doch irgendwann auf die Spur. Bis dahin vergehen aber noch etliche Gelegenheiten, ihn zu stellen – als er etwa erneut um sich schießt, am helllichten Tag in einer Shopping-Mall. „Catch the Killer“ des Argentiniers Damian Szifron ist dessen englischsprachiges Debüt und entstammt auch seiner Feder. Das rasante Cop-sucht-Massenmörder-Sujet, das er entfaltet, beschreitet zwar dramaturgisch recht ausgetretene Pfade, ein hohes Maß an Spannung kann man dem Film allerdings nicht absprechen. Dazu kombiniert Szifron Versatzstücke aus Action und „Schweigen-der-Lämmer“-Anmutung allzu raffiniert – und entlässt sein Publikum eigentlich an keiner Stelle aus dieser Anspannung, die man mit den Hauptdarstellern regelrecht mitfühlt. Der Umstand, dass Schießereien, Amokläufe, Anschläge und Waffen-Besessenheit in den USA schon lange an der Tagesordnung sind, macht „Catch the Killer“ noch mehr zu einem hyperrealistischen Horror-Szenario, dem jede und jeder selbst begegnen kann – das steigert die Spannung noch zusätzlich. Dass die Morde auf der Leinwand höchst verstörend sind, ist immerhin der Beweis, dass wir noch nicht so abgestumpft sind, als dass es uns nicht mehr aufregen würde. (Matthias Greuling) Catch the Killer USA 2023. Regie: Damian Szifron. Mit Shailene Woodley, Ben Mendelsohn, Jovan Adepo. Tobis. 119 Min. Shailene Woodley, Jovan Adepo und Ben Mendelsohn (v.li.) in Damian Szifrons englischsprachigem Debüt „Catch the Killer“.
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