DIE FURCHE · 2324 Ausstellung5. Juni 2025Das Leopold Museum zeigt in „Eine Epoche imAufbruch“, wie unterschiedlich sich Kunst im Biedermeierentwickelte – nicht nur in Wien, sondern auchin den Kronländern.Ganz undgar nichtbiederJožef Tominc (Giuseppe Tominz), Selbstporträt am Fenster, 1826 © Narodna galerija, Ljubljana, Foto: Narodna galerija, Ljubljana/Janko DermastjaVon Theresa SteiningerNatürlich sind sie dabei,die großen Namen derBiedermeierkunst. FerdinandGeorg Waldmüllermit seinen künstlerischenUmsetzungen des einfachenLebens auf dem Land, Peter Fendimit seinen Darstellungen der gehobenenBürgerschaft, Jakob von Altmit seinen berühmten Wien-Ansichten.Doch wenn das Leopold Museumdie Ausstellung „Biedermeier – EineEpoche im Aufbruch“ präsentiert, hatman sich keinesfalls auf diese Ikonenbeschränkt, sondern die Betrachtungviel weiter gefasst. Unter den 190Werken von mehr als 70 Künstlerinnenund Künstlern sind auch zahlreichevon herausragenden Kolleginnenund Kollegen der Genannten aus denverschiedensten Teilen der Donau-monarchie. Da ist der Ungar MiklósBarabás ebenso vertreten wie derTscheche Antonín Machek und derVenezianer Francesco Hayez. Da zeigtman auch anhand von Werken einesGiuseppe Tominz, wie die politischenUmwälzungen und der gesellschaftlicheWandel sich auf die Kunst auswirkten.Und der Kurator der Schau,Johann Kräftner, hält klar fest: „Manmuss sagen: Sie haben in genau derselbenQualität gearbeitet. Diese Zeitwurde tatsächlich nicht nur von WienerMalern bestimmt. Nun also denFokus auf das Österreich seiner damaligenterritorialen Grenzen zu legen,ergibt ein viel bunteres und interessanteresBild.“Das Biedermeier war eine Zeit desRückzugs ins Private, gerade in diesenJahrzehnten nach dem WienerKongress und vor der Revolution von1848 mieden die Menschen offensichtlichepolitische Aktivitäten und suchtenHarmonie im Familienleben. Dasnahmen auch die damaligen Kunstschaffendenin ihre Bilder auf. Familiendarstellungenkamen in Mode,gerne zeigte man sich in lebendigerInteraktion. Das selbstbewusste Bürgertumließ sich stolz daheim malen,wobei teils die neue Einfachheit inder Innenausstattung sichtbar wurde,teils aber die gesellschaftliche Positiondurch kostbare Textilien und dasAmbiente unterstrichen werden sollte.Atmosphäre und PräzisionIn Porträts ging es nun nicht mehrum Idealbilder, sondern die Künstlerwagten sich an eine möglichst realistischeDarstellung, egal, ob es nunWaldmüller, Friedrich von Amerling,Franz Eybl oder Johann Baptist Reiterwar. Und man lernt in der Schau GiuseppeTominz kennen, der überhaupt© Narodna galerija, Ljubljana, Foto: Narodna galerija, Ljubljana/Janko Dermastjafür seine ungeschönte Wiedergabeder Modelle hervorgestrichen werdenkann.Diese Entfernung von der Idealvorstellungschlug sich auch in derLandschaftsmalerei nieder, wie imLeopold Museum anhand von zahlreichenBeispielen präsentiert wird.Nun ging es ums Detail und um Realismus.Bilder des Salzkammergutsoder des Voralpengebiets unweit vonWien lassen Atmosphäre wie Präzisionerkennen, die Natur wird auchals launisch gezeigt, während derMensch auch mal mit ihr zu kämpfenhat. Zu damals üblichen ErkundungsfahrtendesHochadels durch dasheimische Gebirgekamen oft Künstlermit, die während derReisen Skizzen machten,die dann im Ateliermit großer Genauigkeitausgeführtwurden.„ In Porträts ginges nun nichtmehr um Idealbilder,sonderndie Künstlerwagten sich aneine möglichstrealistischeDarstellung. “Der Entdeckerdrangführte so manchenMaler sogarnoch weiter, ThomasEnder etwa begleiteteeine Expedition nachBrasilien, Hubert Sattler kam bisnach Konstantinopel, Kairo oder NewYork, wovon großformatige Vedutenzeugen. Internationalität bekommtdie Schau im Leopold Museum auchdurch die Stadtdarstellungen derVertreter der Kronländer. HerrlicheAnsichten von Wien eines Jakob vonAlt stehen solchen wie Angelo Ingannis„Blick auf den Domplatz vonMailand mit dem Coperto dei Figini“gegenüber. Mit der Schönheit im Kleinenbefassten sich ihrerseits Rudolfvon Alt oder Thomas Ender, wenn sieInterieur malten. Andere schenktenauch der Mode besondere Aufmerksamkeit,was Kurator Kräftner auchmit Kleidern als Exponaten ergänzt.Sozialkritik und bittere IronieBerühmt ist das Biedermeier natürlichauch für Darstellungen von Szenenaus dem Alltag von Bäuerinnen, Bauernund Handwerkern. Wie Waldmüllerdiese mit optimistischem Lebensgefühlausstattete, steht dem gegenüber,wie Josef Danhauser und andere sehrwohl Sozialkritik und bittere Ironie inihre Werke einfließen ließen.Warum aber dieseSchau just im LeopoldMuseum zu sehen ist,das eigentlich auf dieZeit um 1900 spezialisiertist? Dies begründetKurator Kräftnerso: „Erstens hat RudolfLeopold das Biedermeierganz besondersgeschätzt undzweitens ist die Moderneum 1900 ohnedas, was damals geschehenist, ganz undenkbar.“Genau indieser nun vielseitig präsentiertenEpoche wurden entscheidende Entwicklungenangestoßen, wodurch erdie Zeit zwischen 1815 und 1848 „alseine der wichtigsten ablesbaren Periodender heimischen Kunstentwicklung“ansehe.BiedermeierEine Epoche im AufbruchLeopold MuseumBis 27. Juli 2025www.leopoldmuseum.orgIN KÜRZETHEATER■ Neue Leitung für brutDer polnische Festivalleiter und DramaturgTomasz Kireńczuk wird ab der Saison2026/27 das Koproduktionshaus brut Wienleiten. Er war Mitgründer des Teatr Nowy inKrakau und von 2011 bis 2019 Kurator desInternationalen Theaterfestivals „Dialog -Wrocław“. Seit 2021 leitet er das „SantarcangeloFestival“ in Italien, zudem ist er als Kuratorkünstlerischer und sozialer Projekte,Dramaturg, Kritiker und Theoretiker aktiv.Gerade die Wahl in Polen habe gezeigt, soKireńczuk am Montag, dass „sich die Räumeimmer mehr schließen statt zu öffnen“,weshalb ihm als brut-Leiter auch der internationaleAustausch wichtig sei.ARCHITEKTUR■ Norman Foster, 90Die Reichstagskuppel in Berlin, das Glasdachim British Museum, die MillenniumBridge und das Hochhaus „The Gherkin“(die Gurke) in London, das KulturzentrumCarré d’Art in Nimes und der FrankfurterCommerzbank-Tower: Norman Foster, derArchitekt all dieser Auffälligkeiten, 1935im Großraum Manchester geboren, feierteam 1. Juni seinen 90. Geburtstag. 1967gründete er das Büro Foster + Partners. Mitdem Pritzker-Preis erhielt er 1999 die renommiertesteAuszeichnung seiner Branche.1990 wurde der britische Architekt vonKönigin Elisabeth II. in den Adelsstand erhoben.LITERATUR■ Bachmannpreis 2025Am 25. Juni 2025 beginnen um 18.30 die 49. Tageder deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt.14 Autorinnen und Autoren aus Deutschland,der Schweiz und Österreich lesen heuer um denmit 25.000 Euro dotierten Ingeborg-Bachmann-Preis und weitere Preise. Nominiert wurdenThomas Bissinger, Natascha Gangl, Max Höfler,Nefeli Kavouras, Fatima Khan, Laura Laabs,Kay Matter, Tara Meister, Nora Osagiobare, JosefineRieks, Almut Tina Schmidt, Boris Schumatsky,Verena Stauffer und Sophie Sumburane.In der Jury wirken wie im Vorjahr Mara Delius,Laura de Weck, Klaus Kastberger, Mithu Sanyal,FURCHE-Feuilletonchefin Brigitte Schwens-Harrant, Thomas Strässle und Philipp Tingler.Die Eröffnung mit der Auslosung der Leserreihenfolgekann via Livestream unter bachmannpreis.ORF.atmitverfolgt werden. NavaEbrahimi hält in diesem Rahmen die 26. KlagenfurterRede zur Literatur mit dem Titel„Drei Tage im Mai“. Die Lesungen und Diskussionenfinden von 26. bis 28. Juni im ORF-TheaterKlagenfurt statt, am Donnerstag und Freitagvon 10 bis 15.30 Uhr, am Samstag von 10bis 14.30 Uhr. 3sat überträgt die Veranstaltungund die Preisverleihung am 29. Juni um11 Uhr live. Der gesamte Bewerb wird zudemim Radio via Deutschlandradio und auch aufder Homepage bachmannpreis.ORF.at als Livestreamübertragen.
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