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DIE FURCHE 05.01.2023

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DIE FURCHE

1 · 5. Jänner 2023 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 79. Jg. · € 4,– „Das Schlechtreden der Schule ist gefährlich“ Bildungsminister Martin Polaschek über Lehrkräftemangel, Qualität in Kindergärten und Wissenschaftsskepsis. · Seiten 12–13 Ukraine-Krieg: Das Opfer in der „Pflicht“? Der Philosoph Peter Strasser über die Debatte um ein Ius ex bello und die Gefahr, die Würde eines Volkes dauerhaft zu verletzen. · Seite 6 Foto: APA/Schlager Elfriede Jelinek: Ein Brief „Daß ich mit Sprache also aus mir heraustreten würde können, das hatte er mir zugetraut. Ich verdanke ihm also alles.“ Elfriede Jelinek über Otto Breicha und die Anfänge ihres Schreibens. · Seite 17 Benedikt XVI. Ein Abschied Das Thema der Woche Seiten 2–5 Foto: APA / AFP / Lennart Preiss Zum Tod von Joseph Ratzinger: Roman Siebenrock über Größe und Grenze des christlichen Platonismus. Gregor Maria Hoff über ein Pontifikat im Widerspruch. Seiten 9–10 Illustration: Rainer Messerklinger Wiederholt sich die Geschichte? 1923 stürzten rechte Ideologen und Verschwörungstheoretiker Europa ins Chaos. Ein Jahr später schrieb Max Jacob seine „Höllenvisionen“. Ein Zufall? Wie wir mit dem Wissen der Vergangenheit entschlossen ins neue Jahr starten. Benedikts XVI. Rücktritt vor fast zehn Jahren war ein Akt geradezu moderner Hellsichtigkeit. Seither wurde der nun verstorbene Papa emeritus aber auch als „Schattenpapst“ missbraucht. Kämpfe(r) um Glauben Von Otto Friedrich Wenn an diesem 5. Jänner Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. in der Krypta des Petersdoms seine letzte Ruhestätte gefunden hat, ist zweifelsohne ein Kapitel der römischen Kirchengeschichte zu Ende gegangen. Mit dem am Silvestertag Verstorbenen wird auch ein Stück europäischen Christentums zu Grabe getragen, für das der emeritierte Papst so stand wie kaum ein zeitgenössischer Theologe und Kirchenmann. Die Verbindung von Jerusalem, Athen und Rom, die dieses Christentum gekennzeichnet hat, die Verbindung von jüdischer Wurzel, griechischer Philosophie im Verbund mit einer Herrschaftsform, der sich diese Religion seit dem Aufstieg unter Kaiser Konstantin verbunden weiß, ist längst nicht mehr fraglos intakt. Europa glänzt, wenn man das positiv sieht, durch Pluralität und Säkularität. Der Verfechter eines Christentums, das den Menschen eine letztgültige Heilsbotschaft verkünden will, wird sich da gegen diese Entwicklung stemmen. Joseph Ratzinger hat sich als Präfekt der Glaubenskongregation (1982–2005) auch mit Disziplinierungen, als Papst (2005–13) wieder viel mehr werbend und als Theologe argumentierend „ Dass die Kirche ihren Kern verliert, war eine der beständigen Sorgen Joseph Ratzingers – nicht nur als Papst. “ für die Gestalt seiner Kirche, wie sie eben in den Eckpunkten Jerusalem-Athen-Rom skizziert ist, eingesetzt. Europa präsentiert sich heute dennoch als Weltgegend mit immer institutionsfernerer Religiosität, auch das Christentum der katholischen Spielart – global weiterhin die größte Denomination – zeigt sich in Afrika oder Asien viel mehr im Wachstum. Und wie die Verbreitung in andere Kulturkreise fortschreitet, so verändert sich diese Kirche auch. Dass sie dabei ihren Kern verliert, war eine der beständigen Sorgen Joseph Ratzingers – nicht nur als Papst. Leise Töne, aber klare Botschaften Benedikt XVI., dessen Pontifikat man wohl kritisch wie würdigend analysieren kann (vgl. Seite 9/10 dieser FURCHE), hat gleichzeitig klar erkannt, dass er auch als Oberhaupt seiner Kirche diese Entwicklungen nicht hintanhalten wird. Er hat sich deshalb vor knapp zehn Jahren in geradezu moderner Hellsichtigkeit von seinem Amt als Papst zurückgezogen. Die Größe, die ihm insbesondere die Anhänger seiner Kirchenlinie bis zuletzt angekreidet haben, konnte er im Lauf der Jahre dennoch nicht durchhalten: Nachfolger Franziskus, theologisch wie kirchenpolitisch kaum nach seinem Gusto, konnte sich nicht darauf verlassen, dass der Emeritus stillblieb, wie dieser bei seinem Rücktritt angekündigt hatte. Es waren leise Töne, aber klare Botschaften, die aus Benedikts Alterssitz, Mater Ecclesiae, ins Gästehaus St. Marta, wo Franziskus residiert, drangen: ein klares Bekenntnis zum Priesterzölibat etwa, als sich eine Bischofssynode anschickte, die Aufweichung desselben zumindest zu diskutieren; oder eine pointierte Äußerung wider die Infragestellung des Kommunionverbots gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen – auch wenn der Papa emeritus da einen Aufsatz umschreiben musste, den er als Professor Ratzinger publiziert hatte. Nur als Beispiele für eine doch sichtbare Präsenz als Schatten - papst hinter dem eigentlichen Amtsträger. Wobei das (ultra)konservative Kirchenlager keinen Hehl daraus machte, Benedikt XVI. als „eigentlichen“ Pontifex anzusehen – auch wenn das dogmatisch erst recht mit jenem Häresie-Verdikt, das ebendiese besorgten Katholiken wider die Liberalen so gerne im Mund führen, zu qualifizieren war. Aber was schert dieses Lager das Dogma, wenn es den eigenen Interessen zuwider läuft? Der Tod von Benedikt XVI./Joseph Ratzinger mag für Franziskus auch eine Atempause bedeuten, in der ihm seine Widersacher nicht beständig Worte und Zeugnisse seines Vorgängers um die Ohren schmeißen. Dennoch wird die Auseinandersetzung um den rechten Glauben und die rechte Gestalt von Kirche noch lang nicht zu Ende sein. otto.friedrich@furche.at @ofri_ofriedrich INTRO Er kam keineswegs überraschend – und markiert doch eine Zäsur: der Tod des 95-jährigen Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. Seine Theologie hat die katholische Kirche des 20. Jahrhunderts wie kaum eine andere geprägt. Wie sie – und sein Pontifikat – einzuordnen sind, analysieren Otto Friedrich, Roman Siebenrock und Gregor Maria Hoff in dieser ersten FURCHE anno 2023. Einen Blick zurück – nämlich genau hundert Jahre – wirft Manuela Tomic in ihrem Fokus „Wiederholt sich die Geschichte?“: Dieser bietet nicht nur einen bemerkenswerten literarischen Text aus Tomic’ Feder, sondern auch ein Interview mit dem Historiker Peter Longerich sowie einen Ausblick von Manfred Prisching. Peter Strasser widmet sich indes einer Grundsatzfrage im Ukraine-Konflikt, Hubert Gaisbauer würdigt die Kirchenlehrerin Thérèse von Lisieux zum 150. Geburtstag und Bildungsminister Martin Polaschek steht im Interview Rede und Antwort. Ein absoluter Höhepunkt erwartet Sie zum Jahresbeginn im Feuilleton – nämlich ein exklusiver Text von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek anlässlich des 60- jährigen Bestehens der Österreichischen Gesellschaft für Literatur, ergänzt um einen Beitrag von dessen Leiter Manfred Müller. Von Ratzinger bis Jelinek – ein würdiger Auftakt in ein neues Jahr. (dh) furche.at Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0

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