Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Nehammer, sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung, sehr geehrte Nationalratsabgeordnete! Zeitungen und Magazine – gedruckt wie digital – sind ein unverzichtbarer Bestandteil liberaler Demokratien. Ihre Vielfalt garantiert Meinungsvielfalt. Diese ermöglicht Österreichs Bürgerinnen und Bürgern den selbstbestimmten Zugang zu geprüften Fakten. Die Integrität und Kompetenz ihrer Redakteurinnen und Redakteure helfen, komplexe Sachverhalte auf dem Grund gesicherter, wohlrecherchierter und gewissenhaft überprüfter Tatsachen einzuordnen. Nur auf diesem Boden ist Meinungsbildung und Teilhabe an der demokratischen Gesellschaft möglich. Ohne Medienvielfalt gibt es keine Wahlfreiheit. Und ohne Wahlfreiheit keine liberale Demokratie. Mit der geplanten Novelle zum ORF-Gesetz erhält das größte Medienunternehmen Österreichs, der ORF, zusätzliche öffentliche Geldmittel sowie erheblich mehr Möglichkeiten, seine Aktivitäten und Angebote im digitalen Raum auszuweiten. Das ist gut für den ORF. Und schlecht für die Medienvielfalt. Mit mindestens 710 Millionen Euro, die der ORF von den Gebührenzahlerinnen und -zahlern erhält, tritt der ORF nun verstärkt in Konkurrenz zu den privaten journalistischen Medien. Diesen wird damit jegliche Entwicklungsmöglichkeit in die Zukunft abgeschnitten. Die österreichische Medienvielfalt ist dadurch existenziell bedroht! Wir fordern Sie im Interesse aller Medien in unserem Land auf, einem drohenden Meinungsmonopol entgegenzuwirken. Überarbeiten Sie das ORF-Gesetz. Sorgen Sie für einen fairen Interessenausgleich. Und gewährleisten Sie dadurch Medien- und Meinungsvielfalt. Demokratie braucht Meinungsvielfalt, damit die Seiten nicht weiß bleiben. 3. Mai – Internationaler Tag der Pressefreiheit. Markus Mair VÖZ-Präsident Gerald Grünberger VÖZ-Geschäftsführer Alexander Mitteräcker Der Standard Nicole Schwarzenbrunner Die Furche Herwig Langanger Die Presse Eva Dichand Heute Thomas Spann Kleine Zeitung Gerhard Valeskini Kronen Zeitung Thomas Kralinger Kurier Markus Raith Neue Vbg. Tageszeitung Michael Ausserer NÖN / BVZ Lorenz Cuturi OÖNachrichten Wolfgang Eder OÖ Volksblatt Richard Grasl Profil Maximilian Dasch Salzburger Nachrichten Hermann Petz Tiroler Tageszeitung Eugen A. Russ Vorarlberger Nachrichten Martin Fleischhacker Wiener Zeitung
18 · 4. Mai 2023 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 79. Jg. · € 4,– „Dialogwoche Alkohol“: Punktgenau verzichten Alkohol ist Kulturgut und Zellgift. Eine Präventionsinitiative dreht sich um eine zentrale Frage: Wie viel ist zu viel? · Seite 23 SPÖ: Neuer Kurs oder neue Partei? Sixtus Beckmessers Deutschmatura Der Denker der Freiheit Während in Salzburg ÖVP und FPÖ verhandeln, ringen die Roten um ihre Richtung. Trautl Brandstaller rät zu einer Linkswende. · Seite 7 Diesen Freitag ist Reifeprüfung in Deutsch. Christian Schacherreiter erklärt, warum ihre „Operatoren“ jede Kreativität torpedieren. · Seite 15 John Stuart Mill plädierte für die Freiheit, das Leben nach eigenen Maximen zu gestalten: zum 150. Todestag des Philosophen. · Seite 17 Das Thema der Woche Seiten 4–6 Der Streit über E-Fuels überdeckt die Grundsatzfrage, wie die Wende zu klimaschonender und leistbarer Mobilität für alle gelingen kann. Über Autos von morgen und Rohrpostreisen im „Hyperloop“. Was uns bewegen wird Foto links: iStock/srgktk; Bild rechts: imago / Heritage Images Nachruf auf einen Freund Am 2. Mai ist Helmut Krätzl im 92. Lebensjahr verstorben. Der emeritierte Wiener Weihbischof war die bischöfliche Stimme für die Konzilsbewegten – und ein langjähriger Wegbegleiter und Freund der FURCHE. Seite 9 Medienpolitik firmiert hierzulande weiter unter „ferner liefen“. Auch wenn es um die (künftige) Rolle des ORF geht. Breiter Diskurs über die Medien findet einfach nicht statt. Eine Empörung. Politisches Irrlichtern AUS DEM INHALT „Erdoğan ist überall“ Einer Vereinigung Zyperns stehen vor allem die Interessen Ankaras im Weg, sagt Niyazi Kızılyürek, türkisch-zypriotischer Abgeordneter im Europaparlament. Seite 8 Von Otto Friedrich „ Die Politik wäre gefordert, um die Existenz von Qualitätsmedien und deren Vielfalt zu gewährleisten. “ wand in den Wind schlagen: Ein Teil des Geldes, das sich die Republik mit der Einstellung der Wiener Zeitung erspart, soll in eine staatliche Journalistenausbildung gesteckt werden – ein Vorschlag, der weithin kritisiert wurde. Der Respons der Politik, von der Medienministerin abwärts: schweigen. Und das Geplante durchziehen. Weder Plan noch Vision für den ORF Dabei dürfte das Elend der Wiener Zeitung nur eine Fußnote in der medienpolitischen Inferiorität bleiben. Denn die politische Nichtdiskussion rund um den ORF ist noch viel prekärer: Auch hier zeigt sich, dass von der zuständigen Politik weder ein Plan noch eine Vision dazu zu haben war, wie öffentlich-rechtliche Medien unter den Bedingungen der 2020er Jahre gestaltet sein sollten. Das neue Gesetz zum ORF, das die Bundesregierung nun vorgelegt hat, ist mitnichten ein Produkt des Diskurses über Medien im Land. Sondern es war der Verfassungsgerichtshof, der eine Neuaufstellung der Finanzierung der größten Medienanstalt verlangte: Und weil eben dies zu reparieren ist, handelt die Regierung. Also kommen eine Haushaltsabgabe sowie mehr digitale Freiheiten für den ORF und einige Einschrän- Letzte Woche besiegelte die türkis-grüne Bundesregierung das Ende der Wiener Zeitung, genauer: deren Ende als gedruckte Tageszeitung. Eva Blimlinger, grüne Mediensprecherin, ließ ihren parlamentarischen Nekrolog auf die bald nicht mehr älteste Tageszeitung der Welt in einem skandalösen Bild gipfeln. Sie verglich den Neuanfang der Republik Österreich am 27. April 1945 mit dem nunmehrigen „Neuanfang“ der Wiener Zeitung, als den sie die Einstellung verbrämte: Blimlingers Entgleisung mag als weiteres Indiz dafür herhalten, wie erbärmlich sich die Medienpolitik im Land geriert. Es hätte viel zu reden gegeben rund um die Wiener Zeitung. Und es lagen Vorschläge zu deren Überleben auf dem Tisch (in der FURCHE hatte Medienwissenschafter Fritz Hausjell bereits im April 2021 mit einem Rettungsvorschlag aufhorchen lassen, vgl. S. 21). Wurde aber einer dieser Vorschläge öffentlich diskutiert? Nein. Ob in den Hinterstübchen der Politik irgendein Szenario angekommen war, entzieht sich der Kenntnis auch des journalistischen Beobachters. Ja, so funktioniert Medienpolitik im Land: management by chaos. Oder einfach drüberfahren, sprich: zusperren. Oder jeden Einkungen, was dessen Online-Angebot orf.at betrifft. Und eine Entparteipolitisierung des ORF? Fehlanzeige! Wieder einmal. Die Debatte über die „blaue Seite“ des ORF ist prototypisch fürs medienpolitische Desaster, in dem sich Österreich seit Jahr und Tag wiederfindet: Denn man darf den ORF nie ohne die Rahmenbedingungen für alle Medien betrachten. Die Transformationen, die Medien aller Art zurzeit erleben und erleiden, würden eine politische wie gesellschaftliche Diskussion der Sonderklasse verlangen. Denn Medien müssen existieren und Journalist(inn)en von etwas leben können. Klassische Erlösmodelle sind jedoch weggebrochen – die Werbung etwa wird von den internationalen Technologiegiganten abgesaugt. Und von Medienkonsument(inn)en Einnahmen zu lukrieren, wenn sie nicht dazu gezwungen sind (z. B. via Haushaltsabgabe), bleibt extrem herausfordernd. Dass die „Kleinen“ im Konzert der Medien, die für ihre Inhalte Bezahlung benötigen, dann aufschreien, wenn öffentlich finanzierte, gleichartige Angebote des ORF „gratis“ sind, sollte nicht verwundern. Medienpolitik wäre gefordert, um die (wirtschaftliche) Existenz von Qualitätsmedien und deren Vielfalt zu gewährleisten. Wenn ebendiese Politik nun die Wiener Zeitung einstellt, zeigt dies, dass ihr dieses Anliegen herzlich egal ist. Das empört auch in demokratiepolitischer Hinsicht: Denn eine vitale Demokratie bedarf lebender und lebendiger Medien. Der aktuelle österreichische Weg führt diesbezüglich in die Irre. otto.friedrich@furche.at @ofri_ofriedrich Die Macht der Queen Mary Der Mai gilt als Marienmonat. Theresia Heimerl über die „Himmelskönigin“, deren Macht jene irdischer Royals weit übersteigt – und weibliche Selbstermächtigung. Seite 11 „Ich wollte meinen König töten“ Sarah Kirsch gilt als eine der wichtigsten deutschen lyrischen Stimmen der Nachkriegszeit. Zum zehnten Todestag der Dichterin. Seite 19 Kaunertal global Daniela Strigl über Alexander Van der Bellens Rede zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse: Sie unterlief „gfeanzt“ alle Vorgaben gewichtig- staatstragender Rhetorik. Seite 19 Böse Bubenspiele In Ulrich Seidls Film „Sparta“ setzt sich der Darsteller Georg Friedrich mit verbotenen Gefühlen auseinander. Ein Gespräch mit dem Regisseur zum Filmstart. Seite 20 furche.at Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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