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DIE FURCHE 04.05.2023

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DIE FURCHE · 18 18 Theater & Literatur 4. Mai 2023 Ein Abend, zwei Stücke: Das Theater in der Josefstadt zeigt mit „Glückliche Tage“ und „Herzliches Beileid“ absurde Szenen einer Ehe. Traumspiel Gekonnt verbindet Regisseur Dieter Dorn Becketts Stück „Glückliche Tage“ und Feydeaus „Herzliches Beileid“ miteinander. Unverhofft findet sich Yvonne (Anika Pages) im Traum als Winnie wieder. Von Christine Ehardt Ein Bühnendoppel mit Retrochic Alten Meistern eine Bühne zu bieten, ist ein Erfolgsrezept des Theaters in der Josefstadt. Immer wieder lässt Hausherr Herbert Föttinger die großen Theaterlegenden hier ihr Können unter Beweis stellen. Claus Peymann reüssierte mit Thomas Bernhards „Der deutsche Mittagstisch“ und Eugène Ionescos „Der König stirbt“, Stephan Müller setzte zuletzt Alexander Ostrowskijs Werk „Der Wald“ um, und nun gibt der fast 88-jährige Dieter Dorn sein Debüt. Regiemeister Dorn, dessen Inszenierungen die Münchner Schauspielwelt nachhaltig prägten und der 2016 bei den Salzburger Festspielen mit Samuel Becketts „Endspiel“ begeisterte, hat dazu gleich zwei Stücke in einen Abend gepackt. Georges Feydeaus Einakter „Herzliches Beileid“ von 1908 und Becketts tragikomischen Monolog „Glückliche Tage“ von 1960 vermischt er zu einem überspannten Comicstrip mit nostalgischem Flair. „ Die Idee mit dem Bett ist ein genialer Schachzug, der die beiden ungleichen Stücke harmonisch ineinanderfließen lässt. “ Becketts apokalyptisches Erfolgsstück über das Verharren in widrigsten Verhältnissen wird dabei zu einer endlosen Traumsequenz innerhalb der Feydeau’schen Beziehungskomödie umfunktioniert. Als Ehepaar in beiden Stücken sind Anika Pages und Michael von Au am Zetern und Zaudern. Als Austragungsort wählt Dorn ein gutbürgerliches Schlafgemach mit übergroßem Doppelbett im Zentrum der Bühne (Bühnenbild: Julia Schultheis). Dort wartet die genervte Yvonne aus Feydeaus Schwank völlig übermüdet auf die Rückkehr ihres Ehemannes. Ihr unruhiger Schlaf gerät schnell zum Albtraum, aus dem sie bis zum Bauch in der Matratze feststeckend als Winnie aus Becketts Stück aufwacht. Im gleißenden Sonnenlicht monologisiert sie ab nun fast bewegungslos über ihre missliche Lage und den Inhalt ihrer riesigen Einkaufstasche. Im Original ist es ein Erdhaufen, Foto: Rita Newman in den Winnie immer weiter versinkt, während ihr Partner Willie als eine Art (fast) stummer Erdwurm neben ihr ausharrt. Die Idee mit dem Bett ist ein genialer Schachzug, der die beiden ungleichen Stücke harmonisch ineinanderfließen lässt. Damit ist dann aber auch schon Schluss mit den überzeugenden Einfällen. Alles Weitere gerinnt zur klischeehaften Farce, in der vor allem Pages keine Chance hat, eine gute Figur abzugeben. Viel zu schrill und comichaft ist ihre Rolle als Winnie angelegt, viel zu stereotypisiert gibt sie die enervierte Yvonne. „Keine Verbesserung, keine Verschlechterung, keine Veränderung“, frohlockt Winnie immer wieder über die Zeit, die ihr noch bleibt. Ein Satz, der auch das Motto für diesen Theaterabend vorzugeben scheint. In dieser Aufführung erinnert alles ein wenig an ein Museum. Dabei bietet gerade Becketts Text eine reiche Palette an aktuellen Bezügen von Klimakrise, über Bodyshaming bis hin zu Medikamentenmissbrauch und psychischer Instabilität. Klamotte statt Groteske Zum Ende des Beckett-Zwischenspiels kriecht Willie in Frack und Zylinder gekleidet aufs Bett, um der entzückten Winnie sowohl einen Kuss als auch eine Pistole auf die Wange zu drücken und damit den zweiten Teil des Abends, der dem Fey deau’schen Schlagabtausch zwischen den Geschlechtern gewidmet ist, einzuläuten. Der treulose Gatte kommt verkleidet als Sonnenkönig endlich vom Künstlerball nach Hause. Statt Schlaf findet er seine schlaftrunkene Ehefrau vor, die ihm zusammen mit dem Hausmädchen (mit großem komödiantischem Potenzial: Johanna Mahaffy) das Leben schwermacht. Eine schlechte Nachricht, von einem beflissenen Diener (Tobias Rein thaller) versehentlich an die falsche Haustür gebracht, löst einen gut gespielten Slapstickreigen aus, in dessen Verlauf keine entbehrliche Zote unerwähnt bleibt. Tiefpunkt ist die Diskussion zwischen Pages, Mahaffy und von Au über feste Brüste, hängende „Tutteln“ und körperbetonte Kleiderhacken. Dorn überführt die leichtfüßige Groteske in eine altbackene Klamotte, die einen an samstägliche Sendespiele im Fernsehen der 1980er Jahre denken lässt. „Und nun?“, lautet die lapidare Schlussfrage dieses langatmigen Bühnendoppels, das zwar dramaturgisch wunderbar ineinandergreift, aber trotzdem nicht zu überzeugen vermag und vom Premieren publikum mit verhaltenem Applaus quittiert wurde. Glückliche Tage/Herzliches Beileid Theater in der Josefstadt, 5., 30., 31.5. LEKTORIX DES MONATS Der lange Weg des Schokoaufstrichs Buchpreis von FURCHE, Stube und Institut für Jugendliteratur Wo kommen unsere Sachen her? Auf Lieferwegen um die Welt Von Julia Dürr Beltz & Gelberg 2023 40 S., geb., € 18,50 Ab 5 Jahren Von Juliane Zach Der Blick gilt dem Wohnraum einer fünfköpfigen Patchworkfamilie: Einkaufskörbe voller Lebensmittel, Spielsachen, bunte Möbel, Elektrogeräte und einiges mehr. Wo kommen all diese Dinge her? Woraus wurden sie wo wie gemacht? Diesen Fragen widmet sich das neue Sachbilderbuch von Julia Dürr. Wie bereits in „Wo kommt unser Essen her“ macht die Autorin dies völlig wertfrei, ohne etwas zu verheimlichen oder zu beschönigen. Auch formal ähneln einander die beiden Bücher: Kurze, leicht verständliche Textpassagen sind auf den detailreichen großformatigen Bildern jeweils zu kleinen Szenen oder Dingen gestellt. Sehr anschaulich wird dann anhand dreier Gegenstände – Kuscheltier, Sessel, Schokoaufstrich – gezeigt, welche Schritte vom Abbau bzw. der Ernte der Rohstoffe zum fertigen Produkt nötig sind, welche Lieferwege die einzelnen Bestandteile bis zu den vielen unterschiedlichen Produktionsorten und die fertigen Produkte bis zu uns nach Hause haben und wie viele Menschen an diesen Prozessen beteiligt sind. Auf je einer Doppelseite werden auch die Abläufe und Arbeiten auf einem Containerhafen, Güterbahnhof, Flughafen und in einem Hochregallager beschrieben. Globalisierung anschaulich erklärt Nicht nur das gesamte Ausmaß der Globalisierung, sondern auch die einzelnen Fakten sind bedenklich, etwa die Lieferwege der einzelnen Rohstoffe für einen Schokoaufstrich bis zur Fabrik, die auf einer Weltkarte eingezeichnet sind: 15 bis 18 Tage dauert die Überfahrt von Kakao vom Ursprungsland bis nach Europa, Palmfett ist sogar 30 Tage unterwegs. Und damit ist die zurückzulegende Strecke noch nicht zu Ende. Lieferwege zu verkürzen, bedeutet zudem immer einen Eingriff in die Natur: Die Versiegelung von Boden für den Bau von Straßen oder die Grabung des Suezkanals werden als Beispiele genannt. Auch der Klimawandel trägt übrigens dazu bei, dass der Weg von Asien nach Europa schneller zurückzulegen ist: Die Nord-Ost-Passage, früher von Eis bedeckt, ist nun durchwegs befahrbar. Warum haben wir Menschen es so weit kommen lassen? Eine von vielen Antworten ist im Buch nachzulesen: „Ein großer Gedanke ist, dass es zu weniger Krieg auf der Welt kommt, wenn möglichst viele Länder miteinander Handel betreiben.“ Deutlich wird, hier werden keine Lösungen präsentiert, sondern Fakten. Es wird nicht verurteilt und auch nicht zur Veränderung aufgerufen. Aber die Lektüre regt zum Nachdenken an – über unser Konsumverhalten und über die Werte, die wir unseren Kindern vermitteln wollen. Sie animiert zum gemeinsamen Gespräch und fordert zur Selbstrecherche auf. Was, wie gezeigt wird, gar nicht so einfach ist. Obwohl man nach dem Lesen zuerst einmal nichts mehr kaufen will, kommt hier abschließend eine absolute Leseempfehlung. Und wenn dieses Buch seinen Weg in jeden Haushalt findet (auch Ausleihen ist eine Option!), wird es hoffentlich nicht nur die Zielgruppe, sondern auch deren Erwachsene zu einem sorgsameren und bewussteren Umgang mit der Natur bewegen.

DIE FURCHE · 18 4. Mai 2023 Literatur 19 Sarah Kirsch gilt als eine der wichtigsten deutschen lyrischen Stimmen der Nachkriegszeit. Zunächst publizierte sie in der DDR, danach lebte sie in Tielenhemme in Schleswig-Holstein. Vor zehn Jahren, am 5. Mai 2013, starb die Dichterin in Heide. „Ich wollte meinen König töten“ Von Brigitte Schwens-Harrant Das schmale, vergilbte rororo- Bändchen erschien 1981 und trägt den wenig spektakulär anmutenden Titel „Erklärung einiger Dinge“. Es enthält Gespräche mit der Lyrikerin Sarah Kirsch, unter anderem eines, das im April 1978 in einem Westberliner Gymnasium stattgefunden hat. Die Dichte der kritischen Anfragen erstaunt. Die Schülerinnen und Schüler fragen Sarah Kirsch zu konkreten Formen, etwa warum diese Zeilenwechsel und ob die Dichterin nicht meine, dass die Gedichte dadurch schwieriger zu lesen und zu verstehen seien; sie fragen, ob es Leserinnen und Leser nicht schrecken könnte, wenn sie die Zusammenhänge nicht erkennen; und sie fragen, warum Sarah Kirschs Gedichte auch politisch verstanden worden sind – würden solche Interpretationen in die Gedichte nicht mehr hineinlesen, als in ihnen steht beziehungsweise von ihr, der Autorin, gemeint war? Die Antworten der Lyrikerin auf die klugen und direkten Fragen der jungen Lesenden bringen nicht nur die harte Arbeit an der Sprache zum Vorschein, die den nur scheinbar leichten Gedichten Sarah Kirschs zugrunde liegt, sondern führen oft ins Zentrum ihres lyrischen Schaffens. Warum, wird sie gefragt, schreibe sie in einem Gedicht vom „König“, wenn sie doch vielleicht konkret den „Staatsratsvorsitzenden“ meine? Und man könnte, ein anderes Gedicht aufgreifend, nämlich „Ich wollte meinen König töten / Und wieder frei sein“, da gleich weiterfragen: Wer ist der Herrscher, wer beherrscht das Ich? Und was heißt hier „töten“? „Ich“ sagen Sarah Kirsch Die Lyrikerin erhielt unter anderem 1980 den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur, 1993 den Peter-Huchel-Preis, 1996 den Georg-Büchner-Preis. Wie sehr lohnt doch der genaue Blick. Zum Beispiel auf das „Ich“ in Sarah Kirschs Texten, die noch in der DDR entstanden sind. Denn dort lernte die als Ingrid Bernstein am 16. April 1935 im Südharz geborene Dichterin, was sie im Gespräch mit der Literaturkritikerin Iris Radisch einmal sagte: „‚Ich sagt man nicht.‘ Das Ich gibt man auf. Man ist ‚man‘ oder ‚wir‘.“ Und doch gibt es in den „Zaubersprüchen“ ein Gedicht, das sogar „Ich“ heißt: „‚Ich stand / Auf eigenen Füßen“. „Das war für DDR-Verhältnisse ganz tüchtig. Wir mussten doch immer etwas Allgemeines schreiben […] Das Ich-Sagen war mein Glück.“ Widerstände schon durch das „Ich“-Sagen. Während Sarah Kirsch trotzdem noch gefeierte Lyrikerin der DDR war, verstand man im Westen schon, diverse Kassiber in ihren Texten zu lesen, etwa im Gedicht „Nachricht aus Lesbos“, das ebenfalls 1973 im Band „Zaubersprüche“ erschien und mit den Zeilen beginnt: „Ich weiche ab und kann mich den Gesetzen / Die hierorts walten länger nicht ergeben“. Als Sarah Kirsch den Westberliner Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort stand, hatte sie gerade erst mit ihrem kleinen Sohn die DDR verlassen. Vorausgegangen war die Ausbürgerung von Wolf Biermann und der darauffolgende Protest, den Kirsch unterschrieben hatte. „Wenn ich in einem Haus bin, das keine Tür hat / Geh ich aus dem Fenster“ wird sie 1979 im Band „Drachensteigen“ schreiben, im Gedicht „Trennung“. Später wird sie sich in Tielenhemme, einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein, niederlassen und drei Jahrzehnte in einem alten, umgebauten Schulhaus leben, mit Blick aufs flache Land und einem sich ständig verändernden Himmel. Die Natur interessierte die Biologin, die ihr Studium mit einer Arbeit über Parasiten von Mäusen abgeschlossen hatte, von Anfang an. Die Literatur von Adalbert Stifter aus der elter lichen Bibliothek schärfte früh ihren Blick dafür. Natur findet man beschrieben in vielen Details. Doch ins scheinbar Reale schiebt sich zum Beispiel kunstvoll das Märchen oder das Raunen aus einer Welt, in der auch Zaubersprüche ihre Wirkung tun. In solchen „vernetzten Kraftfeldern entstehen die geheimen Spannungen, die als Vi brationen wahrnehmbar sind, auch wenn sie nicht verbal auszumachen sind“, sagte 1992 anerkennend der Dichter Wulf Kirsten in einer Rede und las Kirschs Gedichte als „Sinnsuche“, „die ständig auf Grenzerweiterung“ aus ist. „ ‚Wenn ich in einem Haus bin, das keine Tür hat / Geh ich aus dem Fenster‘ wird Sarah Kirsch 1979 im Band ‚Drachensteigen‘ schreiben, im Gedicht ‚Trennung‘. “ FEDERSPIEL Kaunertal global Der Auftakt mit dem Choralvorspiel des bekennenden NS-Anhängers Franz Schmidt war vielleicht keine allzu glückliche Wahl; den Blumenstrauß, den der Organist für 1 Minute 30 erhielt, hätte das Gros der 1700 Festgäste im Leipziger Gewandhaus wohl lieber Alexander Van der Bellen zugedacht. Seine Rede zur Eröffnung der Buchmesse samt Österreich-Gastlandauftritt entsprach insofern dem nationalen Stereotyp, als sie alle Vorgaben gewichtig-staatstragender Rhetorik unterlief und durch Understatement auftrumpfte. Das begann mit der zeitsparenden Begrüßung („Exzellenzen aller Art“) und gipfelte, angeregt vom Messemotto „mea oiswiamia“, in einem Crashkurs in heimischen Dialekten, mit besonderer Berücksichtigung des Kaunertalerischen („strengen Sie sich gar nicht an, das versteht man schon in Innsbruck nicht“). Politisch war die bloße Übersetzung eines FPÖ-Slogans ins lokale Idiom: „Dahuam statt Isluam.“ Die Rede war, was der Wiener „gfeanzt“ nennt, nämlich hintersinnig, listig, schalkhaft. Indem Van der Bellen die Stehsätze seiner Vorredner zum Foto: picturedesk.com / akg-images / Bruni Meya Es ist nicht einfach zu beschreiben, wie Sarah Kirsch das durch das Setzen der Worte macht, es wirkt so leicht und verlangt doch präzise Arbeit mit der Sprache. Auf einmal wird in einem Detail, einer konkreten Wahrnehmung viel mehr angesprochen und, ja, auch in Frage gestellt, klingen persönliche, existenzielle Verhältnisse ebenso an wie politische, werden sichtbar und vor allem auch fragwürdig. Sarah Kirsch hat nicht oft über ihr Schreiben selbst geschrieben oder gesprochen, auch in ihrer Poetikvorlesung tut sie es eher widerwillig. In ihrem 2005 erschienenen Prosaband „Kommt der Schnee im Sturm geflogen“ aber hat sie festgehalten: „Weshalb ich schreibe, weshalb ich lebe fällt ja zusammen. Weil ich herausfinden will, was ich hier soll. Auf diesem seltsamen Planeten. Ob das einen Sinn macht, dass ich hier ging. Weil es mitunter hübsch ist, ein anderes Mal schrecklich, im Ganzen aber absurd und witzlos.“ Man muss nur genau hinsehen, dann sieht man die Risse im vermeintlich sicheren Boden. Ihre Gedichte locken wie „Anziehung“, das Motto der „Zaubersprüche“, auf unsicheres Terrain: „Nebel zieht auf, das Wetter schlägt um. Der Mond versammelt Wolken im Kreis. Das Eis auf dem See hat Risse und reibt sich. Komm über den See.“ „Eigentlich schreibe ich immer“ Gedanken für den Tag zu Sarah Kirsch Von Brigitte Schwens-Harrant 2. bis 6. Mai 2023, jeweils 6.57, Ö1, oe1.orf.at Von Haupt- und Nebendrachen. Von Dichtern und Prosaschreibern. Frankfurter Poetikvorlesungen 1996/1997 Von Sarah Kirsch Wallstein 2019. 110 S., geb., € 18,50 „Wir haben uns wirklich an allerhand gewöhnt“ Der Briefwechsel von Sarah Kirsch und Christa Wolf. Hg. von Sabine Wolf unter Mitarbeit von Heiner Wolf. Suhrkamp 2019. 438 S., geb., € 32,90 „Ich will nicht mehr höflich sein“ Tagebuch aus der Wendezeit 31. August 1989 bis 18. März 1990 Von Sarah Kirsch. Hg. und mit einem Nachwort versehen von Moritz Kirsch und einem Essay von Frank Trende Edition Eichthal 2022. 263 S., kart., € 29,80 Ukraine-Krieg nicht wiederholte und ausschließlich über rot-weiß-rote Literatur („das wenige, das ich davon versteh“), Sprache und Mentalität sprach, bediente er sich am Klischee, um damit zu spielen – eine würdige Ouvertüre für den von Katja Gasser bravourös dirigierten Messe-Auftritt. Gewiss hat der Bundespräsident einen gewieften Redenschreiber, aber erst sein Plauderton, seine Lust am Extemporieren und seine non chalante Handhabung des Zettelwerks machen das Aufmerksamkeits- und Sympathiegewinnungsmeisterstück perfekt. Alles hat gelacht, alles war begeistert, so manche gestanden danach, uns um diesen Präsidenten zu beneiden. Und so verzeihe ich ihm sogar, dass sein Autokonvoi („Staatsverkehr!“) den Straßenbahnbetrieb zur Messe zum Erliegen brachte. Dafür kamen die Durchsagen vom Nino aus Wien. Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin. Von Daniela Strigl

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