Den gesamten Briefwechsel zwischen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger können Sie auf furche.at bzw. unter diesem QR-Code nachlesen. Medieninhaber, Herausgeber und Verlag: Die Furche – Zeitschriften- Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KG Hainburger Straße 33, 1030 Wien www.furche.at Hubert Gaisbauer ist Publizist. Er leitete die Abteilungen Gesellschaft- Jugend-Familie sowie Religion im ORF-Radio. füllte Betten, verschobene OPs, überforderte Pflegerinnen und Pfleger und alarmierte Ärztinnen und Ärzte gehörten knapp zweieinhalb Jahre zum Alltag. Selbstverständlich sind das Kaputtsparen der Spitäler, die sich zunehmend einschleichende Privatisierung der Gesundheitsversorgung und die mangelnde Attraktivität des Arztberufes in Österreich wichtige Schrauben, an denen man drehen müsste. Doch es lässt sich nicht leugnen, dass der Hund bereits in der Ausbildung begraben liegt. Eines vorweg: Ich selbst habe davon profitiert, dass es an österreichischen Universitäten einen Prozentsatz gibt, der für Verfügung. Selbstverständlich sollte es da- auch deutschen Studierenden gratis zur Studierende mit nicht-österreichischer her Anreize geben, die Steuergelder aus Staatsbürgerschaft reserviert ist. Dieser der Erwerbsarbeit nach der Ausbildung im Schlüssel ist richtig und wichtig, da er zur Land zu behalten. Eine Studienplatzreduktion für ausländische Studierende steht Demokratisierung des Ausbildungswesens beiträgt. Dennoch lässt sich gerade bei den ethisch und rechtlich selbstverständlich österreichischen Medizin-Unis ein klarer Trend beobachten: Rund 77 Prozent der Medizinstudenten nach der Ausbildung nicht zur Debatte. Möglich wäre es aber, deutschen Absolventen eines Medizinstudiums gehen wieder ins Ausland, wie eireich zu verpflichten. Der Vorstoß ist nicht für eine Zeit zur Berufsausübung in Österne Berechnung der Statistik Austria zeigt. neu und kommt sowohl von der ÖVP als Demgegenüber verlassen nur acht Prozent auch vom Sozialversicherungs-Chef Peter der österreichischen Studierenden das Lehner. Damit wird man nicht alle Mängel Land. Österreich ist also längst ein Durchlauferhitzer für deutsche Studierende ge- wäre ein wichtiger erster Schritt. Für aus- im Gesundheitssystem beheben, aber es worden. Aber eine Ausbildung zum Mediziner ist teuer. Sie kostet den Steuerzahler Solidarität mit ihrem Ausbildungsland. Es ländische Studierende wäre es ein Akt der rund 350.000 Euro. Der Studienplatz steht gibt Schlechteres. (Manuela Tomic) Geschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner, Prokuristin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Chefredakteurin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Redaktion: Dr. Otto Friedrich (Stv. Chefredakteur), MMaga. Astrid Göttche, Dipl.-Soz. (Univ.) Brigitte Quint (Chefin vom Dienst), Jana Reininger BA MA, Victoria Schwendenwein BA, Dr. Brigitte Schwens-Harrant, Dr. Martin Tauss, Mag. (FH) Manuela Tomic Artdirector/Layout: Rainer Messerklinger n Ihrem letzten Brief geht es wieder einmal um Benachteiligung und Gleichberechtigung. Gut so. Auch rück, was ihm fehlt: Die Perspektiven von Menschen, die dankbar. Da lese ich: „Wir geben dem Journalismus zu- wenn ich mich in der Gruppe vorfinde, die Sie die er ausschließt.“ „Prä-Internet-Generation“ nennen. Das fühlt sich an, Dass es Ihnen bei Medienberichten über die Dragqueen-Lesungen in Wien „kalt über den Rücken gelau- als wäre uns das Ablaufdatum im Hemdkragen aufgedruckt – bitte im Schongang waschen. Und als wären Zeitungen (schreiben, drucken und am Ende auch noch le- stand da ein Polizeiaufgebot wegen verhetzter Demonstfen ist“, verstehe ich. In welch groteskem Verhältnis sen) Kulturtugenden von vorgestern und die Zielgruppe ranten zu den Kindergeschichten, die da vorgelesen und eine aussterbende Singvogelart. Last generation – lost generation. Wenn schon eine Zeitung, dann aber bitte mit nen ein wenig recherchiert und bin auf ein Transparent vorgespielt wurden! Ich habe über Anlass und Reaktio- einer App, welche die bewegten Bilder dazu liefert! Aber keine Angst, der Lesungen hing: I love you and gestoßen, das vor dem Haus einer ich werde mich nicht ankleben am you should love YOU TOO. Eine schöne Paraphrase zu Leviticus 19,18. rissigen Asphalt einer überholten Medienlandschaft. Aber ich bin wütend, liebe Frau Toleranz ist mir fast zu wenig Hirzberger, nicht auf Sie, sondern Sie, liebe Frau Hirzberger, fordern Toleranz. Anderen Lebens- auf den rasanten Zeitenwechsel, den Sie mir – wieder einmal – vor konzepten und fremden Kunstformen gegenüber. Dragqueens zum Augen geführt haben. Und darauf, erkennen zu müssen, wie sehr Beispiel. Ich sage ganz ehrlich: Toleranz ist mir fast zu wenig. Die- offenbar meine mediale Welt eine Welt von gestern ist. Ich vermute (und hoffe!) allerdings, dass Sie sie wollen“. Das ist mir zu nahe an ses „die sollen doch machen, was es ironisch gemeint haben, wenn Sie schreiben, „Information und Wissen, das Kapital der Medienhäuser“ sei- einem Lebenskonzept, gerade wenn es von meinem un- der Gleichgültigkeit. Ich wünsche mir Zustimmung zu en – dank Internet – „demokratisiert“. Das hieße doch terschieden ist. Aber vielleicht ist das zu viel verlangt. auch, alle hätten wirklich den gleichen Zugang und Zugriff. Davon sind wir – global sowieso – noch immer weit zum „altbekannten“ Marmorgugelhupf, der nicht in Noch. Und auch von mir selber. Zum Schluss ein Wort entfernt; rund 70 Prozent der über 70-Jährigen tun sich die Cupcake-Form passt. Ich ziehe ihn dem Passionsfrucht-Cupcake vor, nicht nur, weil ich den armen Pas- schwer im digitalen Umgang und bevorzugen Print. Ach ja, ich weiß: ein bissl Geduld, und die Nachrückenden sionsfrüchten die Seekrankheit auf ihrem langen Weg werden sich schon leichter tun! zu mir ersparen möchte. Sondern weil ich ihn einfach Für den Hinweis auf die beiden journalistischen liebe. „Jungblüten“ andererseits und tag eins bin ich Ihnen Ich wünsche Ihnen eine recht gute Zeit! Aboservice: 01 512 52 61-52 aboservice@furche.at Jahresabo: € 181,– Uniabo (Print und Digital): € 108,– Bezugsabmeldung nur schriftlich zum Ende der Mindestbezugsdauer bzw. des vereinbarten Zeitraums mit vierwöchiger Kündigungsfrist. Anzeigen: Georg Klausinger 01 512 52 61-30; georg.klausinger@furche.at Druck: DRUCK STYRIA GmbH & Co KG, 8042 Graz Staatsbürger eines EU-Landes haben Rechte in der EU – etwa an jeder EU-Hochschule unter denselben Voraussetzungen wie Einheimische zu studieren. Genau diesem Recht kommen Deutsche nach, die sich in Österreich für einen Medizinstudienplatz bewerben. Würde man in Österreich Portugiesisch statt Deutsch sprechen, wären es nicht die Deutschen, sondern die Portugiesen, die sich an den Med-Unis tummelten. Die Behauptung, Deutsche nähmen den Österreichern die Studienplätze weg, ist also eine durchwegs nationalistisch motivierte. Mein Vorschlag: Warum den Spieß nicht umdrehen? Jedem Maturanten steht es frei, sich an einer der 39 deutschen Hochschulen, an denen man Medizin studieren kann, zu bewerben. Dass man Arzt werden will, weiß man ja hoffentlich schon vor der Matura. Es ist also kein Schaden, mit dem Pauken in der Oberstufe anzufangen. Einen Notendurchschnitt zwischen 1,0 und 1,2 (so teilt werden. Hier wird einem der Prinzipien der Verteilungsgerechtigkeit gefolgt: hoch ist der NC) hinzukriegen, darf für jene, der Leistungsgerechtigkeit. Jene Bewerber(innen) erhalten die Studienplätze, die zu können, kein Hexenwerk sein. Der Stoff die meinen, ein Medizinstudium meistern die dafür nötige Leistung (also einen bestandenen Aufnahmetest) erbracht haben. schwieriger. Zusätzlich werden in Deutsch- im Studium ist um ein Vielfaches mehr und Oft streiten die Wirtschaftsweisen in land mitunter jene bevorzugt behandelt, die diesem Kontext, wie genau sich die jeweilige Leistung eigentlich messen lässt. Doch Gesundheitsberuf absolvieren. nach der Matura eine Ausbildung in einem dieser Punkt ist weniger der Zankapfel. Jeder junge Mensch, der ein paar Jahre Viel mehr dreht sich alles um die Gretchenfrage, die wie ein rosa Elefant im Raum dass das elendige Piefke-Bashing ein En- bei den Nachbarn zubringt, trägt dazu bei, steht: Sind auch Deutsche ein Mitglied unserer sozialen Gruppe? Die Europäische nicht germanisiert, sondern internationade nimmt. Der Nationalstaat Österreich ist Kommission hat dafür eine klare Antwort: lisiert. Und das ist gut so. (Brigitte Quint) Offenlegung gem. § 25 Mediengesetz: www.furche.at/offenlegung Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. Produziert nach Art Copyright ©Bildrecht, Wien. den Richtlinien des Österreichischen Dem Ehrenkodex der österreichischen Umweltzeichens, Presse verpflichtet. Druck Styria, UW-NR. 1417 Bitte sammeln Sie Altpapier für das Recycling. DIE FURCHE · 18 16 Diskurs 4. Mai 2023 ZEITBILD Mit Kickl im Gepäck Foto: APA / Barbara Gindl IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at Unsägliches „Drittes Lager“ Retrotopie in Dunkelrot Von Doris Helmberger, Nr. 17, S. 1 Wie glaubwürdig kommunistisches Eintreten für Freiheit und Demokratie ist, bleibt tatsächlich offen. Wie unglaubwürdig „freiheitliches“ Agieren ist, steht dagegen fest. Ob mit dem Mäntelchen der antiklerikalen Honoratioren- und Burschenschaftler-Partei oder als Unterschichten-Krawallund Führerbewegung: Das unsägliche „Dritte Lager“ als legitimierter Erbe von Deutschnationalismus und NS- Ungeist hat mit jeder seiner Regierungsbeteiligungen der Republik nur Schaden und Schande zugefügt. Lic. phil. Emanuel-Josef Ringhoffer 1040 Wien Zwei Korrekturen Thérèse und die Nacht des Nichts Von Franz Morawitz Nr. 17, Seite 11 Ich möchte auf zwei Irrtümer hinweisen: Alfred Dreyfus war bei seiner Verurteilung Hauptmann; erst später nach seiner Rehabilitierung wurde er zum Oberst befördert. Und: Das Pontifikat Benedikts XV. dauerte von 1914 (und nicht von 1917) bis 1922! Dr. Franz John via Mail Sinnvoll? Gerecht? Lass uns streiten: Zu viele Deutsche an den Medizinunis? Von Manuela Tomic und Brigitte Quint. Nr. 17, Seite 14 Lass uns also streiten, Frau Quint! Das von der EU gesetzte Recht ist zwar gültig, aber oft nicht gerecht. Wenn je zehn Prozent der deutschen Studentinnen in Österreich und zehn Prozent der österreichischen Studentinnen in Deutschland studierten, wäre das für Deutschland eine Marginalie, für Österreich aber eine Katastrophe. Gerecht gegenüber den kleinen Steuerzahlerinnen? Und zum Pauken nichtmedizinischer Fächer in der Oberstufe: Das soll eine Voraussetzung für das Medizinstudium sein? Und schließlich ist es recht flapsig dahingesagt, dass es kein Hexenwerk sei, einen Noten- Form von Tonalität, Aggression, beleidigenden Flegeleien hatten wir zuletzt in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Was herausgekom- „Diese men ist, wissen wir“: Mit diesen Worten beantwortete Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) vor drei Wochen im FURCHE-Interview die Frage, ob eine Koalition mit der Kickl-FPÖ im Bund für ihn denkbar sei. Und er ergänzte: Marlene Svazek (siehe Bild), die blaue Frontfrau in Salzburg, habe „Herbert Kickl und Udo Landbauer im Gepäck!“. Dennoch schließe er nichts aus, „weil nach dem 23. April müssen wir versuchen, eine tragfähige Regierung zusammenzubringen“. Nun scheint genau das einzutreten, was Haslauer zwar lautstark nie wollte, aber offenbar präzise vor Augen hatte: Koalitionsverhandlungen mit den Freiheitlichen – die bis zur ersten konstituierenden Landtagssitzung am 14. Juni ihren Abschluss finden sollen. „Meine Vorbehalte gegen Herrn Kickl bleiben aufrecht“, meinte Haslauer, doch die Sozial demokratie sei „derzeit nicht stabil genug“. Wie stabil sich die Demokratie „mit Kickl im Gepäck“ erweist, wird sich zeigen. Am 1. Mai stellte dieser jedenfalls einmal mehr den Anspruch, „Volkskanzler“ zu werden und Österreich à la Viktor Orbán umzubauen. (Doris Helmberger) schnitt von 1,2 hinzukriegen. Eine kleine Krankheit, eine aufsässige Lehrerin, ein Fach, das einem nicht liegt – und Medizin studium tschüss! Sinnvoll? Gerecht? Wolfgang Punz via Mail Kein Wort dazu Die Korn-Krise. Von Jan Opielka Nr. 17, Seite 8 Es spielen auch andere Probleme eine Rolle, wenn der Getreideexport der Ukraine durch (!) Polen dort solche Aufregung erzeugt: Einerseits wird Getreide in großem Ausmaß durch polnische Händler in Polen eingelagert, andererseits reichen die Umladekapazitäten der polnischen Ostseehäfen nicht aus, um dem Ansturm der Lkws mit ukrainischem Getreide zu genügen. Bei Ihnen kein Wort dazu, stattdessen die wahlkämpferische Ablenkung auf „EU“-Themen. War doch die Verstärkung des Landweges ganz vorrangig zur Belieferung der hungernden Länder des Südens gedacht, und nicht als Konkurrenz polnischer Kleinbauern. Jörg L. Neumann via Mail DIE FURCHE · 17 14 Diskurs 27. April 2023 ERKLÄR MIR DEINE WELT Ich bin wütend auf den Zeitenwechsel pätestens seit der Corona-Pandemie wissen wir, dass das österreichische SGesundheitssystem quasi über Nacht auf die Probe gestellt werden kann. Über- Mit diesem QR- Code können Sie das gesamte Interview mit Wilfried Haslauer („Svazek hat Kickl im Gepäck“, 12.4.2023) auf furche.at lesen. Abgelöster Unbequemer „Gegeneinander leben geht nicht“ Interview mit Franz Küberl Nr. 16, Seite 11 Wie im Gespräch erwähnt, war Küberl auch Publikums- und bis 2018 Stiftungsrat im ORF. Unter an den Haaren herbeigezogenen Argumenten („Generationenwechsel“) wurde er abgelöst. In Wirklichkeit sollte ein unbequemes Mitglied des Stiftungsrates mit eigener Meinung und ohne „Freundeskreis“ abgelöst werden. Dr. Wolfgang Himmler, 8010 Graz I LASS UNS STREITEN! „ Als wären Zeitungen Kulturtugenden von vorgestern! Aber keine Angst, ich werde mich nicht ankleben am rissigen Asphalt einer überholten Medienlandschaft. “ Zu viele Deutsche an den Medizinunis? in rares Gut – also einer von1.850 Studienplätzen für Humanmedizin Eim Land – soll möglichst gerecht auf die Mitglieder einer sozialen Gruppe ver- SuperBonus bringt 50 mal 100.000 Euro extra Bei den EuroMillionen Ziehungen vom 2. und 5. Mai gibt es exklusiv in Österreich insgesamt 5 Millionen Euro extra zu gewinnen. EuroMillionen startet mit einem besonderen Bonus in den „Wonnemonat“, nämlich mit dem ÖsterreichSuperBonus. Und das bedeutet: Unter allen in Österreich mitspielenden EuroMillionen Tipps, die an zumindest einer der Ziehungen vom 2. bzw. 5. Mai teilnehmen, werden 50 mal 100.000 Euro verlost. Die Zusatzausspielung gilt exklusiv für Österreich und ist unabhängig vom „normalen“ ÖsterreichBonus, der mit ebenfalls 100.000 Euro in jeder Runde österreichweit verlost wird. Egal wie sehr den EuroMillionen Fans des Landes das Glück bei den Ziehungen hold ist, eines ist somit sicher: Es wird am 5. Mai 50 zusätzliche Gewinner:innen von 100.000 Euro geben. Die gewinnbringenden Quittungsnummern werden unter anderem auf win2day.at, im ORF-Teletext und in den Annahmestellen bekannt gegeben. EuroMillionen kann man in allen Annahmestellen der Österreichischen Lotterien sowie auf win2day.at und über die Lotterien App spielen. Entweder per Normalschein, Quicktipp, mit System, mittels Anteilsschein, Team Tipp oder per EuroMillionen Abo. Isabella Krassnitzer moderiert am Freitag EuroMillionen. Dabei geht es auch um den ÖsterreichSuperBonus Foto: © Österreichische Lotterien/ORF IN KÜRZE RELIGION ■ Franziskus in Budapest BILDUNG ■ Zentralmatura – fast wie einst GESUNDHEIT ■ Strittige Gesundheitsfinanzen WISSEN ■ Prominente Warnung vor KI Papst Franziskus hat bei der Abschlussmesse seiner dreitägigen Ungarn-Visite in Budapest die Gläubigen zur Offenheit aufgefordert. Es sei traurig und tue weh, „verschlossene Türen gegenüber Menschen zu sehen“, sagte das Kirchenoberhaupt Sonntagfrüh während des Gottesdiensts auf dem Kossuth-Platz. Er kritisierte vor allem die „verschlossenen Türen gegenüber Fremden, den Anderen, den Migranten, den Armen“. „Bitte: Öffnen wir die Türen“, sagte er vor rund 50.000 Besuchern. Der Appell wurde als Kritik an der Abschottungspolitik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán gegenüber Schutzsuchenden gedeutet. Mit den Klausuren in Latein und Griechisch hat am Dienstag die heurige standardisierte Reifeprüfung begonnen. Für den Großteil der rund 42.000 Maturantinnen und Maturanten an AHS und BHS ging es aber erst am Mittwoch im Fach Mathematik los. Am Freitag steht dann Deutsch auf dem Programm. Größtenteils läuft die Reifeprüfung heuer wieder wie vor der Corona-Pandemie ab. Erleichterungen wie die um eine Stunde verlängerte Arbeitszeit oder die mögliche Kürzung von Themenbereichen bei der mündlichen Prüfung fallen heuer weg. Die Einberechnung der Jahresnote in die Maturanote wurde aber beibehalten. Bis Dienstag gab es bei den Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Vertretern aller Gebietskörperschaften noch keinen Durchbruch. Offenbar hakt es vor allem bei der Aufteilung der Steueranteile sowie bei der Gesundheitsfinanzierung. Gerade im Bereich Gesundheit und Pflege gebe es „noch einiges an Gesprächsbedarf zwischen Ländern und dem Gesundheitsminister“, so Brunner. Letzterer, Johannes Rauch (Grüne), will im Zuge des Finanzausgleichs die Kassenmedizin forcieren und Wahlarztpraxen „eingrenzen“, wie er in der Diskussionsreihe „Klartext“ auf Ö1 betonte. Der britisch-kanadische Wissenschafter Geoffrey Hinton gilt als Pionier auf dem Gebiet der neuronalen Netze, die für Künstliche Intelligenz (KI) eine wesentliche Rolle spielen. Der 75-Jährige war bisher führender Entwickler bei Google. Jetzt hat er das Unternehmen verlassen und warnt in Interviews vor den Gefahren durch KI. Hinton sieht einen riskanten Wettstreit der Technologieriesen und fürchtet durch die rasante Entwicklung eine Unmenge an Desinformation. „Es ist schwierig, sich vorzustellen, wie man die Bösen daran hindert, KI für böse Dinge einzusetzen“, wurde er jüngst in der New York Times zitiert.
DIE FURCHE · 18 4. Mai 2023 Philosophie 17 Er plädierte für die Freiheit, das Leben nach eigenen Maximen zu gestalten: zum 150. Todestag des englischen Philosophen John Stuart Mill (1806‒1873). Von Nikolaus Halmer Liebe zur Macht und die Liebe zur Freiheit sind in einem ewigen Widerstreit. Wo die „Die wenigste Freiheit ist, da ist die Leidenschaft für die Macht am brennendsten und gewissen losesten.“ Dieses Plädoyer für die Freiheit ist ein zentrales Element der Philosophie von John Stuart Mill, der zu den bedeutendsten Denkern in der englischsprachigen Welt zählt. Sein bekanntestes Buch „Über die Freiheit“ gilt als Klassiker und Dokument eines politischen Liberalismus. Die Freiheit war für Mill der „erste und stärkste Wunsch der menschlichen Natur“, die für die Entfaltung einer umfassenden Humanität unabdingbare Voraussetzung ist. Die Freiheit besteht darin, schrieb Mill, „unser eigenes Wohl auf unsere eigene Art zu suchen, solange wir dabei nicht die Absicht hegen, andere ihrer Freiheit zu berauben oder ihre dahin zielenden Anstrengungen zu durchkreuzen“. Primat des Verstandes Geboren wurde John Stuart Mill am 20. Mai 1806 als Sohn von James und Harriet Mill in London. Sein Vater, ein angesehener Theologe, Philosoph und Ökonom, machte ihn zum Objekt eines einzigartigen pädagogischen Experiments, dessen Ziel darin bestand, eine „reine Verstandesmaschine“ auszubilden. In seiner „Autobiographie“ berichtet Mill, dass er bereits mit drei Jahren Unterricht in der griechischen Sprache erhielt, mit acht Jahren das Lateinische erlernte und sich Grundkenntnisse der Arithmetik aneignete. Er erwähnt auch eine eindrucksvolle Lektüreliste – von Aesops „Fabeln“ über Xenophons „Anabasis“ bis zu einigen Dialogen Platons. Er studierte später Bücher über römische und englische Geschichte und las bereits Texte von Philosophen wie David Hume und Jeremy Bentham, der ein guter Freund seines Vaters war. Für Mills späteres Denken spielte Bentham als Vertreter des Utilitarismus eine wesentliche Rolle. Bentham ging davon aus, dass die einzige Grundlage moralischen Verhaltens der Nutzen aller Handlungen sei, die zum Wohl des Einzelnen oder zum Allgemeinwohl beitragen. Seine literarischen und philosophischen Kenntnisse erweiterte Mill während eines einjährigen Aufenthalts in Montpellier, wo er an Vorlesungen über Chemie, Zoologie, die Logik der Wissenschaften und höhere Mathematik teilnahm. Nach seiner Rückkehr aus Frankreich verschaffte Mills Vater ihm eine Stellung in der Ostindischen Handelsgesellschaft, wo er bald verantwortungsvolle Ämter übernahm und bis zu sei- Der Denker der Freiheit ner Pensionierung tätig war. Das Resümee dieser repressiven Erziehung zog Mill erst nach dem Tode seines Vaters. „Ich wuchs auf mit einem Gefühl des Eingesperrtseins, verbunden mit einem Mangel an Liebe und in ständiger Angst“, bekannte er. Die rigide Erziehungsmethode des Vaters rächte sich nach einigen Jahren; Mill verfiel in eine tiefgehende Depression, die er in der „Autobiographie“ in einem eigenen Kapitel beschrieb: „Es schien mir nichts mehr übrig zu bleiben, für das ich leben mochte und gewann dabei die Überzeugung, dass meine Liebe zur Menschheit und die Vorstellung von ihrer Vortrefflichkeit erschöpft waren.“ Nur mit großer Mühe gelang es Mill, der den Glauben verloren hatte, seine Existenz als perfekte „Verstandesmaschine“ führen zu können, den quälenden Depressionen zu entrinnen. Mill entdeckte eine bisher unbekannte Dimension, nämlich die Kultur der Gefühle, die ihm speziell von den Autoren der englischen Romantik wie William Wordsworth vermittelt wurde. „Ich erkannte darin eine Quelle innerlicher Freude, eines sympathetischen und imaginativen Genusses, den ich mit allen Menschenwesen teilen konnte“, heißt es in der „Autobiographie“. Eine wichtige Rolle bei der Befreiung aus Mills intellektueller Erziehungsdressur spielte die radikale Feministin Harriet Taylor, die er 1830 kennengelernt hatte und später heiratete. Sie trug wesentlich dazu bei, ihn für Emotionen und sinnliche Eindrücke zu öffnen. Sie war seine vertraute „Seelenverwandte“, mit der er einen intensiven intellektuellen Austausch pflegte. Gegen Konformitätsdruck Harriet Taylor war auch die kongeniale Mitarbeiterin an Mills Hauptwerk „Über die Freiheit“. „Wie bei allen Schriften, die ich in all den zurückliegenden Jahren publiziert habe“, schrieb er im Vorwort, „verdankt sich auch die Autorschaft dieses Buches zu gleichen Teilen ihr und mir.“ Im Mittelpunkt des Werks stand dabei keineswegs die von Philosophen oftmals diskutierte Willensfreiheit, die häufig in eine „transzendentale und mystische Phrasendrescherei“ mündete, sondern „die bürgerliche oder soziale Freiheit, will sagen: Wesen und Grenzen der Macht, welche die Gesellschaft rechtmäßig über das Individuum ausübt und die sich bald als die Lebensfrage der Zukunft erweisen wird“. Das Grundproblem der Freiheit sah Mill im Konflikt zwischen individueller Freiheit und dem Zwangskorsett gesellschaftlicher Konventionen, das im Viktorianischen Zeitalter des 19. Jahrhunderts besonders rigide war. Diese Konventionen galten als Maßstab und Vorbild für ein individuelles Verhalten; wer dagegen verstieß, wurde rasch zum Außenseiter abgestempelt. Die Folge war eine wachsende Angleichung von Lebensformen; die, wie Herbert Marcuse später anmerkte, in eine „eindimensionale Gesellschaft“ mündete, in der dissidentes Denken oder Verhalten Bild: imago / Heritage Images Über die Freiheit Von John Stuart Mill Übersetzt von Bruno Lemke Reclam 1986 189 S., kart., € 6,– „ Er wollte dazu beitragen, ‚menschliche Wesen zu befähigen, für und miteinander unter Verhältnissen zu arbeiten, welche Abhängigkeit nicht bedingen‘. “ Autobiographie Von John Stuart Mill Übersetzt von Jean-Claude Wolf Meiner 2011 e-book, € 3,99 nicht gefragt war oder gar verurteilt wurde. Diesem Konformitätsdruck stand der liberale Denker kritisch gegenüber, weil er eine individuelle Lebensgestaltung verhindere. „Wer sich seinen Lebensplan von der Welt oder seiner engeren Umgebung vorzeichnen lässt“, so Mill, „der bedarf dazu keiner anderen Begabung als der affenähnlichen Nachahmung.“ Gegen die Nivellierung der Individuen durch den Despotismus der Gesellschaft rief Mill zu einer umfassenden Freiheit auf, die auf verschiedenen Ebenen erfolgen sollte. Dazu zählen Gewissensund Meinungsfreiheit, Redefreiheit, Pressefreiheit und ‒ ganz zentral ‒ die Freiheit, sein Leben nach eigenen Maximen zu gestalten, solange andere Menschen nicht geschädigt werden. Kritik an Profitmaximierung Neben seiner beruflichen Tätigkeit für die Ostindische Handelsgesellschaft und den Studien über die Freiheit fungierte Mill als Herausgeber einer liberalen Zeitschrift und verfasste Essays und Bücher über politische Ökonomie. Im Gegensatz zu den Apologeten eines industriellen Fortschritts, der einen wachsenden materiellen Wohlstand garantieren sollte, stellte der Philosoph zwei durchaus auch heute gültige Fragen: „Welchem Endpunkt strebt die Gesellschaft mit ihrem industriellen Fortschritt zu?“ „In welcher Lage wird sich das Menschengeschlecht befinden, wenn dieser Fortschritt einmal aufhört?“ Dieser zu erwartende stationäre Zustand, der das Ende der Wachstumsgesellschaft bedeuten würde, in der das stets steigende Bruttonationalprodukt als goldenes Kalb verherrlicht wird, war für Mill keineswegs ein Schreckgespenst. Im Gegenteil: Bietet er doch die Chance, eine Sozialordnung, die den Konkurrenzkampf als Motor der Gesellschaft versteht, zu beenden. „Ich bekenne, dass ich mich nicht mit dem Lebensideal derjenigen befreunden kann, welche dafürhalten, dass fortwährendes Gegeneinanderankämpfen der normale Zustand menschlicher Wesen sei“, schrieb Mill. Statt die hemmungslose Profitmaximierung zu steigern, empfahl er die Kultivierung sogenannter meritorischer Güter wie Bildung, Museums- und Theaterbesuche oder unbezahlte Tätigkeiten, die für die Gesellschaft nützlich sind. Sein Lebensprojekt fasste Mill so zusammen: Er wollte dazu beitragen, „menschliche Wesen zu befähigen, für und miteinander unter Verhältnissen zu arbeiten, welche Abhängigkeit nicht bedingen“. Am 7. Mai 1873 starb John Stuart Mill in Avignon. Seine letzten Worte waren: „Ich habe meine Arbeit getan.“
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