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DIE FURCHE 04.05.2023

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DIE FURCHE · 18 10 Religion 4. Mai 2023 Der Musikproduzent und Künstler Brian Eno bringt ein beachtliches Album heraus. Darin erklingt auch eine vage Hoffnung auf die Zeit nach der anrollenden Klimakatastrophe – und die spirituelle Grenzerfahrung eines Atheisten. In längste Zeitsphären imaginieren Von Jan Opielka Brian Eno, seit den frühen 1970er Jahren als bunter Vogel im Musikgeschäft, erzählt bei einem Vortrag, wie er einst in San Francisco Gospelgottesdienste besuchte. Bei einem von diesen habe der Pastor in die versammelte Gemeinde gerufen: „Wer hat das Wort von Jesus noch nicht gehört?“ Eno sei der Einzige gewesen, der seine Hand gehoben habe. „Der Pastor rief mich nach vorn. Wie in allen Gospelkirchen waren die Menschen dort sehr einladend, sie klopfen dir auf die Schulter – besonders dann, wenn man Atheist ist“, sagt er und lacht. „Als ich vorn stand, sagte der Pastor zu mir: ‚Wir werden für dich singen.‘ Herr Jesu – das war die überwältigendste musikalische Erfahrung, die ich je gemacht habe.“ Den Glauben fand er damals nicht. Aber eine „herzbrechende“ Bestätigung, dass es die Kunst und die schöpferische Zusammenarbeit, das gemeinsame Singen sind, die GLAUBENSFRAGE Ich bin lebendig bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der „Ich Hölle.“ O ja, du Sinnwort aus der Offenbarung des Johannes sagst die Osterlichtwelle an, die durch unser Herz und Denken wirken will. Und wie es der Liturgie der Osterzeit entspricht, grüßen wir einander fünfzig Tage lang gegen das Dunkel: Er ist wahrhaftig auferstanden. Die Tage, die Kriege enden, einmal werden sie sein. Die Tage, die Unglücksfluten heilen, sie werden kommen mit der ersehnten Urhelle. Ein Leben, in die Waagschale aller Existenz geworfen, hat die Schlüsselkarte für deine Fragen, die Lichtliebe schließt das ganze wahre gesuchte Leben auf: für dich, für alle! Natürlich hat die Wachstumsmaschinerie zum schrillen Ichdesign perfekt erzogen. Kaiser Domitian hat so viele Kinder, ungezählte Generationen der Ich-Ansager: „Dominus et Deus noster“; unser Herr und Gott, sich zu nennen, wagen, rufen und befehlen sie. Ihre Identitätsformel lautet: Geheiligt werde mein Name. Geheiligt werde mein Ich. Gehuldigt, was Jan Opielka analysierte am 29.9. 2021 die Musik von Sting als spirituelle Botschaften, siehe: „Wanderer zwischen Himmel und Erde“ auf furche.at. beleben, zur positiven „Synchronisierung“ der Menschen führen. Und zur Kapitulation. „Du hörst auf, zu versuchen, alles kontrollieren zu wollen. Denn das große Talent des Menschen besteht nicht nur darin, kontrollieren zu können, sondern auch wissen zu können, wann wir uns ergeben sollten.“ „Foreverandevernomore“ Nun hat der 74-Jährige, der als einer der innovativsten Musikproduzenten mit Popgrößen wie David Bowie und U2 zusammenarbeitete, ein eigenes Album herausgebracht, in dem er sich einem abstrakten Großen zu ergeben scheint – und zugleich konkrete Gefühle der Konfusion, der Wut und nicht kapitulierender Hoffnung vermittelt. Der Titel des Albums „Foreverandevernomore“, also „Stets und für immer nicht mehr“, ist wohl nicht absichtslos als ein zusammenhängendes Wort gefasst. Die zehn thematisch miteinander verknüpften Stücke kommen daher wie ein erschütternder Soundtrack eines unbestimmbaren Danach, mein ist und es bleiben soll. Dass Menschen sich so aus sich herauswagen! Die am 5. Mai vor zehn Jahren verstorbene Sarah Kirsch hatte auf ihrer Suche nach Menschen, im Wendegeschehen ihres Landes 1989 eine Beobachterinnenrolle eingenommen: „Jeder will persönlich Ruhm oder beginnt gleich den Wahlkampf. Ist ein Unding.“ Na, klingt hier etwas an, denken wir nur an so manchen Wahlkrampf? „Das Ich-Sagen war mein Glück“, sagte die eigentlich zum Nicht-Ich-Sagen erzogene Sarah Kirsch, und ich sage es so gerne mit ihr und mit Jesus, dem Lichtich, das einmal die Welt aus ihrem Dunkelschaffen und dem Schmerzrauschen heraus – und jedes Ich zu seinem wahren Ich – spricht: „Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“ Die Autorin ist evangelische Pfarrerin i. R. Brian Eno Jg. 1948 und Mitbegründer der Band Roxy Music, ist ein britischer Musiker, Musikproduzent und Musiktheoretiker, aber auch bildender Künstler. Von Ines Charlotte Knoll Foto: picturedesk.com / Zuma / Luca Carlino einer Zeit nach dem klimatischen Armageddon. „Wie jeder andere auch – außer, wie es scheint, die meisten Regierungen dieser Welt – habe ich über unsere sich verengende, prekäre Zukunft nachgedacht, und diese Musik ist aus diesen Gedanken entstanden“, sagte er in einem Interview zur Veröffentlichung. Eno gilt als Begründer der Ambient-Musik, stimmungsvoller Instrumentalklänge für den Hintergrund. Die Musik des aktuellen Albums markiert einen Schnittpunkt zwischen entgrenztem Klang auf der einen und angedeuteten, sie umrahmenden Melodien auf der anderen Seite, die durch ihre „Langsamkeit“ eine lange Dauer suggerieren. Die Stücke sind sparsam an Melodien, die Musik solle, wie er sagt, „eher ein Ort denn ein Ereignis“ sein. Dieser Ort, eher: diese Orte, sie sind düster und beklemmend, frappierend und Hoffnung weckend. Es geht um die Klimaerde, um unser Leben, um die Zukunft derjenigen, die jünger sind und die nach uns kommen. Eno spricht und singt über die tödlichen Gefahren, aber auch über die „Klimachancen“. Er ist überzeugt, dass nicht nur der Klimakollaps verhindert, sondern auch die Rechte von Frauen und von indigenen Völkern gestärkt werden müssen, dass die Schere zwischen Reich und Arm ein Skandal ist. In der Prosa des Lebens verwandelt er diese Überzeugungen etwa in das Engagement für die Stiftung „EarthPercent“, die in der Musikindustrie Gelder einsammelt, um sie für den Klimaschutz einzusetzen. Er warnt nicht nur vor Propaganda, sondern auch vor der „Prop-Agenda“, bei der den Menschen weniger gesagt wird, was sie denken sollen, sondern vielmehr, worüber wir überhaupt denken und sprechen sollen – und worüber nicht. Auch unterstützt er seit Jahren die europäische politische Bewegung und Partei DIEM25. Vor einem Jahr sagte er in einem Aufruf: „Es findet eine Revolution statt, etwas verändert sich, alles verändert sich. Denn es ist klar: Das System, das wir schufen, bringt eine Welt hervor, die wir nicht tolerieren dürfen.“ „ Den Glauben fand Brian Eno nicht. Aber eine ‚herzbrechende‘ Bestätigung, dass es die Kunst und die schöpferische Zusammenarbeit, das gemeinsame Singen sind – die beleben, zur positiven ‚Synchronisierung‘ der Menschen führen. “ Auf dem Album äußert er diese Überzeugungen in subtiler, sparsamer, pointierter Lyrik. Wie im starken Eröffnungsstück „Who Gives a Thought“, in dem er den Arbeiter(inne)n eine Reverenz in Moll erweist: Wer denkt noch an die Arbeiter / Die, die graben und hacken / die schweißen und ernten und säen / die flechten und schneiden und schleifen / Die spalten und verbinden und wickeln / Die greifen und lehren und hacken / Und die Kinder zurückbringen / Auf dass sie dem Selfmademann dienen. Im Song „There Were Bells“, den er 2021 auf der Akropolis in Athen uraufführte, schaut er in unbestimmte Ferne: Es gab Hörner so laut wie Krieg, die den Himmel zerrissen / Es gab Stürme und Überschwemmungen von Blut menschlichen Lebens / Keine Sorge, meine Liebe, lass uns auf die Taube warten / Fliegen zurück, um uns zu sagen: Es gibt da einen Zufluchtsort nahe / Da waren die, die wegrannten / Es gab die, die bleiben mussten / Am Ende gingen sie alle den gleichen Weg. In seiner bald fünf Jahrzehnte umfassenden Karriere erarbeitete sich der Brite den Ruf des „Architekten des Sounds“. Bevor er als visueller Künstler und als Produzent von progressiven Popgrößen in Erscheinung trat, war er zu Beginn der 1970er Jahre Mitglied der britischen Band Roxy Music, wofür er in die „Rock and Roll Hall of Fame“ aufgenommen wurde. Dies wohl als einziger „Nichtmusiker“, wie er sich selbst mitunter bezeichnet. Denn in der Tat sind seine eigenen Alben eher von Klangsphären denn von Melodien geprägt und kommen meist ohne Text aus. Auch in dieser Hinsicht ist das aktuelle Album eine Ausnahme: Fast alle der zehn Stücke haben Texte, und alle verbindet ein roter Faden. „Ich mag es, Welten zu erschaffen, das ist das, was ich als Künstler tue – klingende Welten zu erschaffen. Nach einer langen Abwesenheit von Menschen in diesen Welten versuchte ich, einen dorthin zu setzen und zu schauen, wie er sich in der Welt, die ich schuf, fühlt“, sagt er. Beunruhigender Flug durchs Universum Die vernebelte, düstere Hoffnung, die dieser „eine“ Mensch in seiner aktuellen Musik offenbar ausdrückt, rührt wohl auch daher, dass Eno versucht, in größeren Zeitdimensionen zu denken als der Spanne eines Lebens. Als Künstler und „Artivist“ begleitete Eno etwa die Entstehung der „Uhr des langen Jetzt“, einer komplizierten mechanischen Installation, die 10.000 Jahre lang funktionieren soll – die Idee ist es, den Menschen große Zeiträume zu vergegenwärtigen, um einerseits die Verantwortung für das große Danach zu schärfen und zugleich den Fokus auf das Wunder des Jetzt zu richten. Im Song „We Let It In“ hört es sich so an: Wir öffnen uns dem blendenden Himmel / Und lassen ihn rein / Mit offenen Herzen durch brennende Felder / Die Seele davon in prächtiger Flamme / Das Ganze in prächtiger Flamme. Trotz solcher Zeilen: In Sachen seines Glaubens, sagte Eno bei dem erwähnten Vortrag, habe sich bei ihm nichts getan. Oder vielleicht doch. Jedenfalls kreiert Eno als bekennender Atheist Musik, die spirituell anmutet. Wie in „Garden of Stars“, das musikalisch einem unruhigen Flug durchs Universum gleicht, eine beunruhigende Musik der Sphären: Ist nicht jeder von uns eine Flamme? / Alle geboren, um im Licht zu leben / Alle geboren, um unser Licht zu geben / Wie könnte es sein? / Wie sollte es sein? Foreverandevernomore Brian Eno 2022 Universal

DIE FURCHE · 18 4. Mai 2023 Religion 11 Der Mai gilt als Monat der „Himmelskönigin“ Maria. Ein Essay über Frauenpower, die die Macht irdischer gekrönter Häupter (wie den neuen König Charles III.) himmelhoch übersteigt – sowie weibliche Selbst ermächtigung in Politik und Kirche. Die Macht der Queen Mary Von Theresia Heimerl Foto: picturedesk.com / imagebroker / Martin Siepmann breit den Mantel aus“: Das beliebte Marienlied heimatlicher Mai­ „Maria, andachten würde sich eigentlich auch als Hymne für politische wie kirchliche Amtsträger im schönen Österreich anbieten. Doch dazu später. Zuerst einmal dürfen wir uns ganz unironisch freuen, dass einer Frau gleich ein ganzer Monat gewidmet ist: Der Marienmonat Mai toppt schon rein quantitativ den Weltfrauentag am 8. März eindeutig. Auch qualitativ hat es der Mai mit Frauenpower in sich, wenn man die traditionellen Marienlieder ernst nimmt und nicht bei der ersten Maiandacht ob der allzu lieblich altmodischen Melodien oder der Dirndl tragenden Sängerinnen auf Durchzug schaltet. (Hier spricht die Autorin aus eigener Erfahrung in der steirischen Kindheit.) Die Maria der Maiandachtslieder hat eine Machtfülle, die alle unsere Politiker und gekrönten Häupter – ab Samstag dieser Woche gehört auch König Charles III. dazu – vor Neid erblassen lässt. Himmelskönigin ist sie, über allen und allem thronend. Irdische Machtträger kommen – wie im obigen Fresko von Thomas von Villach in Gerlamoos/Kärnten, das aus dem späten 15. Jahrhundert stammt – höchstens als kleine, andächtige Stifterfiguren links unten ins Bild. Und Bilder hat Maria viele: Keiner räumt sie weg und ersetzt sie durch Darstellungen ihres Sohnes, wie es der englischen Queen nach vielen Jahrzehnten dann doch noch passiert ist. Eine unerhörte Machtdemonstration verbirgt sich hinter dem eingangs zitierten Klassiker „Maria, breit den Mantel aus“. Weit entfernt von einer modischen Aufforderung wird hier erbeten, was man nur von einer wirklich mächtigen Person erbitten kann: Schutz vor den höchsten Mächten und Gewalten. Wer wissen will, wie viel Macht sich hinter dieser Bitte und dem Mantel verbirgt, möge eines der zahlreichen Bilder der Schutzmantelmadonna betrachten. Im genannten Fresko etwa steht eine weiß gekleidete, mit Diadem und Halskette geschmückte Frau (die übrigens der jungen Queen Elizabeth II verblüffend ähnlich sieht) überlebensgroß im Zentrum des Bildes, und unter ihrem dunklen, tatsächlich weit ausgebreiteten, mit einer Hand offen gehaltenen Mantel drängen sich zahllose verängstigte Menschlein aller Stände und Geschlechter. Der Schutz dieses Marienmantels gilt nicht nur gegen den Teufel zur Linken, sondern auch vor dem grimmigen Christus, der von rechts oben mit Pfeil und Bogen in Despotenmanier auf seine Untertanen zielt. Ihm tritt Maria mit einem entschlossenen und zugleich kaum erkennbar amüsierten Lächeln entgegen, das klar signalisiert: Mit mir nicht, mein Lieber, diese Menschen stehen unter meinem Schutz, durch meinen Mantel dringen deine Waffen und deine Wut nicht durch. Theologisch ist dieses Gottesbild natürlich ganz furchtbar und falsch – aber es zeigt sehr schön, wessen die Menschen früherer Jahrhunderte Maria für fähig gehalten haben. Fromme Briefträgerin Gottes Und das war mehr, als wir heute irdischen und himmlischen Frauen zutrauen. Bleiben wir vorerst noch kurz bei Maria: Diese hat schon rein ikonografisch seit dem Barock viel an Macht und Souveränität verloren. Aus der stolzen Schutzmantelmadonna ist eine blasse, schmale Frau geworden, die fromm ihre Hände faltet und die Augen gen Himmel richtet. Die message ist hier bereits auf der visuellen Ebene eine ganz andere: Maria ist eine fromme Briefträgerin, die Gottes Aufträge überbringt und manchmal sogar einige echte Tränen aus ihren Gipsreplika weinen darf. Eine liebevolle, fürsorgliche Mutter, wie sie das Bürgertum des 19. Jahrhunderts und seine Kleriker sich wünschen – aber keine, die ihren Mantel über die schlimmen Kinder breiten und sie vor dem Zorn des Himmels-/Haushaltsvorstandes erfolgreich bewahren würde. Die öffentliche, politische und – ja, benennen wir es ruhig – mächtige Maria des Thomas von Villach ist ins Private, Familiäre verschwunden. Dort wieder herauszukommen, ist nicht einfach – weder für die Himmelskönigin noch für irdische Frauen. Im Marienmonat Mai dürfen immerhin eingetragene SPÖ-Parteimitglieder darüber abstimmen, ob sie sich eine mächtige Frau vorstellen können oder doch lieber dem traditionellen (Landes-)Vater oder dem revolutionären Sohn ihr Geschick anvertrauen. Aber vielleicht muss man hier auch das Diktum eines ehemaligen Parteivorsitzenden modifizieren: Eher erscheint die Madonna im Rotlichtviertel, als dass eine Frau in der roten Partei unumschränkte Macht hat. Nur die ganz dunkelroten Genossen in meiner Heimatstadt Graz haben das Modell Schutzmantelmadonna erfolgreich säkularisiert und mit jenem des Heiligen Martin gekreuzt, sodass die KPÖ-Bürgermeisterin ihren Mantel über den Armen ausbreiten und stückweise verteilen kann. Grazer Schutzmantelmadonna Zu guter Letzt kommen wir in die katholische Kirche der Gegenwart zurück: „Maria breit den Mantel aus“ beten mittlerweile seit einigen Jahren viele Bischöfe wohl öfter, wenn wieder einmal Unterlassungssünden ihrer Vorgänger ans Licht kommen, die nur mehr ein himmlischer Mantel gnädig zudecken könnte. (Und auch so mancher Vertreter jener Partei, die einst nach Mariazell zu pilgern pflegte, könnte so einen schützenden Madonnenmantel aktuell gut gebrauchen.) Es ist weniger der strafende Herrgott, vor dessen Pfeilen sich die höheren Weiheträger fürchten, als der Unmut ihrer gar nicht mehr so lammfrommen Herde, allen voran der Frauen. Die wiederum berufen sich in ihrem Aufbegehren auf Maria als Namensgeberin. Das 2.0 hinter Maria soll einen Neustart und Kontrast zu Maria 1.0 suggerieren, die als „die Schweigende, nichts zu sagen Habende … uns vermittelt worden“ sei. Da habt ihr, liebe Mit-Katholikinnen, genauso wie ich früher bei den Maiandachten lieber zu früh weggehört. Die Maria der Tradition ist, on the long run betrachtet, definitiv nicht die schweigende, demütige, dienende Frau. Neben der Himmelskönigin und Schutzmantelmadonna hätten wir da noch die selbstbewusst und öffentlich in der Kirche stillende und trauernde Mutter, die Süffisant lächelnd Das Bild zeigt die Schutzmantelmadonna in einem Fresko von Thomas von Villach (um 1470), zu sehen in der Georgskirche in Gerlamoos/ Kärnten. „ Eher erscheint die Madonna im Rotlichtviertel, als dass eine Frau in der roten SPÖ unumschränkte Macht hat. “ Über die „Besonderheit Frau?“ (5.3.2020) hat Theresia Heimerl zum Weltfrauentag 2020 geschrieben, siehe furche.at. Frau, vor der Männer auf die Knie fallen, und die (Jung-)Frau in alternativer Familienkonstellation. Maria war nie nur 1.0, sondern immer schon eine Frau mit vielen Facetten. Man/frau kann diesen immer wieder neue hinzufügen, wie die brave Lourdesmadonna im 19. oder die basisdemokratische Maria im 21. Jahrhundert. Es lohnt sich aber auch, die alten Gesichter und Rollen Marias wiederzuentdecken, sogar oder gerade, wenn sie sich hinter so lieblichen Liedern unter blühenden Fliederzweigen verbergen. Walpurgisnacht und Maiandacht Die dem Mai vorausgehende Walpurgisnacht am 30. April hat diese Entdeckung und Umdeutung schon hinter sich: Statt, wie in der klassischen Männerfantasie Goethes, auf dem Brocken zu tanzen, ziehen die Frauen heutzutage in dieser Nacht durch die Straßen der Großstädte. Der Marienmonat Mai hat also noch Potenzial zur weiblichen Selbstermächtigung – ob im weißen Kleid und mit Königinnendiadem oder in Jeans und Hoodie. Im Anschluss an das Motto der feministischen Berliner Walpurgisnacht gilt für Katholikinnen: Take back the night and the Maiandacht. Die Autorin ist ao. Professorin für Religionswissenschaft an der Kath.-Theol. Fakultät der Uni Graz.

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