DIE FURCHE · 14 8 International 4. April 2024 Faktor Maschine Roboterhunde vom Typ „Vision 60“ sind mit einer Wärmekamera und zahlreichen Sensoren ausgestattet. Im Militärjargon heißt es, sie sollen den „Faktor Mensch“ auschalten. Lesen Sie auch den Leitartikel von Brigitte Quint unter dem Titel: „Die irritierende Doppelmoral“ (22. 11.2023) auf furche.at. Von Adrian Lobe Die israelische Armee hat einen neuen Helfer: Er hat vier Beine, wiegt rund 50 Kilogramm und hat ein besonderes Gespür. Doch der neue Kamerad ist kein Spürhund, sondern ein Roboter. Vor wenigen Wochen hat die israelische Reserveorganisation „Brothers in Arms“ beim amerikanischen Robotikhersteller Ghost Robotics drei Geräte des Typs „Vision 60“ bestellt. Kostenpunkt: 130.000 Dollar pro Stück. Der Roboterhund, der mit einer Wärmebildkamera sowie zahlreichen Sensoren ausgestattet ist, kann sich sowohl in städtischer als auch in ländlicher Umgebung fortbewegen. Er steigt Treppen, erklimmt Hügel und watet durch Sumpfgebiete. Ein einzigartiger „Blind-Modus“ soll dafür sorgen, dass der Roboter selbst dann durch schwer durchdringbares Terrain navigiert, wenn die Sensoren durch Regen oder Schlamm verdeckt sind. Der Roboter soll dorthin gehen, wo es für den Menschen gefährlich ist: in die Tunnel der Hamas. Übermenschliche Fähigkeiten Das weitverzweigte, labyrinthartige Tunnelnetz, das sich über eine Gesamtlänge von mehreren hunderten Kilometern durch den Untergrund von Gaza erstreckt, ist das wichtigste Logistiknetz der Terrororganisation: Darin werden Waren geschmuggelt, Waffen deponiert und Geiseln festgehalten. In die schwer zugänglichen Bunkersysteme vorzudringen, ist mit erheblichen Risiken für die Soldaten verbunden: Die Schächte sind mit Sprengfallen versehen, was jede Intervention zum potenziellen Himmelfahrtskommando macht. Bevor die israelische Armee die Tunnel mit Wasser flutete, wurden daher erstmal die Roboterhunde vorgeschickt, um den verminten Untergrund mit Kameras zu vermessen. Roboter spielen im Krieg zwischen Israel und der Hamas eine wichtige Rolle: Sie werden nicht müde, haben keine Angst und leiden nicht an posttraumatischer Belastungsstörung. So setzt die israelische In Gaza und in der Ukraine werden ethisch umstrittene „High-Tech-Hunde“ und andere autonome Waffen eingesetzt: Sie töten emotionslos, chirurgisch und „kostengünstiger“. Krieg der Roboter Armee im Häuserkampf gegen die Hamas auch selbststeuernde Drohnen ein. Der Krieg gegen den Terror hat die Nachfrage nach High-Tech-Waffen dramatisch erhöht; US-Rüstungsunternehmen kommen mit der Produktion kaum noch hinterher. Das Schlachtfeld war schon immer ein Experimentierlabor für neue Technologien. „ Künstliche Krieger werden nicht müde, haben keine Angst, leiden nicht an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sind sie nicht nur furchtloser, sondern auch brutaler? “ Auch im Krieg in der Ukraine. Dort kommen – neben Drohnen, die die Position der feindlichen Truppen tracken – auch unbemannte Landfahrzeuge (UGV) zum Einsatz: Logistikroboter zum Beispiel, die Nachschub an die Front bringen, Evakuierungsroboter, die Verwundete abtransportieren, aber auch Kampfroboter, die Landminen legen oder zerstören. Diese unbemannten Landfahrzeuge werden – wie auch Drohnen – von ausgebildeten Soldaten navigiert. In der Wüste von Nevada an der Creech Air Force Base etwa sitzen hunderte Piloten der US-Luftwaffe Foto: APA / AFP / Ghost Robotics vor Bildschirmen, um mit einem Joystick Drohnen in tausenden Kilometern Entfernung zu steuern. Es ist ein kaltes, chirurgisches Töten, ohne Geräusche, ohne Emotionen – fast wie in einem Videospiel. Allein, der Faktor Mensch wird in diesem System immer weiter ausgeschaltet. So berichtete das Fachmagazin New Scientist im Oktober vergangenen Jahres unter Berufung auf Armeekreise, dass das ukrainische Militär automatisiert Drohnenangriffe gegen russische Stellung durchführt, also ohne Zwischenschaltung einer menschlichen Instanz. Kollateralschäden soll es bislang noch keine gegeben haben. Das erste Mal, dass ein automatisiertes Waffensystem einen Menschen tötete, war 2020 in Libyen: Da eliminierte eine Kampfdrohne der Einheitsregierung bei einer Offensive nahe Tripolis ein Mitglied der Libysch-Nationalen Armee (LNA). Der genaue Hergang des Geschehens ist nicht bekannt. In einem 548 Seiten umfassenden UN-Bericht heißt es, dass diese Waffensysteme programmiert worden seien, „um Ziele ohne das Erfordernis einer Datenverbindung zwischen dem Bediener und der Munition zu attackieren“. „fire, forget and find“ nennt sich die ferngesteuerte Kriegsführung im kühlen Militärjargon: feuern, vergessen und finden. Autonome Waffensysteme gelten als dritte Revolution der Kriegsführung, die ähnlich wie Schießpulver und Atomwaffen die Militärlogik radikal verändern könnten. Gerade in länger andauernden Kriegen können automatisierte Systeme kosteneffizienter sein als der Einsatz von bemannten Systemen, da die Ausgaben für Ausbildung, Unterhalt und Versorgung von menschlichen Soldaten entfallen. Aber dürfen Maschinen töten? Der Einsatz autonomer Waffensysteme ist ethisch hoch umstritten. Schon 2021 forderte die Initiative „Stop Killer Robots“, eine Koalition aus Menschenrechtsorganisationen, der unter anderen Amnesty International und Human Rights Watch angehören, in einer Petition die Regierungen zu einem Verbot auf. Killerroboter, die keine Empathie und Schmerzen haben, würden die Kriegsführung entmenschlichen und die Hemmschwelle zu Gewalt weiter senken. Der Mensch würde endgültig die Kontrolle verlieren. Die Delegation von Tötungsentscheidungen an gewissenlose Automaten sei daher weder moralisch noch völkerrechtlich vertretbar. Doch sind es nicht auch Emotionen und Rachegefühle des Menschen, die zu furchtbaren Kriegsverbrechen führen? Könnte in der Automatisierung des Krieges gar eine Chance zu mehr Zivilität liegen? Wer trägt die Verantwortung? Diese Argumentation vertritt der US- Wissenschaftler und Roboterethiker Ronald C. Arkin: Von ihm und anderen konzipierte Roboter seien nicht nur die besseren Soldaten, sondern machten den Krieg auch menschlicher, weil sie sich an das einprogrammierte Recht halten. Ein Soldat tötet einen anderen womöglich im Affekt, selbst wenn der sich ergeben hat. Arkins Prototypen mit künstlichem Gewissen würden dies nicht tun. Aber sind emotionslose Killerroboter nicht nur furchtlosere, sondern auch brutalere Krieger? Was, wenn ein erratischer Objekterkennungsalgorithmus falsche Informationen verarbeitet und der Killerroboter einen unschuldigen Zivilisten statt eines Terroristen tötet? Was passiert, wenn ein Roboter Amok läuft und wahllos Menschen tötet? Wer trägt dafür die Verantwortung? Der Maschinenethiker Oliver Bendel von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) ist skeptisch gegenüber autonomen Kampfrobotern, ob man ihnen Moral oder Recht nahebringt oder nicht. Das habe mit der Ökonomisierung des Kriegs zu tun, aber auch mit dem Töten auf Abstand. Zwar könne der Einsatz autonomer Kampfroboter das Risiko für menschliche Soldaten auf dem Schlachtfeld „erheblich reduzieren, da diese nicht direkt in gefährliche Situationen verwickelt sind“. Trotzdem seien mit Regeln ausgestattete Roboter in „offenen Welten“ wie dem Straßenverkehr oder Schlachtfeld „sehr schwer zu beherrschen“, so Bendel: „Die Maschinen machen unweigerlich Fehler und stehen dem Menschen in nichts nach.“ Roboter könnten zudem auch für den Menschen undurchschaubar sein, was Stress, Angst und Unsicherheit produziert: „Bei einer kleinen Kampfdrohne weiß man nicht, wer oder was dahintersteckt, ob noch ein Mensch, ob ein teilautonomes, ob ein autonomes System, und wie man sich verhalten soll.“ Roboter, die im Krieg eingesetzt werden, könnten Angst und Schrecken verbreiten, warnt der Maschinenethiker: „Durch ihre Intransparenz und Omnipräsenz, aber auch ihre übermenschlichen Fähigkeiten wie Geschwindigkeit oder die Fähigkeit, in der Nacht zu sehen und unsere Wärme wahrzunehmen“. So possierlich der Roboterhund aussehen mag – am Ende ist es Kriegsgerät, das töten kann.
DIE FURCHE · 14 4. April 2024 Religion 9 Von Hubert Gaisbauer Auf Schloss Seisenegg, im Herzen des Mostviertels, wurde Catharina Regina von Greiffenberg 1633 geboren. Sie gilt als die bedeutendste Dichterin des deutschen Hochbarocks. Der Zeit entsprechend schrieb sie eine mit Metaphern überladene Barockpoesie. In hemmungslosen Bildern bekennt sie ihren protestantischen Glauben und ihre mittelalterlich-innige Jesusminne. Cupidos Pfeile verwendet sie einmal umgekehrt: die liebende Seele „setzt sich auf die Zunge und verschießt sich wie ein Pfeil in dich“. Sie erlebt – privat und politisch – eine höchst unruhige Zeit; die Welt des überwiegend protestantischen österreichischen Landadels war unter der katholischen Gegenreformation im Zerbrechen. Das Schloss Seisenegg gerät in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Als Catharina sieben Jahre alt ist, stirbt der Vater. Sein jüngerer Bruder übernimmt die Vormundschaft und die Vermittlung der standesgemäßen und humanistisch orientierten Bildung. Die Mutter kümmert sich um die „gute Unterweisung zur Gottesfurcht“. Ihre „mystische Erwählung“ führt Catharina selbst auf ein Gelübde der Mutter zurück, die bei ihrer Geburt in eine „sehr gefährliche Krankheit geraten“ war und das Kind, so es lebt, „zu Dienst und Ehren des Herrn Jesus“ versprochen hatte. Ein unfreiwilliges Gelübde Zustimmend, aber zuletzt erfolglos, hat sich Catharina um die Erfüllung dieses unfreiwilligen Gelübdes bemüht. Das junge Mädchen ist früh hochgebildet, beherrscht alte und neue Sprachen und studiert auf dem Landsitz der Familie theologische und philosophische Schriften. Von Johann Wilhelm von Stubenberg, dem studierten Herrn auf der Schallaburg, wird sie gefördert und als Dichterin in deutschen Literaturkreisen bekannt gemacht. Als Verfasserin von Sonetten und strophenlosen Gedichten ist sie bald als singuläre Erscheinung hochgelobt. Erst heute, 300 Jahre nach ihrem Tod, wird auch der Wert ihrer späten mystisch-kontemplative Prosa entdeckt. Sie schreibt „Andachtsbücher“, mit insgesamt mehr als 4000 Seiten, Betrachtungen über das Leben Jesu. Nicht die Theologie – auch nicht die protestantische – sondern die Literaturwissenschaft hat darin ein wichtiges Werk protestantischer Mystik in deutscher Sprache erkannt. Zwei Erlebnisse hinterlassen tiefe Spuren im Leben der jungen Catharina Regina. 1651 stirbt die jüngere heiß geliebte Schwester Anna Regina. „Mein Herz und alle Gedanken mit ihr gen Himmel geflogen“, klagt sie noch 20 Jahre später. Und dann – zu Ostern 1660 in Nürnberg – die erste Begegnung Catharinas mit Sigmund von Birken, einem vielseitigen und äußerst produktiven Autor. Birken ist von ihr beeindruckt: „Ihr Gedächtnis, von der Vielbelesenheit erfüllet, und mit dem reifesten Urtheil allemal vergesellschaftet, machet sie höchst redseeligt.“ Dem Kennenlernen folgt ein 20 Jahre dauernder intensiver Briefwechsel mit dem „Innigfreund“, wie Catharina Sigmund von Birken genannt hat. Diese literatur- und zeitgeschichtlich überaus wertvolle Korrespondenz ist erst vor 20 Jahren umfassend veröffentlicht worden. 1664 bricht Catharina ihr Gelöbnis und heiratet den um 30 Jahre Bild: picturedesk.com/ÖNB-Bildarchiv Zum 330. Todestag der Dichterin Catharina Regina von Greiffenberg. Die Lyrik, aber auch die Mystik der Dichterin des Hochbarock wird erst heute wieder entdeckt. Eine Skizze. Den Himmel auf der Zung’ älteren Hans Rudolph von Greiffenberg, den Halbbruder des Vaters. Es war eine Zwangsheirat. Catharina hatte sich standhaft und lange geweigert, wollte sie doch ehelos leben. Hans Rudolf erkrankte „aus verschmähter Liebe“ so schwer, dass Catharina schließlich aus Mitleid und Pflichtgefühl in die Heirat einwilligte. Es war keine glückliche Ehe, trotz großer Fürsorglichkeit des Gatten. Trost suchte sie bei ihren beiden „Innigfreunden“, bei Sigmund von Birken – und vor allem bei Jesus. Weil ihr „der Höchst kein Kind gegeben“, will sie ihn – Jesus – „an Kinds-statt drücken, küssen, herzen“. Sie ist 44, als der ungeliebte Ehemann stirbt. Der Mentor Stubenberg von der Schallaburg ist schon lange tot. Catharina wünschte sich für ihren Lebensabend „ein ruhig Schäferhüttlein an der Pegnitz“, einem Fluss bei Nürnberg. „Bleib / weil es Abend ist / in dieser Welt bey mir“, schreibt sie in einem Ostergedicht. 1680 verlässt sie nach vielen Schikanen Seisenegg und emigriert nach Nürnberg. Im St. Egidienhof bezieht sie einen bescheidenen Witwensitz. In der Nähe von Sigmund von Birken, der allerdings zwei Jahre später stirbt. Sie schreibt an weiteren Betrachtungsbüchern, darunter auch eine „Andacht vom Heiligen Abendmahl“. Im Frühjahr 1694 erkrankt sie schwer, legt am Karfreitag ihre letzte Beichte ab und stirbt am Ostersonntag. Auf dem St. Johannis Friedhof in Nürnberg ist sie in bester Gesellschaft: mit Hans Sachs, Albrecht Dürer, Veit Stoß und – Sigmund von Birken. Immer wieder verteidigt Catharina die Berechtigung, als Frau zu schreiben. Sie ist ja tatsächlich die einzige wirklich namhafte weibliche Stimme im ganzen Jahrhundert der Blütezeit hochbarocker Lyrik. Für ihre geistliche „Berufung“ hebt sie alle Geschlechtsunterschiede auf: „Vor Gott sind wir alle Priester, wir sind alle verlobte Jungfrauen und Bräute Christi.“ Ohne Unterschied seien auch Frauen zur Verherrlichung Gottes berechtigt. „Alle lebende Creaturen / machet er zu Dienern und Werkzeugen seiner Liebe zu uns. Hat er ein Weib zum Werkzeug seiner Menschheit gebraucht: so wird er uns auch zu Werkzeugen seines Geistes würdigen.“ „ Trost suchte sie bei ihrem ‚Innigfreund‘ Jesus. Weil ihr ‚der Höchst kein Kind gegeben‘, will sie ihn ‚an Kinds-statt drücken, küssen, herzen‘. “ Bedeutende Lyrikerin Catharina Regina von Greiffenberg, im niederösterreichischen Mostviertel geboren, starb am Ostersonntag des Jahres 1694 in Nürnberg. Aus allen Schriften erhellt, dass der Empfang des Abendmahls für Catharina ein Herzensanliegen war. „Den Himmel auf der Zung’ im Mund die Sonne“, heißt es in einem ihrer geistlichen Sonette. Die ließen allerdings einen regelmäßigen Empfang nicht zu. Wenn österreichische Protestanten einen Abendmahls-Gottesdienst besuchen wollten, mussten sie wegen der gegenreformatorischen Einschränkungen außer Landes reisen. Zum Beispiel nach Pressburg. Alles für die Ehre Gottes Kurz nach dem Tod der Schwester ereignete es sich, dass Catharina bei einem Gottesdienst eine innere Schau gewährt wurde, die sie nie erklären konnte. Aber sie hat dafür ein Wort gefunden: Deoglori. Alles für die Ehre Gottes. Es wird ihr geistliches Programm, auch für den Lobpreis der Natur, in der sich die Schöpfungsfreude Gottes spiegelt. 1672 schreibt sie an Sigmund von Birken von „dieser Kirchen zu Pressburg wo dies Deoglori Licht erstlich in mir ungeblümet und aufgegangen“. Der Deoglori zuliebe fühlt sich Catharina berufen, sogar den Kaiser in Wien zum „wahren Glauben“ zu bekehren. Alle möglichen Huldigungsgedichte schickt sie an den Hof, natürlich vergeblich. Aber sie hatte ja gelernt, Misserfolge in der Hoffnung zu ertragen, dass die „Kreuz-Gänge die geradesten“ und „die Hindernußen die förderlichsten Wege sind zu Gott.“ Natürlich im unbeirrbaren Glauben an die „Heilig-Herrliche Auferstehung Christi“, wie sie voll Zuversicht in einem Sonett dichtet: „Die Sünd der ganzen Welt vergräbt er in dem Grab, und will, daß jederman mit ihm das Leben hab“. Kunsthistoriker Alfred Sammer zitiert in seiner „Betrachtung“ übers Barock am 15.8.2001 auch Greiffenberg, nachzulesen unter „Engel, blaset die Trompeten!“ auf furche.at. VORSORGE & BESTATTUNG 11 x in Wien Vertrauen im Leben, Vertrauen beim Abschied 01 361 5000 www.bestattung-himmelblau.at wien@bestattung-himmelblau.at
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