DIE FURCHE · 14 22 Wissen 4. April 2024 Von Martin Tauss Der Streit um Cannabis Es war kein April-Scherz: Seit Beginn des Monats ist in Deutschland ein umstrittenes Cannabis-Gesetz in Kraft getreten. Fortan sind Besitz und Anbau der pflanzlichen Droge für Erwachsene unter bestimmten Vorgaben legal. Ebenso ist vorgesehen, dass Cannabis-Produkte wie Marihuana künftig über nicht-kommerzielle Anbauvereinigungen bezogen werden können. Zugleich wird der Verkauf der Droge an Heranwachsende härter bestraft. Mit dieser partiellen Legalisierung will die deutsche Ampel-Koalition den unkontrollierten Konsum und Handel über den Schwarzmarkt eindämmen sowie gegen die organisierte Kriminalität vorgehen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verwies dabei auf eine Verdopplung des Konsums bei Jugendlichen sowie eine Verdopplung der Zahl der Drogentoten: „So konnte es nicht weitergehen. Ich war jahrelang auch gegen eine Cannabis-Legalisierung, aber die Studienlage zeigt, wir brauchen hier ein neues Angebot.“ „ Je geringer das Niveau der psychischen Gesundheit, desto größer die Drogengefahren. Umso wichtiger, die deutschen Erfahrungen genau zu beobachten. “ Fotos: Stuart Blanch / WWF Zu Beginn der britischen Besiedelung gab es noch geschätzt zehn Millionen Koalas in Australien, heute dürften es maximal 628.000 Tiere sein. Mit Wissenschaft für eine rationale Drogenpolitik zu argumentieren ist prinzipiell wünschenswert. Doch beim Konsum berauschender (psychoaktiver) Substanzen ist der kulturelle Aspekt nicht wegzudenken. Sonst müsste der Umgang mit dem jahrtausendealten Kulturgut Alkohol – weltweit eine der gefährlichsten Drogen – viel restriktiver gehandhabt werden. Wie aber sieht es beim Cannabis aus? Problem der Selbstmedikation Wie keine andere Droge ist „das Kraut“ längst in jugendkulturellen Moden und Musikstilen verankert. Es ist nicht abwegig, Cannabis stärker in die gesamtgesellschaftliche Kultur hineinzuholen – gerade im Sinne einer besseren Kontrolle. In der Jugend kann das Rauchen eine identitätsstiftende Funktion erfüllen, indem es mit Gleichaltrigen („Peers“) verbindet. So kann das Kiffen bei Heranwachsenden vorübergehend „ganz normal“ ein Teil der Ablösung und Autonomie-Entwicklung sein. Problematisch wird es vor allem dann, wenn die Droge zur Selbstmedikation verwendet wird, um psychische Leiden zu kaschieren. Seit der Corona-Zeit ist dieser Aspekt leider stark in den Vordergrund gerückt. Auch bei Cannabis kann regelmäßiger Konsum zu Abhängigkeit führen. Und die Inhaltsstoffe werden immer potenter, wie Paul Plener, Vorstand der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Med-Uni Wien, in einem Standard-Interview sagt: „Die THC-Konzentration bei Joints heute ist 14-mal höher als in den 1970ern. Deswegen ist Kiffen für junge Gehirne wirklich schädlich. Bis 25, wo sich das Gehirn entwickelt, habe ich ein ziemlich großes Risiko, dass ich das Kiffen mit einer psychischen Erkrankung bezahle.“ Die Geschichte zeigt: Je geringer das Niveau der psychischen Gesundheit, desto größer die Drogengefahren. Umso wichtiger, die deutschen Erfahrungen genau zu beobachten – und daraus zu lernen. Von Barbara Barkhausen Auf dem Papier hört sich der „Great Koala National Park“ perfekt an: Im Osten des Landes – dort wo das Überleben der Koalas besonders gefährdet ist – soll ein riesiger Nationalpark entstehen, um den Beuteltieren ausreichend Lebensraum zu bieten. Über 300.000 Hektar – bestehende Nationalparks wie auch Staatswald – sollen zusammengefasst und damit ein einmaliges Schutzgebiet für die Koalas und andere gefährdete Tierarten geschaffen werden. Der Koala-Nationalpark soll in der Region zwischen Kempsey und Coffs Harbour an der Ostküste des Landes entstehen. Die Regierung des Bundesstaates New South Wales, in dem sich der Nationalpark befindet, hat in ihrem Staatshaushalt 2023/24 über einen Zeitraum von vier Jahren 80 Millionen Australische Dollar, umgerechnet rund 48 Millionen Euro veranschlagt, um die Entwicklung des Parks zu unterstützen. „Der Koala nimmt eine einzigartige kulturelle Stellung ein – sowohl in Australien als auch international“, sagte Timothy Cadman, Forscher am Institute for Ethics, Governance and Law an der Griffith-Universität in Australien. Würde das nicht berücksichtigt werden, „ Es ist vor allem das Habitat, das den Tieren zum Überleben fehlt. Schließlich vertilgen sie bis zu ein Kilo Eukalyptusblätter pro Tag. “ Im Osten Australiens ist das Überleben der Koalas gefährdet. Ein großer Nationalpark soll die Symboltiere retten. Doch das Tauziehen um das Projekt ist groß. Das Trauma der Koalas so könnte dies sogar politische Konsequenzen haben, meinte der Experte. Ein Handeln ist in der Tat dringend notwendig: Koalas sind wie so viele Tiere auf dem isoliert gelegenen fünften Kontinent endemisch. Das heißt, sie kommen nur in Australien vor. Und dort haben die Zahlen über die Jahre enorm abgenommen. Haben zu Beginn der britischen Besiedelung noch geschätzt zehn Millionen den Kontinent bevölkert, so beziffert Australiens Umweltbehörde die gesamte Koalapopulation heute auf knapp 290.000 bis maximal 628.000 Tiere, manche Tierschutzorganisation gehen sogar noch von weniger Tieren aus. Die tragischen Buschfeuer um die Jahreswende 2019/2020 haben laut eines Berichts, den der „World Wide Fund for Nature-Australia“ (WWF) in Auftrag gegeben hat, mehr als 60.000 Koalas getötet oder verletzt. Die, die die Flammen selbst überlebten, verendeten in den Wochen und Monaten danach oftmals durch das Trauma, die Rauchinhalation, Hitzestress, Dehydrierung, Nahrungsmangel oder den Verlust des Lebensraumes. In den bevölkerungsreichen Staaten im Osten von Australien haben zudem Infrastrukturprojekte Wohnräume der Tiere zerstört, die bis zu einem Kilo Eukalyptusblätter am Tag fressen und bis zu 22 Stunden schlafen. Auch Hunde und Straßenverkehr bedrohen die Beutler. Auch die sogenannte Chlamydia-Infektion dezimiert die Baumbewohner, die durch die Krankheit erblinden und unfruchtbar werden. Seit einigen Jahren machen zudem die Folgen des Klimawandels das Leben der Koalas schwieriger. Extreme Temperaturen und langanhaltende Dürren machen den Eukalyptus, den die Koalas fressen, trockener und härter. In den Bundesstaaten Queensland und New South Wales gilt der Koala deswegen inzwischen als gefährdet. „Koalas sind in ernsthaften Schwierigkeiten“, sagte die Abgeordnete der Grünen, Sue Higginson, und bezog sich dabei auf die im Bundesstaat New South Wales lebenden Koalas. „Wenn wir nicht aufhören, ihren Lebensraum im ganzen Staat zu zerstören, werden sie noch vor 2050 ausgestorben sein.“
DIE FURCHE · 14 4. April 2024 Wissen 23 „ Trotz aller Probleme hängen große Visionen an dem Projekt: Der geplante Park könnte künftig sogar auf der Liste der Weltnaturerbe-Stätten aufgenommen werden. “ Doch es gibt immer wieder auch Hoffnung: So gelang es Forschern in Australien, einen Impfstoffes gegen die Chlamydia-Infektion zu entwickeln, der bereits im Einsatz ist, und eine Art „Volkszählung“ der Koalas ergab für den Bundesstaat New South Wales, dass die Population der Tiere doch um mehrere 10.000 größer ist als gedacht – auch wenn die Zahlen insgesamt rückläufig sind. Tatsächlich ist es vor allem das Habitat, das den Tieren zum Überleben fehlt. Der geplante Park würde sich „über einen erstklassigen Lebensraum für Koalas“ erstrecken, hieß es vor Kurzem erst in einem wissenschaftlichen Aufsatz über die Parkpläne. Und weiter: Er wäre „ein sicherer Zufluchtsort für die jetzt bedrohten Koalas, da ihre Zahl an der Ostküste abnimmt“. Dem stimmt auch der Koalaexperte des WWF, Stuart Blanch, zu. „Der Nationalpark ist ein vernünftiger Weg, um die Population zu stabilisieren“, sagte er. Blanch hofft, dass der Park spätestens 2025 offiziell etabliert wird. Schließlich handele es sich um ein Wahlversprechen der derzeitigen Regierung, ein Scheitern sei also keine Option. Doch der Weg dahin scheint noch steinig, obwohl ein Sprecher des NSW National Parks and Wildlife Service (NPWS) sagt, die „Arbeiten zur Schaffung des Great-Koala-Nationalparks sind in vollem Gange“. So seien unter anderem Industrie-, Gemeinde- und Aboriginal-Beratungsgremien eingerichtet worden, die bei der Gründung des Parks unterstützen sollen. Trotzdem sind etliche Probleme derzeit noch ungeklärt: So wurde die ursprüngliche Idee für den Park bereits vor den Buschfeuern im Sommer 2019/2020 entwickelt. Deshalb orientiere sich die Politik bis heute nach wie vor an den ursprünglichen Parkgrenzen und den vor den Bränden gesammelten Daten zur Koalapopulation – wie ein Kritikpunkt der Wissenschaftsfraktion lautet. Gleichzeitig werden in den staatlichen Wäldern, die der Park umfassen soll, nach wie vor Bäume abgeholzt, obwohl die Regierung des Bundesstaates dies immerhin in einigen Regionen untersagt hat. Natur- und Tierschutzorganisationen wie der WWF plädieren dafür, den Holzeinschlag in einheimischen Wäldern komplett zu beenden und die Holzindustrie in Richtung Plantagen zu steuern, die einen geringeren Erhaltungswert haben. Tödlicher „Schweizer Käse“-Effekt Laut Cadman ist aber auch diese Lösung nicht perfekt. Denn die Plantagen, die sich in und um das geplante Nationalparkgebiet befinden, seien ebenfalls „kritische Lebensräume“ für die Koalas. Die Tiere würden den Unterschied zwischen dem, was der Mensch als „einheimische Wälder“ und als „Plantage“ bezeichne, ja nicht kennen, meinte er. „Der Koala sucht sich den besten Lebensraum, und ein großer Teil davon ist derzeit als Plantage ausgewiesen und wurde aus dem Park ausgeschlossen“, sagte er. Das erzeuge einen „Schweizer Käse“-Effekt und schaffe dauerhafte „Tötungsfelder“ für Koalas. Der Forscher plädiert dafür, auch Baumplantagen in den neuen Nationalpark mit einzubeziehen. Diese seien auf guten Böden an der Küste gepflanzt und würden in erster Linie aus Eukalyptusbäumen und Regenwald bestehen – und damit eine Nahrungsquelle wie auch ein ideales Habitat für die Beutler darstellen. Selbst unter den Unterstützern des Parks ist das Tauziehen derzeit also noch groß. Trotzdem hängen auch große Visionen an dem Projekt. So hegen Cadman wie auch Blanch die Hoffnung, dass der geplante Park irgendwann sogar auf der Liste der Weltnaturerbe-Stätten aufgenommen werden könnte – und damit auch internationale Bedeutung erhalten würde. Die Chancen dafür stehen gut, denn das Gebiet sei ein „anerkannter Biodiversitäts-Hotspot“, wie es auf einer Kampagnenwebseite für das Projekt heißt. Neben den Koalas leben nämlich auch etliche andere Spezies in der Region – darunter Gelbbauchgleiter, seltene Eulen- und zahlreiche andere einheimische Vogelarten. „Wie weit darf der Schutz der Wildnis gehen?“ (20.12.2023): Ein heimisches Streitgespräch auf furche.at. Auch die Plantagen, die sich um das geplante Nationalparkgebiet befinden, gelten als kritische Lebensräume für die Koalas. Das ERFOLGSMUSICAL-JETZT AUCH 2024! CONGRESS INNSBRUCK SA, 13. APRIL 2024 | 18:00 UHR MESSE GRAZ SA, 04. MAI 2024 | 18:00 UHR JETZT TICKETS SICHERN: WWW.PAULINE-MUSICAL.ORG WIENER STADTHALLE SA, 29. JUNI 2024 | 15:30 UHR S0, 30. JUNI 2024 | 14:00 UHR
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