DIE FURCHE · 14 2 Das Thema der Woche Das Filmland vermessen 4. April 2024 AUS DER REDAKTION Innen und außen, Regionalität und Weltläufigkeit, emotionale Verankerung und ein weiter Horizont: Zwischen diesen Polen mäandern nicht nur gelingende Lebensentwürfe, sondern auch Kunst und Kultur – wenn sie nicht gerade für irgendeine „Leitkultur“ zurechtgestutzt werden. Für die Diagonale, das Grazer Festival des österreichischen Films, gilt diese fruchtbare Spannung nicht minder. Otto Friedrich rückt sie unter „Das Filmland vermessen“ in den Fokus. Einen historischen Horizont von 75 Jahren umspannt mittlerweile die NATO. Wolfgang Machreich hat aus diesem Anlass nicht nur mit Österreichs Ständigem Botschafter beim Nordatlantikbündnis, Jürgen Meindl, gesprochen, sondern auch die Folgen der NATO-Osterweiterung vom Kosovo- bis zum Ukrainekrieg beleuchtet. Besonders innerlich zeigt sich diesmal der Kompass – mit einem Essay von Hubert Gaisbauer über die vor 330 Jahren verstorbene Barockdichterin Regina von Greiffenberg sowie einem persönlichen Bericht von Hanna Begic über ihre Ramadan-Erfahrung. Ganz anders „innerlich“ wird es in der umfangreichen Recherche von Magdalena Schwarz über die Rechte von Haftinsassen. Zurück zum Innen und Außen in der Kunst führt uns wieder das Feuilleton – mit Bruno Jaschkes ext über das Verhältnis von Literatur und Popmusik sowie Würdigungen von Robert Schindel und Anton Bruckner. Letzterer hat gezeigt, wie Provinzialität und Genialität manchesmal zusammengehen. (dh) Von Otto Friedrich Man könnte meinen, es war ein Coup der neuen Diagonale-Intendanz, Ruth Beckermanns einfühlsamen wie an vielfältigen Kinderlebensgeschichten ausgerichteten Dokumentarfilm „Favoriten“ als Eröffnungsfilm der diesjährigen Diagonale zu küren: Favoriten ist ja als Problem- und Gewaltbezirk zurzeit in aller Medien und Stammtische Munde. Und die von der ÖVP angezettelte Leitkultur- Debatte (vgl. Leitartikel, Seite 1) könnte kein besseres Korrektiv vorfinden wie dieses neueste Opus der Grande Dame des heimischen Dokumentarfilms. Denn in dieser Debatte müsste es ja um die Menschen und nicht um Schlagworte gehen sowie ums Wissen, wo dieser Gesellschaft der Schuh drückt, und auch wie man trotz widriger Umstände zu Lebensperspektiven kommt (vgl. auch Seite 15). All das gelingt Ruth Beckermann in exemplarischer Weise: Man sieht, wie Integration am System scheitert und wie man die im Film porträtierten Kinder, die einander oft auch selbst filmen, ins Herz schließen muss. „Es ist ein Film, der an den Intellekt, aber genauso ans Gefühl und Herz appelliert, der Niederschwelligkeit besitzt und gleichzeitig eine komplexe Annäherung darstellt“, so Diagonale-Intendantin Claudia Slanar im FURCHE-Gespräch (vgl. Seite 3) über „Favoriten“. Und Ko- Intendant Dominik Kamalzadeh sekundiert, der Film sei „unglaublich zeitgenössisch in der Art und Weise, wie er von einer sogenannten Brennpunktschule erzählt“. Drei Jahre in der Volksschule Drei Jahre hat Beckermann in der größten Wiener Volksschule in Favoriten gedreht, eine Klasse von der zweiten Schulstufe – mitten in der Pandemie – bis zum Volksschulabschluss begleitet. Hier gibt es praktisch kein Kind ohne „Migrationshintergrund“, die Deutschkenntnisse sind mäßig bis rudimentär. Dennoch versuchen die Kinder mit ihren Hintergründen den je eigenen Weg zu gehen. Dass auf diese Weise keine außergewöhnlichen Bildungskarrieren und kein anderer Weg als der zur Mittelschule möglich sind, wird dem Publikum schmerzlich bewusst. Aber die kleinen Favorit nerinnen und Favoritner, die „Favoriten“, der Film, zeigt, kämpfen sich durch die Unbilden, selbst wenn dringend benötigte Schulpsychologinnen oder Sozialarbeiter nicht (mehr) zur Verfügung stehen. Es gibt – neben den Kindern – vor allem eine „Heldin“ des Films: Mit Ilkay Idiskut hat Beckermann eine prototypische Lehrerin gefunden, die im Wahnsinn mit dem System dieser Schule nicht nur den kühlen Kopf bewahrt, sondern Foto: Ruth Beckermann Filmproduktion Lesen Sie auch das Interview mit Ruth Beckermann vom 24.10.2023, siehe „Von Auschwitz kann man nichts lernen!“ auf furche.at. Von „Favoriten“, dem Diagonale-Eröffnungsfilm von Ruth Beckermann, bis zu Anja Salomonowitz’ Maria-Lassnig-Biopic „Mit einem Tiger schlafen“. Filmkunst als Zeitgenossenschaft durch ihre Wärme und ihr großes Herz vieles wegsteckt, was nach menschlichem Ermessen gar nicht wegzustecken ist. Idiskut repräsentiert den Typ Lehrerin, der in dieser Lage so dringend gebraucht wird, und den es, so die hoffnungsvollste Botschaft von „Favoriten“, auch tatsächlich gibt. Allerdings entspricht sie keineswegs dem Trachtenpärchen- Chauvinismus, in den die Leit-Kulturdebatte zuletzt abglitt: Ilkay Idisko gehört selber zur „Generation Migrationshintergrund“: In eine türkischstämmige Familie in Wien geboren und in der Innenstadt aufgewachsen, war sie die einzige Nichtdeutschsprachige in ihrer Klasse. Klar, dass sie anders Deutsch lernte als ihre Schülerinnen und Schüler, die keine Chance „ Idiskut, die ‚Heldin‘ von ‚Favo riten‘, entspricht keineswegs dem Trachtenpärchen-Chauvinismus, in den die Leit-Kulturdebatte zuletzt abglitt: Sie gehört selber zur ‚Generation Migrationshintergrund‘. “ haben, von den Klassenkameraden die Landessprache zu lernen. Idisko kann mit den türkischen Müttern ihrer Schulkinder in deren Sprache kommunizieren. Und sie weiß, wie man mit Quereinsteigern umgeht, die plötzlich da, aber keines deutschen Wortes mächtig sind: Empathie und Herzblut lösen vieles. Das System lässt die Kinder, aber auch ihre Lehrerin dennoch ohne Hilfe zurück. Dass entgegen diesen Umständen Gemeinschaft und Hoffnung möglich sind, bleibt am Ende des außergewöhnlichen Filmes trotz allen schalen Nachgeschmacks zurück. Neue Maßstäbe in der Ästhetik Am Tag nach der Diagonale- Eröffnung hat ein zweiter exemplarischer Film seine Österreich- Premiere: Anja Salomonowitz’ Biopic von Maria Lassnig (1919– 2014), „Mit einem Tiger schlafen“, setzt neue Maßstäbe in der Ästhetik. Man kann über diesen Film zu Ruth Beckermanns „Favoriten“ den Bogen spannen, der den österreichischen Arthouse-Film verbindet: Beckermann und Salomonowitz bilden zurzeit zwei Hoffnung trotz allem Das Schulsystem kommt den Kindern in der größten Volksschule Wiens kaum entgegen. Ruth Beckermann zeigt in „Favoriten“ dennoch einen liebenswürdigen Kosmos, wo man ihn nicht vermutet hätte. Eckpunkte des Filmschaffens, zwischen dem wesentliche Kinematografie des Landes stattfindet. Beckermann übernimmt diesmal den konventionelleren Part dabei, während Salomonowitz in ihrer Lassnig-Hommage Grenzen des Genres ausreizt und auch vor hybriden Formen nicht haltmacht: So finden sich in „Mit einem Tiger schlafen“ auch dokumentarische Einsprengsel wie ein Interview mit Elfie Semotan, und gleichzeitig tritt die Fotokünstlerin auch als Spielfilmgestalt auf. Oder die Maria Lassnig des Films lehnt an der Hauswand der Galerie St. Stephan in der Grünangergasse, jenem Kunstort, an dem der Priester und Kunstvermittler Otto Mauer ab den 1950er Jahren die österreichische Avantgarde versammelte. „Mit einem Tiger schlafen“ ist nicht nur der Filmtitel, sondern so heißt eines der bekanntesten Bilder der Körpermalerin Maria Lassnig – und gibt damit von ihr als Gestalt wie via Gefühl viel preis. Die Kunst dieses Opus besteht aber im konsequent durchgehaltenen Versuch, die Protagonisten unabhängig vom Alter von Schauspiel-Persönlichkeiten darstellen zu lassen. Das geht am eindrücklichsten in der Darstellung der Lassnig durch Birgit Minichmayr auf, die die Protagonistin von der Sechsbis zur 94-Jährigen ohne altersgemäßes Make-up spielt – von der Zerbrechlichkeit der jungen Malerin, die ihre eigene Körperlichkeit und die Farben, mit denen sie berühmt werden wird, erst entdecken muss (vgl. das Bild auf Seite 1), bis zur Bestimmtheit, mit der sie dann im internationalen Kunstbetrieb Maßstäbe setzt. Minichmayrs Performance markiert einen Höhepunkt ihrer Karriere. Die Handlung des Films folgt den Lebensstationen der Lassnig nur lose chronologisch, aber stringent. Die Abhängigkeit von anderen – der übermächtigen Mutter (Johanna Orsini), dem jungen Arnulf Rainer (gespielt vom Kärntner Shooting-Popstar Oskar Haag) oder dem Adlatus der letzten Lebensjahre, Hans Werner Poschauko (Lukas Watzl) – illustrieren ein Frauenleben zwischen Kampf, Schmerz und Kunst, das schließlich in den Erfolg, auch den kommerziell übermäßigen, führt. Eine vielschichtige Künstlerin, exemplarisch dramaturgisch ins Bild gesetzt: Film als Zeitgenossenschaft. Favoriten A 2024. Regie: Ruth Beckermann. Mit Ilkay Idiskut, Schülerinnen und Schü - ler der Volksschule Bernhartstalgasse. Filmladen. 118 Min. Diagonale Eröffnungs film. Im Kino ab September 2024. Mit einem Tiger schlafen A 2024. Regie: Anja Salomonowitz. Mit Birgit Minichmayr, Johanna Orsini, Oskar Haag, Lukas Watzl. Stadtkino. 107 Min. Ab 12. April im Kino.
DIE FURCHE · 14 4. April 2024 Das Thema der Woche Das Filmland vermessen 3 Ein Konzept scheinbarer Gegensätze – nach innen und gleichzeitig nach außen, das heißt Öffnung der Diagonale zu internationalen Filmen: Das hat sich das Leitungsduo fürs Festival des österreichischen Films vorgenommen. Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh im Interview. In die Regionen. Hinaus in die Welt. Das Gespräch führten Otto Friedrich und Matthias Greuling Die neue Leitung der Diagonale, Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh, will Innen- und Außenwirkung des österreichischen Films untersuchen und für das Grazer Festival neue Ideen, Perspektiven und Kooperationspartner finden. Wichtig ist dem ehemaligen Standard-Journalisten Kamalzadeh und der Filmkuratorin Slanar, die Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber nachgefolgt sind, vor allem, die Vielfalt des heimischen Filmschaffens abzubilden. DIE FURCHE: Was wird das Leitmotiv ihrer Intendanz sein? Claudia Slanar: Es gibt zwei Leitmotive, mit denen wir uns auch als Duo beworben habe. Das erste ist, die Diagonale nach außen zu öffnen. Das bedeutet nicht, dass wir nun internationale Filme spielen, der Fokus bleibt schon auf dem Wettbewerb von österreichischen Spiel- und Dokumentarfilmen sowie dem Innovativen Film. Mit dem Öffnen meinen wir, dass wir Ästhetiken und Praxen aus anderen Teilen Europas vorstellen wollen sowie Tendenzen abbilden, die ja bereits bestehen. So gibt es etwa Schnittmengen von Regisseuren und Regisseurinnen, die in Österreich studieren, aber aus der EU kommen, oder von Österreicherinnen und Österreichern, die im Ausland lernen. All diese Einflüsse kommen in diesem Leitmotiv zusammen, der internationale Austausch ist ein fluider Prozess, an dem wir ansetzen wollen. Dominik Kamalzadeh: Das zweite Leitmotiv, und das mag paradox klingen, wäre die Bewegung hinein ins Land, hinein in die Regionen. Wir wollen darauf reagieren, dass es abseits der Städte noch mehr Kulturangebote, vor allem auch für den Film geben sollte. In diesem Sinn verstehen wir die Diagonale wie ein Label, das wir in die Regionen tragen können. Das sollen durchaus unterjährige Projekte werden, wo man an regionale Kulturanbieter andockt, um zu zeigen, wie lebendig die österreichische Filmszene ist. DIE FURCHE: Ist der Begriff des „Festivals des österreichischen Films“ nicht schon eine Einengung vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt? Kann man von dem österreichischen Film überhaupt noch sprechen? Kamalzadeh: Es gibt einen Reshaping-Prozess in der österreichischen Filmszene, ausgehend von neuen Förderungen, durch welche die Wertschöpfung im Inland durch internationale Produktionsfirmen vergrößert wird. Der heimische Film wird in Hinblick auf europäische Studierende an den Fachhochschulen und an der Filmakademie internationaler. Wir präsentieren bei der Diagonale aber viele Traditionen, die sich fortsetzen und teils auch erneuern. Es gibt eine starke Tendenz zu hybriden Produktionen, bei denen die Gattungen nicht so klar definierbar sind und sich Dokumentarfilm und Spielfilm mehr und mehr vermischen. DIE FURCHE: Aber die Trennung zwischen Dokumentar- und Spielfilm aufzuheben wie bei der Viennale wollten Sie nicht? Kamalzadeh: Nein, weil es bestimmte Grundstrukturen innerhalb des Festivals Foto: © Diagonale / Miriam Raneburger gibt. Allein der Umstand, dass wir Preise vergeben und Jurys haben, die einen Überblick brauchen, um entscheiden zu können, bedingt eine gewisse Kategorisierung. Aber wir haben einzelne Arbeiten in andere „ Mit dem Öffnen der Diagonale meinen wir, dass wir Ästhetiken und Praxen aus anderen Teilen Europas vorstellen wollen sowie Tendenzen abbilden, die ja bereits bestehen. “ Claudia Slanar Kategorien eingeteilt als jene, für die sie eingereicht waren, damit die stilistische Vielfalt noch größer wird. DIE FURCHE: Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Streaming-Portalen und Serien beschreiben? Slanar: Es gibt sicher Netflix-Produktionen, die im TV anders rezipiert werden als auf einer Leinwand. Weshalb wir uns diesen Serien und Filmen nicht verschließen möchten, sondern auch ausprobieren, wie sie auf welchen Kanälen wirken. Ich glaube, es ist immer wichtig, unterschiedlichste Formate auch im Kino zu zeigen Da sind wir recht offen und sind nicht auf klassische Film-Formate beschränkt. DIE FURCHE: Glauben Sie nicht, die Nachlassverwalter einer Kunstform zu sein, die es bald nicht mehr geben wird? Kamalzadeh: Eine spannende Frage, die man aber sicher nicht kategorisch beantworten kann. Die Debatte über die Musealisierung des Kinos gibt es schon länger, doch der Wandel in der Distributionskultur lässt unterschiedliche Entwicklungen zu. Wir glauben, dass unterschiedliche Rezeptionsformen durchaus nebeneinander passieren. Ich habe mich in meiner Zeit als Journalist immer gegen diesen Alarmismus verwehrt, der das Ende des Kinos an sich beschworen hat. Natürlich gibt es die Tendenz zu immer mehr Streamingangebote pro Haushalt und dazu, dass Menschen gerne zu Hause konsumieren. Zugleich findet sich aber auch eine Gegenbewegung, erfreulicherweise findet auch junges Publikum wieder Gefallen daran, Filme als kollektive Erfahrung am Ort Kino zu erleben. Und ich glaube, dass beide Trends nebenher existieren können und sie einander auch irgendwo brauchen. Neues Duo Filmvermittlerin Claudia Slanar war zuletzt für das Blickle Kino im Wiener Belvedere 21 verantwortlich, Dominik Kamalzadeh war Filmredakteur des „Standard“. Lesen Sie das Interview mit den Diagonale- Machern 2016– 2023 vom 15.3. 2023, siehe: „Wir wollen Stimmen in Dialog setzen“ auf furche.at. „ Das Missbrauchsthema ist präsent, da die Diagonale die wesentliche Funktion auch darin hat, die Branche zusammenzubringen, um bestimmte Themen dort zu platzieren und zu diskutieren. “ Dominik Kamalzadeh DIE FURCHE: Inwieweit hat der österreichische Film auch eine politische Watchdog- Funktion oder sollte sie haben? Kamalzadeh: Ich bin der Überzeugung, dass Film immer politisch war und sein muss. Ich glaube, die österreichische Filmszene hat in den letzten 20 Jahren viel politisches Bewusstsein bewiesen und war immer sehr alert darin, auf fragwürdige Entwicklungen zu reagieren. Sei es beim so genannten Migrationsproblem, sei es im Fall einer rechtsnationalen Regierung. Sei es, wenn es um gesellschaftspolitische Fragen ging. Ich glaube, es liegt in der DNA des österreichischen Films, dass er politisch ist und sich immer wieder auch dementsprechend deklariert. DIE FURCHE: Die Filmbranche steht weiter im Fokus der MeToo-Debatte. Wie gehen Sie damit um? Slanar: Ganz konkret gibt es Reaktionen darauf in Bezug auf das Festival selbst. Wir haben ein Awareness-Team, mit dem wir heuer zusammenarbeiten. Wir haben darauf reagiert, dass es letztes Jahr rassistische Übergriffe am Festival gab, konkret bei einer Party. Das Awareness-Team wird heuer auf den Partys präsent sein und während des Festivals erreichbar und ansprechbar, falls es physische oder psychische Übergriffe gibt, Diskriminierungsvorfälle, und/oder rassistische Vorfälle. Das ist für uns eine Norm, die auf internationalen Festivals schon gang und gäbe ist. Wir sind uns der Verantwortung als Festival bewusst. Die Diskussionen über respektvollen und wertschätzenden Umgang miteinander, egal ob am Filmset oder während des Festivals, werden wir immer wieder führen. Diesen Themen werden wir immer eine Öffentlichkeit geben. DIE FURCHE: Was auf dem Festival passiert, ist das eine. Aber was beim Filmemachen stattfindet – von Seidl bis Teichtmeister oder Manker, wobei man die einzelnen Fälle nicht in einen Topf werfen darf – ist ein mindestens so großes Thema. Kamalzadeh: Das Thema ist dadurch präsent, da die Diagonale die wesentliche Funktion auch darin hat, die Branche zusammenzubringen, um bestimmte Themen dort zu platzieren und zu diskutieren. Beim Film Meeting gibt es zum Beispiel dieses Jahr ein Panel, das sich mit Mental Health beschäftigt, mit Arbeitsbedingungen, die mitunter toxisch wirken, und mit sozialen Modellen, die Verbesserungen versprechen. Missbrauchsvorwürfe muss man sich immer ganz konkret anschauen. Ich denke aber, dass die Filmszene insgesamt auf einige dieser Vorfälle mittlerweile recht ordentlich reagiert hat und dass es verschiedene Einrichtungen und Maßnahmen gibt, die auch präventiv wirksam werden. Wichtig ist insbesondere, dass es Stellen gibt, in denen man Missbrauch auch anonym thematisieren kann. DIE FURCHE: Sie haben in einem Interview angekündigt, die Diagonale als Ort für Filmpremieren stärken zu wollen. Kamalzadeh: Ja, es gibt bei dieser Diagonale viele Premieren, die wir auch gerne hervorheben möchten. Das hat auch die Intention, das breite Portfolio der Filme, die wir zeigen, stärker und feierlicher in der Öffentlichkeit präsentieren. Wir wollen damit der Vielfalt heimischer Filme Genüge tun. Es geht uns also nicht nur um den Glamourfaktor, sondern wir wollen mehrere Aufmerksamkeitsschneisen auf diesem Festival schlagen. DIE FURCHE: Hatten Sie genügend Zeit für Ihre erste Festival-Ausgabe, diesen Ansprüchen zu genügen? Slanar: Zeit ist nie genug, aber ich glaube, man sieht unser Konzept des scheinbaren Gegensatzes zwischen Internationalisierung und Regionalisierung schon gut abgebildet im Programm. Woran wir noch arbeiten, ist, die Diagonale auch hinaus aus dem Grazer Festival-Zentrum in andere Stadtteile zu bringen. Das beinhaltet auch, neue Partnerinnen und Partner für Zusammenarbeit und Kooperationen gewinnen können. Ich glaube aber, wir sind insgesamt nicht schlecht unterwegs.
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