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DIE FURCHE 04.01.2024

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DIE FURCHE · 1 4 Das Thema der Woche Wenn Zorn regiert 4. Jänner 2024 Jean Griffin beschreibt sich als politisch desinteressiert. Meist entscheide sie erst am Wahltag, wen sie wähle. Donald Trump möge sie als Person. Ihre Mutter habe ihn geliebt, „bis aufs Blut verteidigt“. Fotos: Nuna Strasser Von Mareike Boysen und Nina Strasser Weltweit ist vom Superwahljahr 2024 die Rede, das vor allem vom US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf und einer potenziellen Donald-Trump-Neuauflage geprägt sein könnte. Die Journalistinnen Mareike Boysen und Nina Strasser haben sich auf den Weg gemacht, um in Georgia und Louisiana Trump-Anhänger ausfindig zu machen – und sie wurden fündig. Eine Protokollauswahl. Jean Griffin Riverdale bei Atlanta, Georgia Für die meisten ist Politik eine Privatangelegenheit. Demokratisch? Republikanisch? Katholisch? Baptistisch? Siebenten-Tags-adventistisch? Du isst Fleisch? Du isst kein Fleisch? Das ist deine Sache. Mit meinem Mann rede ich weder über Politik noch über Religion. Das sind zwei Themen, die die meisten US-Amerikaner vermeiden, denn was hast du davon? Es kann gefährlich werden, wenn du dich öffentlich deklarierst. Die Leute greifen dich an, wenn du das Falsche sagst. Du kannst dafür getötet werden. Vor 24 Jahren bin ich von New York nach Atlanta gezogen und habe dieses Haus gekauft. Mit meinen Nachbarn habe ich nichts Lesen Sie auch den Text des Philosophen Peter Strasser: „Trash und Trump“ (11.11.2020) auf furche.at. Erschütternd viele Amerikaner wollen jenen Ex-Präsidenten, der die Bevölkerung spaltet, hetzt und antidemokratische Züge aufweist, erneut im Weißen Haus wissen. DIE FURCHE hörte sich vor Ort um und fragte: Warum Trump? „ Der Umriss von Wisconsin sieht wie ein Indianerhäuptling aus. Illinois sieht aus wie das Profil von Trump, der nach oben schaut. Scott Pestin “ zu tun. Es ist eine ruhige Gegend. Jeder kümmert sich um seine eigenen Angelegenheiten. Mich interessiert nicht, was nebenan passiert. Meinen direkten Nachbarn habe ich nur deshalb kennengelernt, weil er seinen Grill auf meinem Grundstück abgestellt hat. Ich habe den Grill über meine Videokameras gesehen und ihn zur Rede gestellt. Ich habe gesagt: „Wo ist die Grundstücksgrenze? Ich dachte, ich frage besser nach, denn das ist nicht mein Grill.“ Er hatte ja selbst einen Blumenkübel aufgestellt, um die Grenze zu markieren. Einmal hatte er mir gesagt, ich soll nicht vor seinem Haus parken. Ich werde doch keine Steuern zahlen, weil er seinen Mist auf meinem Grundstück abstellt. Für mich geht es nicht darum, republikanisch oder demokratisch zu sein. Ich denke darüber nach, was ich in meinem Wahlbezirk geändert haben möchte, und wähle die Person, die das aus meiner Sicht repräsentiert. Ich sehe mich als unabhängig. Ich entscheide danach, was gerade gesellschaftlich wichtig ist. Manchmal entscheide ich erst am Wahltag. Im Moment bin ich politisch nicht informiert. Ich bevorzuge Kochsendungen und Talkshows. Wenn meine Freundinnen über Politik reden, dann google ich. Aber ich habe nichts dazu zu sagen. Ich mag Trump als Person. Meine Mutter hat ihn geliebt. Sie hat seine TV- Sendung, „The Appren tice“, gesehen, und hätte ihn jederzeit bis aufs Blut verteidigt. Wenn du jemanden liebst, dann liebst du ihn – was willst du machen? Als ich etwa 20 Jahre alt war, habe ich bei einer Zeitarbeitsfirma in New York gearbeitet. Einer meiner Jobs war es, Trumps Buch „The Art of the Deal“ für den Verkauf im Mar-a-Lago mit einem Stempel zu signieren. In New York haben ihn damals alle geliebt. Trump ist lustig. Menschlich. Und er hat viele gute Dinge gemacht. Ich denke, die Leute mögen ihn, weil er Unternehmer ist. Ich bin in Jamaika geboren. Wenn du aus einem anderen Land hierherkommst und es zu etwas bringst, kann das zum Problem werden. Weil wir jemandem den Job weggenommen haben. Meine Einstellung ist: Wenn du den Job haben willst, bewirb dich dafür. Am Ende des Tages musst du deine Rechnungen bezahlen. Dafür ist egal, wer an der Macht ist. Big C bei Saint Martinville, Louisiana Was ich mache? Ich jage, fische und ficke. Trump wähle ich, weil ich an ihn glaube. An alles, was er macht. Er ist der, der er ist. Trump verstellt sich nicht. Hätte ich so viel Geld wie er, hätte ich viele Frauen. Scott Pestin bei New Orleans, Louisiana Mein Elternhaus ist durch Hurrikan Katrina zerstört worden. Wie viele andere Häuser haben wir es wieder aufgebaut. Die Versi-

DIE FURCHE · 1 4. Jänner 2024 Das Thema der Woche Wenn Zorn regiert 5 Big C Der wortkarge Farmer würde Donald Trump wählen: „Weil ich an ihn glaube“. cherungen haben gezahlt. Jetzt, seit den Hurrikans Katrina, Ida und Rita, sind alle Versicherungen im Süden pleite. Es ist so schlimm geworden, dass unsere Regierung begonnen hat, Aufstockungen von Häusern in den Vorstädten zu finanzieren. Sie setzen ganze Häuser auf Pfählen knapp fünf Meter höher. Meine Regel ist: Wenn du dir in deinem Haus darüber Sorgen machen musst, ob du schwimmen kannst, solltest du dir ein neues Haus suchen. Ich bin in New Orleans geboren und habe mein ganzes Leben hier verbracht. Lange als Fischer, heute mache ich hauptberuflich Sumpftouren für Touristen. Die Sümpfe in Louisiana hat früher der Mississippi versorgt. Seit er geradewegs zum Golf von Mexiko geleitet wird, kann er das nicht mehr leisten. Schlimmer noch: Er kann sich nicht gegen den Einbruch des Salzwassers wehren, das die Vegetation zerstört und das Land abträgt. Inzwischen verlieren wir alle 25 Minuten einen halben Hektar. Ob Trump von der Problematik schon gehört hat, weiß ich nicht. Wir brauchen jedenfalls Umleitungen, das würde das Problem lösen. Unser größtes Problem im Moment ist aber die Grenze im Südwesten. Da kommen tausende junge Männer aus der ganzen Welt jeden Tag zu uns. Ich habe die Fotos gesehen. Wir wissen nicht, wer oder was sie sind, nichts. Vor vier Jahren war dieses Land in einem so guten Zustand, und jetzt muss ich Angst um mein Leben haben? Ich habe den späteren Präsidenten Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Biloxi, Mississippi, gesehen. Es war großartig und hat mich zu einem überzeugten Unterstützer gemacht. Ich weiß nicht, ob Ihnen aufgefallen ist, dass der Umriss des Bundesstaats Wisconsin wie ein Indianerhäuptling aussieht. Mit Federn oben auf dem Kopf. Direkt unter Wisconsin ist Illinois. Und Illinois sieht aus wie das Profil von Trump. Trump, der nach oben schaut. Verstehen Sie, was ich sagen will? Ich glaube fast, Gott hat uns Trump geschickt. Es gibt diese Gruppe von Leuten, die versucht, ihn ins Gefängnis zu bringen. Für mich sind das Lügner und Mörder. Und Trump ist immer noch da! Das Einzige, was sie ihm bis heute haben nachweisen können, ist, dass er im Vorbeigehen Frauen begrabscht hat. Das war vor langer Zeit, als sich die Frauen um ihn geschart haben. Mir zeigt das nur, dass er ein Mann ist. Überhaupt hat er alles, was er im Leben brauchen könnte. Dass er sich trotzdem diesen ständigen Angriffen aussetzt, bedeutet für mich, dass er alles für unser Land machen würde. Er wäre der Beste für die ganze Welt, aber als Präsident der Vereinigten Staaten hat er Amerika an Nummer eins gesetzt. Das ist, was ein Präsident tun sollte. Scott Pestin Der Fischer empfindet die Situation an der Grenze im Südwesten der USA als das größte Problem. Dort kämen täglich tausende junge, fremde Männer ins Land. „ Die meisten Amerikaner reden weder über Politik noch über Religion. Es kann gefährlich werden, wenn du dich öffentlich deklarierst. Du kannst dafür getötet werden. “ Jean Griffin Gary LeBlanc bei Saint Martinville, Louisiana Glauben Sie mir, Sie wollen nicht hören, was die Leute hier über Biden zu sagen haben. Demokraten gibt es in dieser Gegend nicht. Egal, wen Sie hier fragen – wir unterstützen alle Trump. Zu 100 Prozent. Er hat einen sehr guten Job gemacht, als er im Weißen Haus war. Die Leute, die Biden unterstützt, warten darauf, dass er ihnen jeden Morgen einen Scheck in die Hand drückt. Diese Leute leben vom Geld der Regierung. Ich bin der Typ Mensch, der jeden Morgen in die Arbeit geht. Die letzten beiden Jahre unter Biden waren für mich geldmäßig die härtesten, die ich je erlebt habe. Haben Sie von kommunistischen Staaten gehört? Die Leute dort leben von dem, was die Regierung ihnen gibt, und sie müssen machen, was die Regierung ihnen sagt. Sie besitzen nichts: keine Waffe, kein Haus, gar nichts. In meinen Augen will Biden genau das mit den USA machen. Er will uns das Recht auf Waffenbesitz nehmen. Ich brauche aber meine Waffe zum Jagen. Sehen Sie die großen Wälder hinter uns? Dort jage ich mit meinem Sohn. Rehe, Kaninchen, Eichhörnchen. Wenn ich nicht einmal mehr jagen darf – was soll ich von dieser Welt dann noch erwarten? Wenn jemand in mein Haus einbricht, wie soll ich mich verteidigen? Mit einem Besenstiel? Wer über unsere Grenzen kommt, ist nicht mehr unter Kontrolle. Die Leute kommen aus Mexiko, aus Panama, aus dem Iran. Wir sollten sie alle im Weißen Haus absetzen. Oder in New York. Früher haben Amerikaner die Tankstelle hier betrieben. Heute sind es Iraner. Ich komme gut mit ihnen aus, aber es geht ums Prinzip. Wenn ich so ein Geschäft eröffne, bekomme ich von der Regierung keine Unterstützung. Die Iraner sind hundertprozentig unterstützt worden. Der Besitzer hat nicht nur diese Tankstelle, sondern vier oder fünf in der Gegend. Er sollte genauso Steuern zahlen wie wir. Ich bin sicher, dass er das nicht tut. Meine Vorfahren sind im 18. Jahrhundert aus Frankreich hierhergekommen. Mein Großvater hatte 32 Hektar Land. Er hat Mais angebaut, Baumwolle. Früher habe ich mit Mexikanern, Iranern, Palästinensern zusammengearbeitet. Ich hatte kein Problem mit ihnen. Die Leute, die heute kommen, wollen aber hier Geld verdienen und dann in ihr Land zurückgehen. Wir sollten nicht auch noch unser Geld ins Ausland schicken, wie Biden es macht. Warum schicken sie Waffen in Kriegsgebiete? Wenn wir selbst in den Krieg ziehen müssen, was ist dann noch für uns übrig? George und Jeanne Quirk bei Saint Martinville, Louisiana Natürlich verdient jeder Chancengleichheit – wenn er sie sich erarbeitet. Wir glauben daran, dass George und Jeanne Quirk fühlen sich bedroht und von der Biden- Regierung zu wenig beschützt. Sie sind der Meinung, Donald Trump hätte den Gaza-Krieg verhindern können und es geschafft, die Preise niedriger zu halten. „ Biden will uns das Recht auf Waffenbesitz nehmen. Ich brauche meine Waffe zum Jagen. Wenn ich nicht einmal mehr jagen darf, was soll ich von dieser Welt noch erwarten? “ Gary LeBlanc Nächste Woche im Fokus: Gary LeBlanc Die Vorfahren des Südstaatlers kamen im 18. Jahrhundert aus Frankreich in die USA. Sie hätten Mais und Baumwolle angebaut – „nicht die Hand aufgehalten“, wie heutige Zuwanderer es täten. jeder für das, was er hat, arbeiten sollte. Dafür steht Trump: für hart arbeitende Menschen und dafür, dass du bekommst, was du verdienst. Es gibt immer Menschen, die unsere Unterstützung brauchen, und die sollen sie auch erhalten. Aber wenn du einen gesunden Körper hast und für dich selbst sorgen kannst, dann solltest du das tun. Wir haben eine kleine Firma in Washington, Louisiana, die Ölbohrungen durchführt. Donald Trump unterstützt Selbstständige wie uns, er versteht unsere Anliegen. Als er im Amt war, waren die Preise viel niedriger als heute. Trump hatte die Inflation unter Kontrolle. Unser Familienleben, unseren Alltag und unser Arbeitsleben konnten wir damals deutlich besser und leichter bewältigen. Im Moment fühlen wir uns von den Kriegen in der ganzen Welt extrem bedroht. Trump würde hier ein Machtwort sprechen – gegenüber China und dem Iran. Wäre er im Amt, hätte der Krieg in Israel nie begonnen. Trump hätte sich durchgesetzt. Nach dem Westen, Osten und Norden beleuchtet DIE FURCHE nun den Süden. So reflektiert die namibische Journalistin Sonja Smith in einem Essay Zuschreibungen, Klischees und Innenansichten. Ein Augenmerk wird zudem auf afrikanische Philosophie und haitianische Literatur gelegt.

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